David Kriegleder, Die Integral-Theorie Ken Wilbers ... - Integral World
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ausgesetzt, die Riedl als Ober- und Untersystem bezeichnet. In den vier aristotelischen Ursachen<br />
– causa finalis, causa formalis, causa materialis, causa efficiens – sieht Riedl jenen Mechanismus,<br />
der diese verschiedenen Schichten/Systeme zueinander in Beziehung setzen. So wirkt jeweils das<br />
Obersystem auf eine neuentstehende Schicht als „Formbedingung“ während das Untersystem die<br />
Materialbedingungen festlegt. Oder einfacher formuliert: „<strong>Die</strong> jeweils untere Ebene liefert<br />
Energie und Material, die Auswahl oder Selektion erfolgt nach dem Kriterium der jeweils<br />
übergeordneten Ebene.“ 89 . Aus dieser Ansicht resultiert aber ein intellektuelles Problem: Wenn es<br />
stimmt, das jeweils das jeweils höhere System die Formbedingung des neu entstehenden<br />
niedrigeren Systems bedingt, dann muss es ja zu jedem System im Vorhinein schon ein<br />
Übersystem gegeben haben. <strong>Die</strong>ses scheinbare Paradox erklärt Riedl damit, dass alle Systeme als<br />
Einschübe zwischen Systemteilen und dem übergeordnetem Ganzen entstehen. 90 So wären z.B.<br />
Staaten Einschübe zwischen Individuen/Gruppen als Systemteile und dem Ökosystem als<br />
Obersystem; genauso könnten wirtschaftliche Unternehmen als Einschübe zwischen Individuen<br />
als Systemteilen und dem Gesamtsystem der Wirtschaft als Obersystem verstanden werden. Auf<br />
diese Art habe sich der gesamte Kosmos nach dem Urknall in Form eines Einschubs von<br />
(Systemen) zwischen das jeweils präexistente „Ganze“ und den „Teil“ entwickelt.<br />
Schichten 91<br />
Grundlegend für dieses Konzept ist die Vorstellung, dass sich die Welt als hierarchischer Aufbau<br />
beschreiben lässt: Organismen bestehen aus Organen, diese aus Zellstrukturen, diese aus Zellen,<br />
diese aus Biomolekülen, diese aus Molekülen, diese aus Atomen usw. 92 So gesehen ist jeder<br />
Organismus ein vielschichtiges hierarchisches System innerer oder systemischer evolutionärer<br />
Mechanismen. Der Evolutionsprozess greift in seinem Ablauf auf allen Ebenen der Hierarchie<br />
und drückt sich dabei durch das Zusammenspiel von Zufälligkeit und Notwendigkeit aus. Der<br />
Zufall wirkt bereits auf der untersten Ebene in Form der Indeterminiertheit mikrophysikalischer<br />
Vorgänge (z.B. in der Quantenphysik), greift auf der biologischen Ebene in Form von Mutation<br />
und Rekombination ein, und reicht schließlich auch bis auf höhere Ebenen des Seins hinauf.<br />
Dabei erhält jede Stufe der Evolution neue, spezifische und noch nicht dagewesene<br />
Ausformungen und Phänomene, die sich als „emergent“ beschreiben lassen. Emergenz bezeichnet<br />
in diesem Zusammenhang, „das plötzliche Auftreten einer neuen Qualität, die jeweils nicht erklärt<br />
werden kann durch die Eigenschaften oder Relationen der beteiligten Elemente, sonder durch eine<br />
selbstorgansierende Prozessdynamik“. 93<br />
89<br />
Meleghy/Niedenzu, 2003, Einleitung S.23.<br />
90<br />
Ebd.<br />
91<br />
Vergleichbar mit den „Seinschichten“ Nikolai Hartmanns; In Hartmann, 1964.<br />
92<br />
<strong>Die</strong>ses hierachische Weltbild werden wir in Abschnitt 3 bei dem Holon-Modell der <strong>Integral</strong>isten wieder<br />
finden.<br />
93<br />
Wimmer, 1993, S. 116.<br />
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