DER RING - v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel
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Fachtag zur Unterstützten Kommunikation<br />
Vom Nichtsprecher zur Quasselstrippe<br />
Für die Unterstützte Kommunikation setzen sich ein: (vorne, v. l.) Norbert Kunze und<br />
Kathrin Lemler, (hinten, v. l.) Prof. Dr. Michael Seidel, Detlef Thiel-Rohwetter, Sabine<br />
Behrend, Dr. Susanne Wachsmuth und Michael Conty.<br />
Kommunikation ist wichtig. »Sie ist die Grundvoraussetzung<br />
für ein selbstbestimmtes Leben«, betont Detlef Thiel-Rohwetter<br />
von der Beratungsstelle »Unterstützte Kommunikation« in<br />
Bielefeld-<strong>Bethel</strong>. Für Menschen, die sich nur eingeschränkt oder<br />
gar nicht über Lautsprache mitteilen können, stehen alternative<br />
Möglichkeiten zur Verfügung. Beim Fachtag »Wenn die Worte<br />
fehlen« Ende vergangenen Jahres in Bielefeld-<strong>Bethel</strong> stellten<br />
zwei Betroffene ihre computergestützten Kommunikationshilfen<br />
vor.<br />
Norbert Kunze spricht. Besser<br />
gesagt: Er lässt sprechen und das<br />
seit fast acht Jahren. Vor ihm an<br />
einer Halterung am Elektrorollstuhl<br />
ist ein Display angebracht.<br />
Darauf sind verwirrend viele Tasten<br />
mit Symbolen angeordnet.<br />
Norbert Kunze kennt sie alle. Er<br />
beherrscht das Gerät – den Power<br />
Talker. Damit macht er sich im<br />
Alltag verständlich. Auch seinen<br />
Vortrag für den Fachtag hat er<br />
damit geschrieben. Für den körperlich<br />
stark eingeschränkten<br />
Mann – Norbert Kunze bekam<br />
bei der Geburt zu wenig Sauerstoff<br />
– eine enorme Leistung.<br />
Zwei Monate habe er gebraucht,<br />
lässt er die 120 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer in der Neuen<br />
Schmiede wissen. Norbert Kunze<br />
hat einen Computerarbeitsplatz<br />
in der <strong>Bethel</strong>Werkstatt Basan für<br />
10<br />
Menschen mit Behinderung in<br />
Bielefeld. Zum Fachtag kam der<br />
29Jährige jedoch nicht als WerkstattBeschäftigter,<br />
sondern als<br />
Referent des deutschsprachigen<br />
Verbands von ISAAC (International<br />
Society for Augmentative<br />
and Alternative Communication).<br />
In dem internationalen Netzwerk<br />
haben sich Betroffene, Ange hörige<br />
sowie Fachleute aus Wissenschaft,<br />
Therapie und Pflege<br />
zusammengeschlossen, um die<br />
Situation von Menschen mit<br />
Kommunikationsbeeinträchtigungen<br />
zu verbessern.<br />
Mit Infrarotkamera<br />
Auch Kathrin Lemler ist eine<br />
ISAACReferentin und hält Vorträge<br />
über Unterstützte Kommunikation.<br />
Die Studentin der<br />
Foto: Elbracht<br />
Erziehungswissenschaften hat<br />
aufgrund einer schweren Erkrankung<br />
keine Kontrolle über ihre<br />
Muskeln. Die 27Jährige ist bei<br />
der Kommunikation auf elektronische<br />
Hilfe angewiesen. Dafür<br />
benutzt sie einen Computer, in<br />
dessen Bildschirm eine Infrarotkamera<br />
eingebaut ist. »Sie folgt<br />
meiner Pupille, wenn ich auf<br />
den Bildschirm schaue«, spricht<br />
die Computerstimme. Aus dem<br />
Abstand zur Pupille errechne der<br />
Computer dann den Buchstaben,<br />
den sie fixiere, erläutert Kathrin<br />
Lemler, die das autobiografische<br />
Buch »Ich spreche mit den Augen«<br />
geschrieben hat.<br />
Soziale Nähe<br />
»Die Fähigkeit, sich verständlich<br />
zu machen, hat direkte Auswirkungen<br />
auf die Lebens und<br />
Pflegequalität«, sagt Dr. Susanne<br />
Wachsmuth. Die Dozentin der<br />
Universität Gießen hat zum Thema<br />
»Soziale Nähe durch Unterstützte<br />
Kommunikation« eine<br />
Habilitationsschrift verfasst. Ob<br />
ElternKindBeziehung, Freundschaften<br />
oder Partnerschaft –<br />
Kommunikation sei von herausragender<br />
Bedeutung. »Unsere<br />
Identität entwickelt sich in der<br />
Interaktion mit anderen. Dazu<br />
bedarf es der Fähigkeit zur Interaktion«,<br />
sagt sie und verweist<br />
auf eine Passage aus dem autobiografischen<br />
Buch von Kathrin<br />
Lemler. Darin beschreibt diese,<br />
wie sie sich als Kind nichts sehnlicher<br />
wünschte als eine Freundin.<br />
Dank alternativer Kommunikationsmethoden<br />
hat sie sowohl<br />
einen Partner als auch eine beste<br />
Freundin gefunden. Und die<br />
hat auf die Frage, was sie denn<br />
am liebsten mit Kathrin mache,<br />
geantwortet: »Quasseln!«<br />
– Silja Harrsen –