leitartikel - Zahnärztekammer Niedersachsen
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- Stark entzündete Mundschleimhaut<br />
aber kein Brennen.<br />
- Stark entzündete Mundschleimhaut<br />
und Burning-Mouth-Syndrome. Nach<br />
völliger Beseitigung der Entzündung<br />
durch Prothesen- und Mundhygiene<br />
sowie durch okklusale Optimierung<br />
bleibt das Brennen bestehen.<br />
- Unabhängig vom Zustand der<br />
Schleimhaut bleibt nach Herauslassen<br />
der Prothese das Brennen bestehen.<br />
Konsequenz: In den vergangenen 40<br />
Jahren wurden in allen zur Anfertigung<br />
von Totalprothesen gehörenden<br />
Arbeitsschritten große Fortschritte erzielt.<br />
Werden diese optimal genutzt,<br />
kann man die Totalprothetik als weitgehend<br />
ausgereift bezeichnen. Allerdings<br />
ist der Bedarf gesunken, weil viele<br />
Menschen noch eigene Zähne bis zu<br />
ihrem Tode behalten. Wenn man aber<br />
Totalprothesen nicht mehr so oft anfertigen<br />
muß, dann muß man sich für<br />
diese Aufgabe besonders vorbereiten.<br />
Gerontoprothetik<br />
Bezüglich der Behandlung der älteren<br />
und alten Patienten haben die<br />
Untersuchungen zur oralen Stereognosie<br />
und zur muscular ability<br />
entscheidende Fortschritte gebracht.<br />
Dabei überraschte zunächst, daß nicht<br />
die muscular ability, die Fähigkeit der<br />
oralen Muskulatur zur Feinkoordination,<br />
für das Adaptieren entscheident ist,<br />
sondern die stereognostischen Fähigkeiten.<br />
Im Englischen spricht man beim<br />
Testen dieser Fähigkeiten vom R F-Test<br />
(recognition of forms) und es ist wichtig<br />
zu wissen, daß im Englischen recognition<br />
nicht nur "Erkennen" heißt,<br />
sondern auch "Wiedererkennen" und<br />
um das Wiedererkennen geht es. Um<br />
die komplizierten Zusammenhänge zu<br />
vereinfachen: der alte Mensch kann<br />
immer nur kleine Veränderungen im<br />
Munde adaptieren, es müssen stets<br />
große Bereiche erhalten bleiben, die<br />
das Gewebe, die orale Muskulatur<br />
schon kennt, bzw. wiedererkennt. Das<br />
hat zur Folge, daß man ausgediente,<br />
aufgebrauchte Prothesen nicht durch<br />
neue ersetzen sollte, sondern daß man<br />
die alten Prothesen schrittweise aufarbeiten<br />
sollte.<br />
Unter den aufgezeigten Aspekten<br />
kommt der prächirurgischen Sofortprothese<br />
und der Aufbauprothese besondere<br />
Bedeutung zu.<br />
Diese wenigen Anmerkungen zur Gerontoprothetik<br />
reichen natürlich nicht<br />
aus, die Wichtigkeit dieser Sparte, die<br />
in Zukunft an Umfang und im Schwie-<br />
rigkeitsgrad sehr zunehmen wird, auch<br />
nur annähernd zu beschreiben. Vor allem<br />
macht die notwendige Berücksichtigung<br />
allgemein-medizinischer Krankheiten<br />
eine intensive Kooperation mit<br />
den jeweils zuständigen Fachärzten<br />
notwendig.<br />
Implantate<br />
Implantate stellen eine wertvolle Bereicherung<br />
der prothetisch restaurativen<br />
Zahnheilkunde dar, und zwar in allen<br />
Bereichen, im Bereich der Kronen-<br />
Brückenprothetik, der Hybridprothetik<br />
und der Totalprothetik. Für zahnlose<br />
adaptierunfähige Patienten bedeuten<br />
sie geradezu eine Erlösung.<br />
Der Dauererfolg von Implantaten<br />
hängt allerdings in starkem Maße von<br />
der Mitarbeit des Patienten ab, m.a. W.<br />
von seiner Mundhygiene. Läßt sich der<br />
Patient dazu nicht motivieren, sind Implantate<br />
nicht indiziert.<br />
Mit Entschiedenheit muß man der Hybris<br />
eines Implantologen entgegentreten,<br />
der unter dem Kapitel 'Die Philosophie<br />
des implantatgetragenen Zahnersatz'<br />
folgendes formuliert, Zitat:<br />
„Viele Jahre lang bestand das wichtigste<br />
Ziel der Zahnheilkunde darin, das<br />
