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Vom Mythos des Funktionalismus - Hochschule für Gestaltung ...

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Dabei ging er von einem sehr modernen sozialen Bild seines Berufsstan<strong>des</strong> aus: Er verstand<br />

die Aufgabe von Architekt und Architektur als Dienst an der Menschheit. Wir finden hier also<br />

bereits eine der wesentlichsten Begründungen <strong>des</strong> <strong>Funktionalismus</strong> im 20. Jahrhundert: Nicht<br />

die individuelle Verwirklichung <strong>des</strong> Architekten (oder Designers) macht <strong>des</strong>sen Wesen aus,<br />

sondern die Sozialbindung seines Entwurfs.<br />

Beispielhaft sei gezeigt, wie Alberti Vitruvs Nützlichkeitsbegriff (utilitas) in diesem Sinne<br />

variierte und differenzierte. So beschreibt er verschiedene Gebäudetypen, <strong>für</strong> die jeweils<br />

angemessene <strong>Gestaltung</strong>en zu finden seien, zum Beispiel solche <strong>für</strong> die Bedürfnisse <strong>des</strong><br />

Lebens (necessitas), <strong>für</strong> die Zweckmäßigkeit (oportunitas) und <strong>für</strong> das Vergnügen (voluptas).<br />

Die Architektur habe sich an den Anforderungen der menschlichen Individualität<br />

auszurichten, sie müsse über den bloßen Zweck hinausweisen. (16) Eine monofunktionale<br />

Zweckbestimmung lehnt Alberti ab.<br />

Auch zum Thema Ornament nimmt Alberti gegenüber Vitruv eine differenzierte, freilich<br />

reichlich rigide Position ein. Für ihn ist das Ornament etwas Aufgesetztes, kein integraler<br />

Bestandteil der Architektur, sondern nur "erdichteter Schein".<br />

Es gibt wohl kein besseres Architekturensemble als die Stadt Florenz, um die Lehren Vitruvs<br />

vor Ort zu studieren. Als Beispiel möchte ich die Pazzi-Kapelle im Museo dell'Opera di Santa<br />

Croce von Filippo Brunelleschi anführen. Dieses berühmte Bauwerk aus der Frührenaissance<br />

zeigt, wie eng Architektur, Wissenschaft und Kunst zusammengearbeitet haben, um ein<br />

ganzheitliches Kunstwerk zu erreichen. Alle Erkenntnisse der Technologie, der Geometrie,<br />

der Archäologie, der Theologie und der (platonischen) Philosophie wurden da<strong>für</strong> aufgeboten.<br />

Die Schönheit einfacher Formen, ein Postulat <strong>des</strong> <strong>Funktionalismus</strong>, das im 20. Jahrhundert<br />

zum Diktum wurde, kann man hier noch in seinem ursprünglichen Sinn erfahren.<br />

Ein weiteres Beispiel <strong>für</strong> den in Florenz zu besichtigenden "vorweggenommenen<br />

<strong>Funktionalismus</strong>" sind die Uffizien. Als man Mitte <strong>des</strong> 16. Jahrhunderts nach den Plänen<br />

Giorgio Vasaris mit deren Bau begann, mußte man wegen der schwierigen<br />

Bodenbedingungen (Sandböden der Arno-Flußebene) erstmals in der Baugeschichte den<br />

eingesetzten Zement mit Ketten und Zugankern durchsetzen. Die bis dahin gebräuchliche,<br />

scheinbar zwangsläufige innige Verbindung von Form und Material wurde unterbrochen.

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