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Wirtschaft Saarland 1959 bis 2009

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

<br />

<strong>Wirtschaft</strong> <strong>Saarland</strong> <strong>1959</strong> <strong>bis</strong> <strong>2009</strong><br />

Wie hat sich das <strong>Saarland</strong> in den letzten<br />

50 Jahren wirtschaftlich entwickelt – ein<br />

Bundesländervergleich<br />

Bericht der<br />

IW Consult GmbH Köln<br />

Köln, den 2.07.<strong>2009</strong><br />

Institut der deutschen <strong>Wirtschaft</strong> Köln Consult GmbH · Gustav Heinemann Ufer 84-88 · 50968 Köln<br />

Geschäftsführer: Matthias Kenter, Dr. Karl Lichtblau · Sitz der Gesellschaft ist Köln<br />

Eingetragen im Handelsregister Köln HRB 30889 · Deutsche Bank Köln, BLZ 370 700 60, Konto 1932011


Ansprechpartner für die Inhalte:<br />

IW Consult GmbH<br />

Dr. Karl Lichtblau<br />

Sprecher der Geschäftsführung<br />

E-Mail: lichtblau@iwkoeln.de<br />

Tel. (0221) 4981-759<br />

http://www.iwconsult.de<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Seite 2 von 60


Inhaltsverzeichnis<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Inhaltsverzeichnis 3<br />

Tabellenverzeichnis 4<br />

Abbildungsverzeichnis 4<br />

1 50 Jahre <strong>Saarland</strong> – Überblick 5<br />

2 Langfristvergleich 1960 <strong>bis</strong> 2008 8<br />

2.1 Niveaubetrachtung – Wo steht das <strong>Saarland</strong>? 8<br />

2.1.1 Einzelindikatoren 8<br />

2.1.2 Gesamtsicht 12<br />

2.2 Dynamiksicht – Wie hat sich das <strong>Saarland</strong> entwickelt? 14<br />

3 Gründe für den Aufholprozess des <strong>Saarland</strong>es 19<br />

3.1 Ein kurzer Blick in die <strong>Wirtschaft</strong>sgeschichte 19<br />

3.2 Gründe und Ursachen für den Aufschwung des <strong>Saarland</strong>es 24<br />

3.2.1 Beschäftigung, Integration und Soziale Lage 25<br />

3.2.2 Einkommen und Einkommensverteilung 31<br />

3.2.3 Unternehmen und Unternehmensstruktur 39<br />

3.2.4 Humankapital und Wissenschaft 45<br />

3.2.5 Bildung und Familiefreundlichkeit 48<br />

3.2.6 Verkehrsinfrastruktur 51<br />

3.2.7 Öffentliche Finanzen 51<br />

3.2.8 Demografie 55<br />

4 Krisenbetroffenheit 58<br />

Seite 3 von 60


Tabellenverzeichnis<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Tabelle 2-1: <strong>Saarland</strong> im Dynamikvergleich..........................................................................16<br />

Tabelle 3-1: Struktur und Entwicklung der Arbeitslosigkeit ...................................................26<br />

Tabelle 3-2: Integration am Arbeitsmarkt..............................................................................29<br />

Tabelle 3-3: Hilfeempfängerquoten ......................................................................................30<br />

Tabelle 3-4: Einkommen im <strong>Saarland</strong> im Vergleich zu West-Deutschland............................32<br />

Tabelle 3-5: Ergebnisse der Strukturbereinigung..................................................................33<br />

Tabelle 3-6: Verfügbares Einkommen je Einwohner <strong>Saarland</strong>..............................................36<br />

Tabelle 3-7: Produktivität......................................................................................................40<br />

Tabelle 3-8: Exportquoten ....................................................................................................44<br />

Tabelle 3-9: Kerndaten Humankapital und Wissenschaft......................................................47<br />

Tabelle 3-10: Kerndaten Bildung und Familienfreundlichkeit ................................................50<br />

Tabelle 3-11: Kerndaten Öffentliche Haushalten ..................................................................53<br />

Tabelle 3-12: Kernindikatoren Demografie ...........................................................................57<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 2-1: Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 1960 <strong>bis</strong> 2008 ........................................10<br />

Abbildung 2-2: Arbeitslosenquoten 1960 <strong>bis</strong> 2008................................................................12<br />

Abbildung 2-3: <strong>Wirtschaft</strong>liche Position des <strong>Saarland</strong>es im Ländervergleich ........................14<br />

Abbildung 2-4: <strong>Saarland</strong> im Ländervergleich – Dynamik und Niveau....................................17<br />

Abbildung 3-1: Wachstums der Wertschöpfung....................................................................41<br />

Abbildung 3-2: Beschäftigungsanteile im Industrie-Dienstleistungsverbund..........................42<br />

Abbildung 3-3: Schuldenquote 1960 <strong>bis</strong> 2007 ......................................................................55<br />

Abbildung 4-1: Krisenbetroffenheit nach Regionen...............................................................59<br />

Seite 4 von 60


1 50 Jahre <strong>Saarland</strong> – Überblick<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

<strong>1959</strong> wurde die Eingliederung des <strong>Saarland</strong>es zur Bundesrepublik Deutschland auch wirtschaftlich<br />

vollzogen. In diesem Jahr ist Jubiläum. Es gilt eine Bilanz über 50 Jahre wirtschaftliche Entwick-<br />

lung zu ziehen. In dieser Studie stehen drei Fragen im Mittelpunkt:<br />

• Wie hat sich das <strong>Saarland</strong> in diesen 50 Jahren im Vergleich zu den anderen Bundes-<br />

ländern entwickelt?<br />

• Was sind die Ursachen für eine sehr gute Entwicklung in den letzten zehn Jahren?<br />

• Wie betrifft die derzeitige Krise das <strong>Saarland</strong> und was könnte das für die zukünftige<br />

Entwicklung bedeuten?<br />

Die erste Frage steht im Mittelpunkt der Studie; die beiden anderen ergeben sich aus den Ergeb-<br />

nissen dieser Analyse.<br />

Das <strong>Saarland</strong> im Ländervergleich<br />

Wohlstand und Arbeitsplätze für alle sind die wichtigsten Ziele der <strong>Wirtschaft</strong>spolitik auf der<br />

Bundes- und der Landesebene. Die Kernindikatoren zur Messung der Zielerreichung sind das<br />

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und die Arbeitslosenquote. Auf Basis dieser beiden Indikatoren<br />

wird analysiert:<br />

• Wo das <strong>Saarland</strong> in jedem Jahr seit 1960 stand (Niveauvergleich) und<br />

• wie sich das <strong>Saarland</strong> in den einzelnen Dekaden entwickelt hat (Dynamikvergleich).<br />

Das <strong>Saarland</strong> hatte zu Anfang der 60er Jahre insgesamt eine gute Performance und belegte bei<br />

einer Gesamtsicht der beiden Indikatoren unter den zehn Bundesländern (ohne Berlin) den vierten<br />

Rang. Die erste Konjunkturkrise traf das Land aber härter als die anderen. Das <strong>Saarland</strong> fiel<br />

zurück und belegte über viele Jahre bei dem Ländervergleich nur noch hintere Plätze. Die<br />

Arbeitslosenquote stieg im Trend an und lag über dem Niveau der anderen Länder. Das Brutto-<br />

inlandsprodukt wuchs in etwa mit der Durchschnittsrate. Das reichte <strong>bis</strong> Ende der 90er Jahre nicht<br />

für vordere Plätze aus. 1999 lag das <strong>Saarland</strong> bei diesem Niveauvergleich abgeschlagen auf<br />

