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Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2005-04

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Rechtsprechung<br />

Betriebsverfassungsrecht<br />

Anordnung nicht das Verhalten der Arbeitnehmer untereinander,<br />

sondern das Verhalten der Arbeitnehmer zu außerhalb<br />

des Betriebes stehenden Dritten betroffen sei. Auch wenn<br />

das Verhältnis zu einem Betriebsfremden betroffen ist, wird<br />

dem Arbeitnehmer aufgegeben, wie er sich in einer konkreten<br />

Situation im Betrieb zu verhalten habe. Untersagt die<br />

Beteiligte zu 2. den Arbeitnehmern generell die Annahme<br />

jeglicher Geschenke, so verstößt sie hierdurch gegen das<br />

Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.<br />

Auch der Abschnitt „Pressemitteilungen“ (Seite 13 des Kodexes)<br />

wonach den Arbeitnehmern ohne Zustimmung durch<br />

die Abteilung Unternehmenskommunikation nicht gestattet<br />

ist, im Namen von X. Aussagen (schriftlich oder mündlich)<br />

gegenüber der Presse, Zeitungen oder anderen Quellen zu<br />

machen, verstößt gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87<br />

Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.<br />

Mit Ausnahme der Arbeitnehmer, bei denen Öffentlichkeitsbzw.<br />

Pressearbeit zu ihrem arbeitsvertraglichen Aufgabengebiet<br />

gehört, betrifft diese Regelung nicht das Arbeitsverhalten,<br />

sondern das Ordnungsverhalten. So ist beispielsweise<br />

für einen Verkäufer ein Bezug zu seiner geschuldeten Arbeitsleistung<br />

nicht zu erkennen. Zum mitbestimmungsfreien<br />

Arbeitsverhalten zählen nur Arbeitsanweisungen, mit denen<br />

der Arbeitgeber die Arbeitspflicht seines Arbeitnehmers<br />

konkretisiert (vgl. BAG, vom 10.3.1998, AP Nr. 5 zu § 84 ArbGG<br />

1979). Es liegt daher eine verbindliche Verhaltensvorschrift<br />

vor, wenn den Arbeitnehmern untersagt wird, ohne Zustimmung<br />

durch die Abteilung Unternehmenskommunikation<br />

Aussagen gegenüber Presse, Zeitungen oder anderen Quellen<br />

zu machen.<br />

d) Auch der Abschnitt „Belästigung und unangemessenes<br />

Verhalten“ verstößt gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87<br />

Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. In diesem Abschnitt heißt es unter<br />

anderem:<br />

Verbale Äußerungen, Gesten und Blicke sowie körperliche<br />

Handlungen sexueller Natur gehören nicht an den Arbeitsplatz<br />

und können rechtswidrige sexuelle Belästigung darstellen.<br />

Beispiele hierfür sind:<br />

– Sexuelle Annäherung, Bitten um sexuelle Gefälligkeiten,<br />

Gossensprache, zweideutige Witze, Bemerkungen über den<br />

Körper oder die sexuellen Aktivitäten einer Person;<br />

– Zurschaustellung von sexuell suggestiven Bildern oder Dingen,<br />

lüsterne oder anzügliche Blicke oder als sexuell deutbare<br />

Kommunikation jeder Art, oder Unangemessenes Anfassen.<br />

Die Regelungen verweisen nicht lediglich auf nationale gesetzliche<br />

Regelungen zum Schutz vor sexueller Belästigung<br />

am Arbeitsplatz, sondern gehen über § 2 Abs. 2 BeschSchG<br />

hinaus. Zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz gehören<br />

nach § 2 Abs. 2 BeschSchG sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen,<br />

