100 Jahre Entwicklung 1901 - UniversitätsSpital Zürich
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gelnde Gewandtheit in der deutschen<br />
Sprache kritisiert. <strong>1901</strong> ging<br />
Overton nach Würzburg zu Professor<br />
von Frey, einem Elektrophysiologen.<br />
1907 folgte er einem Ruf<br />
nach Lund als Ordinarius für Pharmakologie.<br />
In Lund heiratete er Louise<br />
Petrén. Der Ehe entstammten<br />
zwei Söhne und zwei Töchter.1930<br />
wurde er emeritiert. Er starb am 27.<br />
Januar 1933.<br />
Overton als Zellbiologe<br />
Sein ursprüngliches Forschungsziel<br />
war es, die Erbsubstanz mit<br />
Chemikalien zu verändern. Dazu<br />
musste er herausfinden, wie Chemikalien<br />
in die Zelle hineingelangen<br />
können, so dass sein eigentliches<br />
Forschungsgebiet die Permeabilität<br />
der Zellmembran wurde. Das führte<br />
dazu, dass er sich mit Osmose und<br />
den physikochemischen Eigenschaften<br />
der Zellmembran intensiv auseinandersetzte.<br />
Er hat im Laufe seines<br />
Lebens, aber vor allem in seiner<br />
Zürcher Zeit praktisch alle im Handel<br />
erhältlichen organischen Substanzen<br />
auf ihre Wirkung auf die<br />
Zellen untersucht, also hunderte von<br />
Substanzen. Wir können seine Beiträge<br />
zur Zellbiologie in den folgenden<br />
drei Thesen zusammenfassen:<br />
- Die Zelle ist von einer lipidimprägniertenGrenzschichtumgeben.<br />
Diese Zellmembran bestimmt<br />
die osmotischen Eigenschaften der<br />
lebenden Zelle. Der Austausch von<br />
Substanzen folgt einerseits passiv<br />
den Gesetzen der Diffusion und den<br />
auf wässrige Lösungen angewandten<br />
Gasgesetzen, erfolgt also in der<br />
Richtung von Konzentrations- oder<br />
Partialdruckdifferenzen. Andererseits<br />
erfolgt auch ein Transport gegen<br />
Konzentrationsgefälle durch aktive<br />
metabolische, also Energie verbrauchende<br />
Prozesse.<br />
Was wir heute unter einer Zellmembran<br />
verstehen, ist nur im<br />
Elektronenmikroskop sichtbar. Deshalb<br />
war damals die Frage einer<br />
Zellmembran sehr umstritten. Overton<br />
postulierte auf Grund seiner<br />
Experimente eine Zellmembran aus<br />
einem Gemisch von Cholesterin und<br />
Lecithin, einem Phospholipid.<br />
- Die Lipide der Zellmembran<br />
sind am Phänomen der Narkose<br />
beteiligt.<br />
Für die Untersuchungen über<br />
Osmose an Pflanzen war es notwendig,<br />
Pflanzenzellen zu mikroskopieren.<br />
Das Phänomen der Narkose an<br />
Pflanzenzellen zeigt sich dabei im<br />
Sistieren der Bewegung des Protoplasmas.<br />
Pflanzenzellen können also<br />
narkotisiert werden. Overton dehnte<br />
seine Untersuchungen auch auf Tiere<br />
aus und benutzte Kaulquappen,<br />
Wasserflöhe und andere Organismen.<br />
- Ein Austausch von Natrium<br />
und Kalium an Muskel- und Nervenzellmembranen<br />
ist verantwortlich<br />
für die Erregbarkeit dieser Zellen:<br />
“Man könnte sich ganz wohl vorstellen,<br />
dass in einer bestimmten<br />
Phase der Latenzzeit oder des<br />
eigentlichen Contractionsvorganges<br />
eine solche Aenderung der Oberfläche<br />
des Sarcoplasmas stattfindet,<br />
dass die Fasern während eines<br />
gewissen (wahrscheinlich äusserst<br />
kurzen) Zeitraumes für Natrium- und<br />
Kaliumionen durchlässig werden”<br />
(zitiert nach (7)).<br />
Overton’s “Studien<br />
über die Narkose”<br />
Das Werk gliedert sich nach dem<br />
Vorwort in einen allgemeinen und<br />
einen speziellen Teil. Im allgemeinen<br />
Teil werden insbesondere die<br />
damals üblichen Narkosetheorien<br />
kritisch diskutiert. Im speziellen Teil<br />
stellt Overton vor allem auch seine<br />
eigenen experimentellen Resultate<br />
vor. Ich verzichte auf eine systematische<br />
Darstellung und greife im Folgenden<br />
einige Punkte heraus, die mir<br />
aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert<br />
erscheinen.<br />
- Overton unterschied streng<br />
zwischen den chemisch indifferenten<br />
Narkotika, die weder basisch noch<br />
sauer noch Salze sind und den basischen<br />
resp. salzartigen Narkotika.<br />
Während er aus praktischen Gründen<br />
eine Trennung in Anästhetika im<br />
Sinne von Inhalationsanästhetika<br />
und in übrige indifferente Narkotika<br />
zuliess, betonte er, dass aus physiologischer<br />
Sicht alle indifferenten<br />
Narkotika unabhängig vom Weg, auf<br />
dem sie ins Blut gelangen, als gleich<br />
oder gleich wirkend zu betrachten<br />
seien.<br />
- Zur Zeit von Overton gab es<br />
kein allgemein akzeptiertes Mass für<br />
die Wirkstärke von Narkotika. So<br />
war es etwa üblich, die Zeitdauer der<br />
Narkose bis zum Exitus des Versuchstieres<br />
als Mass der Wirkstärke<br />
zu verwenden. Overton experimentierte<br />
mit Verdünnungsreihen der<br />
untersuchten Substanzen in Wasser<br />
und in der Regel mit Kaulquappen<br />
als Versuchstieren. Er bestimmte die<br />
Grenzkonzentration, bei der Narkose<br />
eintritt, erkennbar am Sistieren der<br />
Schwimmbewegungen und Absinken<br />
der Kaulquappen auf den Grund<br />
des Glasbehälters. Er nannte diese<br />
Grenzkonzentration die kritische<br />
Konzentration. Sie könnte auch als<br />
minimale aquatische Konzentration<br />
oder MAC bezeichnet werden. Er<br />
unterschied also zwischen Wirkstärke<br />
und Toxizität. Er zeigte, dass<br />
Kaulquappen in der kritischen Konzentration<br />
des Äthylalkohols oder<br />
des Äthyläthers tagelang überleben<br />
und - werden sie in frisches Wasser<br />
verbracht - innert weniger Minuten<br />
erwachen, während andere Substanzen<br />
in der kritischen Konzentration<br />
innert kurzer Zeit zum Tod der Versuchstiere<br />
führen können. Aus heutiger<br />
Sicht fällt auf, mit welcher Selbstverständlichkeit<br />
Meyer und Overton Alkohol<br />
als Narkotikum betrachteten.<br />
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