Pädagogische Intervention bei Kindern mit Legasthenie - Bücher für ...
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2 Zum Verständnis neuropsychologischer Zusammenhänge<br />
wechselseitig beeinflussende Entwicklung der alphabetischen und orthographischen Strate-<br />
gien (vgl. hierzu Lennox/Siegel 1998; Martinet/Valdois/Fayol 2004). Martinet et al. (2004)<br />
schließen aus ihrer Untersuchung, dass auch schon in diesem frühen Stadium des Schrift-<br />
spracherwerbs zumindest Spuren orthographischer Repräsentationen eingespeichert werden<br />
und sich so<strong>mit</strong> lexikalisches Wissen und Wissen über die Graphem-Phonem-<br />
Korrespondenzen simultan entwickeln. Die Annahme von deutlich unterscheidbaren Phasen<br />
ist allerdings auch <strong>bei</strong>m Rechtschreiben nicht unwidersprochen geblieben (z.B. Lennox/Siegel<br />
1998). Speziell im deutschsprachigen Raum widersprechen die Ergebnisse z.T. den Erwartun-<br />
gen, die im Rahmen von Phasenmodellen über die Entwicklung des Rechtschreibens formu-<br />
liert wurden.<br />
Im Vergleich zum Lesenlernen wird das Rechtschreiben durch zwei Sachverhalte erschwert:<br />
Für ein gehörtes Phonem ist die Auswahl an Graphemverbindungen größer als die Auswahl<br />
der Phoneme <strong>für</strong> ein Graphem <strong>bei</strong>m Lesen. Zudem ist das zweite tragende Prinzip unserer<br />
Sprache, das Stammerhaltungsprinzip, zwar durch die erleichterte Wiedererkennung von<br />
Wörtern ähnlicher Bedeutung leserfreundlich, jedoch ist es nicht rechtschreibfreundlich, da es<br />
keine durchgängig gleiche Schreibung <strong>bei</strong> gleich klingenden Lauten erlaubt. Daher verwun-<br />
dert es nicht, dass Kinder normalerweise schneller kompetent lesen als sie vergleichsweise<br />
rechtschreiben 14 . Im Laufe der theoretischen Diskussion wurde eine differenziertere Ansicht<br />
der Entwicklungsmodelle gewonnen, der auch in der Praxis Bedeutung zukommt. Zum einen<br />
ist davon auszugehen, dass die genannten Stadien nicht in sich abgeschlossen und aufeinander<br />
aufbauend durchlaufen werden, da – wie trotz zeitlicher Vorordnung der alphabetischen Stra-<br />
tegie 15 anzunehmen ist – doch je nach Situation und je nach Schwierigkeit des Wortmaterials<br />
auch <strong>bei</strong> primär orthographisch orientierter Zugriffsform die alphabetische Zugriffweise die<br />
grundlegende und jederzeit verfügbare bleibt. Zum anderen hat sich <strong>mit</strong>tlerweile das Missver-<br />
ständnis, dass sich die schriftsprachliche Entwicklung <strong>bei</strong>m einzelnen Kind völlig selbststän-<br />
dig vollziehen würde, relativiert. Die Erkenntnis, dass jede Art von Lernen ein spezifischer<br />
Prozess ist, bedeutet nicht, dass ein anregungsreicher und leistungsstimulierender Unterricht<br />
sowie die Konfrontation <strong>mit</strong> der normgerechten Schriftsprache nicht ebenso wichtig wäre, um<br />
die kindliche Entwicklung anzuregen und voranzutreiben.<br />
„Pädagogik ist derzeit so konzipiert, dass Kinder und Jugendliche auf Anforderungen und<br />
gesellschaftliche Bedingungen vorbereitet werden sollen, die sich heute erst in Ansätzen ab-<br />
14 An dieser Stelle sei auf weiterführende Literatur verwiesen (vgl. hierzu u.a. Kirschhock 2004;<br />
Richards/Berninger et al. 2005). Hier werden auch die <strong>für</strong> das Lesen- und Schreibenlernen so wichtigen<br />
Voraussetzungen der visuellen, sprachlichen sowie auditiv-artikulatorischen Wahrnehmung dargestellt.<br />
15 <strong>bei</strong> Scheerer-Neumann: phonemische Strategie.<br />
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