Platz zehn. Die Arbeitslosenquote hatte zwei Jahre vorher (1997) mit 13,6 Prozent den histori-<br />

schen Höchststand erreicht. Danach setzt das <strong>Saarland</strong> zu einer Aufholjagd an und schaffte<br />

innerhalb von vier Jahren den Sprung auf Platz fünf ab 2003. Die Gründe dafür waren überdurch-<br />

schnittliches Wachstum und Erfolge beim Abbau der Arbeitslosigkeit.<br />

Viel deutlicher wird dieses Auf und Ab im Laufe der 50jährigen Geschichte, wenn man die Verän-<br />

derungen der beiden Indikatoren (Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und Arbeitslosenquote) in<br />

verschiedenen Zeitabschnitten vergleicht. Die Ergebnisse:<br />

Seite 5 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Bei diesem Dynamikvergleich belegte das <strong>Saarland</strong> in den 60er Jahren nur den letzten<br />

Platz.<br />

• In den 70er Jahren setzte insgesamt eine Verbesserung ein. Das <strong>Saarland</strong> erreichte den<br />

sechsten Platz.<br />

• Auch in den 80er Jahren konnte das <strong>Saarland</strong> seine relative Position in dieser Dynamik-<br />

sicht nochmals verbessern (Platz vier), obwohl dieses Jahrzehnt durch heftige Krisen<br />

geprägt war. Die Probleme traf das <strong>Saarland</strong> nicht stärker als andere.<br />

• In den 90er Jahre hat das <strong>Saarland</strong> deutlich an Boden verloren. Die erste Konjunkturkrise<br />

nach der deutschen Einheit hinterließ im <strong>Saarland</strong> tiefere Spuren als in den anderen<br />

Ländern. Der Vergleich der Arbeitslosenquoten und der <strong>Wirtschaft</strong>sleistung je Einwohner<br />

zwischen 1990 und 1980 (Dynamiksicht) fiel für das <strong>Saarland</strong> nicht gut aus. Insgesamt kam<br />

das Land über einen siebten Platz unter den zehn nicht hinaus.<br />

• Völlig anders verliefen die Jahre nach der Jahrtausendwende. Das <strong>Saarland</strong> holte auf. Die<br />

<strong>Wirtschaft</strong> wuchs überdurchschnittlich und die Arbeitslosenquote sank deutlich. Sie fiel<br />

nach vielen Jahren wieder unter das westdeutsche Durchschnittsniveau. Das Ergebnis<br />

dieser Entwicklung ist der Platz eins des <strong>Saarland</strong>es im Dynamikvergleich der zehn west-<br />

deutschen Länder in der Zeit von 2000 <strong>bis</strong> 2008. In einem gesamtdeutschen Vergleich<br />

unter Einbeziehung der neuen Länder, die sich immer noch in einem Aufhol- und Konver-<br />

genzprozess befinden, belegt das <strong>Saarland</strong> immerhin Platz vier.<br />

Gründe für den Aufholprozess<br />

Das <strong>Saarland</strong> ist der Dynamiksieger unter den westdeutschen Ländern in den Jahren 2000 <strong>bis</strong><br />

2008. Was steckt dahinter und welche Entwicklungen können dieses Ergebnis erklären? Mit<br />

diesen Fragen beschäftigt sich der zweite Teil der Studie. Die Ergebnisse:<br />

• Der Aufholprozess wurde begleitet – und findet auch einen Teil seiner Begründung - durch<br />

Beschäftigungsaufbau, einer verbesserten Integration insbesondere von Frauen und<br />

Älteren in den Arbeitsmarkt sowie einem Rückgang der Zahl der Arbeitslosen und Hilfe-<br />

empfänger. Besonders profitiert haben jugendliche und ältere Arbeitslose. Der Aufschwung<br />

hat breite Bevölkerungskreise erreicht und die gute soziale Lage noch weiter stabilisiert.<br />

• Das <strong>Saarland</strong> weist eine relativ gleichmäßige Einkommensverteilung auf. Das<br />

verfügbare Einkommen je Einwohner hat sich seit dem Jahr 2000 kontinuierlich erhöht<br />

und dem Bundesdurchschnitt um über 2 Prozentpunkte angenähert. (Fach-)Arbeiter<br />

profitieren von insgesamt günstigeren Strukturen und können im Vergleich zu West-<br />

deutschland überdurchschnittlich hohe Löhne erzielen.<br />

Seite 6 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Die saarländische <strong>Wirtschaft</strong> ist industriegeprägt. Der Motor des Aufschwungs war das<br />

Verarbeitende Gewerbe sowie der Industrie-Dienstleistungsverbund. Ein Plus ist die<br />

Weltorientierung der Saarwirtschaft, die sich in einer stark steigenden Exportkraft<br />

ausdrückt. Die saarländische <strong>Wirtschaft</strong> ist stärker von großen Unternehmen geprägt als<br />

andere. Der Mittelstand war aber in den letzten zehn Jahren der Jobmotor. Schwächen hat<br />

das <strong>Saarland</strong> traditionell bei der Unternehmensdichte (Unternehmerlücke) und im<br />

Gründungsgeschehen.<br />

• Humankapital und Wissenschaft stellen wichtige Innovationstreiber einer Region dar.<br />

Hier schneidet das <strong>Saarland</strong> bei der Wissenschaftlerdichte und der Ingenieurintensität<br />

überdurchschnittlich ab. Ähnliches gilt für die Patentintensität. Schwächen offeriert das<br />

<strong>Saarland</strong> bei der FuE-Intensität, die immer noch unterdurchschnittlich entwickelt ist.<br />

• Bildung und Familienfreundlichkeit ist ein wichtiger Erfolgstreiber für den<br />

wirtschaftlichen Erfolg einer Region. Das <strong>Saarland</strong> ist in diesem Bereich sehr gut aufgestellt<br />

und nimmt in diesem Bereich bei den einzelnen Indikatoren stets Plätze unter den besten<br />

sechs Ländern ein. Vor allem bei der Bekämpfung des Risikos der Bildungsarmut für<br />

Jugendliche und der Integration von Ausländern in das Bildungssystem hat sich das<br />

<strong>Saarland</strong> stark verbessert.<br />

• Die Verkehrsinfrastruktur ist insgesamt noch eher unterdurchschnittlich ausgebaut, wenn<br />

es auch mit der neuen ICE-Verbindung Saarbrücken-Paris entscheidende Verbesserung<br />

gibt. Es fehlt immer noch eine schnelle Schienenverbindung nach Frankfurt.<br />

• Die Bereiche Öffentliche Finanzen und Demografie bleiben die wirklichen Schwach-<br />

punkte des <strong>Saarland</strong>es, die deshalb noch viele Jahre der politischen Agenda ganz oben<br />

stehen müssen.<br />

Krise und Zukunft<br />

Ein wesentlicher Grund für die gute Entwicklung des <strong>Saarland</strong>es in den letzten Jahren war, dass<br />

der Industriestandort Saar von dem industriellen Aufschwung in Deutschland profitieren konnte.<br />

Aus dem regionalen Krisenbetroffenheitsindex geht hervor, dass die derzeitige <strong>Wirtschaft</strong>skrise die<br />

starken Industrieländer überdurchschnittlich stark trifft. Gegenwärtig ist aber davon auszugehen,<br />

dass es sich bei der aktuellen <strong>Wirtschaft</strong>skrise nur um eine Störung der positiven Wirkungszu-<br />

sammenhänge handelt und die <strong>Wirtschaft</strong> nach Beendigung der Krise wieder auf ihren Wachs-<br />

tumspfad zurückkehrt. Unter den erwähnten Voraussetzungen steht der saarländischen <strong>Wirtschaft</strong><br />

demnach eine positive Beschäftigungsentwicklung bevor. Nach einer Beschäftigungsprojektion des<br />

