Vom Mythos des Funktionalismus - Hochschule für Gestaltung ...
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Der aktuelle Bezug zur modernen Architektur drängt sich auf. Auch den Banken,<br />
Versicherungen und Gemeinden geht es um Identität. Der wolkenkratzende Wettlauf zum<br />
Beispiel, den die Frankfurter Banken seit Jahren veranstalten, ist eigentlich nur noch<br />
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symbolisch zu verstehen. Von der Funktion her gibt es im Zeitalter der globalen Vernetzung<br />
keine Notwendigkeit mehr, unzählige Büroetagen übereinander zu stapeln.<br />
Doch es gibt auch positive Beispiele wie das bayrische Altmühlstädtchen Eichstätt. Der<br />
dortige Stadtplaner, Karljosef Schattner, hat Vitruv richtig verstanden. Für ihn sind die<br />
wichtigsten Elemente einer Stadt die Zeichen der Erinnerung. Schattner weiß: "Das Formale<br />
<strong>des</strong> Details entwickelt sich aus der großen Form, das hat es immer getan. Über das Detail wird<br />
die große Form begriffen, haptisch begriffen, sinnlich wahrgenommen."<br />
Die Qualität in der Architektur ist <strong>für</strong> Schattner daran zu messen, wie ein Gebäude am<br />
Eingang begriffen wird. Wenn man in ein Gebäude hineinkomme und begreife, was es sei,<br />
dann spreche das <strong>für</strong> Qualität, wenn man es nicht begreife, dann sei es eine schlechte<br />
Architektur.<br />
Im Design gibt es dazu eine einsichtige Analogie. Auch unseren Gebrauchsgegenständen muß<br />
man ansehen, was sie sind und was sie tun sollen. Dies ist auch – oder gerade – im Zeitalter<br />
der Immaterialisierung der Black-Boxes eine zentrale Aufgabe. Wenn wir schon nicht<br />
verstehen, wie die Dinge im Innern funktionieren, dann sollte wenigstens der Umgang mit<br />
ihnen so visualisiert werden, daß wir sie problemlos benutzen können.<br />
Bei Vitruv ergibt sich das Funktionale oftmals aus ganz einfachen Beobachtungen. So sollen<br />
zum Beispiel an den städtischen Plätzen die oberen Säulen etwa um ein Viertel kleiner sein<br />
als die unteren, zum einen wegen der größeren Belastung, zum anderen wegen der<br />
anzustrebenden Analogie zu den Wachstumsgesetzen der Natur. So folgte bei Vitruv die<br />
Form der Funktion.<br />
Aus einer weiteren Naturbeobachtung, der Analyse der Schallwellen, leitet Vitruv Regeln <strong>für</strong><br />
die Anordnung der Stufenfolge beim Bau von Theatern ab. Mit dem Ziel, unter<br />
Berücksichtigung der Tonmessungen der Mathematiker und der Gesetze der Akustik die<br />
Stimme <strong>des</strong> Schauspielers klar und wohlklingend bis ans Ohr <strong>des</strong> Zuschauers zu führen.<br />
Ähnlich wie man Instrumente aus dünnen Metallblechen oder mit Resonanzböden aus Horn