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Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2005-04

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Rechtsprechung<br />

Tarifvertragsrecht<br />

gung 2002 zu dem Entstehen von Schadensersatzansprüchen<br />

kommen kann. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, dass es<br />

sich um Vorkommnisse handelt, die gerade nicht einen rechtmäßigen<br />

Streik betreffen, sondern im weitesten Sinne Exzesse<br />

des rechtmäßigen Streiks sind. Soweit das Arbeitsgericht angenommen<br />

hat, die Verwendung des Wortes „gegenseitig“<br />

in der Klausel besage, dass nur Ansprüche, die unmittelbar<br />

zwischen den drei Unterzeichnern bestünden, gemeint seien,<br />

ergeben sich Bedenken, da zum einen nicht ersichtlich ist, inwieweit<br />

Arbeitgeberverbände und Gewerkschaft in der unmittelbaren<br />

Beziehung zueinander rechtswidrig gehandelt haben<br />

könnten, noch kann man bei den Verbänden davon sprechen,<br />

dass sie an einer Tarifbewegung teilgenommen haben. Die<br />

besonders weit gefasste Klausel gibt deshalb nur dann einen<br />

Sinn, wenn damit jedes Verhalten umfasst ist, das aus Anlass<br />

der Teilnahme an der Tarifbewegung 2002, also im Zusammenhang<br />

mit allen damit zusammenhängenden rechtswidrigen<br />

Maßnahmen zu Schadensersatzansprüchen geführt haben<br />

könnte.<br />

Dabei ist hinsichtlich der Auslegung insbesondere die Entscheidung<br />

des Bundesarbeitsgerichts vom 08.11.1988 –1AZR<br />

417/86 – zu berücksichtigen, in der das Bundesarbeitsgericht<br />

ausgeführt hat, dass die im entschiedenen Fall vorliegende<br />

Klausel den Schadensersatzanspruch nicht ausschließe. Diese<br />

lautete im konkreten Fall: „Schadensersatzansprüche wegen<br />

der Beteiligung an dem Tarifkonflikt entfallen“. Das Bundesarbeitsgericht<br />

hatte ausgeführt, dass sich die Gewerkschaft<br />

nicht am Tarifkonflikt beteilige und sich deshalb die Klausel<br />

nur auf Arbeitnehmer beziehe. Ein weitergehender Ausschluss<br />

von Schadensersatzansprüchen müsse deutlich hervortreten,<br />

zum Beispiel dadurch, dass auf Schadensersatzansprüche<br />

aller Art verzichtet werde. Hiervon ausgehend haben<br />

die Verbände eine erheblich weiter gehende Klausel vereinbart,<br />

nämlich dergestalt, dass der Schadensersatzausschluss<br />

bereits eintreten soll, wenn der Anspruch auch nur aus Anlass<br />

der Teilnahme an der Tarifbewegung entstanden ist und<br />

dass der Ausschluss gegenseitig sein soll. Würde man den<br />

Regelungsbereich der Klausel nur dahin begrenzen, dass die<br />

Verbände gegeneinander sich begünstigen, andererseits annehmen,<br />

dass die Gewerkschaft nicht an der Tarifbewegung<br />

beteiligt ist im Sinne der BAG-Entscheidung vom 08.11.1988,<br />

so hätte diese Klausel überhaupt keinen Regelungsinhalt. Man<br />

hätte sie genauso gut weglassen können.<br />

Bei der Auslegung berücksichtigt die erkennende Kammer<br />

dabei auch, dass den Unterzeichnern die höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung im Arbeitskampfrecht bekannt ist und<br />

dass eine Weiterentwicklung von Klauseln gerade darauf<br />

beruht, dass eine Auseinandersetzung mit vorhergehenden<br />

<strong>Entscheidungen</strong> stattfindet. Auch in diesem Sinne ergibt die<br />