Instituts für Arbeitsmarkt- und Sozialforschung (IAB) aus dem Jahr 2008 wird sich die Zahl der<br />

Arbeitnehmer <strong>bis</strong> 2020 positiv entwickeln. Die saarländische <strong>Wirtschaft</strong> hat in den letzten Jahren<br />

ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt und so ist auch weiterhin von einer starken<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sentwicklung auszugehen.<br />

Seite 7 von 60


2 Langfristvergleich 1960 <strong>bis</strong> 2008<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

In diesem Abschnitt werden die 50 Jahre saarländischer Geschichte nach der wirtschaftlichen<br />

Eingliederung im Jahr <strong>1959</strong> beleuchtet. Zunächst stehen die Kerndaten aus den Bereichen<br />

Wohlstand und Arbeitsmarkt im Blickpunkt. Dabei geht es um einen Niveauvergleich, der die<br />

Position des <strong>Saarland</strong>es unter den zehn westdeutschen Bundesländern und später in einer<br />

gesamtdeutschen Sicht zeigen soll. Im zweiten, wichtigeren Abschnitt dieses Gutachtens wird die<br />

Dynamik der Entwicklung betrachtet. Es wird analysiert, wie sich das <strong>Saarland</strong> in den<br />

verschiedenen Zeitabschnitten in den letzten Jahren entwickelt hat. Diese Betrachtung wird<br />

zeigen, dass das <strong>Saarland</strong> in den letzten zehn Jahren zu den Bundesländern mit der besten<br />

Entwicklung zählt.<br />

Es werden in Fünfjahresbetrachtungen einige wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen<br />

hervorgehoben.<br />

2.1 Niveaubetrachtung – Wo steht das <strong>Saarland</strong>?<br />

Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Bundesländern gibt es zwei<br />

wesentliche Zielgrößen:<br />

• Möglichst hohe Einkommen und<br />

• möglichst viele Arbeitsplätze.<br />

Deshalb stehen diese beiden Kernbereiche auch im Mittelpunkt der Langfristbetrachtung der<br />

ökonomischen Leistungsfähigkeit des <strong>Saarland</strong>es von 1960 – also dem ersten Jahr der<br />

wirtschaftlichen Wiedereingliederung – <strong>bis</strong> 2008. Dabei werden zwei Kernindikatoren verwendet,<br />

die stellvertretend für viele andere ähnliche Kennziffern die Situation beschreiben:<br />

• Bruttoinlandsprodukt je Einwohner als allgemeines Maß für Wohlstand,<br />

• Arbeitslosenquote als Kerngröße für die Arbeitsmarktverfassung.<br />

2.1.1 Einzelindikatoren<br />

In diesem Abschnitt werden mit dem Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und der Arbeitslosen-<br />

quote die Entwicklung beider Kernindikatoren zur Beschreibung der wirtschaftlichen Leistungs-<br />

fähigkeit von 1960 <strong>bis</strong> 2008 analysiert. Der Vergleichsmaßstab ist der Durchschnitt der westdeut-<br />

schen Bundesländer (ohne Berlin).<br />

Seite 8 von 60


Bruttoinlandsprodukte je Einwohner<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Das nominale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner stieg im <strong>Saarland</strong> von 2.756 Euro (1960) auf<br />

30.169 Euro (2008) 1 an. Das bedeutet ein Zuwachs von 5,2 Prozent pro Jahr und belegt – trotz<br />

der in dieser Nominalgröße enthaltenen Inflationsrate – den wachsenden Wohlstand im <strong>Saarland</strong>.<br />

Im etwa gleichen Tempo (5,2 Prozent) ist auch das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in<br />

Deutschland gestiegen. Die Abbildung 2-1 zeigt den Verlauf dieser Kenngröße für das <strong>Saarland</strong><br />

und das frühere Bundesgebiet ohne Berlin:<br />

• In Deutschland und im <strong>Saarland</strong> gab es <strong>bis</strong> Ende der 80er Jahre einen starken Aufwärts-<br />

trend, der dann abflachte, in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einen Tiefpunkt erreichte<br />

und danach wieder anstieg.<br />

• Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner lag im <strong>Saarland</strong> zwar in jedem Jahr unter dem<br />

westdeutschen Niveau, unverkennbar ist aber ein starker Aufholprozess in den letzten<br />

zehn Jahren. Zwischen 1999 und 2003 lag das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner um<br />

knapp 4.000 Euro unter dem Vergleichswert West – heute sind es nur noch 2.062 Euro.<br />

Das <strong>Saarland</strong> hat heute fast zu dem westdeutschen Niveau aufgeschlossen. Der Abstand<br />

mit sechs Prozent ist historisch niedrig.<br />

• Mit einem Bruttoinlandsprodukte je Einwohner von 30.169 Euro nimmt das <strong>Saarland</strong> unter<br />

den zehn westdeutschen Bundesländern den sechsten Platz ein. Mit Ausnahme von 1960<br />

und 1961 hatte das <strong>Saarland</strong> in keinem Jahr zuvor eine so gute Position gehabt.<br />

• Des Weiteren sind in Abbildung 2-1 die jährlichen prozentualen Abstände des saarländi-<br />

schen Bruttoinlandsprodukts je Einwohner zum jeweiligen Bruttoinlandsprodukt je<br />

Einwohner für die westdeutschen Bundesländer abgetragen. Die hellblauen Säulen geben<br />

hierbei den Abstand zwischen der dunkelblauen Linie (<strong>Saarland</strong>) und der roten Linie<br />

(Westdeutschland), ausgedrückt in Prozent des auf 100 normierten westdeutschen<br />

Niveaus, gesondert wieder. Ein Wert von 94 Prozent gibt dabei an, dass das saarlän-<br />

dische Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 94 Prozent des westdeutschen Bruttoinlands-<br />

produkts je Einwohner beträgt. auch hier zeigt sich, dass das <strong>Saarland</strong> – nach einer stark<br />

divergierenden Entwicklung zwischen 1964 und 1974 – in der letzten Dekade stark aufholt,<br />

da beide Entwicklungslinien stark konvergieren und das <strong>Saarland</strong> auf einem guten Weg<br />

ist, in naher Zukunft das westdeutsche Niveau zu erreichen.<br />

1 In diesem Abschnitt wird auf das nominale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner abgestellt, weil es eine konsistente Reihe<br />

mit dem preisbereinigt Bruttoinlandsprodukt (reales BIP) erst seit 1970 gibt.<br />

Seite 9 von 60


Arbeitslosenquote<br />

Abbildung 2-1: Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 1960 <strong>bis</strong> 2008<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

<strong>Saarland</strong> und Westdeutschland (ohne Berlin); Angaben in Euro bzw. Prozent<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

Die Arbeitslosenquote ist der Kernindikator zur Beschreibung der Entwicklung am Arbeitsmarkt.<br />

Die Abbildung 2-2 zeigt den Verlauf von 1960 <strong>bis</strong> 2008 für das <strong>Saarland</strong> und die westdeutschen<br />

Bundesländer. Seit 1965 ist die Arbeitslosigkeit im <strong>Saarland</strong> höher als in Westdeutschland. In den<br />

letzten Jahren hat sich dieses Bild aber entscheidend geändert. Ab 2004 konnte der west-<br />

deutsche Durchschnitt erreicht und in einigen Jahren sogar unterboten werden. Das ist ein großer<br />

wirtschaftspolitischer Erfolg. Bis weit in die 90er Jahre ist in Deutschland und im <strong>Saarland</strong> ein<br />

trendmäßiger Anstieg der Arbeitslosenquote zu beobachten. Mitentscheidend waren aber die <strong>bis</strong><br />

heute nachwirkenden Implikationen, dass die Arbeitslosenquote im <strong>Saarland</strong> bei fast jeder Krise<br />

stärker gestiegen ist als im Durchschnitt:<br />

• In der ersten Montankrise stieg die Arbeitslosenquote im <strong>Saarland</strong> von 1965 <strong>bis</strong> 1968 um<br />

