leitartikel - Zahnärztekammer Niedersachsen
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Abb.34) Nach Reduzierung der vertikalen Relation<br />
infolge Knochenabbaues entstehen<br />
Primärkontakte auf Protrusionsfacetten<br />
Würde man abrasionsfähige Kunststoffzähne<br />
verwenden, die sich zumindest<br />
zum Teil den sich verändernden<br />
antagonistischen Beziehungen durch<br />
Abrasion anpassen, wäre der Schaden<br />
geringer.<br />
Wenn man nun weiter bedenkt, daß<br />
ein unveränderlicher Kauflächenkomplex<br />
in einer nach dorsal gestauchten<br />
Unterkieferlage angefertigt wird, die<br />
Muskelführung den Unterkiefer aber<br />
weiter ventral okkludieren läßt, dann<br />
entstehen Primärkontakte schon von<br />
Anfang an, dann braucht man erst gar<br />
nicht auf Knochenabbau zu warten.<br />
Mit anderen Worten: die Gnathologie<br />
kam, Probleme sind geblieben.<br />
Der Rückzug aus der retrudierten Unterkieferposition<br />
erfolgte auf groteske<br />
Art: long centric, Dorsalschub mit 80g,<br />
Dawson Griff usw.. Heute liegt der<br />
Kondylus wieder etwas ventral vom<br />
Zenit der Gelenkpfanne am dorsalen<br />
Abhang des Tuberculum articulare.<br />
Aufstellung der Zähne: Auch in der<br />
Aufstellung der Zähne hat sich ein bemerkenswerter<br />
Wandel vollzogen. Die<br />
künstlichen Zähne sollten aus statischen<br />
Gründen senkrecht über den jeweils<br />
verbliebenen Kamm gestellt werden,<br />
so hieß es noch in den 60er Jahren.<br />
Die prächirurgische Sofortprothese,<br />
bei der die künstlichen Zähne an<br />
die Stelle der natürlichen gestellt werden,<br />
wurde abgelehnt, weil nach Ausheilung<br />
der Extraktionswunden die<br />
künstlichen Zähne dann nicht mehr<br />
über dem durch Schrumpfung veränderten<br />
Kieferkamm stehen würden.<br />
Strack hat durch seine These, daß die<br />
natürlichen Zähne im Gleichgewicht<br />
der akzessorischen Kaumuskeln stehen,<br />
das Nachdenken über biologische Vorgänge<br />
sehr gefördert. Ein Körper ist<br />
dann im statischen Gleichgewicht,<br />
wenn die Summe der einwirkenden<br />
Kräfte = Null ist. Wenn man diesen<br />
Lehrsatz in Einklang bringt mit dem<br />
Bewegungsablauf beim Kauvorgang,<br />
mit der Kauschlaufe, dann bleibt wirklich<br />
nur die Konsequenz, die künstlichen<br />
Zähne an die Stelle der natürlichen<br />
zu stellen. Eine weitere Überlegung<br />
führt zu dem gleichen Ergebnis.<br />
Das Ziel der Zahnheilkunde ist es, gesunde<br />
Zähne gesund zu erhalten. Gelingt<br />
dies, dann stehen sie im Alter<br />
noch an derselben Stelle, an der sie in<br />
der Jugend gestanden haben.<br />
Werden die Zähne über den jeweils<br />
verbliebenen Alveolarfortsatz gestellt,<br />
dann müssen im Oberkiefer, da dieser<br />
mit dem Knochenabbau immer kleiner<br />
wird, immer kleinere Zähne aufgestellt<br />
werden. Das bedeutet geradezu eine<br />
Stigmatisierung eines alten Zahnlosen.<br />
Wie anders können heute ältere Menschen<br />
befreit und ohne Hemmung lachen,<br />
wenn die künstlichen Zähne<br />
wirklich der Ersatz der natürlichen sind<br />
(Abb. 35).<br />
Der Kunststoff: Anfang der 50er Jahre<br />
war der Kautschuk als Prothesenbasiswerkstoff<br />
durch die Akrylate schon<br />
verdrängt worden. Die Verarbeitung<br />