Hereinnahme des Wortes „gegenseitig“ in die Klausel nur,<br />

dass so weit wie möglich alle denkbaren Anspruchsteller und<br />

Anspruchsgegner erfasst werden sollten, soweit sie jeweils<br />

der einen oder anderen Seite der tarifvertragsschließenden<br />

Parteien zuzuordnen sind. Diese weite Auslegung der<br />

266 <strong>04</strong>/05<br />

Schadensersatzklausel ergibt sich auch im Vergleich zu<br />

der vorangestellten Maßregelungsklausel. Denn in dieser<br />

waren ausdrücklich die Beschäftigten und Auszubildenden<br />

genannt, die Gegenstand einer Maßregelung sein könnten.<br />

Da sich ein Maßregelungsverbot allerdings bereits aus dem<br />

Gesetz ergibt, § 612a BGB, verbliebe bei der Auslegung,<br />

die das Arbeitsgericht vorgenommen hat, letztlich kein Anwendungsbereich<br />

der Vereinbarung mehr. Denn Ansprüche<br />

der Verbände untereinander hätten nicht einer unmittelbaren<br />

Befriedung und Regelung im Zusammenhang mit<br />

dem Ende des Arbeitskampfes bedurft. Demgegenüber ist<br />

der Schadensersatzausschluss im Zusammenhang mit dem<br />

Maßregelungsverbot dahingehend zu verstehen, dass mit<br />

dem Ende des Arbeitskampfes auch alle Arbeitskampffolgen<br />

abschließend geregelt werden sollen. Ein Interesse an der<br />

Aufarbeitung rechtswidriger Maßnahmen bestand nicht mehr.<br />

Hätte die fragliche Klausel nur die Bedeutung, dass arbeitgeberseitige<br />

Schadensersatzansprüche gegenüber einzelnen<br />

natürlichen Personen ausgeschlossen sind, so hätte dies wiederum<br />

zur Folge, dass insbesondere die Gewerkschaft wegen<br />

der Freizeichnung des einzelnen Arbeitnehmers ein erhebliches<br />

Interesse daran haben müsste, sich von der Verantwortung<br />

für Streikexzesse freizusprechen und die Verantwortung<br />

nach unten abzuschieben, also auf die Ebene, die nach Abschluss<br />

des Maßregelungsverbots nicht (mehr) haftet. Gerade<br />

das die Beklagte dies im vorliegenden Fall nicht getan hat<br />

und dem Zeugen G nicht die alleinige Verantwortung in die<br />

Schuhe geschoben hat, spricht dafür, dass die Schadensersatzklausel<br />

nicht lediglich einen Teilbereich der Vorkommnisse<br />

erfassen sollte. Für die Beklagtenseite wäre es ansonsten<br />

ein Leichtes, sich von der Haftung freizuzeichnen, indem<br />

sie die sorgfältige Auswahl, Schulung und Überwachung des<br />

Zeugen G sowie eine missverständliche Schilderung der Situation<br />

bei dem Telefonat am 25.06.2002 darstellte. Würde<br />

man die Klausel also dahingehend auslegen, dass Schadensersatz<br />

nur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgeschlossen<br />

ist, so würde hierdurch nur eine ebenfalls unerwünschte<br />

Folge eintreten, nämlich das Abschieben der Verantwortung<br />

von der Gewerkschaft auf die einzelnen Handelnden.<br />

Auch dies wäre einer umfassenden Regelung im<br />

Sinne eines Verbots des „Nachkartens“ nicht dienlich. Insgesamt<br />

kommt die erkennende Kammer deshalb zu dem Ergebnis,<br />

dass die die Schadensersatzansprüche ausschließende<br />

Klausel nur dann eine sinnvolle Regelung darstellt, wenn sie,<br />

wie der Wortlaut, der besonders weitgehend gewählt ist, ergibt,<br />

alle denkbaren Schadensersatzkonstellationen, insbesondere<br />

auch solche, von Arbeitgebern gegenüber der Gewerkschaft<br />

ausschließt.<br />

3. Weiterhin zu klären ist danach die Frage, ob die vorliegende<br />

Klausel wirksam vereinbart werden konnte, insbesondere<br />

ob sie die Klägerin bindet.<br />

Denkbar sind dabei drei Geltungsmöglichkeiten der Klausel.<br />

Sie kann zum einen als normative tarifvertragliche Regelung<br />

Anwendung finden, sie kann als schuldrechtliche tarifver-

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