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CERCLE DIPLOMATIQUE - issue 01/2020

CD is an independent and impartial magazine and is the medium of communication between foreign representatives of international and UN-organisations based in Vienna and the Austrian political classes, business, culture and tourism. CD features up-to-date information about and for the diplomatic corps, international organisations, society, politics, business, tourism, fashion and culture. Furthermore CD introduces the new ambassadors in Austria and informs about designations, awards and top-events. Interviews with leading personalities, country reports from all over the world and the presentation of Austria as a host country complement the wide range oft he magazine.

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L’AUTRICHE RUDOLF KIRCHSCHLÄGER

Ein Leben im Dienste Österreichs

A life in the service of Austria

Eine Briefmarke aus dem Jahr

1980 mit Rudolf Kirchschlägers

Konterfei.

A stamp of the year 1980 with

Rudolf Kirchschläger‘s portrait.

Rudolf Kirchschläger war einer der beliebtesten Politiker der Zweiten Republik – auch 20 Jahre nach seinem

Tod hat er durch seine bescheidene und volksnahe Art einen fixen Platz im Herzen der Österreicher.

Rudolf Kirchschläger was one of the most popular politicians of the Second Austrian Republic –

20 years after his death, he still has a special place in the hearts of many Austrians, mainly thanks

to his modest and down-to-earth attitude.

Text: Arian Faal

Rudolf

Kirchschläger

PHOTOS: ERNST KAINERSTORFER / PICTUREDESK.COM

Im Umgang mit Superlativen sollte man

ja immer eine gewisse Behutsamkeit an

den Tag legen. Dies gilt vor allem für

Journalisten, denn diese neigen oft dazu, in

Versuchung zu kommen, zur Untermalung

ihrer dargebotenen Thesen in der sprachlichen

Höchststufe zu schwelgen.

Bei Rudolf Kirchschläger, der heuer am

20. März 105 Jahre alt geworden wäre und

dessen Todestag sich am 30. März zum 20.

Mal jährt, kann man hingegen gar nicht genug

Superlative verwenden und daher getrost

sagen, dass er zweifelsohne einer der

beliebtesten, angesehensten und bescheidensten

Präsidenten der Zweiten Republik

war. Noch dazu war er der Erste, der zwei

volle Amtszeiten, also 12 Jahre, dem Staat

und den Menschen als „Erster Mann im

Land“ diente.

Die Lebensgeschichte des „moralischen

Gewissens Österreichs“, wie ihn sein langjähriger

enger Freund, Kardinal Franz König

(1905-2004), nannte, ist geprägt von

der Liebe zu den Menschen. Der Aufstieg

aus ärmlichen Verhältnissen nach dem Tod

der Eltern zum Präsidenten ist genauso bemerkenswert

wie die Zeit, in die er hineingeboren

wurde: Wien, 1915 – Kaiser Franz

Joseph sitzt schon seit über 65 Jahren hinter

seinen Akten in der Hofburg und der

Erste Weltkrieg ist voll im Gange. Kirchschläger,

der mit dreieinhalb seine Mutter

und mit elf Jahren auch noch seinen Vater

verlor, musste 1938 im Alter von 23 Jahren

den „Anschluss“ Österreichs an „Hitler-

Deutschland“ miterleben. Der Zweite

Weltkrieg und die erlebten tragischen Ereignisse

hinterließen spürbare Spuren

beim späteren Juristen Kirchschläger.

Gleichzeitig festigte sich seine Entschlossenheit,

den Menschen in Österreich zu

dienen, ohne sich dabei je von ihnen abzuheben.

Dieses simple Lebensmotto lebte er bis

zu seinem Ableben bravourös vor: Er war

kein Mann des pompösen und luxuriösen

Lebensstils - kein Dienstwagen nach seiner

Pensionierung, kein Chauffeur, kein Büro,

keinen bezahlten Privatsekretär und natürlich

kein Staatsbegräbnis, lieber ein Volksgottesdienst

sollte es werden. Kirchschläger

fuhr auch bis zuletzt lieber „mit der

Elektrischen“, so seine liebevolle Bezeichnung

für die Straßenbahn, und persönliche

Briefe an ihn wurden bis zum Schluss natürlich

alle – zumeist händisch oder mit

der Schreibmaschine – persönlich beantwortet.

