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Vom Mythos des Funktionalismus - Hochschule für Gestaltung ...

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Interessant an diesem Katalog ist vor allem die Betonung der Ästhetik. Allein fünf oder sechs<br />

Kriterien sind im weitesten Sinne "ästhetisch". Die "<strong>Gestaltung</strong>", um das Wort Design vorerst<br />

noch zu vermeiden, ist <strong>für</strong> Vitruv die Grundlage der Baukunst. Der Mensch, dem die<br />

<strong>Gestaltung</strong> zu dienen habe, steht im Mittelpunkt seiner Überlegungen. Man könnte sagen,<br />

Vitruv begründete einen <strong>Funktionalismus</strong> mit menschlichem Antlitz.<br />

So galt zum Beispiel seine Aufmerksamkeit der Beachtung der Windrichtung bei der<br />

Anlegung von Städten. Da kalte Winde unangenehm, warme in<strong>des</strong> gesundheitsschädlich und<br />

feuchte überhaupt unzuträglich seien, müsse man zweckmäßig (das heißt funktional) solche<br />

Nachteile zu vermeiden suchen.<br />

Am Beispiel der griechischen Stadt Mithylene (auf der Insel Lesbos) weist er nach, wie<br />

unzweckmäßig eine Stadt angelegt werden könne: Bei Südwind würden die Bewohner krank,<br />

bei Nordwestwind husteten sie, würden sich dann bei Nordwind wieder erholen, doch könnten<br />

sie wegen der Kälte nicht ins Freie. Wer die Problematik der Winde kennt, die um die<br />

Hochhausbauten in den modernen Metropolen oder deren Trabantenstädten auftreten können,<br />

sollte sich an diese Darlegung <strong>des</strong> antiken Baumeisters erinnern.<br />

Aber auch den menschlichen Winden gilt das Interesse Vitruvs. So sei beim Bau von<br />

Theatern zu beachten, daß der Zuschauerraum nicht der unmittelbaren Bestrahlung durch die<br />

Sonne ausgesetzt werden dürfe, denn die Hitze würde sich in den Rundungen fangen und in<br />

der unbewegten Luft noch zunehmen, so daß Körperausdünstungen unerträglich und die<br />

Widerstandskraft <strong>des</strong> Körpers gar geschwächt würden.<br />

Verweilen wir noch einen Augenblick bei den wenigen, aber einprägsamen Regeln der<br />

Baukunst. Übersichtlich und verständlich sind die Worte Vitruvs. Hier drängt sich ein<br />

Vergleich mit einer Kriterienliste aus den 70er Jahren unseres Jahrhunderts auf, als man<br />

versuchte, das "Design meßbar zu machen" (12). 60 technisch-funktionale Fragen und sechs<br />

Designkriterien wurden damals aufgelistet, 38’400 Daten erhoben und den Computern<br />

eingegeben. Nach langen Berechnungen lagen die jeweiligen "Designbeurteilungen" vor.<br />

Das "meßbare Design" hatte sich als Irrweg erwiesen, die Design-Debatte war aufgrund ihrer<br />

erschreckend dogmatischen Positionen in eine Sackgasse geraten. Die wilden Attacken der<br />

Kritiker zu Beginn der 80er Jahre waren die – voraussehbare – Folge.

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