die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter<br />

Strafe gestellt sind sowie sonstige sexuelle Handlungen und<br />

Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen,<br />

Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und<br />

sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen, die<br />

256 <strong>04</strong>/05<br />

von dem Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Das Gesetz<br />

verbietet ein Flirten am Arbeitsplatz nicht grundsätzlich.<br />

So stellt es keine sexuelle Belästigung dar, wenn ein Arbeitnehmer<br />

einer Arbeitnehmerin lüsterne Blicke zuwirft, wenn<br />

nicht die Arbeitnehmerin dies erkennbar ablehnt. Der in der<br />

Presse als sogenanntes „Flirt-Verbot“ bezeichnete Abschnitt<br />

der Unternehmensethik reglementiert daher das Verhalten<br />

der Arbeitnehmer und ihren Umgang miteinander im Betrieb<br />

über die Regelungen in § 2 BeschSchG hinaus und ist daher<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.<br />

e) Auch der Abschnitt „Privatsphäre“ verstößt gegen § 87<br />

Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, soweit hierin Einsichtsrechte in die Personalakte<br />

geregelt werden. Nach der entsprechenden Klausel<br />

sind nur berechtigte Mitarbeiter und solche mit einem<br />

betrieblich-begründeten Anliegen berechtigt, die Personalund<br />

Krankenakten des Unternehmens einzusehen. Was unter<br />

einem Mitarbeiter mit einem betrieblich-begründeten Anliegen<br />

zu verstehen ist, bleibt offen. Die Beteiligte zu 2. legt im<br />

Ergebnis einseitig fest, wer die Personalakten einsehen darf.<br />

Die Regelung von Einsichtsrechten in die Personalakte ist<br />

aber nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig<br />

(vgl. Küttner-Reinecke, Personalbuch 20<strong>04</strong>, Personalakte, Rn<br />

17).<br />

f) Soweit von der Beteiligten zu 2. in dem Abschnitt „Private<br />

Beziehungen/Liebesbeziehungen“ von Mitarbeitern ein<br />

Verhalten verlangt wird, das Respekt, Vertrauen, Sicherheit<br />

und Effizienz am Arbeitsplatz fördern soll und daher den<br />

Arbeitnehmern untersagt ist, mit jemandem auszugehen oder<br />

in eine Liebesbeziehung mit jemandem zu treten, wenn er die<br />

Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen kann oder<br />

der Mitarbeiter seine Arbeitsbedingungen beeinflussen kann,<br />

stellt nicht nur aus individualarbeitsrechtlicher Sicht einen erheblichen<br />

Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht<br />

aus Artikel 2 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG dar, sondern verstößt darüber<br />

hinaus auch gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.<br />

Die Regelung betrifft nicht nur das außerbetriebliche Verhalten<br />

der Mitarbeiter, sondern zumindest auch das Verhalten<br />

im Betrieb. Wird Arbeitnehmern untersagt miteinander<br />

eine Liebesbeziehung einzugehen, so wird hierdurch auch<br />

das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb reglementiert.<br />

Bei Einhalten der Verhaltensregel wäre den Arbeitnehmern<br />

beispielsweise das Küssen am Arbeitsplatz verboten. Den Arbeitnehmern<br />

wäre jedwedes Verhalten im Betrieb untersagt,<br />

das bei Außenstehenden den Eindruck einer Liebesbeziehung<br />

entstehen ließe. Das von der Beteiligten zu 2. vorgebrachte<br />

Anliegen, dass die Regelung gerade verhindern solle,<br />

dass Vorgesetzte unter Missbrauch ihrer Vorgesetztenfunktion<br />

die ihnen unterstellten Mitarbeiter belästigen oder es im<br />

Falle einer Beziehung zur Benachteiligung anderer Mitarbeiter<br />

komme und betriebliche Abläufe dadurch gefährdet würden,<br />

mag zwar durchaus ein berechtigtes Anliegen sein, ändert<br />

aber nichts daran, dass die Einzelheiten der Regelung dem<br />

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegen.<br />

g) Der Abschnitt „Alkohol- und Drogenmissbrauch“ verstößt

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