Heft 21 - Herbst 2002.pdf - Neue Gruppe
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Die Prothetische<br />
Rehabilitation des<br />
Zahnlosen<br />
von<br />
Ingrid Grunert<br />
Innsbruck<br />
20<br />
Die Rehabilitation mit neuen Totalprothesen wurde in den letzten Jahren<br />
für den Behandler zunehmend schwieriger und anspruchsvoller.<br />
Dank besserer Zahnprophylaxe und längerem Erhalt eigener Zähne werd e n<br />
die Patienten heute zumeist in einem höheren Lebensalter zahnlos - in<br />
einem Alter, in dem das Adaptationsvermögen häufig schon deutlich<br />
v e rm i n d e rt ist. Erschwerend kommt hinzu, dass man zusätzlich mit schwierigen<br />
Kieferverhältnissen, besonders im Unterkiefer, konfrontiert ist, und<br />
da allgemein weniger Prothesen anzufertigen sind, hat die Erfahrung in<br />
der To t a l p rothetik, vor allem der jüngeren Kollegen, deutlich abgenommen.<br />
Zahnlosigkeit ist in Europa, trotz längerem Erhalt eigener Zähne, nach<br />
wie vor Realität. <strong>Neue</strong>ste Daten aus Deutschland (3. Deutsche Gesundheitsstudie<br />
von Prof. Biffar aus Greifswald aus dem Jahr 1999) zeigen,<br />
dass die Zahnlosigkeit bei den unter 40-jährigen heute eine Seltenheit<br />
darstellt (weniger als 1%), dass aber in der Altersgruppe der 65- bis 75jährigen<br />
jeder Vierte ein Totalprothesenträger ist.<br />
Der zahnlose Patient ist nicht ein ausschließliches Problem des<br />
z a h n ä rztlich tätigen Kollegen. Enge Beziehungen bestehen zu zahl -<br />
reichen anderen Disziplinen:<br />
Zur Allgemeinmedizin, da es sich bei To t a l p rothesenpatienten heute meist<br />
um ältere, multimorbide Patienten handelt. Negative Auswirkungen der<br />
mangelhaften Ern ä h rung durch insuffiziente Prothesen auf das Allgemeinbefinden<br />
und den Allgemeinzustand des Patienten sind gar nicht<br />
so selten.<br />
Weiter muss beachtet werden, dass eine häufige Nebenwirkung der eingenommenen<br />
Medikamente (z.B. Antidepressiva, Antihypertonica oder<br />
Gastritistherapeutica) die Reduktion der Speichelsekretion ist und damit<br />
ein zufriedenstellender Halt der To t a l p rothesen mitunter nur schwer oder<br />
nicht erzielt werden kann.<br />
Eng ist auch die Beziehung zu topographisch benachbarten Disziplinen<br />
wie Kieferc h i ru rgie, HNO und Neurologie. Bei der Behandlung von im<br />
Alter häufig vorkommenden Ohrensymptomen wie Tinnitus, Hörstöru n g e n<br />
sowie neurologischen Symptomen von Seiten der N. Trigeminus muss auf<br />
die Nachbarschaft zum Kiefergelenk geachtet werden.<br />
Costen hat ja bereits 1934 auf die Zusammenhänge zwischen Ve r l u s t<br />
der Molarenabstützung, Ve r l a g e rung des Kondylus und zahlreichen Symtomen<br />
von Seiten des Ohres sowie Geschmacksstörungen hingewiesen<br />
und diese als Costen Syndrom subsummiert.<br />
Eine besondere Bedeutung hat die Beziehung der Zahnheilkunde zur<br />
Psychosomatik. Der orofaciale Bereich ist ja ein bevorzugter Ort der<br />
Somatisierung von psychosomatischen Erkrankungen.<br />
A u ffällig ist bei diesen Patienten die Diskrepanz zwischen Befund und<br />
B e finden, wie Müller-Fahlbusch ja mehrmals hingewiesen hat. Bei zahnärz tlichen<br />
Problempatienten (z.B. Patienten mit Mundschleimhautbre n n e n ,<br />
bei psychogener Pro t h e s e n u n v e rträglichkeit oder bei Patienten mit okklusal<br />
nicht therapierbaren Funktionsstörungen des stomatognathen Systems) ist<br />
das rechtzeitige Erkennen dieser Patienten und die gemeinsame Führu n g<br />
mit einem Spezialisten, der um die psychosomatischen Zusammenhänge<br />
weiß, wichtig, um sinnlose Behandlungsmaßnahmen zu vermeiden.<br />
Sehr eng ist natürlich der Konnex zwischen zahnärztlicher und zahn-