Mai 2006 (PDF) - an.schläge
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sicherung zu erreichen. Mittlerweile gilt<br />
dieser Satz eigentlich nicht mehr so.<br />
Wieso nicht?<br />
Wir haben immer noch nicht genug<br />
Rechte bekommen. Das Prostitutionsgesetz<br />
zeigt ja auch, dass da vieles noch<br />
nachgebessert werden muss. Ich glaube,<br />
viele Frauen, die aktiv in der Prostitution<br />
sind, haben immer noch nicht genug Ahnung<br />
davon, was dieses Gesetz für sie bedeutet.<br />
Es steht noch Arbeit <strong>an</strong>.<br />
Hat das Prostitutionsgesetz Vorteile<br />
gebracht?<br />
Natürlich hat es Vorteile gebracht.<br />
Vor allem, dass die Frauen sich als Selbstständige<br />
<strong>an</strong>melden können. Sie bezahlen<br />
ihre <strong>an</strong>gemessene Steuer. Das ist nicht<br />
mehr diese Wuchergeschichte, wo die Fin<strong>an</strong>zämter<br />
g<strong>an</strong>z scharf darauf sind, die<br />
Frauen auszunehmen. Die Bordellbetreiber<br />
und -betreiberinnen können Arbeitsverträge<br />
mit den Frauen abschließen. Sie<br />
bieten d<strong>an</strong>n auch bessere Arbeitsbedingungen,<br />
saubere Zimmer, Kondome und<br />
sie werden nicht mehr wegen „Aufforderung<br />
zur Prostitution“ bestraft.Viele Sachen<br />
müssen aber nach wie vor verändert<br />
werden. Und wir sehen einfach, dass<br />
sich vieles wieder zum Konservativen verändert<br />
hat, in Bundesländern wie Bayern<br />
oder Sachsen zum Beispiel. Ich habe vor<br />
kurzem eine Frau, die eine Evaluation des<br />
Prostitutionsgesetzes gemacht hat, gefragt,<br />
wie sie die Zukunft des Gesetzes<br />
sieht. Sie hat nicht das Gefühl, dass es politisches<br />
Interesse dafür gibt. Das heißt,<br />
das Gesetz bleibt, aber es verändert sich<br />
eigentlich nichts weiter. Und das politische<br />
Interesse geht leider eher in Richtung<br />
schwedisches Modell, der Abschaffung<br />
der Prostitution.<br />
Die Zeitschrift EMMA hat zum Prostitutionsgesetz<br />
gesagt, dass es in Deutschl<strong>an</strong>d<br />
den Frauenh<strong>an</strong>del und die Zw<strong>an</strong>gsprostitution<br />
fördere, weil „die Täter (...) seit<br />
die Prostitution nicht mehr ‚sittenwidrig’,<br />
sondern eine ‚<strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nte Dienstleistung’<br />
und ihre ‚Förderung’ nicht mehr strafbar ist<br />
– noch schwerer verfolgt werden können.“<br />
Wie steht ihr zu diesem Vorwurf?<br />
Wir haben das „Menschenh<strong>an</strong>delskomplott“<br />
gen<strong>an</strong>nt; es ist das passiert,<br />
was wir befürchtet hatten. In der letzten<br />
Zeit läuft alles unter dem Motto „Zw<strong>an</strong>gsprostitution<br />
bekämpfen ist gleich<br />
Bekämpfung der Prostitution selbst“. Und<br />
das befürworten wir natürlich nicht, und<br />
nicht nur wir, auch die Leute, die bei der<br />
LKA (L<strong>an</strong>deskriminalamt, Anm.) arbeiten,<br />
unterstützen diesen Satz von Frau Alice<br />
Schwarzer nicht, das hat nichts mit dem<br />
Prostitutionsgesetz zu tun. Es gab und es<br />
gibt nach wie vor Möglichkeiten für die<br />
Polizei, Razzias durchzuführen. Es gibt genug<br />
<strong>an</strong>dere Gesetze im Strafgesetz, die<br />
die Täter zur Ver<strong>an</strong>twortung ziehen sollen,<br />
es gibt genug Instrumentarien, die<br />
vielleicht sehr oft nicht ausreichend „benutzt“<br />
werden, aber es gibt sie. Dar<strong>an</strong> hat<br />
das Prostitutionsgesetz überhaupt nichts<br />
geändert.<br />
Die Vermischung von Zw<strong>an</strong>gsprostitution<br />
und Prostitution wird betrieben, um<br />
Frauen, die in der Prostitution arbeiten,<br />
und vor allem Migr<strong>an</strong>tinnen, kriminalisieren<br />
zu können.Was gibt es für Möglichkeiten<br />
gegenzusteuern?<br />
Es geht vor allem um die EU Gesetzgebung,<br />
die sich vorgenommen hat, einen<br />
Migrationsstopp einzuführen. Und die haben<br />
sich natürlich, das ist g<strong>an</strong>z bequem,<br />
das Thema Frauenh<strong>an</strong>del vorgenommen,<br />
obwohl das nur ein Teil des Gesamten ist.<br />
Wir waren immer der Meinung, dass es<br />
besser ist, nicht restriktive Maßnahmen<br />
einzuführen, also Einreiseverbot, Illegalisierung,<br />
sondern die Frauen mit Rechten<br />
auszustatten. Es gab die Idee einer Green<br />
