Invasive Neophyten in der Schweiz: Lagebericht und ...

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24 Riesenbärenklau, Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum, Doldengewächse) Aus dem Kaukasus stammend, breitet sich diese über 3 m hohe Staude auch in der Schweiz zunehmend aus, vor allem an Waldrändern, in Wiesen, im Uferbereich von Gewässern, an Wegrändern und auf Ödland bis in die subalpine Stufe. Die Staude bildet dichte Bestände und beschattet mit den riesigen Blättern den Unterwuchs, so dass die einheimische Vegetation durch Lichtmangel verdrängt wird. Zudem ist die Pflanze giftig: Berührung bei gleichzeitiger oder nachfolgender direkter Sonneneinstrahlung führt zu unangenehmen Hautentzündungen mit so starker Blasenbildung, dass Narben zurückbleiben können. Somit stellt der Riesenbärenklau ein gesundheitliches Risiko dar und wird an vielen Stellen bekämpft. Dabei können, wie aus dem Merkblatt unter www.naturschutz.zh.ch zu ersehen ist, relativ gute Erfolge erzielt werden, indem der die Wachstumszone mit einem 10-15 cm tiefen Spatenstich von der Wurzel vollständig abgetrennt und entsorgt wird. Selbstverständlich muss auch das Aufkommen neuer Pflanzen aus der langlebigen Samenbank verhindert werden. Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera, Balsaminengewächse) Aus dem Himalaja als Zierpflanze eingeführt, kann diese raschwüchsige bis 2 m grosse, einjährige Pflanze an Wasserläufen, nassen Stellen, in Auen und Waldschlägen dichte Reinbestände aufbauen. Die Art breitet sich dank des Schleudermechanismus der Frucht und durch Mitschwemmung an Gewässern rasch aus. Dichte Bestände des Springkrautes führen zu einer Verarmung der Begleitvegetation durch Lichtentzug. In Wäldern verhindert es die Verjüngung. Entlang von Gewässern verdrängt es die einheimische Ufervegetation mit der Folge, dass nach dem Absterben der Stängel im Herbst offene Stellen entstehen, die erosionsgefährdet sind. Eine erfolgreiche Eindämmung kleiner Bestände ist durch Ausreissen möglich. Grössere Bestände sind unmittelbar vor dem Blühen zu mähen. Wegen Aufkommen neuer Pflanzen aus der Samenbank sind diese Masnahmen während mehrerer Jahre fortzuführen (Einzelheiten siehe www.naturschutz.zh.ch). Japanischer Staudenknöterich (Reynoutria japonica = Fallopia japonica = Polygonum cuspidatum, Knöterichgewächse) Der Japanische Staudenknöterich ist eine raschwüchsige, 1-3 m hohe kräftige Staude mit dicken unterirdischen Kriechsprossen (Rhizome) bis in über 1 m Tiefe. Die Art stammt aus Asien und wurde als Zierstaude eingeführt. Sie ist weit verbreitet und häufig im Uferbereich von Gewässern, in Waldrändern und Hecken, auf Schuttplätzen des Tieflandes bis zur unteren Bergstufe. In mehreren europäischen Ländern sowie im östlichen Nordamerika und in Neuseeland ist die Art ein gefürchtetes Unkraut. Die Art stellt heute durch grossflächige Überwucherung ein Problem für den Naturschutz und den Unterhalt von Bahntrassen und Gewässerufern dar. Hier kann der Staudenknöterich u.a. Uferbefestigungen durchwachsen und lockern und so die Erosion fördern. Wie bei www.naturschutz.zh.ch zu ersehen ist, ist der Staudenknöterich selbst mit Herbiziden kaum erfolgreich zu bekämpfen, vor allem wegen der tief gelegenen Rhizome und weil bereits 2 cm grosse Ausläuferstücke wieder austreiben können. Deshalb kommt der Prävention grösste Bedeutung zu! Aufrechte Ambrosie oder Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia, Korbblütler) Die Ambrosie ist eine 20-90 cm hohe einjährige Pflanzenart, die mit ihren verschiedenen Rassen einen ursprünglichen Verbreitungsschwerpunkt in den östlichen USA hat. In die Schweiz gelangte Ambrosia als Verunreinigung in Saatgut und Vogelfutter sowie bei Genf mit Erntemaschinen aus Frankreich. Ins Tessin gelangte die Art u.a. durch Samen in den Pneus von Automobilen (Ciotti & Maspoli 2004). Eine einzelne Pflanze kann in den vielen kleinen Blüten insgesamt bis 60'000 viele Jahre keimfähige Samen bilden. Die Ambrosie kann auf trockenen, nährstoffreichen, lockeren, auch salzhaltigen Böden in warmen Lagen Bestände von vielen Aren bilden. Bevorzugte Wuchsorte sind Schuttstellen, Rabatten, Wegränder, Gebüsch und Äcker des Tieflandes und der Hügelstufe. Der Pollen von Ambrosia ruft bei > 10 % der Bevölkerung starke Allergien auf der Haut, Asthma und Atemnot hervor und zwar zur Blütezeit im Juli-Oktober, d.h. wenn der Gräserpollen bereits am Abklingen ist (Köhler 2003). In Kanada, in Ungarn (wo es nationale Bekämpfungstage gibt) und in Südosteuropa stellt Ambrosia ein grosses gesundheitliches Problem dar, mit jählichen Kosten in Dutzenden von Mio CHF. In Frankreich werden in der Region Rhône-Alpes für Information über Ambrosia jährlich 250'000 CHF ausgegeben und 100’000 Menschen haben gesundheitliche Probleme mit entsprechender Kostenfolge. Ähnlich ist die Situation in der Lombardei, wenige Kilometer von der schweizer Grenze entfernt; die Azienda Sanitaria della Provincia di Milano 1 schätzt die von Ambrosia verursachten jährlichen Kosten im Gesundheitsbereich auf über 1 Mio CHF (Ciotti & Maspoli 2004). In der Schweiz kommt Ambrosia bisher vor allem bei Genf vor, wo sie im Jahr 2003 schon 21 ha Landwirtschaftsland „infiziert“ hat (Maurer 2003) sowie im Südtessin und bei Basel. Die Art ist in rascher Ausbreitung begriffen. Die Pflanzen lassen sich leicht (mit Handschuhen) ausreissen, was aber geschehen sollte, bevor sich die Blüten öffnen. Die Ambrosie stellt ein Beipiel dar, wo durch rechtzeitiges Eingreifen, d.h. bevor die Art weit verbreitet ist, künftige Probleme und Kosten vermieden werden können. Weitere Details zu Verbreitung, Schadwirkungen und Bekämpfung der Ambrosie geben z.B. Delabays et al. (2002), Ciotti & Maspoli (2004), Jeanmonod et al. (2002, 2003) und Maurer (2003).
