Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2005-04
Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2005-04
Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2005-04
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Rechtsprechung<br />
Betriebsverfassungsrecht<br />
Anordnung nicht das Verhalten der Arbeitnehmer untereinander,<br />
sondern das Verhalten der Arbeitnehmer zu außerhalb<br />
des Betriebes stehenden Dritten betroffen sei. Auch wenn<br />
das Verhältnis zu einem Betriebsfremden betroffen ist, wird<br />
dem Arbeitnehmer aufgegeben, wie er sich in einer konkreten<br />
Situation im Betrieb zu verhalten habe. Untersagt die<br />
Beteiligte zu 2. den Arbeitnehmern generell die Annahme<br />
jeglicher Geschenke, so verstößt sie hierdurch gegen das<br />
Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.<br />
Auch der Abschnitt „Pressemitteilungen“ (Seite 13 des Kodexes)<br />
wonach den Arbeitnehmern ohne Zustimmung durch<br />
die Abteilung Unternehmenskommunikation nicht gestattet<br />
ist, im Namen von X. Aussagen (schriftlich oder mündlich)<br />
gegenüber der Presse, Zeitungen oder anderen Quellen zu<br />
machen, verstößt gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87<br />
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.<br />
Mit Ausnahme der Arbeitnehmer, bei denen Öffentlichkeitsbzw.<br />
Pressearbeit zu ihrem arbeitsvertraglichen Aufgabengebiet<br />
gehört, betrifft diese Regelung nicht das Arbeitsverhalten,<br />
sondern das Ordnungsverhalten. So ist beispielsweise<br />
für einen Verkäufer ein Bezug zu seiner geschuldeten Arbeitsleistung<br />
nicht zu erkennen. Zum mitbestimmungsfreien<br />
Arbeitsverhalten zählen nur Arbeitsanweisungen, mit denen<br />
der Arbeitgeber die Arbeitspflicht seines Arbeitnehmers<br />
konkretisiert (vgl. BAG, vom 10.3.1998, AP Nr. 5 zu § 84 ArbGG<br />
1979). Es liegt daher eine verbindliche Verhaltensvorschrift<br />
vor, wenn den Arbeitnehmern untersagt wird, ohne Zustimmung<br />
durch die Abteilung Unternehmenskommunikation<br />
Aussagen gegenüber Presse, Zeitungen oder anderen Quellen<br />
zu machen.<br />
d) Auch der Abschnitt „Belästigung und unangemessenes<br />
Verhalten“ verstößt gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87<br />
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. In diesem Abschnitt heißt es unter<br />
anderem:<br />
Verbale Äußerungen, Gesten und Blicke sowie körperliche<br />
Handlungen sexueller Natur gehören nicht an den Arbeitsplatz<br />
und können rechtswidrige sexuelle Belästigung darstellen.<br />
Beispiele hierfür sind:<br />
– Sexuelle Annäherung, Bitten um sexuelle Gefälligkeiten,<br />
Gossensprache, zweideutige Witze, Bemerkungen über den<br />
Körper oder die sexuellen Aktivitäten einer Person;<br />
– Zurschaustellung von sexuell suggestiven Bildern oder Dingen,<br />
lüsterne oder anzügliche Blicke oder als sexuell deutbare<br />
Kommunikation jeder Art, oder Unangemessenes Anfassen.<br />
Die Regelungen verweisen nicht lediglich auf nationale gesetzliche<br />
Regelungen zum Schutz vor sexueller Belästigung<br />
am Arbeitsplatz, sondern gehen über § 2 Abs. 2 BeschSchG<br />
hinaus. Zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz gehören<br />
nach § 2 Abs. 2 BeschSchG sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen,<br />
die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter<br />
Strafe gestellt sind sowie sonstige sexuelle Handlungen und<br />
Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen,<br />
Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und<br />
sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen, die<br />
256 <strong>04</strong>/05<br />
von dem Betroffenen erkennbar abgelehnt werden. Das Gesetz<br />
verbietet ein Flirten am Arbeitsplatz nicht grundsätzlich.<br />
So stellt es keine sexuelle Belästigung dar, wenn ein Arbeitnehmer<br />
einer Arbeitnehmerin lüsterne Blicke zuwirft, wenn<br />
nicht die Arbeitnehmerin dies erkennbar ablehnt. Der in der<br />
Presse als sogenanntes „Flirt-Verbot“ bezeichnete Abschnitt<br />
der Unternehmensethik reglementiert daher das Verhalten<br />
der Arbeitnehmer und ihren Umgang miteinander im Betrieb<br />
über die Regelungen in § 2 BeschSchG hinaus und ist daher<br />
nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig.<br />
e) Auch der Abschnitt „Privatsphäre“ verstößt gegen § 87<br />
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, soweit hierin Einsichtsrechte in die Personalakte<br />
geregelt werden. Nach der entsprechenden Klausel<br />
sind nur berechtigte Mitarbeiter und solche mit einem<br />
betrieblich-begründeten Anliegen berechtigt, die Personalund<br />
Krankenakten des Unternehmens einzusehen. Was unter<br />
einem Mitarbeiter mit einem betrieblich-begründeten Anliegen<br />
zu verstehen ist, bleibt offen. Die Beteiligte zu 2. legt im<br />
Ergebnis einseitig fest, wer die Personalakten einsehen darf.<br />
Die Regelung von Einsichtsrechten in die Personalakte ist<br />
aber nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig<br />
(vgl. Küttner-Reinecke, Personalbuch 20<strong>04</strong>, Personalakte, Rn<br />
17).<br />
f) Soweit von der Beteiligten zu 2. in dem Abschnitt „Private<br />
Beziehungen/Liebesbeziehungen“ von Mitarbeitern ein<br />
Verhalten verlangt wird, das Respekt, Vertrauen, Sicherheit<br />
und Effizienz am Arbeitsplatz fördern soll und daher den<br />
Arbeitnehmern untersagt ist, mit jemandem auszugehen oder<br />
in eine Liebesbeziehung mit jemandem zu treten, wenn er die<br />
Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen kann oder<br />
der Mitarbeiter seine Arbeitsbedingungen beeinflussen kann,<br />
stellt nicht nur aus individualarbeitsrechtlicher Sicht einen erheblichen<br />
Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht<br />
aus Artikel 2 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG dar, sondern verstößt darüber<br />
hinaus auch gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.<br />
Die Regelung betrifft nicht nur das außerbetriebliche Verhalten<br />
der Mitarbeiter, sondern zumindest auch das Verhalten<br />
im Betrieb. Wird Arbeitnehmern untersagt miteinander<br />
eine Liebesbeziehung einzugehen, so wird hierdurch auch<br />
das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb reglementiert.<br />
Bei Einhalten der Verhaltensregel wäre den Arbeitnehmern<br />
beispielsweise das Küssen am Arbeitsplatz verboten. Den Arbeitnehmern<br />
wäre jedwedes Verhalten im Betrieb untersagt,<br />
das bei Außenstehenden den Eindruck einer Liebesbeziehung<br />
entstehen ließe. Das von der Beteiligten zu 2. vorgebrachte<br />
Anliegen, dass die Regelung gerade verhindern solle,<br />
dass Vorgesetzte unter Missbrauch ihrer Vorgesetztenfunktion<br />
die ihnen unterstellten Mitarbeiter belästigen oder es im<br />
Falle einer Beziehung zur Benachteiligung anderer Mitarbeiter<br />
komme und betriebliche Abläufe dadurch gefährdet würden,<br />
mag zwar durchaus ein berechtigtes Anliegen sein, ändert<br />
aber nichts daran, dass die Einzelheiten der Regelung dem<br />
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates unterliegen.<br />
g) Der Abschnitt „Alkohol- und Drogenmissbrauch“ verstößt