2,2 Prozentpunkte an; im Bundesdurchschnitt waren es nur 0,8 Prozentpunkte. Das<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

<strong>Saarland</strong> verlor in der zweiten Hälfte der 60er Jahre über 16.000 Arbeitsplätze in der<br />

Montanindustrie. Bezogen auf das Niveau von 1965 waren das fast zehn Prozent aller<br />

Arbeitsplätze in der Industrie (ohne Bauwirtschaft). Gesamtwirtschaftlich bedeutete das ein<br />

Beschäftigungsrückgang von 3,6 Prozent.<br />

• Obwohl der Stellenabbau in der Montanindustrie weiterging, hat sich die Situation am<br />

Arbeitsmarkt schnell deutlich verbessert. Die Arbeitslosenquote fiel von 3,3 Prozent (1967)<br />

auf die damals als Normalrate empfundenen 0,9 Prozent (1970). Verbunden war dies mit<br />

dem Beginn des Strukturwandels hin zu Dienstleistungen. Der Beschäftigungsanteil des<br />

Produzierendes Gewerbes (einschließlich Bauwirtschaft) fiel 1970 erstmals unter die 50-<br />

Prozent-Marke.<br />

• Die erste Ölkrise führte dann wieder zu einer drastischen Zunahme der Arbeitslosenquote<br />

im <strong>Saarland</strong>. Sie lag 1978 bei 7,6 Prozent. Das waren 5,6 Prozentpunkte mehr als noch<br />

1973. Im Bundesgebiet war im gleichen Zeitraum nur eine Zunahme von<br />

3,3 Prozentpunkten zu verzeichnen.<br />

• Nach einer kleinen Erholungsphase verschlechterte sich die allgemeine Situation am<br />

Arbeitsmarkt dramatisch. Die Arbeitslosenquote stieg auf 13,4 Prozent (1985) und lag um<br />

6,9 Prozentpunkte über dem Niveau von 1980. Im Bund stieg die Arbeitslosenrate im<br />

gleichen Zeitraum um 6,8 Prozentpunkte. Die Krise in den 80er Jahren traf also das<br />

<strong>Saarland</strong> ähnlich wie den Bund. In diesen fünf Jahren gingen im <strong>Saarland</strong> in der Montan-<br />

industrie fast 9.000 Arbeitsplätze verloren. In den anderen Branchen konnte die Beschäf-<br />

tigung zumindest gehalten werden. Der Strukturwandel in Richtung Dienstleistungen ging<br />

weiter. Bereits 58 Prozent der Arbeitsplätze waren 1985 im tertiären Sektor.<br />

• Von 1985 <strong>bis</strong> zur ersten Konjunkturkrise nach der deutschen Einheit hat sich der Arbeits-<br />

markt im <strong>Saarland</strong> sehr gut entwickelt. Die Arbeitslosenquote fiel auf 8,6 Prozent (1991)<br />

und lag damit wieder deutlich unter der 10-Prozent-Marke. In dieser Zeit sind über 40.000<br />

neue Arbeitsplätze entstanden. Der Strukturwandel hin zu den Dienstleistungsbranchen<br />

ging mit erhöhtem Tempo weiter.<br />

• Schließlich hat auch die erste Krise nach dem Vereinigungsboom das <strong>Saarland</strong> relativ hart<br />

getroffen. Die Arbeitslosigkeit lag 1993 um 3,5 Prozentpunkte über dem Niveau von 1991.<br />

In den westdeutschen Ländern war nur ein Anstieg um 2,7 Prozentpunkte zu verzeichnen.<br />

Diese Krise hatte erhebliche Folgen für das <strong>Saarland</strong>, denn die Probleme auf dem<br />

Arbeitsmarkt nahmen zu. Die Arbeitslosenquote erreichte 1997 mit 13,6 Prozent ihren<br />

historischen Höchstwert.<br />

• Ab 1998 verbesserte sich die Situation. Die Arbeitslosenquote fiel wieder deutlich. Sie liegt<br />

im Durchschnitt der letzten zehn Jahre in etwa auf dem Durchschnittsniveau der west-<br />

deutschen Länder. Das ist ein großer Erfolg des <strong>Saarland</strong>es.<br />

Seite 11 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Bei der Arbeitslosenquote liegt das <strong>Saarland</strong> seit 2003 unter den zehn westdeutschen Bundes-<br />

ländern auf dem fünften Rang. Dieser vordere Platz im Mittelfeld aller Länder konnte seit Mitte der<br />

60er Jahre nicht mehr erreicht werden.<br />

2.1.2 Gesamtsicht<br />

Abbildung 2-2: Arbeitslosenquoten 1960 <strong>bis</strong> 2008<br />

<strong>Saarland</strong> und Westdeutschland (ohne Berlin); Angaben in Prozent<br />

Arbeitslosenquote: Arbeitslose in Prozent der abhängig Beschäftigten<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit<br />

Um einordnen zu können, wie das <strong>Saarland</strong> bei diesem Niveauvergleich der Bundesländer<br />

zwischen 1960 und 2008 insgesamt abschneidet, müssen die beiden Indikatoren – das Bruttoin-<br />

landsprodukte je Einwohner und die Arbeitslosenquote – zusammengezogen werden. Dazu wird<br />

ein einfaches Rangverfahren verwendet. Für jedes Jahr wird der Rang für jedes Bundesland<br />

Seite 12 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

ermittelt, den sie jeweils bei den beiden Indikatoren besetzen. Daraus wird ein einfacher Mittelwert<br />

gebildet. Das Ergebnis zeigt Abbildung 2-3:<br />

• Es zeigt sich ein deutlich U-förmiger Verlauf über die Zeit. In den ersten Jahren nach der<br />

wirtschaftlichen Eingliederung belegte das <strong>Saarland</strong> noch den vierten Rang. Danach fiel<br />

das Land bei diesem Niveauvergleich zurück. In der Zeit von 1966 <strong>bis</strong> 2001 belegte das<br />

<strong>Saarland</strong> mit Ausnahme eines Jahres (1982) immer den letzten oder vorletzten Platz.<br />

• Deutlich anders ist dies ab 2002. Zunächst ist ein Sprung von Platz neun (2001) auf Rang<br />

sechs (2002) zu verzeichnen. Danach gelang eine Verbesserung auf den fünften Platz, der<br />

seit 2003 verteidigt werden kann. Nur Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen<br />

liegen vor dem <strong>Saarland</strong>.<br />

• Bei einem gesamtdeutschen Ranking unten den sechzehn Bundesländern nimmt das<br />

<strong>Saarland</strong> bei diesem Niveauvergleich im Jahr 2005 auch den fünften Platz ein.<br />

Seite 13 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Abbildung 2-3: <strong>Wirtschaft</strong>liche Position des <strong>Saarland</strong>es im Ländervergleich<br />

Rang des <strong>Saarland</strong>es unter zehn westdeutschen Ländern 1960-2008; Niveauvergleich<br />

Gleichgewichteter Index für die zehn westdeutschen Bundesländer (ohne Berlin) auf Basis von Rängen<br />

bei den Indikatoren Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und Arbeitslosenquote.<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, IW Consult<br />

2.2 Dynamiksicht – Wie hat sich das <strong>Saarland</strong> entwickelt?<br />

Die deutlichen Positionsverbesserungen im Bundesländervergleich seit 2002 belegen, dass sich<br />

das <strong>Saarland</strong> im Aufwärtstrend befindet. Diese Dynamik wird noch klarer, wenn man die<br />

