24.09.2015 Views

DNS Ausgabe Januar April 2013

  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

04. <strong>2013</strong> Gesundheit<br />

webes unter der Haut beim Lebenden zu filmen. Dieses<br />

Video dokumentiert die faszinierendsten Aufnahmen von<br />

Faszien, die je gemacht wurden. Guimberteau ist plastischer<br />

und Handchirurg und forscht seit Jahren auf diesem<br />

Gebiet. Die Schönheit und Spannung entsteht durch<br />

die Sicht auf eine lebende Faszie in einem lebenden<br />

Körper. Ob Laie oder Experte, Sie werden begeistert sein.<br />

Die Poesie der Bilder genügt allein schon, wobei Sie ganz<br />

nebenbei alles Wissenswerte über die Faszien erfahren.<br />

Man kann sich dieses Video „Strolling under the skin“ auf<br />

youtube anschauen oder als DVD bestellen.<br />

Eine häufig auftauchende Frage an Dr. Guimberteau war,<br />

wie er als Handchirurg in das offensichtlich chaotisch<br />

anmutende Fasziengeflecht Ordnung bringt, bzw., ob er<br />

dort eine Ordnung erkennen konnte. Die Antwort von<br />

Dr. Guimberteau war, dass es in der Natur doch nie eine<br />

für uns erkennbare Ordnung gibt. Wenn man sich einen<br />

Baum ansehen würde, so Dr. Guimberteau, wäre die<br />

Struktur total chaotisch. Weiter führte Dr. Guimberteau<br />

aus, dass die Natur mit diesem Chaos aber ganz gut zurecht<br />

kommt- nur wir Menschen bräuchten für uns eine<br />

Ordnung. Die Natur funktioniere aber ohne das von den<br />

Menschen gewollte Ordnungssystem prima.<br />

Faszien als Verbindungs- und Sinnesorgan<br />

„Faszien üben nicht nur Stütz- und Verbindungsfunktion<br />

aus. Die in ihnen enthaltenen Rezeptoren machen sie<br />

zu einem wichtigen Sinnesorgan. Ihre Durchtrittsstellen<br />

stimmen oft mit Akupunkturpunkten überein. Faszien<br />

enthalten kontraktile Zellen und stehen in Wechselwirkung<br />

mit dem Vegetativum, so dass über deren Behandlung<br />

auf Letzteres eingewirkt werden kann.“<br />

(Dr. Robert Schleip in der Deutschen Zeitschrift für Osteopathie<br />

1, 2004)<br />

Sie sind nicht elastisch oder verkürzen sich aktiv wie<br />

Muskeln. So können sie auf den Körper einwirkende Kräfte<br />

bzw. Züge verteilen oder speichern. Vergleicht man die<br />

Faszien mit einem Overall, so kann man eine Struktur mit<br />

einer eingeschränkten Beweglichkeit mit einem Knoten<br />

in diesem Overall vergleichen:<br />

Der Stoff schlägt deutlich Falten, sitzt verzogen bzw. der<br />

Träger muss seine Statik ändern, um noch hinein zu passen.<br />

Auch im menschlichen Körper gibt es diese „Falten“:<br />

Strukturen mit erhöhter Spannung, Verkürzungen, veränderte<br />

Positionen und Statik, die scheinbare Unfähigkeit<br />

sich gerade zu halten.<br />

Dazu kommt, dass alle Faszien untereinander in Verbindung<br />

stehen und Spannungen und Unbeweglichkeiten in<br />

andere Körperteile übertragen. Deshalb kann eine verkürzte<br />

oder verklebte Wadenfaszie über die Beine einen<br />

Zug auf unseren unteren Rücken oder sogar die Schulter<br />

ausüben und dort für Bewegungseinschränkungen,<br />

Schmerzen und Unbehagen sorgen. So sehr wie uns das<br />

als Nachteil gereicht, so sehr können wir auch davon profitieren.<br />

Denn arbeiten wir an einer Faszie, erreichen wir<br />

sehr viele Faszien vom Kopf bis zur Fußspitze.<br />

Für die meisten Menschen ist es auch überraschend zu<br />

erfahren, dass unsere reichhaltigsten Sinnesorgane auf<br />

keinen Fall Augen, Ohren, Nase oder Haut sind. Sondern<br />

unsere Muskeln mit deren Faszien und Nervenendigungen.<br />

Dort befindet sich die größte Anzahl an Rezeptoren<br />

und Nervenzellen, die unser Gehirn mit Sinnesempfindungen<br />

überschütten. Deswegen bezeichnen wir Faszien<br />

im erweiterten Sinne auch als ein Sinnesorgan.<br />

Wie kann man Faszien therapeutisch beeinflussen?<br />

Wenn nichts anderes mehr hilft, versuchen es viele Rückenschmerz-Patienten<br />

mit Massage, Osteopathie oder<br />

Rolfing, machen Yoga oder Pilates. Denn diese Methoden<br />

wirken - auch wenn man bisher gar nicht genau wusste,<br />

warum. Doch die Faszienforschung wirft ein neues Licht<br />

auf die sanften Verfahren: Dehnübungen wie beim Yoga<br />

oder bestimmte Massagetechniken regen möglicherweise<br />

in den Faszien den Stoffwechsel an, sodass entzündungshemmende<br />

Botenstoffe ausgeschüttet werden. Die<br />

Faszie ist ein spannendes Organ, welches man wunderbar<br />

trainieren kann.<br />

Ziel der Therapie sollte sein, die Faszien wieder geschmeidig,<br />

dehnbar und gleitfähig zu bekommen, um<br />

dadurch eine bessere Beweglichkeit, einen besseren<br />

Stoffwechsel und auch eine bessere Zellkommunikation<br />

zu erreichen.<br />

Im Gewebe bilden sich sogenannte Triggerpunkte (tastbar<br />

als Knoten in der Muskulatur), die äusserst schmerzhaft<br />

sein können und ein chronisches Schmerzsyndrom<br />

aufrechterhalten können. Diese können mittels Fingerdruck<br />

oder weiterer Hilfsmittel „weggeschmolzen“ werden,<br />

was zu einer Schmerzlinderung in der Umgebung<br />

führt, und eventuell sogar deutlich weiter davon entfernt.<br />

Wenn diese Triggerpunkte behandelt sind, werden die<br />

verklebten Faszien über Massagetechniken wieder geschmeidig<br />

gemacht. Um die wiedergewonnene Beweglichkeit<br />

aufrecht zu erhalten, werden Übungen zur Steigerung<br />

der Elastizität der Faszien empfohlen.<br />

Um Schmerzen effektiv und umfassend zu behandeln,<br />

gilt es alle an dem Schmerzprozess beteiligten Gewebe<br />

zu behandeln.<br />

Es bleibt weiterhin spannend, wie die Forschung sich<br />

entwickelt und inwieweit sich das neue Wissen in die<br />

theoretische Medizin eingliedert.<br />

Heilpraktiker Christian Schütte<br />

23

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!