Card für Frauen, die in der Prostitution arbeiten...<br />
vielleicht so ähnlich wie in der<br />
Schweiz oder in Österreich, das können<br />
wir uns g<strong>an</strong>z gut vorstellen, d<strong>an</strong>n wären<br />
die Frauen nicht mehr illegal. Und es wird<br />
alles, Arbeitsmigration und Frauen in ausbeuterischen<br />
Arbeitsverhältnissen, in einen<br />
Topf geworfen. Es wird nicht gesagt,<br />
wir haben keinen Bock, jede Migr<strong>an</strong>tin<br />
reinzulassen, das werden sich die Politiker<br />
auch nicht erlauben, aber im Großen und<br />
G<strong>an</strong>zen geht es darum, dass wir nur bestimmte<br />
Arten von Migr<strong>an</strong>ten und Migr<strong>an</strong>tinnen<br />
hier brauchen, nicht gerade<br />
die, die in der Prostitution arbeiten. Das<br />
hat sehr viel mit Moral zu tun.<br />
Wie würdest du den Status quo der<br />
Moralvorstellungen in der deutschen Politik<br />
beschreiben?<br />
Wir haben eine CDU Regierung in<br />
Deutschl<strong>an</strong>d, zwar eine K<strong>an</strong>zlerin, aber sie<br />
hat mit den Frauen und der Frauenpolitik<br />
wenig am Hut.Wir haben eine Familienministerin,<br />
auch von der CDU, die auch<br />
mit diesen kirchlichen Moralvorstellungen<br />
durch die Welt läuft, die heilige Madonna<br />
mit sieben Kindern, so ungefähr.<br />
Und die Medien spielen da auch sehr viel<br />
mit, sodass Stimmen wie die unsere ein<br />
bisschen untergehen.Wir weigern uns in<br />
letzter Zeit auch, uns zur WM und zu dieser<br />
bescheuerten Zahl von 40.000 Prostituierten<br />
zu äußern, weil wir das einfach<br />
idiotisch finden.Wir wissen nicht, wer<br />
sich diesen Scherz erlaubt hat, diese Zahl<br />
stimmt hinten und vorne nicht. Uns ist<br />
klar, dass sich diese moralische Vorstellung<br />
in den Medien derzeit sehr gut verkauft.<br />
Da entsteht so eine Art Helfersyndrom,<br />
und es ist immer einfacher Opfer<br />
zu verkaufen, etwas für sie zu machen<br />
und ein gutes Gewissen zu haben, als<br />
sich für die Rechte der Frauen einzusetzen,<br />
die nach der allgemeinen Meinung<br />
ihren Körper verkaufen.<br />
Habt ihr einen gewissen Status, der<br />
euch erlaubt, in bundes- oder stadtpolitischen<br />
Entscheidungen mitzureden?<br />
Ja, auf jeden Fall.Wir werden, was uns<br />
auch sehr freut, als Expertinnen hinzugezogen.Wir<br />
werden <strong>an</strong>gehört, und zwar<br />
nicht nur von den Grünen. Es ist uns auch<br />
wichtig, die Politikerinnen und Politiker<br />
gut mit den Informationen, die wir haben,<br />
zu füttern.Wir sind ja keine Theoretikerinnen,<br />
wir kommen aus der praktischen Arbeit.<br />
Seit zwei Jahren sind wir auch in der<br />
Abschiebehaft in Berlin tätig. Dort haben<br />
wir natürlich auch sehr oft mit Frauen, die<br />
in der Prostitution gearbeitet haben, zu<br />
tun.Weil das für viele die einzige Möglichkeit<br />
ist, Geld zu verdienen. Und sehr oft<br />
sind das Frauen, die das freiwillig gemacht<br />
haben, freiwillig in dem politischen Rahmen,<br />
der ihnen das erlaubt.Wir haben<br />
nicht viele Möglichkeiten, mit denen zu<br />
arbeiten, weil die im Grunde genommen<br />
g<strong>an</strong>z schnell wieder zurückgeschickt werden.<br />
Das ist auch eine Forderung vieler<br />
Projekte, deutschl<strong>an</strong>dweit eine Lobby für<br />
die nichtweißen Frauen zu schaffen.<br />
Gibt es eine Einbindung in die <strong>an</strong>tirassistische<br />
Bewegung?<br />
Ich f<strong>an</strong>ge <strong>an</strong>ders rum <strong>an</strong>. Uns ist klar,<br />
dass es unter den Frauen, die in der Prostitution<br />
arbeiten, auch sehr viel Rassismus<br />
gibt. Die deutschen Frauen sprechen<br />
seit ein oder zwei Jahren sehr oft über<br />
Konkurrenz aus dem Osten. Die Vorwürfe<br />
sind, die dumpen die Preise, die nehmen<br />
weniger, die arbeiten ohne Gummis. Es<br />
wäre besser, dass alle, soweit es geht, zusammen<br />
für bessere Arbeitsverhältnisse<br />
kämpfen.<br />
„Eine Prostituierte, die gern Prostituierte<br />
ist, muss über ihre Unterdrückung im<br />
Patriarchat aufgeklärt werden“. Ist das deiner<br />
Erfahrung nach eine gängige Position<br />
in feministischen Zusammenhängen?<br />
sexarbeitthema<br />
Hydra e.V. – Treffpunkt und Beratung<br />
für Prostituierte<br />
www.hydra-ev.org<br />
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