Entwicklung der beiden Kernindikatoren – Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und Arbeitslosen-<br />

quote – für verschiedene Zeitabschnitte seit 1960 betrachtet.<br />

Das <strong>Saarland</strong> belegt in einer Dynamikbetrachtung im Zeitraum von 2000 <strong>bis</strong> 2008 beim<br />

Wachstum des Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und der Veränderung der Arbeitslosenquote<br />

unten den zehn westdeutschen Bundesländern jeweils den ersten Platz. Damit ist klar, dass das<br />

<strong>Saarland</strong> auch vorne liegt, wenn man die beiden Teilindikatoren über ein Rangverfahren zu einem<br />

Seite 14 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Gesamtindex zusammenfügt: Das <strong>Saarland</strong> ist seit der Jahrtausendwende das dynamischste<br />

Bundesland in Westdeutschland. Es folgen auf den nächsten Rängen Bremen und Bayern. Das<br />

war in der 50jährigen Geschichte der wirtschaftlichen Wiedereingliederung des <strong>Saarland</strong>es nicht<br />

immer so. Das verdeutlicht die Tabelle 2-1, die die Entwicklung bei beiden Kernindikatoren zur<br />

Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in vier Zehnjahresabschnitten und einem Achtjah-<br />

resabschnitt darstellt:<br />

• Im ersten Jahrzehnt nach der wirtschaftlichen Wiedereingliederung hat das <strong>Saarland</strong> an<br />

Boden verloren. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner wuchs langsamer als im Bundes-<br />

durchschnitt (6,2 Prozent pro Jahr im <strong>Saarland</strong> gegenüber 7,8 Prozent im Durchschnitt<br />

aller Länder). Die Arbeitslosenquote lag 1970 um 0,4 Prozentpunkte höher als 1960; im<br />

Bundesgebiet war hingegen ein Rückgang zu verzeichnen. Die schwache Performance<br />

bedeutete im Vergleich der zehn Bundesländer bei allen Teilindikatoren und auch im<br />

Gesamtindex nur den letzten Platz. Das <strong>Saarland</strong> hatte in diesem Jahrzehnt viel stärker<br />

mit der ersten Montankrise zu kämpfen als die anderen Länder.<br />

• In den 70er Jahren zeigte sich bei dem Wohlstandsindikator eine deutliche Verbesserung.<br />

Der Zuwachs von 8,8 Prozent im Jahresdurchschnitt bedeutet Platz eins. Allerdings lagen<br />

drei andere Länder fast gleichauf. Wichtiger ist aber der Hinweis, dass diese gute<br />

Entwicklung beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner auch durch eine schrumpfende<br />

Einwohnerzahl rechnerisch zustande kommt. Die Zahl der Einwohner fiel zwischen 1970<br />

und 1980 im <strong>Saarland</strong> pro Jahr um 0,4 Prozent; das Bundesgebiet West hatte einen<br />

Zuwachs von 0,2 Prozent zu verzeichnen. Beim Wachstum des nominalen Bruttoinlands-<br />

produktes landete das <strong>Saarland</strong> in diesem Jahrzehnt aber immerhin noch auf Rang vier.<br />

Dass nicht alles rund lief, zeigt ein Blick auf die Arbeitsmarktperformance. In keinem der<br />

anderen Bundesländer stieg in den 70er Jahren die Arbeitslosenquote so stark an wie im<br />

<strong>Saarland</strong> – deshalb nur Platz zehn. Insgesamt reichte das im Gesamtindex dennoch für<br />

eine Verbesserung auf Platz sechs.<br />

• In den 80er Jahren hat das <strong>Saarland</strong> beim Wachstum der <strong>Wirtschaft</strong>sleistung je Einwohner<br />

mit dem Bundesdurchschnitt mithalten können. Das bedeutet Platz vier unter zehn Länder.<br />

Die Arbeitslosenquote lag 1990 um 3,2 Prozentpunkte über dem Niveau von 1980. Im<br />

Bundesgebiet war ein stärker Anstieg zu verzeichnen (+4,8 Prozentpunkte). Ebenso<br />

bedeutet dies einen vierten Platz bei der Dynamiksicht. Verdeckt werden durch diese<br />

Zehnjahresbetrachtung allerdings die sehr unterschiedlichen Verläufe mit der starken<br />

Zunahme der Arbeitslosigkeit (<strong>Saarland</strong> +6,9 Prozentpunkte; D +6,8 Prozentpunkte) in der<br />

ersten Hälfte des Jahrzehnts und einem deutlichen Rückgang von 1985 <strong>bis</strong> 1990<br />

(<strong>Saarland</strong> -3,7 und Westdeutschland -2 Prozentpunkte). Bei einer Gesamtbetrachtung<br />

beider Indikatoren landet das <strong>Saarland</strong> bei dieser Dynamiksicht auf Rang vier und hat sich<br />

wiederum um zwei Ränge verbessert.<br />

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• Die neunziger Jahre sind durch einen deutlichen Absturz gekennzeichnet. Das<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner wuchs langsamer und die Arbeitslosigkeit nahm stärker<br />

als im Bundesdurchschnitt zu. Insgesamt fiel das <strong>Saarland</strong> in dieser Zeit auf den siebten<br />

Platz zurück.<br />

• Die höchste Wachstumsrate beim Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und der stärkste<br />

Rückgang bei der Arbeitslosenquote bedeuten im Dynamikvergleich der Jahre 2000 <strong>bis</strong><br />

2008 jeweils den ersten Platz unter den zehn westdeutschen Ländern. Das <strong>Saarland</strong> ist<br />

der Dynamiksieger der letzten acht Jahre.<br />

In einem gesamtdeutschen Vergleich belegt das <strong>Saarland</strong> im Zeitraum von 2000 <strong>bis</strong> 2008 im<br />

Dynamikranking den vierten Platz. Nur Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich<br />

– allerdings ausgehend von einer völlig anderen Startbasis – noch dynamischer entwickelt.<br />

Tabelle 2-1: <strong>Saarland</strong> im Dynamikvergleich<br />

Position unter den zehn westdeutschen Ländern nach Zeitabschnitten<br />

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner Arbeitslosenquote<br />

Veränderung in Prozent p. a. Veränderung in Prozentpunkten<br />

Gesamt-<br />

index<br />

<strong>Saarland</strong> WD Rang SL S WD Rang SL Rang SL<br />

1960/70 6,2 7,8 10 0,4 -0,3 10 10<br />

1970/80 8,8 8,0 1 5,6 3,5 10 6<br />

1980/90 4,9 4,9 4 3,2 4,8 4 4<br />

1990/00 2,5 2,7 7 1,0 0,6 6 7<br />

2000/08 3,4 2,3 1 -2,7 -1,4 1 1<br />

Gesamtindex nach Rangverfahren nach Mittelwert der Einzelränge bei BIP je Einwohner und ALQ; bei<br />

Ranggleichheit Einordnung durch Berücksichtigung der Größe der Unterschiede; Bruttoinlandsprodukt je<br />

Einwohner sind nominale Werte.<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, IW Consult<br />

Die Dynamikentwicklung des <strong>Saarland</strong>es verdeutlicht nochmals im Überblick die Abbildung 2-4.<br />

Dort sind die Platzierungen im Niveauranking (siehe Abbildung 2-3) und im Dynamikranking für<br />

einzelnen Zeitabschnitt abgetragen. Sehr deutlich werden nochmals drei Punkte:<br />

