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Die Erschaffung und der Verfall oppositioneller Identität

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gefestigt war, entstand ein politisches Vakuum,<br />

in dem die Integrationskraft einzelner charismatischer<br />

Figuren (Walesa, Havel) eine zentrale<br />

Bedeutung gewann.<br />

6. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann in Polen,<br />

Ungarn, <strong>der</strong> tschechischen Republik <strong>und</strong> <strong>der</strong> Slowakei<br />

nicht von einem generellen Bedeutungsverlust<br />

<strong>der</strong> sozialen Bewegungen in dem Sinn<br />

gesprochen werden, daß Parteien die Rolle von<br />

Bürgerbewegungen übernehmen. <strong>Die</strong>se erfüllen<br />

vielmehr außerhalb <strong>der</strong> parteipoUtischen Arena<br />

Aufgaben, die auch in <strong>der</strong> ersten Phase des demokratischen<br />

Systemwandels den informellen<br />

Gruppen zukamen: Sie fungieren als intermediäre<br />

Organisationen zur Übernahme konkreter<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Problemlösung, bieten Übungsfel<strong>der</strong><br />

für direkte poUtische Beteiügung <strong>und</strong> stellen<br />

Initiativen zur Mobilisierung <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Meinung in zentralen Fragen <strong>der</strong> politischen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlichen Transformation dar<br />

(Gruppe "Neutrum" <strong>und</strong> die Initiatve für ein<br />

Referendum über die Abtreibungsgesetzgebung<br />

in Polen 53<br />

, die "Demokratische Charta '91" in<br />

Ungarn).<br />

7. In den Prozessen <strong>der</strong> politischen Institutionalisierung<br />

in Ost-Mitteleuropa 54<br />

zeigt sich kein<br />

generell gültiges Entwicklungsmuster. We<strong>der</strong> das<br />

in westeuropäischen Län<strong>der</strong>n etabherte Modell<br />

<strong>der</strong> Volksparteien noch die Mischung von elitedemokratischen<br />

Ansätzen mit Parteien-Allianzen<br />

in Polen, in Ungarn <strong>und</strong> <strong>der</strong> ehemaligen<br />

Tschechoslowakei scheinen heute stabile Muster<br />

abzugeben. <strong>Die</strong> Annahme einer kontinuierlichen<br />

Herausbildung von Volksparteien als Garanten<br />

des demokratischen Transformationsprozesses<br />

beruht auf einer westlich geprägten Verallgemeinerung:<br />

dem Mythos <strong>der</strong> integrierenden<br />

Leistung von Volksparteien. Das trifft für die<br />

untersuchten ost-mitteleuropäischen Län<strong>der</strong> nicht<br />

zu. <strong>Die</strong> neuen politischen Parteien gründen sich<br />

mehr auf MiUeus als auf artikuUerten Interessenpositionen.<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB 2/93<br />

8. Probleme <strong>der</strong> Konfliktaustragung stellen sich<br />

in <strong>der</strong> pohtischen Arena von Parlamenten überwiegend<br />

in <strong>der</strong> Perspektive symboüscher PoUtik.<br />

Das heißt, im Wettbewerb <strong>der</strong> poUtischen<br />

Parteien werden symboUsch aufgeladene TrennungsUnien<br />

kultiviert: hoch-polarisierende Feindbil<strong>der</strong>,<br />

polemische Gegnerdefinitionen <strong>und</strong> auf<br />

PersonaUsierung poUtischer Prozesse gerichtete<br />

Verdichtungssymbole 55<br />

. In diesen Zusammen­<br />

hang gehören auch wie<strong>der</strong>belebte Feindbil<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> Elemente von Weltanschauungen aus <strong>der</strong><br />

Vorkriegszeit wie Antisemitismus <strong>und</strong> nationale<br />

Selbstbil<strong>der</strong> ("slowakische Eigenart", "wirkliche<br />

Polen" vs. InteUektuehe o<strong>der</strong> die in Ungarn<br />

im Umfeld des "Ungarischen Demokratischen<br />

Forums" verbreiteten "volkstümUchen" Leitbil<strong>der</strong><br />

des "Ungartums"(I. Csurka)).<br />

Helmut Fehr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

im DFG-Projekt "InstitutionaUsierung demokratischer<br />

Strukturen in post-soziaUstischen GeseUschaften"<br />

am Osteuropa-Institut (Abt. Soziologie)<br />

<strong>der</strong> Freien Universität BerUn<br />

Anmerkungen<br />

2<br />

3<br />

1<br />

vgl. H. Fehr, Unabhängige Öffentlichkeit <strong>und</strong><br />

soziale Bewegungen in Ost-Mitteleuropa - Empirische<br />

Fallstudien über die Entstehungsbedingungen,<br />

die organisatorische Entwicklung <strong>und</strong><br />

die Ziele von Bürgerbewegungen in Polen <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> DDR, Berlin 1992 Ms. (Habilitationsschrift)<br />

vgl. A. Arato, "Civil Society" gegen den Staat:<br />

Der Fall Polen 1980-81, in: R. Fenchel/A. J.<br />

Ruitsch (Hrsg.), Polen 1980-82 - Gesellschaft<br />

gegen den Staat, Hamburg 1982; D. S. Mason,<br />

Public Opinion and Political Change in Poland,<br />

1980-82, Cambridge 1985; G. Bakuniakl K. Nowak,<br />

The Creation of a Collective Identity in a<br />

Social Movement - The Case of Solidamosc in<br />

Poland, in: Theory and Society, Vol. 16, 1987,<br />

S.407-429<br />

vgl. St. Sampson, The Informal Sector in Eastern<br />

Europe, in: Telos, Vol.65 (Winter 1985-

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