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Die Erschaffung und der Verfall oppositioneller Identität

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"Bürgerforums" <strong>und</strong> <strong>der</strong> slowakischen "Öffentlichkeit<br />

gegen Gewalt" (VPN) als den Sammlungsbewegungen<br />

<strong>der</strong> gesellschaftlichen Opposition.<br />

Vorausgegangen waren Prozesse <strong>der</strong> organisatorischen<br />

<strong>und</strong> kommunikativen Vernetzung<br />

unter den oppositionellen Initiativen, die mit <strong>der</strong><br />

Gründung <strong>der</strong> "Bewegung für die Bürgerfreiheit"<br />

am 15.10.1988 eine neue Qualität erreichten.<br />

<strong>Die</strong> "Bewegung für Bürgerfreiheit" fungierte als<br />

intermediäre Organisation, die im oppositionellen<br />

Spektrum integrative Aufgaben übernahm: "als<br />

eine lose Assoziation politischer Gruppierungen,<br />

die sich in verschiedenen Orten des Landes frei<br />

konstituieren <strong>und</strong> keiner Zentrale unterstehen.<br />

<strong>Die</strong> "Bewegung für Bürgerfreiheif will eine<br />

Organisationsbasis für Bürger schaffen, welche<br />

die Ideen <strong>und</strong> Prinzipien des politischen Pluralismus<br />

akzeptieren <strong>und</strong> bereit sind, sich in diesem<br />

Sinne bei <strong>der</strong> Organisation von Diskussionskreisen,<br />

Durchsetzung von For<strong>der</strong>ungen unabhängiger<br />

Kandidatur in Wahlen zu engagieren." 15<br />

Als Anlaufstelle für unabhängige Initiativen wurde<br />

im Herbst 1988 ein vorläufiger Koordinationsausschuß<br />

gebildet; die Informationsvermittlung<br />

nach außen wurde über eine neu gegründete<br />

Zeitschrift für unabhängige Politik<br />

("Alternativa") unternommen. <strong>Die</strong> "Bewegung<br />

für Bürgerfreiheit" war von den Herkunftsgruppierungen<br />

ein Produkt <strong>der</strong> Charta 77 (ohne die<br />

Linke). Ein programmatisches Ziel war die Überwindung<br />

des Ein-Parteien-Systems; zentrale For<strong>der</strong>ungen<br />

neben Pluralismus <strong>und</strong> Freiheit waren<br />

Demokratisierung, Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong><br />

Rechtsordnung <strong>und</strong> Bürgerrechte, unabhängige<br />

Gewerkschaften sowie Schutz/Rettung <strong>der</strong> Umwelt.<br />

Ein gemeinsames Element des Handlungsrepertoires<br />

aller Gruppierungen vor <strong>der</strong> Novemberrevolution<br />

1989 war <strong>der</strong> direkte Bezug zur Öffentlichkeit:<br />

Von <strong>der</strong> Charta 77 über das "Komitee<br />

zur Verteidigung zu Unrecht Verfolgter"<br />

(VONS) 16<br />

, <strong>der</strong> "Bewegung für Bürgerfreiheit"<br />

bis zum Bürgerforum <strong>und</strong> <strong>der</strong> Initiative "Öffent­<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/93<br />

lichkeit gegen Gewalt" - für alle sozialen Sammlungsinitiativen<br />

<strong>und</strong> Aktionsgruppen ist eine Verbindung<br />

von normativen Ideen <strong>der</strong> "civil society"<br />

(Toleranz, Glaubensfreiheit, Mündigkeit,<br />

Bürgerrechte, Pluralismus u.a.) mit exemplarischen<br />

For<strong>der</strong>ungen nach Demokratisierung kennzeichnend.<br />

<strong>Die</strong> Mittel <strong>der</strong> öffentlichen Stellungnahme<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Dokumentation wurden hierbei<br />

mit Aufrufen zu Demonstrationen <strong>und</strong> zu Unterstützungsbereitschaft<br />

("Tschechoslowakisches<br />

Helsinki-Komitee" 17<br />

, VONS) verb<strong>und</strong>en, die die<br />

Voraussetzungen für die kulturelle Mobilisierung<br />

von Massen <strong>und</strong> das direkte politische Engagement<br />

im November 1989 bildeten.<br />

Der Erfolg bei den Massendemonstrationen im<br />

November 1989 wurde unter einer Voraussetzung<br />

erreicht: <strong>der</strong> rechtzeitigen Mobilisierung<br />

von Schlüsselpersonen <strong>und</strong> organisatorischen<br />

Ressourcen in allen städtischen Zentren im Rahmen<br />

des neu gegründeten "Bürgerforums". Das<br />

Bürgerforum fungierte in den spontan ablaufenden<br />

<strong>und</strong> kulturell geprägten Kampagnen im November<br />

1989 als integrierendes Zentrum aller<br />

unabhängigen <strong>und</strong> regimekritischen Strömungen.<br />

Auf einer breiteren Basis von Anhängern<br />

<strong>und</strong> organisatorischen Mitteln als die "Bewegung<br />

für Bürgerfreiheit" verband es Elemente<br />

<strong>der</strong> Spontaneität mit einem Maß <strong>der</strong> Professionalisierung<br />

von Wegen <strong>der</strong> Informationsvermittlung<br />

<strong>und</strong> Entscheidungsbildung, die für den<br />

Aufbau politischer Gegenmacht entscheidend<br />

werden sollten (z.B. flexible horizontale Strukturen<br />

<strong>der</strong> Organisationsbildung "nach innen").<br />

Im Herbst <strong>und</strong> Winter 1989/90 kam dem Bürgerforum<br />

in Prag eine Vermittlerrolle zu, die in<br />

manchen Hinsichten mit den Leistungen des zentralen<br />

Bürgerkomitees Solidamosc vor <strong>und</strong> nach<br />

den Gesprächen am R<strong>und</strong>en Tisch im Frühjahr<br />

<strong>und</strong> Sommer 1989 vergleichbar ist: "Dialog"<br />

mit den alten Regimevertretern war das Schlüsselwort<br />

<strong>der</strong> Strategie nach außen. Nach innen,<br />

für die "Gesellschaft", fungierte das "Bürger-

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