David Kriegleder, Die Integral-Theorie Ken Wilbers ... - Integral World
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Talcott Parsons – Begründer der soziologischen Systemtheorie – interpretierte in den 1960er<br />
Jahren die menschliche Geschichte als Entwicklung von primitiven Gesellschaften bis hin zu<br />
modernen Industriegesellschaften und schloss sich damit dem herrschenden Standpunkt der<br />
früheren Soziologie an, dass die Modernisierung von Gesellschaft (in seinem Fall - aus<br />
systemischer Sicht - in Form von Komplexitätssteigerung und Anpassungsfähigkeit) einen<br />
progressiven Gegensatz zur Tradition und Geschlossenheit früherer Gesellschaften bedeutet. Als<br />
wichtigstes Beweismaterial für die progressive Entwicklung der Gesellschaft wurde dabei<br />
zunehmend neben der modernen Technik und Industrialisierung auch der evolutionäre Wandel<br />
und die Bedeutung der modernen Wissenschaft, der modernen Wirtschaft, des politischen und<br />
juristischen Systems sowie der zunehmenden Komplexität von Institutionen der modernen<br />
Gesellschaft betont. Insofern setzte sich die <strong>Theorie</strong> der sozialen Evolution – wenngleich in<br />
unterschiedliche methodische und disziplinäre Zugänge gebettet - in den <strong>Theorie</strong>n des Ökonomen<br />
Friedrich von Hayek, in Niklas Luhmanns <strong>Theorie</strong> selbstreferentieller Systeme sowie in der<br />
kritischen <strong>Theorie</strong> von Jürgen Habermas (siehe Abschnitt 1.4.) bis in die 1970er Jahre fort.<br />
Ab diesem Zeitpunkt änderte sich der „Zeitgeist“. <strong>Die</strong> gesellschaftlichen, politischen und<br />
kulturellen Bewegungen, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre an Momentum gewonnen<br />
hatten, führten zu einem Wandel in den westlichen Industriestaaten und damit auch zu<br />
Veränderungen in der Gesellschafts- und Kulturtheorie. In dieser Zeit des aufkommenden<br />
„Multikulturalismus“ und der postmodernen Abneigung gegen hierarchisierende Zuordnungen<br />
verschwanden <strong>Theorie</strong>n, die die verschiedenen Kulturen und Gesellschaften der Welt in eine<br />
entwicklungstechnische Rangordnung unterteilten endgültig von der Bühne des akademischen<br />
Mainstreams. 23 Stattdessen öffneten sich eine ganze Reihe neuer Wissenschaftsgebiete, die auf<br />
ihre Art mit Erforschung der Evolution beschäftigten: z.B. die Ethologie (vergleichende<br />
Verhaltensbiologie), die Evolutionspsychologie sowie die Kognitionswissenschaften. Und so kam<br />
es, dass sich diverse Sozialwissenschaftler, die an der evolutionistischen Methodologie festhalten<br />
wollten, bei der Erklärung gesellschaftlicher und kultureller Phänomene immer häufiger auf diese<br />
kybernetischen bzw. (sozio)biologischen und psychologischen Modelle stützten. Als Beispiele für<br />
Auswirkung dieses neuen „Trends“ im Bezug der Politikwissenschaft seien die Arbeiten des US-<br />
Politologen Glendon Schubert 24 und des australischen Philosophen Peter Singer 25<br />
erwähnt, die<br />
beide aus dem gruppendynamischen Verhalten von höher entwickelten Primaten wie<br />
Menschenaffen auf die Geburt politischen Verhaltens schließen und diese soziobiologischbehavioristischen<br />
Erkenntnisse auf die Analyse zeitgenössischer politischer Interaktion<br />
23<br />
Wright, R., 2001, S.16.<br />
24<br />
siehe: Schubert, 1989.<br />
25<br />
siehe: Singer, 1999.<br />
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