Vierundzwanzigste Vergleichende Prüfung „Hessische Versorgungs- und Zusatzversorgungskassen“ Fazit • Das Hauptproblem ist die Frage, wie die durch demographische Entwicklungen bestimmten zukünftigen Pensionslücken zu schließen sind. Wenn eingewandt wird, kapitalfinanzierte Versorgungssysteme seien inflationsgefährdet, ist festzustellen, daß dieses ebenso für umlagenfinanzierte Systeme gilt. Umlagefinanzierte Systeme können sich in inflationären Zeiten als inflationsfördernd herausstellen, da ein Anheben des Umlagehebesatzes dann fast unvermeidbar ist und die Lohnnebenkosten ansteigen. Abgesehen davon ist bei der Anlage des Deckungsstocks durch einen gezielten Anlage-Mix darauf zu achten, daß die Inflationsgefährdungen für den Deckungsstock minimiert werden. Das heißt, ein großer Anteil des Deckungsstocks wäre in langfristigen Realwerten anzulegen. Diese Anlagestrategie wird von der Versicherungswirtschaft erfolgreich angewandt, wobei hohe Unternehmensgewinne erwirtschaftet werden, obwohl - anders als bei der öffentlichen Hand - neben der Verwaltung noch kostenintensive Außendienste finanziert werden müssen. • Die Feststellung, daß ein Deckungsstockvolumen von schätzungsweise 2,75 Billionen DM in Deutschland und Europa kaum anlegbar sei, ist zum einen nicht belegt und suggeriert zum anderen, daß an einem Tag X der Gesamtbetrag auf einmal anzulegen ist. Dies ist nicht zutreffend, da die Umstellung von dem derzeitigen umlagefinanzierten auf ein zukünftig kapitalfinanziertes System nicht über Nacht geschieht, sondern einen mehrjährigen Prozeß darstellt. Auch die großen internationalen privaten Versicherungskonzerne legen ihre beträchtlichen Volumina an. Bei Nutzung der Diversifikation im Anlagebereich (Tagesgeld, Termingeld, Immobilien, Fonds, Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Beteiligungen etc.) müßte auch der geschätzte Betrag von 2,75 Billionen DM sukzessive europa- bzw. weltweit anzulegen sein. • Inwieweit öffentliche Kapitalsammelbecken vor staatlichem Zugriff nicht sicher sind, ist weder belegt noch schlüssig. Kapitalfinanzierte Versorgungssysteme entlasten die öffentlichen Haushalte von potentiellen Risiken, da ein systembedingtes Ausfallen der Versorgungsleistung und ein damit verbundenes ersatzweises Eintreten des Staates unwahrscheinlicher würde. Es ist nicht ersichtlich, welches Interesse der Staat haben sollte, dieses Versorgungsrisiko auf seine Haushaltsebene zu verlagern. • Der Überörtlichen Prüfung ist bekannt, daß die Kassen die Umlagehebesätze von zur Zeit 29 % auf 32 % im Jahre 2002 anheben. Dies belegt das Problem deutlich und dient als Beleg dafür, daß die Umlagen zu keiner gleichmäßigen, tragbaren Belastung für die öffentlichen Haushalte bewirken. Der Anstieg um 3 % in nur vier Jahren stellt einen realen Anstieg des Hebesatzes von 10,3 % dar. 2.20 Fazit Das Prüfungsthema gibt unter anderem Aufschluß über die Deckungslücke für die Finanzierung der in der Vergangenheit bereits erdienten Versorgungsverpflichtungen, die von den untersuchten Zusatzversorgungskassen und Versorgungskassen zu erfüllen sind. Die Deckungslücke wird in naher Zukunft von den öffentlichen Haushalten zu schließen sein. Die Frage, ob dieser zusätzliche Finanzierungsbedarf als Bürde empfunden werden wird, ist zwar letztendlich von der weiteren Entwicklung des Wirtschaftswachstums - und damit der Steuereinnahmen - abhängig; gleichwohl bietet das vorgelegte Zahlenmaterial 30
Vierundzwanzigste Vergleichende Prüfung „Hessische Versorgungs- und Zusatzversorgungskassen“ Fazit Anlaß, die bestehenden Finanzierungsverfahren (Umlageverfahren) kritisch zu überdenken. 31