Juni 2010 - Mittleres Labertal
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Naturschutz<br />
Die heimliche Invasion ortsfremder Lebensformen bedroht heimische Arten –<br />
Gefahr für Fauna und Flora<br />
Hunderte Nandus in deutschen Graslandschaften, Zehntausende ostasiatische Marderhunde<br />
in deutschen Wäldern und Abermillionen gefräßiger Wollhandkrabben in Flüssen und Seen.<br />
Problematische Migration ist zwischen Nordsee und Zugspitze auch in der Natur längst<br />
Wirklichkeit. Die Neo-biota gliedern sich in Neozoen (Tiere), Neophyten (Pflanzen) und<br />
Neomycelen (Pilze). Invasive Neobiota zeichnen sich durch aggressive Ausbreitung und das<br />
Erlangen regionaler Dominanz aus. Ihre Herkunft ist so unterschiedlich wie die Folgen ihrer<br />
Anwesenheit.<br />
Während die gesellschaftliche Amerikanisierung oder die Asiatisierung durch Billigprodukte<br />
„made in China" unübersehbar ist, bleibt ein vergleichbares Geschehen in Feld und Flur<br />
weitgehend unbemerkt Fremde Tierarten bevölkern die kargen Restflächen der „freien<br />
Wildbahn" Europas mit zunehmender Rasanz. Zu den bekanntesten Bioinvasoren zählen<br />
unter den Säugetieren Waschbär, Bisamratte oder Mink (Nerz). Sie wurden freigesetzt,<br />
entkamen aus Pelztierfarmen oder wanderten über Transportwege ein. Ihre erfolgreiche Vermehrung<br />
zeitigt für die heimische Tierwelt aber gravierende Folgen.<br />
Grauhörnchen verdrängen einheimische Eichhörnchen<br />
So wurden einige Exemplare des nordamerikanischen Grauhörnchens (Sciurus carolinensis)<br />
zu Beginn des 20. Jahrhunderts in England ausgesetzt. Sie fanden in den englischen<br />
Wäldern ideale Lebensbedingungen vor und breiteten sich bis nach Deutschland aus: zum<br />
Schaden des einheimischen Eichhörnchens, das nahezu vollständig aus britischen Wäldern<br />
und Parks verschwunden ist; zum Schaden der ansässigen Vogelwelt, dessen<br />
Nahrungskonkurrent und Freßfeind das Grauhörnchen ist; und als Waldschädling schließlich<br />
auch zum Nachteil des Baumbestandes.<br />
Besonders dramatisch verlief die Freisetzung der nordamerikanischen Verwandtschaft für<br />
den europäischen Edelkrebs (Astacus astacus). Die etwa aus Aquarien stammenden und in<br />
Bachläufen ausgesetzten Kamberkrebse (Orconectes limosus) schleppten die von Pilzen<br />
übertragene Krebspest ein. Während die Pestboten selbst immun waren, wurden die<br />
heimischen Krebse beinahe ausgerottet.<br />
Vor allem in durch den Menschen geschädigten Ökosystemen werden eingewanderte Arten<br />
zum Problem. Die steigende Nachfrage nach exotischen Jagdobjekten, Heim- und Zootieren<br />
verschärft die Situation. Denn allzu oft entledigen sich die Besitzer ihrer lästigen Schützlinge<br />
in so unverantwortlicher wie illegaler Weise. Die Besetzung der Nischen heimischer Wildtiere<br />
zum Überleben und das Einschleppen von Krankheitserregern in den Naturkreislauf werden<br />
dadurch gefördert.<br />
Auch mit dem Ballastwasser großer Schiffe gelangen seit Jahren Myriaden potentieller<br />
Invasoren nach Europa. Das zur Hochseetauglichkeit der Schiffe gebunkerte wird in den<br />
Häfen achdos entladen. Die darin angereisten blinden Passagiere gelangen damit in<br />
küstennahe Gewässer und Flußmündungen. In den Unterläufen untersuchter deutscher<br />
Flüsse beträgt der Anteil von Neozoen daher bereits 20 Prozent des gesamten dort vorkommenden<br />
Artenspektrums. In Hafenbecken fanden sich unterschiedlichste Typen<br />
eingeschleppten Zooplanktons, von Weichtieren und Fischen. Insgesamt umspannt der<br />
durch die globalen Verkehrsanbindungen verursachte Artentransfer zehntausende Spezies,<br />
von denen etwa zehn Prozent mit den vorgefundenen Lebensbedingungen zu Rande<br />
kommen und sich folglich vermehren.<br />
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