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Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2005-04

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Rechtsprechung<br />

Allgemeines Vertragsrecht<br />

nach einer mutmaßlichen Zuordnungsentscheidung des früheren<br />

Betriebsinhabers oder nach dessen früheren oder späteren<br />

Wünschen. Denn der Übergang des Arbeitsverhältnisses<br />

ist eine Rechtsfolge, des objektiven Vorgangs der Betriebsteil-<br />

Übernahme.<br />

Bei Berücksichtigung dieser objektiven Gesichtspunkte wäre<br />

eine Teilung des Arbeitsverhältnisses entsprechend der<br />

Betriebsteilung die nächstliegende Möglichkeit. Es entstände<br />

dann ein Teilzeit-Arbeitsverhältnis mit dem einen<br />

Betriebsteil-Übernehmer und komplementär ein zweites<br />

Teilzeit-Arbeitsverhältnis mit dem Inhaber des anderen<br />

Betriebsteils. Dieser Möglichkeit stehen jedoch erhebliche<br />

Hindernisse entgegen, z. B. bei der Abstimmung der zeitlichen<br />

Lage der Arbeitszeit und bei der Einhaltung von Wettbewerbsverboten,<br />

sodass sie ausscheidet.<br />

Es bleibt dann nur die Möglichkeit, das nicht vorher zugeordnete<br />

Arbeitsverhältnis dem größeren der Betriebsteile zuzuordnen.<br />

Für den Erwerber des größeren Teils kommt dann<br />

eine Anpassung des Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung,<br />

notfalls im Wege der Änderungskündigung, an die Größe des<br />

übernommenen Betriebsteils infrage.<br />

Demgemäß gehört das Arbeitsverhältnis des Klägers zu den<br />

von der Beklagten übernommenen Betrieben. Der Betrieb und<br />

der übernommene ist Teil mit insgesamt ca. 640 Arbeitnehmern<br />

deutlich größer als der nicht übernommene Teil, zu dem<br />

ca. 150 Arbeitnehmer gehörten.<br />

4. Das Recht zur Geltendmachung des Fortbestehens des<br />

Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten ist nicht verwirkt.<br />

Die Geltendmachung eines Betriebsübergangs durch den<br />

Arbeitnehmer kann zwar wie jeder andere Anspruch aus<br />

dem Arbeitsverhältnis verwirkt werden (BAG v. 8.08.2002<br />

– 8 AZR 583/01 – ; vom 20.05.1988 – 2 AZR 711/87 – AP<br />

Nr. 5 zu § 242 BGB Prozessverwirkung). Der Anspruch ist<br />

verwirkt, wenn, der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf<br />

eines längeren Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment)<br />

und dadurch beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand<br />

geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen<br />

(Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes<br />

auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des<br />

Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des<br />

Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG vom 22.07.20<strong>04</strong> –<br />

8 AZR 394/03 – BB <strong>2005</strong>, 216 m. w. N.).<br />

Allerdings hat der Kläger den Übergang seines Arbeitsverhältnisses<br />

erst lange Zeit nach der Betriebsübernahme geltend<br />

gemacht. Die Beklagte hat den Betrieb zum 01.01.2003 übernommen.<br />

Der Kläger hat sich erst mit Anwaltsschreiben vom<br />

08.<strong>04</strong>.20<strong>04</strong> an die Beklagte gewandt und sie aufgefordert,<br />

ihn zu beschäftigen. Bedenkt man, dass für den umgekehrten<br />

Fall, dass ein Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang dem<br />

Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen will, eine<br />

Frist von einem Monat gilt, wird deutlich, dass hier die Zeit<br />

von 15 Monaten, die der Kläger mit der Geltendmachung<br />

gewartet hat, ein sehr langer Zeitraum ist.<br />

Es ist jedoch nicht erkennbar, dass und inwiefern bei der Be-<br />

214 <strong>04</strong>/05<br />

klagten ein Vertrauenstatbestand, sie werde vom Kläger nicht<br />

mehr in Anspruch genommen werden, entstanden wäre und<br />

ihr deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem<br />

Kläger nach den Regeln von Treu und Glauben nicht zumutbar<br />

wäre. Es mag zwar sein, dass die Beklagte, wie sie vorträgt,<br />

völlig überrascht war darüber, dass das Arbeitsverhältnis<br />

zwischen dem Kläger und dem Insolvenzverwalter über das<br />

Vermögen der Firma nicht aufgelöst gewesen sein könnte<br />

und der Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit<br />

ihr, der Beklagten, verlangen könnte. Dies Überraschtsein ist<br />

aber nicht dasselbe wie ein Vertrauenstatbestand, der für die<br />

Anerkennung von Verwirkung erforderlich ist. Hierzu gehört<br />

nämlich auch, dass sich die Partei darauf eingerichtet hat,<br />

nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, und deshalb<br />

die späte In-Anspruch-Nahme nach Treu und Glauben nicht<br />

mehr zumutbar ist.<br />

Die Beklagte aber hat, soweit erkennbar, keine Maßnahmen<br />

ergriffen, die auf dem Tatbestand beruhten, dass der Kläger<br />

die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr geltend<br />

machen würde. Sie trägt in diesem Zusammenhang lediglich<br />

vor, dass die vorherige Position des Klägers bei Firma<br />

A. nicht mehr existent sei. Sie erklärt aber nicht, dass sie, im<br />

Vertrauen darauf, dass sich der Kläger nicht mehr bei ihr melden<br />

würde, diese Position abgeschafft oder etwa neu besetzt<br />

hätte oder dass sie, wenn sie noch mit dem Kläger gerechnet<br />

hätte, diesem früher vorsorglich gekündigt hätte oder sich in<br />

irgendeiner anderen Weise darauf eingestellt hätte.<br />

Die Beklagte beruft sich für die Annahme der Verwirkung auf<br />

die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.11.1998 –<br />

8 AZR 265/97 – (AP Nr. 5 zu § l KSchG 1969 Wiedereinstellung).<br />

Danach muss ein wirksam betriebsbedingt gekündigter<br />

Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch bei einem<br />

Betriebserwerber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist<br />

oder zumindest unverzüglich nach Kenntniserlangung des Betriebsübergangs<br />

geltend machen. In der Begründung heißt<br />

es: „Mit dem Gebot der notwendigen Rechtsklarheit ist es<br />

nicht vereinbar, die Beteiligten über das Zustandekommen<br />

eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und<br />

dem Betriebsübernehmer noch nach Beendigung des durch<br />

Kündigung aufgelösten Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers<br />

zum Betriebsveräußerer im Unklaren zu lassen.“ Weiter<br />

wird ausgeführt: Der Senat habe den Fortsetzungsanspruch<br />

auch auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

erstreckt, um so ein wirksames, den europarechtlichen Vorgaben<br />

genügendes Mittel des Bestandschutzes bei Betriebsübernahmen<br />

zu gewährleisten. Der Zweck dieses Bestandsschutzes<br />

rechtfertige jedoch keine Phasen vermeidbarer Ungewissheit<br />

über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses<br />

zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber.<br />

Diese Entscheidung betrifft einen Sachverhalt, der in einem<br />

entscheidenden Punkt abweicht von dem Rechtsverhältnis<br />

zwischen dem Kläger und der Beklagten. Es ging in jenem<br />

Fall um die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen<br />

einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis mit dem

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