• Die Verbesserung im Dynamikranking in den 70er und 80er Jahren konnte die Platzierung<br />

im Niveauranking nicht entscheidend verbessern.<br />

Seite 16 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Die Verschlechterung der Dynamik in den neunziger Jahren führte in drei von zehn Jahren<br />

dazu, dass das <strong>Saarland</strong> in der Niveaubetrachtung wieder auf den letzten Platz zurückfiel.<br />

• Die starke Dynamikperformance in der Zeit nach der Jahrtausendwende (Platz 1) führte zu<br />

einer deutlich Verbesserung auch im Niveauranking. Es gelang ein Sprung vom letzten<br />

Platz (1999) auf Platz fünf seit 2003.<br />

Abbildung 2-4: <strong>Saarland</strong> im Ländervergleich – Dynamik und Niveau<br />

Ränge des <strong>Saarland</strong>es unter zehn westdeutschen Ländern<br />

Gleichgewichteter Index für die zehn westdeutschen Bundesländer (ohne Berlin) auf Basis von Rängen bei<br />

den Indikatoren nominales Bruttoinlandsprodukt je Einwohner und Arbeitslosenquote. Dynamikränge über<br />

die Veränderung der Indikatoren in Zehnjahresperioden bzw. Achtjahresperiode (2000-2008)<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, IW Consult<br />

Die Ergebnisse solcher Rankings hängen immer von den ausgewählten Indikatoren und Zeitinter-<br />

vallen ab. Aber an dem grundlegenden Befund einer sehr dynamischen Entwicklung des<br />

Seite 17 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

<strong>Saarland</strong>es in den letzten Jahren ändert sich dennoch nichts, auch wenn man auf einen anderen<br />

wesentlichen Kernindikator – das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts – zurückgreift:<br />

• Zwischen 1970 und 1980 2 stieg das reale BIP im <strong>Saarland</strong> um 3,0 Prozent. Im Bundes-<br />

gebiet (ohne Berlin) waren es 2,0 Prozent. Das bedeutet Rang sechs unter den zehn<br />

westdeutschen Ländern.<br />

• In den 80er und 90er Jahren wuchs das reale Bruttoinlandsprodukt im <strong>Saarland</strong> langsamer<br />

als im Durchschnitt 3 . Das bedeutete in beiden Jahren Platz sieben unter den zehn<br />

Ländern.<br />

• In den letzten acht Jahren wuchs die <strong>Wirtschaft</strong> des <strong>Saarland</strong>es im Jahresdurchschnitt von<br />

1,6 Prozent (Westdeutschland 1,2 Prozent). Das bedeutet hinter Bayern den zweiten<br />

Platz. In den letzten fünf Jahren (2003 <strong>bis</strong> 2008) legte die Saarwirtschaft um jahres-<br />

durchschnittlich um 2,7 Prozent zu. Kein anderes westdeutsches Bundesland konnte<br />

diesem Wachstumstempo folgen – Platz eins vor Bayern (+2,2 Prozent).<br />

• Auch in einer gesamtdeutschen Sicht ist die Wachstumsbilanz eindrucksvoll. Das <strong>Saarland</strong><br />

belegt beim Wachstum des realen BIP hinter Bayern und Sachsen den dritten Platz. In den<br />

letzten fünf Jahren von 2003 <strong>bis</strong> 2008 hatte das <strong>Saarland</strong> unter allen Bundesländern die<br />

höchste Wachstumsrate der realen <strong>Wirtschaft</strong>sleistung und war damit das dynamischste<br />

Bundesland.<br />

Es bleibt als Fazit festzuhalten, dass das <strong>Saarland</strong> seit der Jahrtausendwende das<br />

dynamischste Bundesland ist und in dieser Zeit stark aufgeholt hat. Jetzt stellt sich natürlich die<br />

Frage, was die Gründe dafür sind. Mit möglichen Antworten darauf beschäftigt sich das nachfol-<br />

gende Kapitel.<br />

2<br />

Für die Jahre 1960 <strong>bis</strong> 1969 gibt es keine konsistente vom Statistischen Bundesamt berechnete Reihe mit Daten zur<br />

realen Bruttowertschöpfung.<br />

3<br />

Von 1970 <strong>bis</strong> 1980 hatte eine <strong>Saarland</strong> eine durchschnittliche Wachstumsrate von 2,0 Prozent (Bund: 2,3 Prozent); von<br />

1980 <strong>bis</strong> 1990 wuchs die <strong>Wirtschaft</strong> des <strong>Saarland</strong>es nur um 1,4 Prozent pro Jahr (Bund 1,8 Prozent).<br />

Seite 18 von 60


3 Gründe für den Aufholprozess des <strong>Saarland</strong>es<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Der wesentliche Befund des vorangegangenen Abschnittes ist, dass das <strong>Saarland</strong> in den letzten<br />

zehn Jahren aufgeholt und unter den westdeutschen Bundesländern die dynamischste<br />

Entwicklung vorzuweisen hat. In diesem Kapitel sollen mögliche Ursachen für diesen Aufstieg<br />

herausgearbeitet werden. Diese Analyse wäre ohne einen Blick auf die schwierige Ausgangslage<br />

und die Geschichte des <strong>Saarland</strong>es nicht zu verstehen. Deshalb sollen in dem Abschnitt 3.1<br />

zunächst schlaglichtartig die wesentlichen Entwicklungslinien der neueren <strong>Wirtschaft</strong>sgeschichte<br />

von 1960 <strong>bis</strong> Mitte der 90er Jahre in Fünfjahresperioden nachgezeichnet werden.<br />

3.1 Ein kurzer Blick in die <strong>Wirtschaft</strong>sgeschichte<br />

Die in Abschnitt 2 dargelegten Zahlen sagen wenig über teilweise turbulente wirtschaftspolitische<br />

Entwicklungen und wichtigen Entscheidungen in der 50jährigen Geschichte des <strong>Saarland</strong>es nach<br />

der wirtschaftlichen Wiedereingliederung aus. Wesentlich schwieriger als der politische Übergang<br />

gestaltete sich die Anpassung der saarländischen <strong>Wirtschaft</strong> an das System der bundesdeutschen<br />

Marktwirtschaft. Nicht nur die Währungsumstellung und die damit verbundene Entwicklung der<br />

Verbraucherpreise sorgten für Turbulenzen. Auch die fehlende Konkurrenzfähigkeit vieler mittel-<br />

ständischer Unternehmen oder der Kampf um den sozialen Besitzstand auf einem stärker nach<br />

dem Leistungsprinzip organisierten Markt sorgten für Unruhe. Nur bedingt konnten diese Probleme<br />

durch die Eingliederungshilfen aufgefangen werden, die zu Beginn der 60er Jahre in Form von<br />

Steuerermäßigungen und staatlichen Investitionsprämien geleistet wurden. Denn gleichzeitig hatte<br />

man mit einer Krise im Bergbau zu kämpfen, die eine drastische Reduzierung von Fördermengen<br />

und -anlagen sowie Arbeitsplätzen brachte.<br />

1960-1965<br />

Auch im <strong>Saarland</strong> war ein Aufwärtstrend unverkennbar, der insbesondere durch die stark<br />

wachsende Stahlindustrie der 1960er Jahre getragen wurde. Sie agierte – anders als der Bergbau<br />

– bereits im europäischen Rahmen. Die Reallöhne stiegen ebenso wie die wirtschaftlichen<br />

Zuwachsraten. Neue Betriebe, die vor allem in der weiterverarbeitenden Industrie, aber auch in der<br />

Textil-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie entstanden waren, brachten neue Arbeitsplätze. Die<br />

Universität in Saarbrücken und Homburg wurde zügig ausgebaut. Die Investitionen in die<br />

