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Essen - Gesundheit vor Ort

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auf der Ebene der „Wahrträume“, von<br />

denen Wilhelm Grimm spricht. Die einzelnen<br />

Elemente der Bilder, die in einem<br />

solchen Traum auftreten, sind meist dem<br />

normalen Alltagsleben des Träumers<br />

entnommen. In ihrer Gesamtheit symbolisieren<br />

sie aber etwas, das weit über<br />

das Alltagsbewusstsein und die gegenständliche<br />

Umwelt hinausgeht. Heute, in<br />

unserer rational orientierten Zivilisation,<br />

sind solche Träume selten geworden<br />

(oder werden zumindest selten in ihrem<br />

Wert erkannt). Aber in vergangenen<br />

Zeiten, als die Menschen noch nicht so<br />

stark materialistisch geprägt waren und<br />

mehr auf innere Erlebnisse achteten,<br />

wurden sie als etwas Besonderes erlebt,<br />

immer wieder erzählt und in ihrer Form<br />

geschliffen, bis die Bilder exakt zum Gehalt<br />

des Wahrbildes passten. In ihrer heutigen<br />

Form sprechen sie alle Ebenen der<br />

menschlichen Persönlichkeit gleichzeitig<br />

an, indem sie auf bewusster und unbewusster<br />

Ebene Botschaften zur Erklärung<br />

und Lösung von Lebensfragen anbieten.<br />

Friedrich Schiller schrieb einmal an einen<br />

Freund: „Tiefere Bedeutung liegt in den<br />

Märchen meiner Kindertage als in der<br />

Wahrheit, die das gewöhnliche Leben<br />

lehrt“.<br />

Es gibt heute viele verschiedene Methoden,<br />

um Märchen zu deuten. Wir wollen<br />

hier dem Ansatz Schillers und der Gebrüder<br />

Grimm folgen und einige Motive näher<br />

beleuchten. Dabei werden die auftretenden<br />

Figuren und ihr Verhalten als Bilder<br />

für das verstanden, was sich an seelischen<br />

Fähigkeiten und Konflikten innerhalb jedes<br />

einzelnen Menschen abspielt.<br />

Eine zentrale Gestalt in vielen Märchen ist<br />

der König. Aber nicht das äußere Amt<br />

eines Fürsten ist es, was das Märchen<br />

anspricht. Gemeint ist das Urbild seiner<br />

ursprünglichen Aufgabe: Er ist derjenige,<br />

der in seinem Umkreis, besonders aber in<br />

seinem Palast herrscht. Wenn er ein weiser<br />

Herrscher ist, dann tun alle Untertanen<br />

gut daran, ihn um Rat und Erlaubnis<br />

zu bitten, be<strong>vor</strong> sie etwas Wichtiges in<br />

Angriff nehmen. Tun sie es nicht, dann<br />

droht das Chaos.<br />

Der König ist das Bild für die ordnende<br />

Kraft der Persönlichkeit, die mit Klugheit<br />

und Übersicht ihre „Untertanen“ - die<br />

verschiedenen seelischen Eigenschaften<br />

- unter Kontrolle haben sollte. Jeder<br />

Einzelne ist aufgerufen, in diesem Sinne<br />

ein „König“ zu sein, d.h. sich selbst und<br />

seine Emotionen und Gedanken zu kontrollieren.<br />

Das Schloss, in dem der König<br />

wohnt, ist der <strong>Ort</strong>, von dem aus die Persönlichkeit<br />

auf der Erde wirksam wird:<br />

Es ist ein Bild für den Körper. Be<strong>vor</strong> der<br />

Mensch aber wirklich „Herrscher im eigenen<br />

Haus“ sein kann, muss er oft viele<br />

Prüfungen bestehen.<br />

Ein Beispiel dafür ist das Mädchen, das<br />

im Reich der Frau Holle <strong>vor</strong> verschiedene<br />

Aufgaben gestellt wird. Es wird<br />

aufgefordert, Brote aus dem Ofen zu<br />

holen, Äpfel zu ernten und die Betten<br />

aufzuschütteln. Bemerkenswerter Weise<br />

erfüllt das Kind diese Aufgaben freiwillig,<br />

keiner zwingt es dazu. Den wirklichen<br />

Herausforderungen des Lebens kann<br />

man sich nämlich nur freiwillig stellen<br />

– oder man weicht ihnen aus, wie die<br />

Schwester des Mädchens, die dadurch<br />

zur „Pechmarie“ wird. Glück und Pech<br />

– so meint es das Märchen – sind nicht<br />

immer völlig unverschuldet. Oft bereiten<br />

wir ihnen den Boden durch unser Verhalten,<br />

auch wenn wir die Zusammenhänge<br />

später kaum noch durchschauen.<br />

Auf die Spur ihrer Lebensaufgaben<br />

kommt die „Glücksmarie“ durch Nach-<br />

Literatur:<br />

Titelthema<br />

Bruno Bettelheim<br />

Kinder brauchen Märchen<br />

Friedel Lenz<br />

Bildsprache der Märchen<br />

Mauela Lowak von Becker<br />

Pechmarie wird Goldmarie<br />

Therapie: Unter dem Stichwort<br />

„Märchentherapie“ bietet das Internet<br />

viele verschiedene Therapiemöglichkeiten<br />

an.<br />

denken: Sie sitzt am Brunnen und gebraucht<br />

intensiv ihre Spule. Das Spinnen<br />

kann als Bild für das konsequente Verfolgen<br />

eines Gedankens verstanden werden.<br />

(„Der spinnt“ sagt man heute noch über<br />

jemanden, dessen Gedankengängen man<br />

nicht folgen kann.) Wer den richtigen Weg<br />

im Leben finden will, der darf sich nicht<br />

nur von den äußeren Ereignissen überrollen<br />

lassen. Er muss ab und zu innehalten<br />

(„sich an den Brunnen setzen“), sich seine<br />

Situation bewusst machen und seinen (Gedanken)faden<br />

gleichmäßig spinnen, bis er<br />

seinen Lebensmotiven auf die Spur kommt.<br />

So <strong>vor</strong>bereitet, kann er richtig reagieren,<br />

wenn „die Brote“ und „Äpfel“ nach ihm<br />

rufen: Sie symbolisieren die Anforderungen<br />

der Außenwelt, die an uns heran treten.<br />

Die Vertiefung in Märchenmotive kann<br />

eine Lebenshilfe sein und einen Leitfaden<br />

bei Lebenskrisen liefern. Deshalb gibt es<br />

heute viele Angebote an professionellen<br />

Therapien, in denen die Märchenmotive<br />

für die Lebensgestaltung nutzbar gemacht<br />

werden.<br />

Aber auch allein lohnt es sich, <strong>vor</strong> dem Zubettgehen<br />

in Ruhe ein Märchen zu lesen:<br />

Während des Schlafes entfalten die Wahrbilder<br />

ihre wohltuende Wirkung auf das<br />

Unterbewusstsein.<br />

<strong>Gesundheit</strong> <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> 4/2009 | 5

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