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David Kriegleder, Die Integral-Theorie Ken Wilbers ... - Integral World

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Für White sind zwar alle drei Zugänge legitim, notwendig und besitzen jeweils einen eigenen<br />

heuristischen Wert. Dennoch sei der evolutionistische Zugang grundlegender als die anderen<br />

beiden, da er Phänomene in ihrer Vollständigkeit erfasst, während der historische und der<br />

strukturell funktionalistische Zugang immer nur zu Teilergebnissen führen könnte.<br />

Den vielfältigen Überlegungen zum Verhältnis von Evolutionstheorie(n) und der<br />

Geschichtstheorie kann hier nicht weiter nachgegangen werden, sie lassen sich in detaillierter<br />

Form an anderer Stelle nachlesen. 36 Interessant scheint aber in diesem Zusammenhang noch, dass<br />

die Abkehr der Sozialwissenschaft von klassischen, progressiv verstandenen evolutionären<br />

Denken und Modellen ab den 1970er Jahren auch einher ging mit einer methodologischen<br />

Umorientierung in der Geschichtswissenschaft dieser Zeit. Statt der Erforschung der großen<br />

Zusammenhänge in der Weltgeschichte („long durèe“) konzentrierte sich die Geschichtsforschung<br />

zunehmend auf die Erforschung von Einzelereignissen, Mikro- statt Makrogeschichte,<br />

Erinnerungen und Mentalität statt Fakten. Geschichtliche Voraussagen seien – wenn überhaupt -<br />

„nur in einem eigenen Bereich, in einem spezifischen Raum möglich – es ist ein falscher Versuch,<br />

Prognose im historischen Sinn der Modernisierung zu treiben. In der neuen Anschauung gibt es<br />

für den Universalismus keinen Platz, er wird als Beispiel der europäischen Höherwertigkeit<br />

verworfen“ 37 <strong>Die</strong> postmoderne Kritik postulierte dabei nicht nur das endgültige Ende des<br />

Fortschrittparadigmas sondern die gesamte „Abenddämmerung der Moderne“, das Scheitern der<br />

aufklärerischen Postulats der Vernunft und der menschlichen Emanzipation sowie das Ende der<br />

großen Erzählungen und Metanarrative. 38 <strong>Die</strong>se Auffassung, die die Geschichtsschreibung als<br />

solche in Frage stellte, rüttelte letztlich auch am Fundament der gesamten Sozialwissenschaft, da<br />

das Geschichtsdenken als quasi „Weg der Menschheit (…) einen Gesichtspunkt und Maßstab zur<br />

Interpretation sämtlicher gesellschaftlicher und kultureller Phänomene geboten [hatte]“. 39<br />

Im Kern dieser universalgeschichtlichen Debatte ging es nicht zuletzt auch um das moralische<br />

Selbstverständnis der westlichen Welt: Repräsentiert der europäisch, angelsächsische<br />

Verhaltenskanon eine fortgeschrittene Stufe der Menschheitsentwicklung, oder entsprechen die<br />

Zwänge, denen unser Verhalten unterworfen ist, letztlich doch nur anthropologisch<br />

determinierten Bedingungen, so das von einer wirklichen Entwicklung gar nicht gesprochen<br />

werden kann? Oder kann moderne Vergesellschaftung in westlich Industriestaaten gar als ein<br />

36<br />

z.B. bei Luhmann, 1982, S. 150-170; sowie bei Habermas, 1976, S. 227 ff.<br />

37<br />

Sarkany/Somlai, 2003, In: Meleghy/Niedenzu (Hrsg.), S.45.<br />

38<br />

Vgl. Lyotard, 1986.<br />

39<br />

Sarkany/Somlai, 2003, In: Meleghy/Niedenzu (Hrsg.), S.49.<br />

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