Lesekompetenz gehörloser und schwerhöriger ... - Sonos
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Test ist zumindest für gehörlose Schüler ungeeignet; auch für Schwerhörige erscheint er nicht<br />
sinnvoll“ (Hüther 2007, 88). Allerdings wird auch kritisiert, dass „vergleichende Ergebnisse<br />
(...) lediglich für hörende SchülerInnen vorliegen“ <strong>und</strong> „[e]ine Auswertung <strong>und</strong> Einschätzung<br />
der Hörgeschädigten (...) nicht statt[findet]“ (Hüther 2007, 84f.), die SchülerInnen der drei<br />
Schulen demnach nicht im Kontext anderer hörgeschädigter SchülerInnen eingeordnet werden<br />
können. Das ist der einzige Kritikpunkt innerhalb der Argumentation, der nicht auf eine<br />
gr<strong>und</strong>sätzliche Ablehnung des Verfahrens hinausläuft. Es wird nicht weiter ausgeführt,<br />
inwieweit ein Vergleich mit weiteren hörgeschädigten SchülerInnen interessante<br />
Implikationen haben könnte, 16 zumal aufgr<strong>und</strong> der Heterogenität der Schülerschaft „eine<br />
Interpretation der vorliegenden Ergebnisse hinsichtlich des Qualitätsprogramms“ als<br />
„praktisch unmöglich“ angesehen wird, sondern bloß von der allgemeinen Notwendigkeit,<br />
aber Unverfügbarkeit eines „geeignete[n] Testinstrument[s]“ (Hüther 2007, 88) gesprochen.<br />
Ein Gr<strong>und</strong> für die Zurückhaltung der Hörgeschädigtenschulen bei Evaluationen dieser Art ist<br />
vermutlich auch, dass es nur eine schmale Tradition empirischer Verfahren in der deutschen<br />
Hörgeschädigtenpädagogik gibt: Die traditionelle Hörgeschädigtenpädagogik, in der<br />
SchülerInnen primär oder rein lautsprachlich beschult werden, ist hierzulande nie in einem<br />
Maße hinterfragt worden, dass sie sich um eine empirische Begründung ihrer Methode hätte<br />
bemühen müssen. Bis zur ersten Studie über die Textproduktionskompetenz hörgeschädigter<br />
BerufsschülerInnen von Günther <strong>und</strong> Schulte (1988) gibt es zwar statistische Daten über<br />
hörgeschädigte – bzw. taubstumme 17 – SchülerInnen, aber nur vereinzelte Untersuchungen<br />
ihrer Kompetenzen. Vorläufer einer empirisch f<strong>und</strong>ierten Hörgeschädigtenpädagogik gibt es<br />
zumeist dann, wenn Alternativen oder Ergänzungen zur bestimmenden oralen oder auralen<br />
Methode diskutiert werden. Erste Ansätze finden sich bei den „Leipziger<br />
Schriftbildmethodikern“, die in den 1910er <strong>und</strong> 1920er Jahren als Alternative zum rein<br />
lautsprachlichen einen schriftsprachlichen Spracherwerb angestrebt <strong>und</strong> eine Reihe von<br />
Untersuchungen zu Intelligenzstand <strong>und</strong> Schreibstrategien taubstummer Kinder durchgeführt<br />
haben (Günther 1985a, 27ff.). Um den praktischen Erfolg einer solchen Methode zu<br />
begründen, hat Querll (1912) Untersuchungen in einer nach dieser Methode beschulten<br />
denen eher eingegrenzte Fähigkeitsfelder getestet werden, sondern vergleichsweise umfassende Kompetenzen<br />
evaluieren.<br />
16 An dieser Stelle hätte man allerdings auf den Bericht des Autors dieser Arbeit (Hennies 2006b) verweisen<br />
können, in dem exemplarisch anhand der VERA-Deutscharbeit 2005 ein schul- <strong>und</strong> b<strong>und</strong>esländerübergreifender<br />
Vergleich der Ergebnisse hörgeschädigter SchülerInnen dargestellt worden ist. Dieser Bericht ist allen an VERA<br />
beteiligten Hörgeschädigtenschulen zugeschickt worden <strong>und</strong> lag zum Zeitpunkt des Artikels bereits seit einem<br />
Jahr vor.<br />
17 Wenn es im Folgenden um den historischen Kontext geht, wird der Begriff „taubstumm“ verwendet, da er sich<br />
nicht problemlos in eine aktuelle Terminologie überführen lässt, sondern als Sammelbegriff für die damaligen<br />
gehörlosen <strong>und</strong> schwerhörigen SchülerInnen fungiert.<br />
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