26.02.2013 Aufrufe

Die Erschaffung und der Verfall oppositioneller Identität

Die Erschaffung und der Verfall oppositioneller Identität

Die Erschaffung und der Verfall oppositioneller Identität

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

20 FriRsniT"N"ns ;<br />

m"^VAI NSB 2'03<br />

2. <strong>Die</strong> "gealterte" Linke<br />

als Geburtshelferin <strong>der</strong><br />

sogenannten Neuen Rechten?<br />

Eine verwandte Erklärungsvariante setzt die<br />

Skinheads zwar nicht mit den "68em" gleich,<br />

macht letztere aber mit <strong>der</strong> Begründung für den<br />

Aufschwung des Rechtsextremismus verantwortlich,<br />

daß sie durch die Kulturrevolution im Gefolge<br />

<strong>der</strong> APO das Wertf<strong>und</strong>ament zerstört hätten,<br />

auf dem die Demokratie ruhe (vgl. Ffofmann<br />

1992). So habe die antiautoritäre Erziehung<br />

bzw. <strong>der</strong> Mangel an Autoritäten, heißt es,<br />

den Boden für Gewaltbereitschaft bereitet <strong>und</strong><br />

sei Schuld an <strong>der</strong> Rückkehr des nationalistischautoritären<br />

Charakters auf die politische Bühne.<br />

Ausgerechnet hnke Lehrer, die sich um mehr<br />

Toleranz, Aufklärung <strong>und</strong> Gegeninformation bemühen,<br />

sollen die Verursacher des rechten Terrors<br />

sein. <strong>Die</strong> (Sozial-)Pädagogik müßte sich<br />

demnach wie<strong>der</strong> auf "altbewährte Tugenden",<br />

etwa Gehorsam, Disziplin <strong>und</strong> Ordnung, besinnen.<br />

"In dieser Deutung wird verdrängt, daß<br />

zwischen den Weltbil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> zu rechtsextremer<br />

Gewalt neigenden Jugendlichen <strong>und</strong> den traditionellen<br />

Konnotationen eben jener 'Tugenden'<br />

ein enger Zusammenhang besteht. Antiliberale<br />

Erziehung, von oben her verordnet, dürfte kaum<br />

geeignet sein, antiliberale Erwartungen unten,<br />

die durch menschenfeindliche 'Selbsthilfe' ja<br />

gerade den 'starken', durch humanitäre Hemmungen<br />

nicht mehr 'geschwächten' Staat in<br />

Gang setzen wollen, in ihrer Substanz zu korrigieren."<br />

(Klönne 1993:138)<br />

Konservative Politiker <strong>und</strong> Publizisten glauben,<br />

das Problem des Rechtsextremismus durch eine<br />

Rückbesinnung auf die protestantische Ethik <strong>und</strong><br />

preußische Disziplin lösen zu können. Umgekehrt<br />

weisen Klaus Farin <strong>und</strong> Eberhard Seidel-<br />

Pielen auf die nationalistischen <strong>und</strong> antisemitischen<br />

Traditionen des deutschen Protestantismus<br />

hin, in <strong>der</strong>en Fortwirken sie Wurzeln des<br />

mo<strong>der</strong>nen Rechtsextremismus zu erkennen meinen<br />

(vgl. 1992:28 ff.). Vermutlich trifft we<strong>der</strong><br />

das eine noch das an<strong>der</strong>e Erklärungsmuster den<br />

Kem des Problems.<br />

Das Wie<strong>der</strong>aufleben eines beson<strong>der</strong>s militanten<br />

Rechtsextremismus in den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />

zeigt, daß Kin<strong>der</strong> <strong>und</strong> Jugendliche durch die autoritäre<br />

Erziehung des DDR-Bildungssystems<br />

nicht gegen den Neofaschismus immunisiert wurden.<br />

Mir scheint, daß die Skinheads we<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> Enkel noch Schüler von "APO-Opas"<br />

sind, wiewohl enttäuschte Erwartungen in bezug<br />

auf (pseudo-)linke Lehrer <strong>und</strong> sog. Alt-68er im<br />

Einzelfall durchaus zur Rechtsentwicklung von<br />

Schülern beitragen können.<br />

Wenn die "Alt-68er" Mitverantwortung für die<br />

Rechtsentwicklung in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik tragen,<br />

dann höchstens deshalb, weil sie beim "Marsch<br />

durch die Institutionen" mehr verän<strong>der</strong>t wurden,<br />

als sie diese verän<strong>der</strong>t haben - also wegen ihrer<br />

mangelnden Konsequenz, Gesellschaftsverän<strong>der</strong>ungen<br />

auch gegen mächtige Interessengruppen<br />

durchzusetzen, nicht aber wegen ihrer For<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>und</strong> Reformideen selbst. Den mittlerweile in<br />

Führungspositionen aufgerückten Linken wirft<br />

man vor, sie seien ihren hohen Ansprüchen von<br />

damals nicht gerecht <strong>und</strong> - etwa durch den Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zwischen hehren Zielen <strong>und</strong> (konsumorientierten)<br />

Lebensstilen - im Gr<strong>und</strong>e unglaubwürdig<br />

geworden. Gemeint ist damit die "Überversorgung"<br />

<strong>der</strong> etwa 40- bis 55jährigen Akademiker/innen<br />

mit Wohnraum, Bildung <strong>und</strong> Einkommen,<br />

gemessen am Postulat sozialer Gleichheit<br />

(Dinse 1992:62 f.).<br />

Nicht Willy Brandts Antrittsversprechen, "mehr<br />

Demokratie wagen" zu wollen, son<strong>der</strong>n die Tatsache,<br />

daß seit dem sog. Radikalenerlaß <strong>der</strong> Ministerpräsidenten<br />

<strong>und</strong> des B<strong>und</strong>eskanzlers vom<br />

28. Januar 1972 immer weniger Demokratie gewagt<br />

wurde, hat - zusammen mit <strong>der</strong> sozialen<br />

Polarisierung (Stichwort: "Zweidrittelgesell-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!