M. Riat, Graphische Techniken (v. 3.0) 229 a b c d e f Muster III
M. Riat, Graphische Techniken (v. 3.0) 229 a b c d e f Muster III
M. Riat, Graphische Techniken (v. 3.0) 229 a b c d e f Muster III
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
M. <strong>Riat</strong>, <strong>Graphische</strong> <strong>Techniken</strong> (v. <strong>3.0</strong>) 231<br />
Trennlinien beobachtet werden. Diese Aufteilung ist darin begründet,<br />
dass manchmal grossformatige Holzschnitte auf mehrere Graveure einer<br />
selben Werkstatt aufgeteilt wurden, um Zeit zu gewinnen. Zuletzt leimte<br />
ein spezialisierter Holzschneider die einzelnen Blöcke zu einer einzigen<br />
Platte zusammen und bearbeitete die dünnen Ränder, die seine Kollegen<br />
ausgelassen hatten so, dass ein einheitliches Ganzes entstand.<br />
Der Tiefdruck in seiner manuellen Version wird durch eine Prägung<br />
der Papieroberfläche ausgezeichnet, die der Schattierung des Hochdrukkes<br />
entgegengesetzt ist. Die Prägetiefe variiert mit der Tiefe der Rille und<br />
damit auch mit der in jedem Gebiete abgesetzten Farbmenge. Die Figur<br />
"Strichmanieren des manuellen Tiefdrucks" charakterisiert die typischen<br />
Strukturen, die wir antreffen können.<br />
Der Grabstichel hinterlässt in der Platte eine scharf begrenzte Rille,<br />
die immer in einer Spitze endet. Dank des dreieckigen Querschnitts des<br />
Grabstichels ist die Breite der Linie zur Tiefe der Rille und zur Farbmenge<br />
1 proportional. Eine Ausnahme bildet die Linie der sogenannten<br />
Échoppe, eines Grabstichels mit rundem Querschnitt, der je nach dem<br />
Drehwinkel der Achse breitere oder schmalere Linien erzeugt. Als Erfinder<br />
der Échoppe wird in gewissen Quellen Callot 2 angegeben. Die Radiernadel<br />
der Kaltnadeltechnik, die kein Material aus der Oberfläche der<br />
Platte abhebt, sondern nur eine Neuverteilung desselben bewirkt, wie dies<br />
etwa beim Pflügen eines Ackers der Fall ist, erzeugt unbestimmte, von<br />
einem charakteristischen Hof umgebene Linien. Dieser Hof neigt beim<br />
Druck grösserer Auflagen leicht zum Verschwinden. Der Grat, der bei der<br />
Kaltnadelradierung den besagten Hof erzeugt (sofern er nicht mit dem<br />
Schabeisen entfernt wird), verursacht auf dem Papier mitunter eine sichtbare<br />
Prägung, die natürlich der gewöhnlichen Prägung der Tiefdruckverfahren<br />
entgegengesetzt ist. Mit dem Retroussage, das darin besteht, mit<br />
einem Tuch über die eingefärbte erwärmte Platte zu wedeln, können anhand<br />
beliebiger Strichtechniken ähnliche Effekte erzielt werden, wie mit<br />
der Kaltnadelradierung. Die dritte Strichmanier de manuellen Tiefdruckverfahren<br />
ist die Strich- oder Linienradierung. Die Radierung ist meist auf<br />
der chemischen Wirkung der Salpetersäure oder des Eisenchlorids auf die<br />
Platte begründet. Eisenchlorid ist nicht für die Ätzung von Zinkplatten<br />
geeignet. Die Salpetersäure arbeitet rascher, aber ihre Wirkung ist viel<br />
schwieriger zu steuern, und die Linien sind weniger regelmässig, was<br />
allerdings vielfach den Künstlern willkommen ist. Eisenchlorid arbeitet<br />
langsamer, hat aber den Vorteil, dass die Wände der Rillen viel senkrechter<br />
ausfallen und fast so sauber drucken wie die Linien des Grabstichels.<br />
Die Abbildung 'Strichmanieren des manuellen Tiefdrucks' charak-<br />
1 Genaugenommen ist das Quadrat der Breite zur Farbmenge proportional.<br />
2 Jacques Callot (1592-1635).