Deutsche Lebensmittel-Rundschau 06/08 - DLR Online: Deutsche ...
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BayVGH<br />
§ 123 VwGO<br />
Art. 50 der VO (EG) Nr. 178/2002<br />
Art. 52 i.V.m. Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002<br />
§ 40 Abs. 4 LFGB<br />
<strong>Lebensmittel</strong>recht<br />
Mindesthaltbarkeitsdatum<br />
Nachweis von Keimen (Listeria monocytogenes)<br />
Gesundheitsschädlichkeit<br />
europäisches Schnellwarnsystem<br />
Übermaßverbot/Erforderlichkeit<br />
[…]<br />
Aus den Gründen:<br />
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.<br />
Angesichts der Eilbedürftigkeit des Beschwerdeverfahrens<br />
lassen sich die Erfolgsaussichten eines nachfolgenden<br />
Hauptsacheverfahrens nur summarisch beurteilen. Der Senat<br />
neigt hierbei der Auffassung des Verwaltungsgerichts<br />
zu, dass die vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit<br />
und <strong>Lebensmittel</strong>sicherheit (LGL) beabsichtigte Meldung<br />
des Produkts „Hähnchenschnitzel – paniert und knusprig<br />
gebacken“ der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, bei<br />
dem in einer gezogenen und entsprechend der Verpackungskennzeichnung<br />
(„Mindesthaltbarkeitsdatum unter 7°C:<br />
24.10.2007) gelagerten Probe am 24. Oktober 2007 der<br />
Keim Listeria monocytogenes in einer Zahl von 6 000 KbE/<br />
g festgestellt und das Produkt deshalb als gesundheitsschädlich<br />
beurteilt wurde, an das europäische Schnellwarnsystem<br />
für <strong>Lebensmittel</strong> und Futtermittel rechtmäßig ist und die<br />
Antragstellerin deshalb keinen Anspruch auf Unterlassung<br />
der Meldung oder einer Befassung anderer staatlicher Stellen,<br />
insbesondere des Bundesamts für Verbraucherschutz<br />
und <strong>Lebensmittel</strong>sicherheit, mit dem Sachverhalt zwecks<br />
Einstellung einer Meldung hat.<br />
Im Rahmen der gebotenen, nach Erfolgswahrscheinlichkeit<br />
gewichteten gerichtlichen Interessenabwägung ist deshalb<br />
davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht den Antrag,<br />
dem Antragsgegner ein entsprechendes Vorgehen im<br />
Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu<br />
untersagen, zu Recht abgelehnt hat.<br />
1. In der Beschwerdebegründung lässt die Antragstellerin<br />
hiergegen vorbringen, dass die Meldung an das europäische<br />
Schnellwarnsystem im Sinne des Art. 50 der VO (EG)<br />
Nr. 178/2002 wegen Art. 52 der VO (EG) Nr. 178/2002 im<br />
Zusammenhang mit den Vorschriften über die „Information<br />
der Öffentlichkeit“ zu sehen sei, die gemeinschaftsrechtlich<br />
in Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002 geregelt sei und im<br />
nationalen Recht in § 40 LFGB konkretisiert werde. Und<br />
§ 40 Abs. 4 LFGB sehe vor, dass eine Information der Öffentlichkeit<br />
nicht mehr ergehen dürfe, wenn das Erzeugnis nicht<br />
mehr in den Verkehr gelangt und nach der Lebenserfahrung<br />
davon auszugehen ist, dass es, soweit es in den Verkehr ge-<br />
langt ist, bereits verbraucht ist. Dieser Vortrag stellt das Ergebnis<br />
des erstinstanzlichen Beschlusses nicht in Frage.<br />
a) Zweifelhaft ist bereits der Ausgangspunkt der Argumentation<br />
der Antragstellerin, nämlich der behauptete<br />
strikte Zusammenhang zwischen einer Meldung zum europäischen<br />
