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Mai 2006 (PDF) - an.schläge

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als wesentlich für die Außenh<strong>an</strong>delsbeziehungen<br />

der EU und den Staaten Lateinamerikas<br />

und der Karibik dargestellt<br />

wird, stellt für die <strong>an</strong>deren einen weiteren<br />

Meilenstein in der globalen ökonomischen<br />

Ausbeutung und in der Bereicherung<br />

des Nordens durch den Süden<br />

dar. Der offizielle Staatsgipfel ist das<br />

größte diplomatische Ereignis in Österreich<br />

seit dem Wiener Kongress 1814/15:<br />

Zusammengezählt übertreffen allein<br />

schon die dreißig Spitzen der Regierung<br />

Süd-, Mittelamerikas und der Karibik<br />

(selbst Fidel Castro ist <strong>an</strong>gesagt) plus<br />

die EU-25 bereits alles, was Österreich je<br />

sah. Wird d<strong>an</strong>n in Wien der Kongress<br />

den T<strong>an</strong>go und die Salsa t<strong>an</strong>zen?<br />

Im Moment gehen rund ein Viertel<br />

der Exporte Lateinamerikas in die EU,<br />

retour kommen vier Prozent, was sich<br />

äußerst bescheiden <strong>an</strong>nimmt. Der<br />

Wettlauf um Rohstoffe und Märkte<br />

nimmt allerdings seit dem 11.September<br />

2001 1 zu und das Thema Lateinamerika<br />

ist außenpolitisch für die USA seither<br />

weit nach unten gerückt, womit Europa<br />

ein Hoffnungsträger für viele Unternehmen<br />

und Konzerne in Lateinamerika ist,<br />

und Europa in den Wettbewerb um die<br />

Märkte mit den USA eintritt.<br />

Mit dabei beim „offiziellen“ Staatsgipfel<br />

ist auch Michelle Bachelet, seit 11.<br />

März <strong>2006</strong> neue Staatspräsidentin Chiles<br />

und dem moderat sozialistischen Lager<br />

zugeordnet. Auf die Frage nach den<br />

künftigen Kooperationen 2 mit der EU<br />

gab Bachelet bereits Monate vor ihrem<br />

spektakulären Wahlsieg <strong>an</strong>:„Wir haben<br />

den Freih<strong>an</strong>delsvertrag mit der EU unterzeichnet.[...]<br />

Dieser Vertrag bezieht<br />

sich auf wichtige Werte, die wir teilen.<br />

Der Wert der Demokratie, der offenen<br />

Wirtschaft und die Anerkennung des<br />

internationalen Rechts, um Konflikte zu<br />

lösen. [...] Dieser Außenh<strong>an</strong>del wird<br />

auch alle Kooperationsinstrumente zusammenführen.“<br />

3<br />

Alternativen verknüpfen. Aus einem solchen<br />

Blickwinkel betrachtet stellt der<br />

Gipfel für seine Befürworter in Lateinamerika<br />

tatsächlich eine Möglichkeit<br />

zur Abkehr von den l<strong>an</strong>gjährigen<br />

Militärdiktaturen und grausamen Regimes<br />

des Kontinents dar. Frei nach<br />

dem Motto: Wenn die Wirtschaft stabil<br />

ist, werden nicht mehr gleich die Generäle<br />

gerufen, falls etwas schief gehen<br />

sollte.<br />

Sind die demokratischen Werte<br />

Europas also besser als jene der USA?<br />

Die Antwort ist einfach: menschenrechtlich<br />

eventuell schon, wirtschaftlich<br />

nicht. Parallel zum offiziellen Gipfel<br />

werden deshalb vom 10.-13. <strong>Mai</strong> soziale<br />

Bewegungen (z.B. attac), kirchliche<br />

Gruppen, NGOs, Gewerkschaften<br />

und <strong>an</strong>dere AkteurInnen Lateinamerikas,<br />

