CERCLE DIPLOMATIQUE - issue 04/2019
CD is an independent and impartial magazine and is the medium of communication between foreign representatives of international and UN-organisations based in Vienna and the Austrian political classes, business, culture and tourism. CD features up-to-date information about and for the diplomatic corps, international organisations, society, politics, business, tourism, fashion and culture. Furthermore CD introduces the new ambassadors in Austria and informs about designations, awards and top-events. Interviews with leading personalities, country reports from all over the world and the presentation of Austria as a host country complement the wide range oft he magazine.
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L’AUTRICHE INTERVIEW
Martin Selmayr
„Österreich ist für mich eine Jugendliebe.“
“My love for Austria goes all the way back to my youth.”
Martin Selmayr ist seit Anfang November der neue Vertreter der
Europäischen Kommission in Österreich. CD hat ihn in seiner
ersten Amtswoche an seinem neuen Arbeitsplatz im Wiener
„Haus der EU“ besucht.
Since early November, Martin Selmayr has been the new Representative
of the European Commission to Austria. CD paid him
a visit during his first week at his new office at the Haus der
Europäischen Union.
PHOTO: RALPH MANFREDA
Interview: Daniela Pötzl
MARTIN SELMAYR
ist ein deutscher Europarechtler und
EU-Beamter. Von November 2014 bis Ende
Februar 2018 war er Kabinettchef des
EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude
Juncker und fungierte als Sherpa des
Kommissionspräsidenten. Von März 2018
bis Juli 2019 war er Generalsekretär der
Europäischen Kommission. Seit November
2019 leitet Selmayr die Vertretung der
Europäischen Kommission in Österreich.
is a German expert in European law and EU
official. From November 2014 until the end
of February 2018, he was the Head of
Cabinet of EU Commission President
Jean-Claude Juncker and acted as the
Commission President’s Sherpa. From March
2018 to July 2019, he was the Secretary-
General of the European Commission. Since
November 2019, Selmayr has been heading
the Representation of the European
Commission to Austria.
CD: „Was die Deutschen und die Österreicher
trennt, ist die gemeinsame Sprache.“ – ist ein
Satz der (Anmerkung: fälschlicherweise, wie die
Forschung inzwischen herausgefunden hat) Karl
Kraus, dem Herausgeber der Zeitschrift „Die
Fackel“, zugeschrieben wird. Was verbindet Sie
mit Österreich?
Martin Selmayr: Österreich ist für
mich eine Jugendliebe. Ich habe bei Maria
Alm im Alter von vier Jahren Skifahren gelernt.
Als ich 15 Jahre alt war, zeigten mir
meine Großeltern Wien. Ich erinnere mich
bis heute sehr gut an die prachtvollen Straßen,
die Museen und die den Atem der Geschichte
spüren lassende Atmosphäre der
Stadt. Ich habe mich damals regelrecht in
Wien und in Österreich verliebt. Das ist
aufrecht geblieben über die Jahre hinweg
und hat sicher dazu beigetragen, dass ich
später an der Universität Passau studiert
habe. Kurz vor Beginn meines Studiums
dort war zudem die Mauer gefallen. Wir
jungen Studierenden fuhren damals voll
Neugierde auf die Welt hinter dem ehemaligen
Eisernen Vorhang an den Wochenenden
oft nach Krumau, Prag, Budapest - bis
nach Bukarest und sogar in die Ukraine.
Wenn wir in Passau blieben, besuchten wir
meist mit dem Fahrrad die schönen Biergärten
in Österreich. Damals gab es noch
eine richtige Grenze bei Passau. Da ging
der Schlagbaum um Mitternacht runter.
Ein Zöllner sorgte dafür, dass dann niemand
mehr queren konnte. Wollte man
zurück ins Heimatland, musste man das
Fahrrad auf die Schulter nehmen und über
die grüne Grenze kraxeln. Der EU-Beitritt
Österreichs war daher in unserem Studentenalltag
eine sehr positive und praktische
Erfahrung. Von einem Tag auf den anderen
gab es keine Schlagbäume mehr. Später
hatte ich dann einen akademischen Lehrer
namens Schweitzer, der Österreicher war
und an der Universität Passau Europarecht
lehrte. Er begeisterte mich für die Europäische
Union, die als Gemeinschaft nicht
durch das Recht der Macht, sondern allein
durch die Macht des Rechts zusammengehalten
wird. Als sein Assistent bin ich in
der österreichischen Europarechts-Szene
wissenschaftlich groß geworden, denn er
nahm seine Assistenten regelmäßig zu Tagungen
nach Salzburg, Graz, Bregenz, Linz
oder Wien mit. So ist Österreich mit der
Zeit eine zweite Heimat für mich geworden.
Was können Sie in Ihrer Position bewirken?
Die Vertretungen der Europäischen
Kommission in den Mitgliedsstaaten berichten
heute direkt dem Präsidenten der
Kommission. Wir sind die Augen und Ohren
des Kommissionspräsidenten in den
Mitgliedsstaaten und wollen dazu beitragen,
dass die EU-Institutionen und die
Mitgliedsstaaten einander besser verstehen.
Wir sind Vermittler und Brückenbauer,
erklären dabei allerdings nicht die Politik
eines Nationalstaates, sondern die der
komplexen EU, die stets bemüht ist, die
gemeinsamen Interessen des gesamten
Kontinents zu fördern und zu schützen. Ich
war die vergangenen 15 Jahre lang mitten
im Herzen der EU-Zentrale tätig, jetzt
steht mein Schreibtisch im Herzen von Europa
in Wien. Ich werde hier vor Ort viel
zuhören, damit neue Gemeinsamkeiten
zwischen Österreich und der Kommission
„Wir sind Vermittler
und Brückenbauer
und erklären die
Politik der
komplexen EU.“
“We are mediators
and bridge builders
and explain the politics
of the complex
EU.“
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