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Mai 2006 (PDF) - an.schläge

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Emotionstalent, die ihrem Freund Tim<br />

folgend nach L.A. zieht und sich fort<strong>an</strong><br />

durch komplizierte Verstrickungen und<br />

gebrochene Herzen auf allerlei Seiten zur<br />

„full-on girl-loving lesbi<strong>an</strong>“ entwickelt.<br />

Ihre Nachbarinnen, Bette und Tina,<br />

l<strong>an</strong>gjährige und paartherapieerprobte<br />

Partnerinnen, suchen ihr Glück in Kind<br />

und Familie und finden die Beziehungskrise.<br />

Bettes Schwester Kit sorgt, nachdem<br />

Jenny den Sex mit Männern nach<br />

und nach aufgibt, für die heterosexuellen<br />

Erzählstränge. Sh<strong>an</strong>e, cool und promisk,<br />

ist die <strong>an</strong>drogyne Typin der Gruppe<br />

– die Entschuldigung dafür, dass die <strong>an</strong>deren<br />

Hauptfiguren l<strong>an</strong>ge Haare und Stilettos<br />

tragen und stereotyp feminin inszeniert<br />

werden. Ihre Aufgabe im Verlauf<br />

der ersten 26 Folgen: ihre emotionalen<br />

Blockaden überwinden und sich von der<br />

Playerin in eine liebesfähige Monogamistin<br />

zu verw<strong>an</strong>deln. Alice, die auf einer<br />

Tafel in ihrem Wohnzimmer das unglaubliche<br />

Netzwerk der Liebschaften ihres Bek<strong>an</strong>ntenkreises<br />

dokumentiert und unermüdlich<br />

schwarze Edding-Striche von<br />

Name zu Name zieht, muss Beziehungen<br />

zu egoistischen Exfreundinnen und esoterisch<br />

<strong>an</strong>gehauchten lesbischen Männern<br />

durchtauchen, bis ihre beste Freundin<br />

D<strong>an</strong>a, die spätgeoutete Tennisspielerin,<br />

ihre Verlobung mit ihrer M<strong>an</strong>agerin<br />

löst und die beiden sich ein<strong>an</strong>der und<br />

ihrem Faible für Knutschflecken und Sextoys<br />

widmen können.<br />

Märchenhafte Lebenswelten. The L-Word ist,<br />

auch wenn das Titellied <strong>an</strong>deres verspricht,<br />

ein Märchen. Im Vorsp<strong>an</strong>n fällt<br />

die Zeile:„This is the way that we live<br />

<strong>an</strong>d love“. Eine stellvertretende Ansage<br />

für alle lesbischen Lebenswelten, die in<br />

L-Word nun dargestellt werden sollen?<br />

Unsere Art zu lieben, na gut. In Sachen<br />

Liebe und Beziehung werden in der Serie<br />

sehr viele mögliche Szenarien abgedeckt<br />

(auch wenn alle Liebschaften der<br />

Hauptfiguren auf eine monogame<br />

Zweierbeziehung abzielen), die beruflichen<br />

Leben der Frauen spiegeln aber die<br />

einer dünnen glücklichen Schicht wieder<br />

und nur wenig die tatsächlichen Lebensumstände<br />

vieler Lesben.<br />

Nicht dass sie alle im Geld schwimmen<br />

würden: g<strong>an</strong>z typinnengerecht hat<br />

Jenny die Rolle der hungernden Literatin<br />

und Sh<strong>an</strong>e die des Mädchens von der<br />

Straße, das sich ihr jetziges Leben zwischen<br />

schlechtbezahltem Job und Bar<br />

hart erkämpfen musste. Aber das ist ja<br />

nur der Anf<strong>an</strong>g. Was die Frauen im Verlauf<br />

der Serie nämlich gemeinsam haben,<br />

ist nicht so sehr Geld, sondern Erfolg und<br />

berufliche Entwicklung. Innerhalb der ersten<br />

beiden Staffeln feiern sie durch eigenes<br />

Engagement, Zufälle oder Förder-<br />

Innen plötzlich den Aufstieg von einer<br />

Unbek<strong>an</strong>nten bis Lokalgröße auf dem<br />

Ten-niscourt (D<strong>an</strong>a)/vor dem Laptop<br />

(Jenny)/in Haus und Heim (Tina)/als Journalistin<br />

(Alice)/im Frisiersalon (Sh<strong>an</strong>e)<br />

zum gefeierten oder zumindest vielversprechenden<br />

Talent. Die große berufliche<br />

Erfüllung, ein Aufgehen in und eine Identifikation<br />

mit der Karriere, wie viele Frauen<br />

nicht das Glück haben, sie zu kennen.<br />

West-Hollywood Rahmen. Wie politisch muss<br />

eine lesbische Fernsehserie nun sein?<br />

Themen wie Rassismus, Antisemitismus,<br />

Sexismus und Homophobie werden über<br />

verschiedene Figuren immer wieder ins<br />

Bewusstsein der Gruppe und dem des<br />

Publikums gebracht. Das funktioniert<br />

über Coming-Out-Geschichten und Reaktionen<br />

der Eltern, über Ressentiments<br />