der Karibik und Europas einen Alternativgipfel<br />

in Wien abhalten: Enlaz<strong>an</strong>do<br />

Alternativas („Alternativen verknüpfen“).<br />

Für die Ver<strong>an</strong>stalterInnen<br />

wird die jahrhundertel<strong>an</strong>ge Ausbeutung<br />

Lateinamerikas durch Europa in<br />

den H<strong>an</strong>delsabkommen nur fortgesetzt.<br />

Wenn die EU also medienwirksam<br />

„H<strong>an</strong>del statt Hilfe“ propagiert,<br />

vertritt sie die Interessen europäischer<br />

Konzerne und lateinamerik<strong>an</strong>ischer<br />

Exporteure. Besonders der Assoziationsvertrag<br />

zwischen der EU und der<br />

Freih<strong>an</strong>delszone Mercosur 4 <strong>an</strong> dem<br />

bereits seit 1999 gefeilt wird und der<br />

jetzt in Wien unterzeichnet werden<br />

soll, ist für die Ver<strong>an</strong>stalterInen von<br />

Enlaz<strong>an</strong>do Alternativas eher der Ausdruck<br />

für „Gewinne für wenige, Armut<br />

für viele“.<br />

Sehr breit gefasst beh<strong>an</strong>delt der<br />

Alternativgipfel, ähnlich einem Sozialforum,<br />

die Themen wirtschaftliche<br />

Abhängigkeiten und neoliberale<br />

Ordnung, Entwicklung, politischer<br />

Dialog und alternative Strategien („regionale<br />

Integration“). Eineinhalb Tage<br />

des Alternativgipfels sind der Abhaltung<br />

eines sogen<strong>an</strong>nten „Tribunals<br />

der Völker“ über verschiedene Tr<strong>an</strong>snationale<br />

Konzerne (TNKs) gewidmet.<br />

Ähnlich ging m<strong>an</strong> bereits beim ersten<br />

Alternativgipfel 2004 in Guadalajara,<br />

Mexiko vor, wo Firmen wie Nestlé,<br />

Chiquita und Coca Cola <strong>an</strong>geklagt<br />

wurden, um so öffentlichen Druck zu<br />

erzeugen. Es gibt auch diverse Aktionen<br />

zur Unterstützung von Enlaz<strong>an</strong>do<br />

Alternativas: Petitionen, T-Shirts und<br />

eine sehr gelungene fin<strong>an</strong>zielle Bausteinaktion.<br />

Und die Frauen? Aus feministischer Perspektive<br />

gibt der Alternativgipfel zu<br />

folgenden Überlegungen Anlass:<br />

Makroökonomische Entscheidungen<br />

auf internationaler Ebene sind<br />

von externen tr<strong>an</strong>snationalen Vorgaben<br />

abhängig, insbesondere durch<br />

IMF und Weltb<strong>an</strong>k. Zu fragen ist also<br />

auf tr<strong>an</strong>snationaler Ebene: Wie verstärkt<br />

das EU-System deren Agenden?<br />

Welche negativen Folgen für Frauen<br />

hat das ökonomische Regime das die<br />

EU in Europa und in den Ländern des<br />

globalen Südens verfolgt?<br />

Es geht zum Beispiel weiterhin<br />

darum, die unterschiedlichen Arten<br />

aufzuzeigen, in denen Frauen und<br />

Männer von Armut betroffen sind.<br />

Damit gehen wir bereits über die<br />

Feststellung hinaus, dass Armut<br />

(auch) weiblich ist. Armut muss dazu<br />

mit neuen Indikatoren und nicht nur<br />

mit Geldeinkommen (weniger als 1<br />

Dollar pro Tag) gemessen werden.<br />

Nämlich auch über den M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong><br />

„<strong>an</strong>gemessenen Lebensbedingungen“,<br />

etwa ungenügende öffentliche Infrastruktur<br />

und öffentliche Einrichtungen,<br />

den M<strong>an</strong>gel <strong>an</strong> „Zeit für Selbstbestimmung“<br />