natürliche Gebiß möglichst lange zu<br />
erhalten. Heute hat sich unser Denkansatz<br />
verändert, nachdem wir in den<br />
letzten Jahren gesehen haben, welch<br />
gute Ergebnisse mit osseointegrierten<br />
Implantaten erzielt werden.“<br />
Einen Kommentar zu solcher "Philosophie"<br />
erspart man sich am besten.<br />
Psychagogik und<br />
das beratende Gespräch<br />
Art und Umfang einer Patientenberatung<br />
sind heute gewissermaßen<br />
rechtlich vorgeschrieben.<br />
Dabei spielen zwei unveränderbare<br />
Größen die entscheidende Rolle: der<br />
Wille des Patienten und die Fachkenntnisse<br />
des Zahnarztes. „Das Recht jedes<br />
einzelnen Menschen zur Selbstbestimmung<br />
geht auch eindeutiger Notwendigkeit<br />
zur Erhaltung der Gesundheit<br />
eines Menschen vor. Der Arzt darf danach<br />
auch eine medizinisch eindeutig<br />
indizierte Behandlungsmaßnahme<br />
nicht ohne oder gar gegen den Willen<br />
des Patienten durchführen.“ Das ist der<br />
Tenor höchstrichterlicher Entscheidungen.<br />
Der Patient kann seinen Willen<br />
aber nur kundtun, wenn er weiß, was<br />
mit ihm geschehen soll. Er muß also<br />
soweit aufgeklärt werden, daß er imstande<br />
ist, mit zu entscheiden. Dies<br />
verpflichtet den Zahnarzt, den Patien-<br />
ten darüber zu informieren, welche Behandlungsmöglichkeiten<br />
bei ihm auf<br />
der Basis eines sorgfältig erhobenen<br />
Befundes bestehen.<br />
Es reicht nicht aus, daß man ihm nur<br />
einen Therapievorschlag macht, man<br />
muß ihm, sofern es welche gibt, was<br />
bei Lückengebissen immer der Fall ist,<br />
auch Alternativen aufzeigen. Es muß<br />
ihm aufgezeigt werden, was die einzelnen<br />
Konstruktionen leisten und welche<br />
Nachteilen ihnen anhaften, m.a.W.<br />
welche Erfolgsaussichten jeweils bestehen.<br />
Zum Erfolg gehört nicht nur die<br />
aktuelle Funktionstüchtigkeit, sondern<br />
auch die Dauer der Funktionstüchtigkeit<br />
sowie der orale Komfort. Natürlich<br />
muß auch dargelegt werden, welche<br />
Risiken im einzelnen vorliegen und mit<br />
welchen Kosten zu rechnen ist.<br />
Aufgrund des Charakters des Patienten,<br />
seiner Auffassungsgabe, seines Interesses<br />
an seinem Gebiß und seiner Einstellung<br />
zu dem ihn behandelnden<br />
Zahnarzt und dem ärztlichen Stand<br />
überhaupt kann die Beratung recht<br />
unterschiedlich ausfallen.<br />
Kurz und zusammenfassend kann man<br />
folgendes formulieren.<br />
- Wer viel fragt, muß viele Antworten<br />
bekommen.<br />
- Wer uninteressiert ist, kann kürzer<br />
beraten werden.<br />
- Wer entscheidungsschwach ist,<br />
braucht Entscheidungshilfen.<br />
- Wer vertraut, darf nicht enttäuscht<br />
werden.<br />
Zusammenfassung<br />
Wenn man den Wandel in der<br />
prothetisch restaurativen<br />
Zahnheilkunde in den vergangenen<br />
40/45 Jahren benennen will,<br />
dann kann man summarisch feststellen,<br />
daß uns die Umstellung von einer<br />
kurativ mechanistisch-technischen Behandlung<br />
auf eine biologisch prophylaxe-orientierten<br />
Behandlung gelungen<br />
ist.<br />
Dieses sehr erstrebenswerte Ergebnis<br />
wurde aber erst auf Umwegen erzielt,<br />
mitbedingt durch das von den Krankenkassen<br />
gehandhabte finale Prinzip,<br />
wonach erst dann eine Behandlung bezahlt<br />
oder bezuschußt wurde, wenn eine<br />
Krankheit ausgebrochen war, wenn<br />
ein Zahnschaden entstanden war. Prophylaxe<br />
wurde nicht honoriert. Natürlich<br />
kann man sagen, daß zunächst<br />
nachgewiesen wirksame Konzepte und<br />
Maßnahmen vorhanden sein müssen,<br />
ehe Prophylaxe bezahlt wird. Aber<br />
ZAHNÄRZTLICHE<br />
NACHRICHTEN<br />
NIEDERSACHSEN 5/00<br />
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