Schnellwarnsystem gemäß Art. 50 der VO (EG)<br />
Nr. 178/2002 und einer behördlichen Produktwarnung gemäß<br />
Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002 i.V.m. § 40 LFGB,<br />
der nach Auffassung der Antragstellerin den Regelungsbereich<br />
der Schnellwarnung mit dem Informationsprinzip des<br />
Art. 10 der VO (EG) Nr. 178/2002 zu einer Einheit verbinde<br />
mit der Folge, dass die Wertung des § 40 Abs. 4 LFGB auch<br />
auf die Voraussetzungen für eine Schnellwarnung durchschlage.<br />
Richtig ist allerdings, dass die Vorschrift des Art. 52 Abs. 1<br />
Satz 1 der VO (EG) Nr. 178/2002 eine Verknüpfung zwischen<br />
Meldungen im Schnellwarnsystem und behördlichen<br />
Informationen der Öffentlichkeit herstellt, indem sie bestimmt,<br />
dass den Mitgliedern des Netzes vorliegende Informationen<br />
über Risiken für die menschliche Gesundheit aufgrund<br />
von <strong>Lebensmittel</strong>n in der Regel in Übereinstimmung<br />
mit dem Informationsprinzip nach Art. 10 des VO (EG)<br />
Nr. 178/2002 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen<br />
sind. Diese Verknüpfung ist aber in verschiedener Hinsicht<br />
gefiltert, wie bereits der Wortlaut des Art. 52 Abs. 1<br />
Satz 1 der VO (EG) Nr. 178/2002 mit der Einschränkung,<br />
dass diese Verpflichtung zur Weitergabe von vorliegenden<br />
Informationen über Gesundheitsrisiken an die Öffentlichkeit<br />
nur „in der Regel“, also nicht ausnahmslos gilt, zum<br />
Ausdruck bringt. Ausnahmen ergeben sich insbesondere<br />
aus Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 2 der VO (EG) Nr. 178/2002,<br />
wonach Informationen, die ihrer Natur gemäß der Geheimhaltung<br />
unterliegen, grundsätzlich nicht weitergegeben werden.<br />
Zum anderen darf nach Art. 52 Abs. 2 der VO (EG)<br />
Nr. 178/2002 der Schutz der Geheimhaltung die Weitergabe<br />
von Informationen, die für die Wirksamkeit der Marktüberwachung<br />
und der Durchsetzungsmaßnahmen im Bereich<br />
der <strong>Lebensmittel</strong> relevant sind, an die zuständigen<br />
Behörden gerade nicht verhindern. Es liegt vielmehr in der<br />
Verantwortung der jeweils im Vollzug konkret betroffenen<br />
Behörden, die Informationen über das Schnellwarnsystem<br />
erhalten haben, einerseits darüber zu entscheiden, ob und<br />
gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Gewährleistung der<br />
<strong>Lebensmittel</strong>sicherheit und Gesundheit zu treffen sind, und<br />
in diesem Rahmen andererseits auch darüber zu befinden,<br />
ob und in welchem Umfang die Öffentlichkeit durch behördliche<br />
Produktwarnungen aufgeklärt werden oder aber<br />
Vertraulichkeit der Informationen nach den inhaltlichen<br />
Maßstäben des Art. 52 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 178/2002<br />
gewährleistet werden soll. Diese Verantwortung der Behörden<br />
der Mitgliedstaaten, zwischen Handlungsbedarf – gegebenenfalls<br />
auch durch behördliche Produktwarnung – und<br />
Geheimhaltungsbedürfnis entscheiden zu müssen, wird<br />
überhaupt erst real, wenn sie über das Schnellwarnsystem<br />
mit den erforderlichen Informationen versorgt werden.<br />
294 ı Recht <strong>Deutsche</strong> <strong>Lebensmittel</strong>-<strong>Rundschau</strong> ı 104. Jahrgang, Heft 6, 20<strong>08</strong>