Infrastruktur brachten dem <strong>Saarland</strong> ein modernes Verkehrsnetz. 1963 konnte der Autobahn-<br />

anschluss der Landeshauptstadt ans deutsche Fernstraßensystem nach siebenjähriger Bauzeit<br />

vollzogen werden. Zwei Jahre später wurde mit der Einweihung der neuen Landebahn und der<br />

Eröffnung der Linie nach Düsseldorf auch der Flughafen Saarbrücken-Ensheim endlich verkehrs-<br />

tauglich.<br />

Seite 19 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Insgesamt hat das <strong>Saarland</strong> aber in diesen ersten fünf Jahren gegenüber Westdeutschland an<br />

Boden verloren. Das nominale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner stieg zwar um 24 Prozent, im<br />

Bund waren es aber 42 Prozent.<br />

1965-1969<br />

Im Zeichen der staatlichen Modernisierung setzte das <strong>Saarland</strong> in den 60er Jahren wichtige<br />

bildungspolitische Akzente. Hohe Investitionen dienten bereits seit dem Beginn dieses „pädagogi-<br />

schen“ Jahrzehnts dem Ausbau des Schul- und Hochschulsystems. Drastisch steigende Schüler-<br />

zahlen und das erhöhte Bildungsbedürfnis forderten eine erhebliche Vermehrung der weiterbil-<br />

denden Schulen, deren Angebot von den Real- und berufsbildenden Schulen über die 1969<br />

gegründeten Fachoberschulen <strong>bis</strong> zu den Aufbaugymnasien reichte. Verschiedene Höhere Fach-<br />

schulen wurden 1970 in der Fachhochschule des <strong>Saarland</strong>es zusammengefasst.<br />

Die Rezession von 1966/67 traf das <strong>Saarland</strong> mit seiner auf Kohle und Stahl gegründeten Ökono-<br />

mie härter als andere Teile Deutschlands. Die Saarregierung forderte daher in einem Saar-Memo-<br />

randum vom April 1967 bundesdeutsche Unterstützung und formulierte gleichzeitig ein<br />

umfassendes Restrukturierungsprogramm. Damit begann die Geschichte von Subventionsab-<br />

hängigkeit und Reformzwang, die den Weg des <strong>Saarland</strong>es in den folgenden Jahrzehnten<br />

bestimmten.<br />

1970-1975<br />

Das <strong>Saarland</strong> hatte sich von der ersten Konjunkturkrise – wie die gesamte Bundesrepublik – relativ<br />

schnell erholt. Die Arbeitslosenquote fiel von 3,3 Prozent (1967) im Jahr 1970 wieder auf das<br />

damalige „Normalmaß“ von 0,9 Prozent. Anfang der 1970er Jahre trug die auf der Basis von<br />

Raumordnungsplänen initiierte Ansiedlungspolitik durch neu erschlossene Industriegebiete<br />

Früchte. Nachhaltig wirkten vor allem die Eröffnung der Fordwerke Saarlouis 1970 oder die<br />

Niederlassung der ZF in Saarbrücken, die sich als global agierender Zulieferer für Automobile<br />

profilierte. Die neuen Betriebe der Investitions- und Konsumgüterindustrie, brachten nicht nur viele<br />

Arbeitsplätze. Sie sorgten auch dafür, dass sich die Struktur der saarländischen <strong>Wirtschaft</strong><br />

langsam wandelte. Neue Akzente wurden 1974 auch auf kommunaler Ebene gesetzt. Die im<br />

Dezember 1973 gesetzlich verabschiedete Gebiets- und Verwaltungsreform reduzierte die Anzahl<br />

der selbstständigen Gemeinden im <strong>Saarland</strong> von 354 auf 50 mit jeweils mehr als 8.000<br />

Einwohnern. Insgesamt brachte die Reform eine erhebliche Effizienzsteigerung der Verwaltung.<br />

Das <strong>Saarland</strong> profitierte von dieser Modernisierung: Trotz des Ölpreisschocks von 1973 wuchs das<br />

nominale Bruttoinlandprodukt von 1970 <strong>bis</strong> 1975 um 60 Prozent und damit stärker als im Bund<br />

(53 Prozent). In den hohen Wachstumsraten stecken hohe Inflationsraten. Das reale Wachstum<br />

war deutlich niedriger. Am Ende dieser Jahrfünfts lagen allerdings – trotz vieler positiver Entwick-<br />

lungen – wieder dunkle Wolken über der Saar. Die Arbeitslosenquote lag 1975 bei 6,1 Prozent und<br />

markierte eine <strong>bis</strong> dahin nicht bekannte Höchstmarke. Dies war nur der Anfang einer tiefen Krise.<br />

Seite 20 von 60


1975-1980<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Die Jahre zwischen 1975 und 1980 sind von der Stahlkrise geprägt. Der Ölpreisschock hat einen<br />

Strukturwandel hin zu mehr Dienstleistungen ausgelöst, der die Stahlindustrie besonders hart<br />

getroffen hat. Auch die saarländische Stahlindustrie musste bei weltweiten Überkapazitäten<br />

erhebliche Absatzeinbußen hinnehmen. Die Branche hat mit einem drastischen Beschäftigungs-<br />

abbau reagiert. Es wurde bei der Unternehmensebene nach Lösungen und umfassenden Sanie-<br />

rungskonzepten gesucht. Auch die Übernahme der Werke in Völklingen und Neunkirchen durch<br />

ARBED (1978) konnte trotz erheblicher öffentlicher Zuwendungen die Talfahrt der Stahlindustrie<br />

nur bedingt bremsen. Neben dem Ruhrgebiet wurde das <strong>Saarland</strong> in dieser Zeit zum Krisengebiet.<br />

1980-1985<br />

Angesichts des drastischen Rückgangs der Stahlabsätze in Europa erwiesen sich alle Sanierungs-<br />

konzepte des ARBED-Konzerns aus den 1970er Jahren bereits 1980 als Makulatur. Nur durch<br />

mehrfache Soforthilfen des Landes und Bundes, die sich <strong>bis</strong> 1985 zu einer Gesamtförderung von<br />

fast 767 Millionen Euro addierten, konnten der Zusammenbruch des Unternehmens und die damit<br />

verbundenen katastrophalen Folgen für den Arbeitsmarkt verhindert werden. Die Arbeitslosen-<br />

quote stieg nochmals dramatisch von 6,5 Prozent (1980) auf 13,4 Prozent (1985) an. Obwohl die<br />

<strong>Wirtschaft</strong>skrise sektoral auf den Montanbereich konzentriert war und mehrere Industriezweige,<br />

vor allem der Fahrzeugbau, beachtliche Steigerungen zu verzeichnen hatten, stellte der beschleu-<br />

nigte Strukturwandel die Landespolitik vor ungekannte Herausforderungen. Denn die Rettung der<br />

Stahlindustrie war dadurch erkauft worden, dass sich das Land <strong>bis</strong> an die Grenzen seiner<br />

Leistungsfähigkeit verschuldete. Die Schulden stiegen von 3 Milliarden Euro (1980) auf 5,3<br />

Milliarden Euro (1985) dramatisch an. Die Schuldenquote (Schulden in Prozent des BIP) legte von<br />

25 Prozent auf 35 Prozent zu. 1985 betrug die Zinslastquote (Zinsen in Prozent der Ausgaben) fast<br />

12 Prozent; 1980 waren es nur 7,4 Prozent. Das Haushaltsdefizit verdoppelte sich fast von 341<br />

Millionen Euro (1980) auf 640 Millionen Euro (1985). Von dieser Situation haben sich die<br />