Im Folgenden werden zwei neu aufgetretene Neophyten besprochen. 25 Ludwigia grandiflora (Grossblütiges Heusenkraut, Onagraceae). Diese Art wurde erst kürzlich bei Genf festgestellt. Sie stammt aus Südamerika und überwächst Weiher und andere Gewässer, z.T. auch Feuchtwiesen sehr rasch und verdrängt dadurch die einheimischen Arten. Sie verlangsamt die Fliessgeschwindigkeit des Wassers und verhindert das Eindringen der Sonnenstrahlung in tiefere Wasserschichten; dies führt zu anaeroben Verhältnissen für die Gewässerflora und -fauna. Durch ihre dichten Bestände behindert L. grandiflora den Zugang zum Wasser und das Fischen. Die Art wird derzeit bekämpft, denn, wenn damit zugewartet wird, ist eine spätere Eindämmung wegen der rasanten Ausbreitung sehr kostenintensiv bzw. nicht mehr möglich, wie Beispiele aus Frankreich zeigen (siehe www.cps-skew.ch/deutsch/ludw_gra_d.pdf). Lysichiton americanus (Amerikanischer Stinktierkohl, Amerikanischer Riesen-Aronstab, Araceae) Diese, aus dem westlichen Nordamerika stammende Art, hat sich nach einer illegalen Auspflanzung in einem Naturschutzgebiet der Nähe von Burgdorf (BE) vegetativ und mit Samen ausgebreitet (siehe www.cpsskew.ch/deutsch/lysi_ame_d.pdf). Auch Lysichiton wird derzeit lokal eliminiert, um eine weitere Ausbreitung zu unterbinden. Eine Abschätzung des Schadenspotentials eines neu auftretenden Neophyten kann nur durch enge Kontakte mit dem Ausland bewerkstelligt werden. Idealerweise unterzieht man die Art einer Risiko- Beurteilung anhand eines weed risk assessments (WRA), wie es von der EPPO (European Plant Protection Organization) angewandt wird. Solche Instrumente erlauben auch eine Risikoabschätzung von Arten, deren absichtliche Einführung geplant ist, wie z.B. Solidago nemoralis als Bodendecker. 8. Bewertungsfragen Es wurde bereits dargelegt, dass in der Schweiz nur etwa 10-20% der ca. 350 Neophyten-Arten naturschützerische, gesundheitliche und/oder wirtschaftliche Probleme verursachen: bei den übrigen 80-90% ist dies nicht der Fall (deshalb stehen diese auch nicht auf der Schwarzen Liste oder der Watch-Liste). Solange sie zu keinen Problemen im oben beschriebenen Sinn führen, kann man diese „übrigen“ Neophyten als Bereicherung unserer Umwelt ansehen. Deshalb sind allgemeine sprachliche Bewertungen gegen Neophyten, wie sie in den Medien und z.T. auch in Schriften von Amtsstellen und Forschungsinstituten vorkommen, fehl am Platz. Dies umso mehr, als solche Äusserungen manchmal fremdenfeindlichem und rassistischem Gedankengut bedenklich nahe kommen. Begriffe, bei welchen ein solcher Unterton nicht mitschwingt, sind: Regulierung, Eindämmung, Einschränkung und Steuerung gebietsfremder Arten. In diesem Sinn ist es irreführend, alle Neophyten als Invasive zu bezeichnen, wie dies oft in Nord- Amerika geschieht, denn der Begriff „Invasion“ hat eine stark negative Konnotation (Kap. 2). Was die Bewertung betrifft gilt aufgrund des bisher Gesagten allgemein: - alle Arten der Schwarzen Liste sind einzudämmen, - für die Arten der Watch Liste ist ein Monitoring einzurichten, damit sie, wenn nötig, eingedämmt werden können
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