Seinem Credo blieb er sein ganzes Leben

lang treu, gleich ob als Richter, als hoher

Beamter im Außenministerium, als

Gesandter in Prag, wo er 1968 entgegen der

Weisung des damaligen Außenministers

Kurt Waldheim aus humanitären Gründen

tausende Visa (Sichtvermerke) ausstellte,

als Außenminister und schließlich als Bundespräsident

und moralische Autorität.

Treffend fasst es der ehemalige oberösterreichische

Landeshauptmann Josef

Pühringer in seinem Vorwort des Buches

„Immer den Menschen zugewandt“, das

2000 erschien, zusammen: „So sehr er sich

auch der Repräsentation seines Landes

nach außen hin gewidmet hat, durch Gespräche

mit hohen ausländischen Gästen,

Empfänge des Diplomatischen Corps und

Auslandsbesuche, weit mehr hat er sich

den Menschen seines Landes zugewandt,

vor allem und mit besonderer Sorgfalt und

Liebe den Schwachen, (...), die sich in Österreich

als Minderheit fühlten“.

Der wohl berühmteste Ausspruch

Kirchschlägers war, dass „Sümpfe und saure

Wiesen trockengelegt werden sollen“, so

sein Statement zur Korruption rund um

den Bau des Allgemeinen Krankenhauses

in Wien.

Christl Sedlar, Doyenne der Wiener

Kaffeehausszene und seit fast 60 Jahren

Chefin des Traditions-Cafés Prückel am

Stubenring, erinnert sich nur allzu gerne

an den beliebten Politiker, der immer wieder

auf einen Topfenstrudel und einen Kaffee

vorbeigeschaut hat: „Kirchschläger war

volksnah, bescheiden und sehr besonnen

in seinem Handeln. Die Menschen haben

seine ruhige und unaufgeregte Art geschätzt

und er hat sich für die Anliegen der

Österreicherinnen und Österreicher immer

Zeit genommen und versucht zu helfen,

auch, als er bereits in Pension war.“

Ein „Vater-Sohn-Verhältnis“ bestand

mit Botschafter i.R. Franz Cede, der sein

Mitarbeiter im Außenamt war. Beide arbeiteten

zudem im Völkerrechtsbüro und hatten

so auch eine gemeinsame Basis als Juristen:

„Ich kannte ihn ausgezeichnet und

verehre ihn. Wenn er zum Beispiel als Außenminister

in Prag am Bahnhof war und

zum Zug wollte, hat er wildfremden Menschen

den Koffer getragen oder ihnen in

den Zug geholfen. Ich glaube es gibt nicht

viele Außenminister, über die man das erzählen

kann“, erinnert sich Cede.

Kirchschläger scheute den Kontakt mit

den Menschen nicht und war glücklich,

wenn er etwa einer alleinerziehenden Mutter

in der Straßenbahn durch Ratschläge

helfen konnte.

Mit ihm verbindet auch mich viel Persönliches,

da ich von 1998 bis 2000 sein

Privatsekretär war. „Es gibt bei allen Berufssparten

zwei Gruppen, die Menschen

und die Anderen. Versuchen Sie immer zur

ersten zu gehören“, sagte er stets zu mir.

When it comes to the use of hyperbole,

one is generally advised

to exercise restraint. This

is especially the case for journalists, for

they have a tendency of giving in to the

temptation of reaching for eloquent heights

to accentuate their particular theses.

When it comes to Rudolf Kirchschläger,

who would have turned 105 years old on 20

March this year and whose death will be

commemorated for the 20th time on 30

March, on the other hand, one could not be

using too much of said hyperbole when

saying that he was, without a doubt, one of

the most beloved, respected and also the

most modest presidents of the Second Austrian

Republic. Furthermore, he was the

first to serve two full terms, 12 years in total,

during which he acted as the nation’s

representative.

The life story of “Austria’s moral conscience”,

as his year-long close friend Cardinal

diente Österreich 12 Jahre als

Bundespräsident.

served as Austrian Federal

President for 12 years.

72 Cercle Diplomatique 1/2020

Cercle Diplomatique 1/2020

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