Vom Mythos des Funktionalismus - Hochschule für Gestaltung ...
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Im dritten Kapitel <strong>des</strong> ersten Buches führt Vitruv dann aus, alle Bauwerke müßten drei<br />
Kategorien genügen: der Festigkeit (firmitas), der Zweckmäßigkeit (utilitas) und der<br />
Schönheit (venustas).<br />
Der Festigkeit wird nach Vitruv dadurch Rechnung getragen, daß die Gründung bis zum<br />
tragfähigen Boden hinabgetrieben wird und alle Baustoffe sorgfältig ausgesucht werden.<br />
Zweckmäßig wird ein Bau, wenn die Anlage der Räume richtig ist, die Räume selbst<br />
uneingeschränkt gebrauchsfähig sind und ihre Verwendungsart der jeweiligen<br />
Himmelsrichtung entspricht.<br />
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Schönheit wird der Bau besitzen, wenn der Anblick <strong>des</strong> Werkes angenehm und die Bauglieder<br />
die richtige (symmetrische) Proportion haben.<br />
Mit diesen drei globalen Kategorien legt Vitruv die Grundlage <strong>für</strong> den heutigen<br />
<strong>Funktionalismus</strong>begriff und zeigt uns zugleich, wie einseitig sich die <strong>Funktionalismus</strong>debatte<br />
der 60er und 70er Jahre auf das Zweckmäßige festgelegt hat. Die Schönheit wurde negiert.<br />
Adorno hat diese Einseitigkeit <strong>des</strong> Funktionalen am <strong>Funktionalismus</strong> anläßlich eines<br />
Vortrages beim Deutschen Werkbund im Jahre 1965 sehr klar herausgearbeitet:<br />
"Die Zukunft von Sachlichkeit ist nur dann eine der Freiheit, wenn sie <strong>des</strong> barbarischen<br />
Zugriffs sich entledigt: nicht länger den Menschen, deren Bedürfnis sie zu ihrem Maßstab<br />
erklärt, durch spitze Kanten, karg kalkulierte Zimmer, Treppen und ähnliches sadistische<br />
Stöße versetzt. Fast jeder Verbraucher wird das Unpraktische <strong>des</strong> erbarmungslos Praktischen<br />
an seinem Leib schmerzhaft gespürt haben; daher der Argwohn, was dem Stil abgesagt, sei<br />
bewußtlos selber einer." (13)<br />
Immer wieder überrascht, wie aktuell Vitruvs Aufzeichnung aus der Zeitenwende heute noch<br />
sind. Auch stecken seine Bücher bereits voller ökologischer Gedanken. So führt er im neunten<br />
Kapitel <strong>des</strong> fünften Buches bei der Beschreibung der Wandelgänge von Theatern aus, daß die<br />
offenen Mittelräume mit Grünanlagen zu bepflanzen seien. Denn es sei erfrischend, sich unter<br />
freiem Himmel zu ergehen. Die Luft würde durch die Atmung der Pflanzen gereinigt, die