Ausgabe 3 | 2008 - Elde Online
Ausgabe 3 | 2008 - Elde Online
Ausgabe 3 | 2008 - Elde Online
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
16<br />
> Friedrich – Naumann – Stiftung<br />
für die Freiheit<br />
Heinrich August Winkler:<br />
Die Deutschen und ihre Freiheit<br />
elde 3|<strong>2008</strong><br />
2. Berliner Rede<br />
zur Freiheit am<br />
Brandenburger Tor<br />
Mit der 2. Berliner Rede zur Freiheit am Brandenburger Tor hat die Friedrich-<br />
Naumann-Stiftung für die Freiheit eine Tradition gefestigt, die sie mit der<br />
Auftaktveranstaltung im April 2007 begründet hatte: Seinerzeit sprach Udo Di<br />
Fabio zur Kultur der Freiheit, diesmal beleuchtete der Historiker Heinrich<br />
August Winkler das Thema Freiheit aus der Perspektive des Geschichts -<br />
wissenschaftlers. „Die Deutschen und ihre Freiheit“ hieß der Titel seiner Rede,<br />
die er im bis auf den letzten Platz besetzten Gebäude der DZ-Bank am Bran -<br />
den burger Tor präsentierte.<br />
Mit den 600 Zuhörern setzte Winkler zu einer tief in der Vergangenheit beginnenden<br />
Reise durch die deutsche Geschichte an, ausgehend von der Frage, ob<br />
für das Unvermögen der Deutschen, aus eigener Kraft eine liberale Demokratie<br />
im westlichen Sinn zu errichten, eine besondere deutsche Haltung gegenüber<br />
der Freiheit eine Rolle gespielt habe. Winkler bejahte diese Frage. Dies habe<br />
sich schon vor Jahrhunderten gezeigt, als – anders als in Deutschland – das<br />
Staatskirchentum in England breiten Protest auslöste und damit eine Bewe -<br />
gung, „die nicht nur, wie Luther und die Lutheraner, Glaubens- und Gewis -<br />
sensfreiheit, sondern auch politische Meinungs- und Vereinigungs frei heit forderte“.<br />
Einen ganz entscheidenden Fixpunkt für das Verhältnis der Deutschen zur<br />
Freiheit machte Winkler in der Bismarckschen Sozialpolitik aus. Bismarck habe<br />
mit den Sozialversicherungsgesetzen der 1880er Jahre Konsequenzen aus der<br />
Lehre vom „Königtum der sozialen Reform“ gezogen: „Der Staatssozialismus<br />
paukt sich durch. Jeder, der diesen Gedanken wieder aufnimmt, wird ans Ruder<br />
kommen“ – dieses Wort des Kanzlers aus dem Jahr 1881 habe am Beginn einer<br />
Tradition gestanden, die es leicht machte, soziale Sicherheit gegen politische<br />
Freiheit auszuspielen.<br />
Wolfgang Gerhardt, Vorstandsvorsitzender der Stif tung<br />
für die Freiheit, begrüßt Heinrich August Winkler.<br />
Hermann Otto Solms, Rainer Brüderle, Konrad Schily.<br />
Die beiden Diktaturen im Deutschland des 20. Jahr -<br />
hunderts hätten genau das versucht, und sich damit<br />
einen gewissen Massenrückhalt verschafft –<br />
das „Dritte Reich“ in sehr viel höherem Maß als die<br />
DDR. Vom zweiten Versuch aber wirke, so Winkler,<br />
„trotz seines Scheiterns noch einiges nach: in Ge -<br />
stalt der verbreiteten Neigung, vom Staat mehr zu<br />
fordern, als er zu leisten vermag, und im Zwei fels -<br />
fall der Gleichheit Vorrang vor der Freiheit zu geben“.<br />
Doch das Verlangen nach sozialer Sicherheit<br />
werde nicht dadurch illegitim, dass es von Dikta -<br />
turen missbraucht wurde: „Demokratien müssen<br />
sich vielmehr immer aufs neue dadurch legitimieren,<br />
dass sie allen Mitgliedern der Gesellschaft,<br />
auch den schwächsten, die Möglichkeit geben, ihre<br />
Freiheit zu nutzen und zu erweitern.“ Boris Eichler<br />
Fotos: Tina Merkau