Entwicklung der Landschaft - Alte Salzstrasse
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182 <strong>Landschaft</strong>sgeschichte Neue Zeiten<br />
183<br />
Mineraldünger<br />
Auf <strong>der</strong> tschechischen Seite fielen viele Flächen nach <strong>der</strong> Vertreibung <strong>der</strong><br />
deutschen Bewohner (1945/46) brach. Auch hier führte später die sozialistische<br />
Landwirtschaft mit intensiver Viehzucht (Fojtovice/Voitsdorf, Moldava/Moldau)<br />
und sinnlosen Meliorationen zum drastischen Rückgang<br />
<strong>der</strong> wertvollen Wiesengesellschaften.<br />
Auch während <strong>der</strong> „Wiesenzeit“ zwischen Mitte des 19. und Mitte des 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts setzte sich <strong>der</strong> Nährstoffentzug <strong>der</strong> Böden fort, da die mit<br />
dem Heu abgefahrenen Nährstoffe nicht wie<strong>der</strong> über Viehdung den Wiesen<br />
zurückgegeben werden konnten. Aber durch die neuen Verkehrswege<br />
gab es jetzt Möglichkeiten, die Defizite auszugleichen, indem Mineraldünger<br />
bezogen wurde. Eine große Rolle spielte vermutlich <strong>der</strong> Thomasphosphor<br />
(Kalzium-Phosphor-Verbindung), <strong>der</strong> in den Stahlwerken nach Erfindung<br />
des Thomas-Verfahrens 1878 als Nebenprodukt anfiel, über die Eisenbahnen<br />
ins Gebirge gebracht und dort als „Bester Wiesendünger“ von den<br />
Bahnhöfen weg verkauft wurde. Dies war eine sehr wichtige Neuerung für<br />
die Wiesennutzung. Zum einen ist Phosphor kritisches Mangelelement <strong>der</strong><br />
meisten Böden im Ost-Erzgebirge, zum an<strong>der</strong>en benötigen gerade Pferde<br />
kalziumreiches Futter. Möglicherweise bietet diese Kalkung eine Erklärung<br />
dafür, warum eine ganze Reihe von basenliebenden Wiesenpflanzen im<br />
Ost-Erzgebirge damals viel häufiger waren, heute hingegen ausgestorben<br />
o<strong>der</strong> in starkem Rückgang sind.<br />
Durch die Aufstallung des Viehs wuchs<br />
auch <strong>der</strong> Bedarf an Stalleinstreu, während<br />
gleichzeitig <strong>der</strong> Getreideackerbau abnahm.<br />
Ein großer Teil des anfallenden Strohs war<br />
außerdem für vielfältige an<strong>der</strong>e Nutzungen,<br />
vor allem zum Decken <strong>der</strong> Dächer, bestimmt.<br />
Abgesehen von Schlössern, Kirchen<br />
und Rathäusern waren noch bis ins<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>t hinein fast alle Häuser<br />
mit Holzschindeln o<strong>der</strong> Stroh gedeckt.<br />
Früher hatte man das Einstreu-Material<br />
Abb.: Haus mit Strohdach im 1945 zerstörten<br />
auch aus dem Wald geholt, mit großen<br />
deutsch-böhmischen Ort Ebersdorf (Archiv<br />
Streurechen Laub und Zweige zusammen-<br />
Osterzgebirgsmuseum Lauenstein)<br />
gekehrt. Dieser für den Wald schlimme<br />
Nährstoffentzug war nun genauso verboten worden wie die Waldweide.<br />
Nasswiesen Also musste man die Nutzung <strong>der</strong> verbliebenen Nasswiesen intensivieren,<br />
in denen überwiegend harte Seggen und Binsen wuchsen. Solche Streuwiesen<br />
wurden meistens erst nach den Heuwiesen gemäht, was vielen<br />
Pflanzen ausreichend Zeit zum Blühen und Fruchten, bodenbrütenden<br />
Vögeln zum Verlassen <strong>der</strong> Nester ermöglichte. Das Vieh suchte sich aus<br />
dem Mähgut die wenigen noch schmackhaften und genießbaren Pflanzen<br />
heraus (viele Nasswiesenarten sind giftig), <strong>der</strong> Rest wurde im Stall als<br />
Einstreu verteilt. Gute Streuwiesen waren fast so wertvoll wie Heuwiesen.<br />
Schafherdenabgeschafft<br />
Aufforstungen<br />
Abb.: Geising (Blick<br />
zum Leitenhang),<br />
Gemälde von Arthur<br />
Krauss, 1934 (SLUB,<br />
Deutsche Fotothek)<br />
Abb.: Geising 1993 –<br />
deutlich sind die<br />
Steinrücken an den<br />
aufgeforsteten Leitenhängen<br />
zu erkennen.<br />
In den 70er Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts waren infolge billiger Wollimporte<br />
aus Australien und Argentinien die Schafherden fast überall abgeschafft<br />
worden. Für annähernd 100 Jahre verschwand die landschaftsprägende<br />
Hüteschafhaltung aus dem Ost-Erzgebirge (bevor sie in <strong>der</strong> DDR eine staat-<br />
lich verordnete, von vielen LPG‘s 24 mit wenig Begeisterung aufgenomme-<br />
ne Wie<strong>der</strong>belebung erfuhr). Steile Hanglagen o<strong>der</strong> arme, abgelegene Flur-<br />
teile, die schon vorher nur zu wenig ergiebiger Viehtrift (die „Triften“) genutzt<br />
werden konnten, wurden an vielen Stellen aufgeforstet, dem Zeitgeist<br />
und den Möglichkeiten entsprechend fast überall mit Fichte. Heute<br />
erkennt man solche sekundär aufgeforsteten Bereiche an den innerhalb<br />
des Waldes liegenden Steinrücken, z.B. an den Geisinger Leiten o<strong>der</strong> im<br />
Schilfbachtal bei Falkenhain. Der Waldanteil im Ost-Erzgebirge hat<br />
somit in den letzten 150 Jahren erheblich zugenommen, in manchen<br />
Gebieten bis zu einem Drittel.<br />
24 LPG = Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft<br />
= Vorläufer <strong>der</strong> heutigen Agrargenossenschaften