Empathie: Gewinne und Verluste im ... - Jacobs University
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– EMPATHIE – DEFINITION UND ERFASSUNG –<br />
Dennoch sind die Annahmen der James-Lange-Theorie in ihrer ursprünglichen<br />
Absolutheit heute nicht mehr verbreitet. So zeigen Untersuchungen zum emotionalen<br />
Erleben querschnittsgelähmter Personen, bei denen die Rückmeldung über die<br />
physiologische Erregung weitgehend unterbrochen ist, <strong>und</strong> zur Wirkung von Beta-<br />
blockern, die die physiologische Rückmeldung bei Ges<strong>und</strong>en unterbinden, dass für<br />
das subjektive Erleben von Emotionen das Empfinden von physiologischen Reak-<br />
tionen nicht zwangsläufig erforderlich ist (z.B. Leventhal & Tomarken, 1986;<br />
Reisenzein, 1983). Auch ist die Intensität des m<strong>im</strong>isch expressiven Ausdrucks von<br />
Emotionen nicht nur durch die Intensität der Emotion beeinflusst, sondern hat eben-<br />
falls eine starke soziale Komponente. So wird der Ausdruck von positiven <strong>und</strong> nega-<br />
tiven Emotionen durch die Anwesenheit eines realen oder vorgestellten Publikums<br />
verstärkt (audience effect; Fridl<strong>und</strong>, 1991; Fridl<strong>und</strong>, Kenworthy & Jaffey, 1992). Ein<br />
gewisser Einfluss der subjektiv erlebten Emotion auf das Ausdrucksverhalten bleibt<br />
aber dennoch erhalten. So konnten die Teilnehmer einer Studie von Kappas, Bherer<br />
<strong>und</strong> Theriault (2000) ihre m<strong>im</strong>isch expressiven Reaktionen bei der Betrachtung von<br />
kurzen, lustigen Filmausschnitten nicht vollständig unterdrücken. U. Hess, Banse <strong>und</strong><br />
Kappas (1995) differenzieren weiter aus, dass die Intensität eines Emotionsaus-<br />
drucks (z.B. die Stärke eines Lächelns) nicht ausschließlich durch den affektiven<br />
Zustand oder den sozialen Kontext, sondern durch das komplexe Zusammenspiel<br />
vieler Faktoren, wie z.B. die Beziehung zum Publikum (Fre<strong>und</strong>e vs. Fremde),<br />
best<strong>im</strong>mt wird.<br />
Eine mögliche Erklärung für Inkohärenzen zwischen den verschiedenen emoti-<br />
onalen Reaktionssystemen bietet das Internalisierungsmodell der emotionalen Ent-<br />
wicklung von Manfred Holodynski (2004; Holodynski & Friedlmeier, 2006). Dabei wird<br />
angenommen, dass <strong>im</strong> Laufe der Emotionsentwicklung eine Internalisierung der<br />
physiologischen <strong>und</strong> der behavioralen Reaktionen stattfindet. Diese führt dazu, dass<br />
unter best<strong>im</strong>mten Bedingungen (wenn physiologische <strong>und</strong> behaviorale Reaktionen<br />
ausschließlich eine intrapersonale Zeichenfunktion einnehmen) äußerlich messbare<br />
physiologische <strong>und</strong> behaviorale Reaktionen verschwinden können, weil auf zentral-<br />
nervös gespeicherte Repräsentationen emotionsspezifischer Empfindungen zurück-<br />
gegriffen werden kann. Die äußerlich wahrnehmbaren Zeichen einer emotionalen<br />
Reaktion werden also internalisiert – sie existieren aber weiterhin <strong>im</strong> subjektiven<br />
Gefühl.