Heft 21 - Herbst 2002.pdf - Neue Gruppe
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In den letzten Jahren konnte in epidemiologischen Studien eindrucksvoll<br />
belegt werden, dass die Gingivitis und Parodontitis zu den am weitesten<br />
v e r b reiteten Erkrankungen gehören. Schon über dre i v i e rtel aller Kinder<br />
und Jugendlichen weisen Symptome einer Gingivitis auf und nahezu alle<br />
E rwachsenen leiden an einer Form der Parodontitis (review: Papapanou<br />
und Lindhe 1997).<br />
Die meisten Patienten mit einer Parodontitis weisen eine chronische Form<br />
auf, die durch Ve r b e s s e rung der täglichen Mundhygiene und Entfern u n g<br />
aller Zahnbeläge gut behandelbar sind. Es gibt jedoch auch außero rdentlich<br />
schwer zu behandelnde aggressive Formen, bei denen es innerhalb<br />
kurzer Zeit aufgrund entzündlicher Destruktionen zum Verlust des<br />
Zahnhalteapparates kommt (Abb. 1a-c). Diese Patienten scheinen für<br />
p a rodontale Erkrankungen prädisponiert zu sein und gehören somit zu<br />
den Risikopatienten. Insbesondere bei diesen Patienten ist die re c h t z e i t i g e<br />
Diagnose der Erkrankung sowie die Identifizierung von Risikofaktore n<br />
von besonderer Bedeutung (Abb. 2). Dies ist die Vo r a u s s e tzung,<br />
dass nicht nur die Behandlung des entzündeten Paro -<br />
donts erf o l g reich ist, sondern auch andere zum Teil lebensb<br />
e d rohende Erkrankungen vermieden werden. So konnte in<br />
epidemiologischen Studien gezeigt werden, dass fort g e s c h r i ttene<br />
parodontale Erkrankungen mit koronalen Herz e r k r a nkungen,<br />
zerebraler Ischämie, Atheriosklerose und pre - t e rm low<br />
b i rth weight korre l i e ren (review: Papapanou und Lindhe 1997).<br />
Dieser Zusammenhang konnten zwar noch nicht pathogene-<br />
tisch bestätigt werden, jedoch deuten in-vitro Studien darauf<br />
hin, dass die bei einer Parodontitis in großen Mengen vorhandenen<br />
Bakterien bzw. deren Produkte (Lipopolysaccharide,<br />
Exotoxine) aufgrund einer Bakteriämie destruktive Prozesse in<br />
den entsprechenden Geweben auslösen.<br />
In zahlreichen Studien konnten Risikofaktoren, die mit einer<br />
f o rtgeschrittenen Parodontitis assoziieren, festgestellt werd e n<br />
( review: Genco 1996). So lagen erhöhte odds ratios in Hinblick<br />
auf das Alter, Geschlecht (männlich), Rauchen von Zigaretten,<br />
systemischen Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus) und<br />
das Vorkommen von spezifischen Bakterien (Porphyro m o n a s<br />
gingivalis, Bacteroides forsythus, Prevotella intermedia) vor.<br />
We i t e rhin scheint ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen<br />
dem pro g ressiven Verlauf einer parodontalen Erkrankungen<br />
und dem psychosozialen Stresszustand des Patienten vorz uliegen<br />
(review: Breivik et al. 1996, Monteiro da Silva et al.<br />
1995). Diese Abhängigkeit ist eigentlich nicht neu in der Parodontologie,<br />
da schon seit über 40 Jahren bekannt ist, dass<br />
S t ress ein wichtiger prädisponierender Faktor für die Enstehung<br />
einer akuten nekro t i s i e renden ulzerierenden Gingivitis<br />
(ANUG) ist (review: Johnson und Engel 1985). Um diese<br />
zumeist aus re t rospektive Studien erhaltenen Beobachtungen<br />
pathogenetisch zu begründen, wurde bei Patienten mit ANUG<br />
die Konzentration von Cortisol im peripheren Blut, Urin und<br />
im Speichel bestimmt und mit dem Erkrankungsgrad verg l i c h e n<br />
(Maupin und Bell 1975, Shannon et al. 1969). So konnten<br />
zwar im Urin höhere Cortisol-Spiegel nachgewiesen werd e n<br />
(10,5mg/24 h), jedoch waren sie nicht immer signifikant höher<br />
als die von gesunden Kontrollpersonen.<br />
In den darauf folgenden Jahren wurde der Zusammenhang<br />
zwischen Stress und parodontalen Erkrankungen nicht weiter untersucht,<br />
bis erst anfang der 90er Jahre einige Studien die Problematik wieder aufg<br />
r i ffen. In einer dieser re t rospektiven Korrelationsstudien wurde bei 23<br />
3<br />
Psychosozialer Stress<br />
und Parodontitis<br />
von<br />
Reiner Mengel<br />
Marburg<br />
Abb. 1a: Patientin (16 Jahre alt). Röntgenbild des Zahnes 46<br />
Abb. 1b: Röntgenbild des Zahnes 46 ca. 4 Jahre später. Ausgeprägte<br />
Knochendestruktion<br />
Abb. 1c: Die klinische Situation des Zahnes 46 von lingual.