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Die Erschaffung und der Verfall oppositioneller Identität

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12 FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/93<br />

Lothar Rolke<br />

25 Jahre APO, na <strong>und</strong>?<br />

<strong>Die</strong> Zukunft liegt in <strong>der</strong> Kooperationsgesellschaft<br />

Alle fünf Jahre drängt's Deutschlands APO-Veteranen,<br />

sich zu erinnern. Das Protestjubiläum<br />

heißt Ostern '68. Damals gelang <strong>der</strong> ausserparlamentarischen<br />

Opposition ein Rekord im<br />

Massenmobilisieren. 300.000 protestierende,<br />

randalierende <strong>und</strong> träumende Menschen gingen<br />

zum Schrecken <strong>der</strong> Wohlstandsbürger auf die Straße.<br />

<strong>Die</strong> Orte des Geschehens: Berlin, Hamburg,<br />

München, Frankfurt <strong>und</strong>, etwas gemäßigter, das<br />

Ruhrgebiet.<br />

Für einen Moment glaubten die bürgerlichen<br />

Rebellen gar, sie könnten diese Republik aus den<br />

Angeln heben. Doch am Ende war es nicht mehr<br />

als ein Pubs <strong>der</strong> Geschichte, <strong>der</strong> Angestautem<br />

zum Durchbruch verhalf: Universitätsreform, sozialliberale<br />

Koalition, mehr Demokratie wagen.<br />

I.<br />

25 Jahre danach ist das kaum <strong>der</strong> Rede wert.<br />

Wenn nicht diese Republik heute als das ins Gegenteil<br />

verkehrte Spiegelbild von damals erschien:<br />

atomisiert statt formiert. Und wenn nicht<br />

das genaue Gegenteil von dem zu for<strong>der</strong>n wäre,<br />

was die APO damals so erfolgreich machte: statt<br />

blanker Konfrontation also die experimentelle<br />

Kooperation von Etablierten <strong>und</strong> Kritikern, o<strong>der</strong><br />

sagen wir gleich Wirtschaftsbossen <strong>und</strong> Umweltschützern,<br />

Polizisten <strong>und</strong> Streetworkern, Verwaltungen<br />

<strong>und</strong> Bürgervereinigungen.<br />

Warum das so ist? Weil sich die Verhältnisse<br />

durch Mo<strong>der</strong>nitätsschübe gr<strong>und</strong>legend geän<strong>der</strong>t<br />

haben. Weil aus diesem Gr<strong>und</strong> die einst erfolg­<br />

reiche Arbeitsteilung zwischen den Institutionen<br />

<strong>und</strong> Protestbewegungen nicht mehr funktioniert.<br />

Und weil in Folge dessen gesellschaftliche Kreativität<br />

offenk<strong>und</strong>ig nur noch dann freigesetzt wird,<br />

wenn gewohnheitsmäßige Gegner plötzlich Konsens<br />

erzielen.<br />

Das eben war 1968 ganz an<strong>der</strong>s: <strong>Die</strong> formierte<br />

Gesellschaft <strong>der</strong> späten sechziger Jahre mit großer<br />

Koalition <strong>und</strong> "dem Muff von tausend Jahren"<br />

in den Institutionen brauchte den kräftigen<br />

Tritt <strong>der</strong> studentischen Rebellen. Der Beweis: ihre<br />

über Jahre nachwirkenden Impulse.<br />

Denn als sich <strong>der</strong> Nebel <strong>der</strong> Straßenschlachten,<br />

Universitätsbesetzungen <strong>und</strong> Sitzblockaden lichtet,<br />

wird die Hinterlassenschaft <strong>der</strong> APO sichtbar:<br />

<strong>der</strong> utopische Anspruch auf totale Demokratie<br />

<strong>und</strong> eine einzigartige "soziale Experimentierbaustelle".<br />

K-Gruppen <strong>und</strong> Hausbesetzer, Wohngemeinschaften<br />

<strong>und</strong> Rote-Punkt-Kampagnen gegen die Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr,<br />

antiautoritäre Kin<strong>der</strong>läden, Frauen-, Selbsthilfe<strong>und</strong><br />

Elterngruppen, aber auch die zur Unmenschlichkeit<br />

fanatisierte RAF, Sommeruniversitäten<br />

<strong>und</strong> vor allem die allerorts <strong>und</strong> an<strong>der</strong>swo entstehenden<br />

Bürgerinitiativen machen von sich reden.<br />

II.<br />

Das Entscheidende jedoch, mit den 68ern wird<br />

ein gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong> gesellschaftlicher Mechanis-

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