und Vorurteile von ArbeitskollegInnen<br />

und -geberInnen, über die Konfrontation<br />

mit der eigenen Ethnizität, über die rechtlichen<br />

Schwierigkeiten in Sachen Kinderwunsch,<br />

Trennung und Sorgerecht. Das<br />

funktioniert aber auch g<strong>an</strong>z explizit: etwa<br />

wenn Jenny ihren Mitbewohner, der<br />

sie und Sh<strong>an</strong>e wochenl<strong>an</strong>g mit versteckten<br />

Kameras in intimsten Situationen<br />

gefilmt hat, <strong>an</strong>schreit:„What I w<strong>an</strong>t<br />

is for you to write ‚fuck me’ on your<br />

chest. Write it! Do it! And then I w<strong>an</strong>t<br />

you to walk out that door <strong>an</strong>d I w<strong>an</strong>t<br />

you to walk down the street. And <strong>an</strong>ybody<br />

that w<strong>an</strong>ts to fuck you, say:‚Sure,<br />

sure, no problem!’ And when they do,<br />

you have to say:‚Th<strong>an</strong>k you very very<br />

much’, <strong>an</strong>d make sure that you have a<br />

smile on your face. And then, you stupid<br />

fucking coward, you’re gonna know<br />

what it feels like to be a wom<strong>an</strong>.“<br />

The L-Word spielt in West-Hollywood,<br />

das dafür bek<strong>an</strong>nt ist, Lebensmittelpunkt<br />

vieler Lesben, Schwuler und Tr<strong>an</strong>sgender-<br />

Personen zu sein, und einen relativ geschützten<br />

Rahmen bietet, der sich in der<br />

Serie niederschlägt: Die Probleme der Protagonistinnen<br />

sind vielleicht wenig mit<br />

den Erfahrungen vieler lesbischer Zuschauerinnen<br />

vergleichbar. Aber dennoch:<br />

The L-Word ist eine lesbische Fernsehserie.<br />

Und unterhaltsam ist sie allemal. ❚<br />

lesben.nest<br />

jenny unger<br />

suche nach mir<br />

the-l-word<br />

mira sagt, ich muss mich vorstellen. sie meint, als neue<br />

schreiberin für das lesbennest muss ich hier doch sagen,<br />

wer ich bin. da hat sie schon irgendwie recht. nur, wie ich<br />

das machen soll, hat sie mir nicht gesagt ... mira übrigens ist<br />

eine freundin; eine, die mich immer dazu bringt irgendetwas<br />

bei ihr zu arbeiten, wenn ich sie nur einfach besuchen<br />

will. mal räume ich den geschirrspüler aus, ein <strong>an</strong>dermal<br />

lackiere ich irgendwelche tische für sie, tausche die kaputte<br />

glühbirne aus und schraube einen kasten zusammen. das<br />

nächste mal schlaf ich d<strong>an</strong>n auf ihrer couch, weil sie nicht<br />

allein in ihrer wohnung sein mag, und auf einem fest hole<br />

ich ihr bier, wenn sie d<strong>an</strong>ach bittet, obwohl ich gerade überhaupt<br />

keine lust habe, bier zu holen. abende mit ihr sind immer<br />

therapieartig <strong>an</strong>strengend. einmal hat sie mir gesagt,<br />

dass ich mich vermutlich selbst nicht kenne und dass ich<br />

vielleicht nicht einmal weiß, wie ich meine frühstückseier<br />

mag. mittlerweile hab ich herausgefunden, dass ich überhaupt<br />

keine eier frühstücken mag, weil die sich mir auf den<br />

magen schlagen, und dass das aus einem film sein soll. aber<br />

irgendwie hatte sie schon recht damals. und deshalb bin ich<br />

seitdem auf der suche nach mir. ich hänge nämlich in der<br />

queeren luft und suche eine identität für mich. früher mal<br />

hab ich gesagt, ich bin butch. jetzt weiß ich nicht mal mehr,<br />

ob ich sagen k<strong>an</strong>n, dass ich eine lesbe bin. viele sachen sind<br />

für mich schwer geworden zu benennen, obwohl sie sich<br />

nicht verändert haben. ich trage immer noch die gleichen<br />

hosen und tshirts, darüber ab und zu ein hemd und verliebe<br />

mich in ... frauen wollte ich schreiben, aber stimmt ja gar<br />

nicht. nicht immer sind es frauen, m<strong>an</strong>che waren mal frauen<br />

und m<strong>an</strong>che werden erst welche, m<strong>an</strong>chmal waren sie gar<br />

keine und wollen auch keine werden. und m<strong>an</strong>chmal, da<br />

verliebe ich mich leider gar nicht. hatte nicht mira dazu<br />

auch einmal etwas wichtiges zu sagen?<br />

Fo t o : p i xe l q u e l l e . d e<br />

mai <strong>2006</strong><strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 37

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