und „Teilhabe am öffentlichen<br />

Leben“ sowie den „M<strong>an</strong>gel<br />

<strong>an</strong> Würde“. Diese Indikatoren betreffen<br />

Frauen und Männer teilweise in<br />

sehr unterschiedlicher Form, z.B. „Zeit<br />

für sich“. Ich befürchte, dass die Diskussionen<br />

um solche speziellen Auswirkungen<br />

für Frauen zu kurz kommen<br />

werden.<br />

Ich befürchte außerdem, dass<br />

Beiträge, die sich mit dem Thema<br />

„Frauen“ beschäftigen werden, die bestehenden<br />

Ungleichheitsverhältnisse<br />

innerhalb der Gesellschaften wenig<br />

oder gar nicht <strong>an</strong>sprechen werden.<br />

Förderungen für „alle“ greifen oft<br />

nicht für Frauen. Richtig umgesetzt<br />

k<strong>an</strong>n „Gender Budgeting“ 5 hier Lösungen<br />

<strong>an</strong>bieten: Dabei geht es unter <strong>an</strong>derem<br />

um den Einfluss von fin<strong>an</strong>ziellen<br />

Zuwendungen auf das Leben von<br />

Frauen und den Versuch, die Mitbestimmung<br />

von Frauen bei allen möglichen<br />

budgetären Entscheidungen<br />

und Prozessen zu erhöhen. Auch die<br />

Asymmetrien zwischen Frauen des<br />

Nordens und Frauen des Südens müssen<br />

immer wieder <strong>an</strong>gesprochen werden.<br />

Und zuletzt: Es ist weiterhin wichtig,<br />

dass Frauengruppen strategische<br />

Alli<strong>an</strong>zen mit <strong>an</strong>deren Gruppierungen<br />

eingehen, die makroökonomische<br />

staatliche Entscheidungen <strong>an</strong>fechten.<br />

Welchen realen Stellenwert Frauengruppen<br />

auf dem Alternativgipfel haben<br />

werden, wird noch zu beobachten<br />

sein. ❚<br />

gipfelalternativ<br />

1 Zur Erinnerung: Dies ist auch der<br />

Tag des von den USA initiierten<br />

Militärputsches in Chile gegen<br />

Allende 1973.<br />

2 Ein bilaterales Abkommen besteht<br />

bereits mit Chile.<br />

3 Der St<strong>an</strong>dard, 28.11.2005.<br />

4 „Mercado Común del Sur“<br />

(Gemeinsamer Markt des Südens):<br />

Brasilien, Argentinien, Venezuela,<br />

Uruguay und Paraguay.<br />

5 www.gender-budgets.org<br />

Infos<br />

Alternativgipfel in Wien vom 10.–13.5.,<br />

www.alternativas.at<br />

Unterstützungen und Bestellungen<br />

bei brickcampaign@alternativas.at<br />

oder D<strong>an</strong>iela Härtl 01/408 53 32<br />

„Das Fernsehen verschlingt<br />

uns nicht“<br />

Das Fernsehen ist eine Straße, die<br />

den privaten Raum durchquert.<br />

Das Fernsehen ist ein öffentlicher Ort.<br />

Und deshalb bringen wir uns ins<br />

Fernsehen mit derselben Logik und<br />

derselben Sprache ein, mit der wir<br />

auch die Straße in Beschlag nehmen.“<br />

Maria Galindo, Mujeres Cre<strong>an</strong>do<br />

Film-Screening, mit einführendem<br />

Vortrag und der Möglichkeit zur<br />

Diskussion:<br />

Do, 11.5., 19.00 und Fr, 12.5., 20.00,<br />

Stadthalle, 15., Vogelweidplatz 14,<br />

Termine stehen noch nicht<br />

entgültig fest, Infos dazu:<br />

redaktion@<strong>an</strong>schlaege.at<br />

Feministische Interventionen<br />

Dialog und Reflexion über Theorien<br />

und Praktiken, Workshop mit Kurzstatements<br />

u.a. von Betty Puerto<br />

Parrera (Org<strong>an</strong>ización Femenina<br />

Popular, Kolumbien)<br />

Fr, 12.5., 17.30-20.30, Stadthalle, 15.,<br />

Vogelweidplatz 14, nur für Frauen<br />

Ver<strong>an</strong>stalterin: Feministische Arbeitsgruppe<br />

– <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> (das feministische<br />

Magazin), Frauensolidarität,<br />

KPÖ, Lefö, Sozialistische Jugend,<br />

Infos: c.buder@frauensolidaritaet.org<br />

mai <strong>2006</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 11

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