der Akrylate wurde aber fortlaufend<br />
verbessert. Die gefürchteten Porösitäten<br />
in dicken Kunststoffschichten wurden<br />
durch die Polymerisation unter<br />
Druck (Drupo) eliminiert.<br />
Da Kunststoffe einer Polymerisationsschrumpfung<br />
und einer thermischen<br />
Schrumpfung unterliegen, entstehen<br />
innere Spannungen, die sich zum Teil<br />
lösen, wenn die Prothese aus dem<br />
Gipskorsett befreit ist. Dadurch entste-<br />
a<br />
b<br />
Abb.35) Zahnstellungen in der Totalprothetik<br />
a) sogenannte „statische Aufstellung“<br />
nach Knochenabbau<br />
b) Künstliche Zähne an der Stelle der<br />
natürlichen<br />
hen logischerweise Paßungenauigkeiten.<br />
Die unzureichende Formfüllung<br />
kann man durch Nachpreßverfahren im<br />
wesentlichen ausschließen.<br />
Durch langsame Auskühlung über<br />
Nacht läßt sich ebenfalls das Einfrieren<br />
innerer Spannungen reduzieren.<br />
Außerdem wurde durch Weiterentwicklung<br />
der Autopolymerisate deren<br />
Verwendbarkeit auch für Totale Prothesen<br />
möglich, was deshalb von Vorteil<br />
ist, weil bei ihnen weniger Spannungen<br />
entstehen.<br />
Nachregistrieren: Wegen der Fehlermöglichkeiten<br />
bei der Kieferrelationsbestimmung,<br />
wegen der Ungenauigkeiten<br />
bei der Überführung der Wachsform<br />
in Kunststoff und wegen der<br />
Wasseraufnahme ist es nicht nur ratsam,<br />
sondern im Grunde zwingend<br />
notwendig, daß die fertige Prothese<br />
nachregistriert wird. Dies sollte aber<br />
nicht sofort, sondern erst etwa 14 Tage<br />
nach dem ersten Einfügen geschehen,<br />
weil die Wasseraufnahme abgeschlossen<br />
sein sollte, weil grobe Druckstellen<br />
beseitigt sein sollten und weil der Patient<br />
den Ersatz schon ein wenig adaptiert<br />
haben sollte. Man erkennt nach<br />
solchen Maßnahmen, daß fast alle Prothesen<br />
okklusal und somit insgesamt<br />
optimiert werden können und daß<br />
manche Prothesen mit Hilfe der Nachregistrierung<br />
überhaupt erst funktionstüchtig<br />
gemacht werden können<br />
(Abb. 36). Leider hat es die Standesführung<br />
versäumt, die für die Patienten<br />
so segensreiche therapeutische<br />
Maßnahme in den Kanon der Arbeitsschritte<br />
für die Herstellung von Totalprothesen<br />
aufnehmen zu lassen.<br />
Nachsorge: Totalprothesenträger sollten<br />
regelmäßig nachkontrolliert werden,<br />
da, wie dargestellt, Veränderungen<br />
des Fundamentes immer Veränderungen<br />
der Okklusion zur Folge haben,<br />
die ihrerseits die Veränderungen des<br />
Fundamentes beschleunigen. Sobald<br />
man Primärkontakte auf Protrusionsfacetten<br />
diagnostiziert, muß gehandelt<br />
werden.<br />
Für die Nachkontrolle bringt das Nachregistrieren<br />
mit Hilfe von Verfahren,<br />
bei denen die räumliche Beziehung<br />
zwischen Kiefergelenk und Kauebene<br />
ermittelt wird, wichtige Hinweise. Liegt<br />
das Gelenk zur Kauebene vorn oben,<br />
muß engmaschig kontrolliert werden,<br />
weil dann mit der Reduzierung der<br />
vertikalen Relation jeweils eine relativ<br />
starke Vorverlagerung des Unterkiefers<br />
verbunden ist. Liegt das Gelenk zur<br />
Kauebene hinten unten, reichen Kon-<br />
ZAHNÄRZTLICHE<br />
NACHRICHTEN<br />
NIEDERSACHSEN 5/00<br />
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