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Vom Mythos des Funktionalismus - Hochschule für Gestaltung ...

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15<br />

Die dritte Antike war die Epoche <strong>des</strong> Klassizismus im ausgehenden 18. und beginnenden 19.<br />

Jahrhundert. In dieser Zeit fand eine Rückbesinnung auf die Antike statt. Johann Joachim<br />

Winckelmann zum Beispiel wollte dem angeblichen "Zerfall der Kunst", den er insbesondere<br />

im Barock sah, durch den Normenkanon der griechischen Idealität entgegenwirken. In seinen<br />

"Anmerkungen über die Baukunst der Alten" machte er sich grundsätzliche Gedanken über<br />

die Architektur. Mit den Begriffen "das Wesentliche" und "die Zierlichkeit" prägte er die<br />

noch heute gültigen Bereiche der "Funktion und <strong>des</strong> Ornaments" (17).<br />

Doch Winckelmann war nur ein Vorläufer. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe<br />

war es, der die Sehnsucht nach Arkadien bei uns so richtig schürte und – heute würde man<br />

sagen medial verbreitete. Während seiner italienischen Reise (1786 bis 1788) setzte er sich<br />

mit Vitruv und Palladio auseinander und beschäftigte sich eingehend mit der griechischen und<br />

römischen Architektur. Der in seiner Jugend von gotischen Formen faszinierte Dichter kehrte<br />

als "Klassiker" nach Deutschland zurück. Sein 1795 verfaßter Aufsatz über die "Baukunst", in<br />

dem er Fragen <strong>des</strong> Materials, der Zwecke sowie der ästhetischen Wirkungen (18) behandelt,<br />

ist noch heute lesenswert.<br />

Typisch <strong>für</strong> das 19. Jahrhundert ist sodann die enge Verknüpfung von Philosophie, Ästhetik<br />

und Architektur (zu der es im Design leider nicht gekommen ist). Der in Berlin lehrende Carl<br />

Boetticher formulierte den Grundsatz, die Form solle die Funktion eines Bauwerkes sichtbar<br />

machen, ohne mit ihr identisch zu sein. Der Unterschied liege zwischen der "Werkform", dem<br />

konstruktiven Gerüst, und der "Kunstform", im Sinne der künstlerischen Form der einzelnen<br />

Bauelemente (9).<br />

Karl Friedrich Schinkel – wie Goethe durch Italienreisen geprägt sowie durch die Lektüre der<br />

Schriften Durands – entwickelte eine "Theorie <strong>des</strong> <strong>Funktionalismus</strong>", die sich ausschließlich<br />

an den Gesichtspunkten Material, Raumverteilung und Konstruktion orientierte. Sein<br />

komplexes Architekturverständnis berücksichtigte nicht nur funktionale und formale, sondern<br />

auch soziale und historische Faktoren und näherte sich damit bereits dem modernen<br />

<strong>Funktionalismus</strong>begriff <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts.<br />

Die vierte Antike beginnt <strong>für</strong> mich mit der Postmoderne. Man könnte sie auch mit der<br />

kurzfristigen Rückbesinnung auf die Antike im nationalsozialistischen "Dritten Reiche"<br />

beginnen lassen. Doch das hieße, die ausschließlich der Machtdemonstration dienende

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