öffentlichen Haushalte im Grunde <strong>bis</strong> heute nicht erholt Sie begründeten letztendlich zehn Jahre<br />

später nach Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Haushaltsnotlage, die<br />

zur Zahlung von Sanierungs-Sonderbundesergänzungszuweisungen zwischen 1994 und 2004 von<br />

über sechs Milliarden Euro führte.<br />

1985-1989<br />

Angesichts der anhaltenden Talfahrt der saarländischen Stahlwirtschaft erwarb das Land<br />

76 Prozent des Völklinger Hüttenwerks zum symbolischen Preis von 1 DM von ARBED. Durch<br />

eine gezielte Restrukturierung, die sowohl Schuldennachlässe und Gehaltskürzungen als auch die<br />

Abfederung des Stellenabbaus im Rahmen einer Stahlstiftung umfasste, wurde der erste Schritt<br />

zur Sanierung des saarländischen Stahlstandorts getan. Im Kampf gegen die drohende Zunahme<br />

der Arbeitslosigkeit setzte die Regierung auf staatliche Wachstumsimpulse, wobei sie vor allem<br />

Seite 21 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Existenzgründungen und Betriebserweiterungen großzügiger als <strong>bis</strong>her subventionierte. Diese<br />

Strategie war insofern erfolgreich, als es 1988 erstmals wieder zu Arbeitsplatzgewinnen kam und<br />

die Arbeitslosenquote von 13,4 Prozent (1985) auf 11 Prozent (1989) gesunken war. Die Kehrseite<br />

der Medaille bestand in einem weiteren Anstieg des Schuldenberges, der im gleichen Jahr die<br />

Rekordmarke von über 7 Milliarden Euro erreichte. Die Schuldenquote erreichte mit fast<br />

40 Prozent einen Rekordstand. Zu einem strikten Sparkurs mit dem langfristigen Ziel der<br />

Haushaltskonsolidierung gab es deshalb kaum mehr eine Alternative, der Ende der achtziger<br />

Jahre durch die Schließung von Schulen und Krankenhäusern sowie durch den beginnenden<br />

Stellenabbau im Öffentlichen Dienst eingeleitet wurde.<br />

1990-1995<br />

Anfang der 90er Jahre wuchs das Bewusstsein dafür, dass der durch Kohle- und Stahlkrise<br />

erzwungene Strukturwandel unumkehrbar war. Nur noch jeder elfte saarländische Arbeitnehmer<br />

fand seine Beschäftigung im Montanbereich, wodurch dieser endgültig seine Rolle als<br />

ökonomischer Leitsektor verlor. Die Saar entwickelte sich immer stärker zu einem diversifizierten<br />

<strong>Wirtschaft</strong>sstandort, wobei sich insbesondere die Bereiche Energietechnik, Lebensmitteltechno-<br />

logie, Fahrzeugbau und Informationstechnik zu Wachstumsbranchen entwickelten. Trotz dieses<br />

Wandels blieb das <strong>Saarland</strong> <strong>bis</strong> heute ein Industriestandort.<br />

Zukunftsweisend war in diesem Zeitraum die neue Technologiepolitik, die zwischen 1985 und 1995<br />

zum Auf- und Ausbau einer beachtlichen Forschungslandschaft führte. Die Universität des<br />

<strong>Saarland</strong>es wurde um eine Technische Fakultät erweitert. Darüber hinaus wurden zehn<br />

selbständige Forschungseinrichtungen ins Leben gerufen, von denen insbesondere das Max-<br />

Planck-Institut für Informatik, das Institut für Neue Materialien sowie die Fraunhofer-Institute für<br />

Biomedizinische Forschung und zerstörungsfreie Prüfverfahren zu nennen sind. Nicht zuletzt<br />

waren es die neu eingerichteten Zentren des Technologietransfers, die die <strong>Wirtschaft</strong> belebten und<br />

mit dazu beitrugen, das <strong>Saarland</strong> als modernen Technologiestandort zu profilieren.<br />

Wichtige Impulse zur Modernisierung des Landes gingen auch von der europäischen Bewegung<br />

aus. Die grenzüberschreitenden Kooperationsbeziehungen mit den Nachbarn aus Lothringen und<br />

Luxemburg wurden nun – unter dem Vorzeichen des bevorstehenden europäischen Binnen-<br />

marktes – mit großem Elan vorangetrieben. Dank umfänglicher Mittel aus dem europäischen<br />

Strukturfonds wurde eine Vielzahl von Projekten realisiert, die sich von Transport und Telekommu-<br />

nikation über Forschung, Ausbildung und Tourismus <strong>bis</strong> hin zu einer gemeinsamen Industrie- und<br />

Gewerbeflächenerschließung erstreckten.<br />

Anfang der 90er Jahre entspannte sich die Lage am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote fiel<br />

wieder unter die 10-Prozent-Marke und das <strong>Saarland</strong> konnte beim <strong>Wirtschaft</strong>swachstum fast mit<br />

den westdeutschen Ländern mithalten. 1993 traf das <strong>Saarland</strong> die erste Krise nach der deutschen<br />

Einheit deutlich schärfer als die anderen.<br />

Seite 22 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Am Ende dieses Jahrfünfts gab es erstmals seit vielen Jahren wieder einen Rückgang in der<br />

Staatsverschuldung. Die Schulden fielen von 9,2 Milliarden Euro auf 8,9 Milliarden Euro. Der<br />

Schuldenstand konnte wieder unter die 40-Prozent-Marke gedrückt werden. Die wesentliche<br />

Ursache dafür waren die Haushaltsnothilfen, die 1994 erstmals gezahlt wurden.<br />

1995-1999<br />

In der saarländischen <strong>Wirtschaft</strong> zeigten die späten neunziger Jahre, dass das Ende der alten<br />

Montanindustrie gekommen war. Im deutschen Kohlekompromiss vom März 1997 wurde zwar der<br />

generelle Erhalt eines leistungsfähigen Bergbaus postuliert, gleichzeitig aber ein harter Anpas-<br />

sungsprozess mit der Reduzierung von Abbaumengen und Arbeitsplätzen eingeleitet. Für das<br />

<strong>Saarland</strong> bedeutete dies nicht nur, dass weitere 6.000 Arbeitsplätze wegfielen, sondern auch<br />

Anlagen wie das Verbundbergwerk Göttelborn, das gerade erst mit einem immensen Investitions-<br />

volumen modernisiert worden war, schließen mussten. Einen Schritt weiter war zu diesem<br />

Zeitpunkt bereits die Stahlindustrie, die sich auf der Basis einer hoch spezialisierten Produktpalette<br />

im saarländischen Produktionsverbund (Dillingen, Völklingen, Burbach, Neunkirchen) konsolidieren<br />

konnte. Sie ist zu einer Stärke des Industriestandortes <strong>Saarland</strong> geworden.<br />

Zukunftsweisend war die innere und äußere Vernetzung, die im <strong>Saarland</strong> große Fortschritte<br />

machte. Dass die Unternehmen der Netzwerktechnologie zum neuen Flaggschiff der <strong>Wirtschaft</strong><br />

werden können, zeigt der heutige IT-Park Saar, wo 1997 die letzten freien Flächen verkauft<br />

wurden und der erste Ausbau stattfand. Im Jahr 2000 waren dort 54 Unternehmen mit etwa 1200<br />

Beschäftigten angesiedelt. Ganz im Zeichen von weltweiter und regionaler Vernetzung stand das<br />

Land insgesamt in den letzten Jahren vor dem Millennium. Mit einem eigenem Internetauftritt ist<br />

das <strong>Saarland</strong> seit 1996 präsent. Und dank des Karlsruher Abkommens von 1996 sind grenzüber-<br />

schreitende Kooperationen wesentlich erleichtert worden. Der kommunale Zusammenschluss<br />

SaarMoselleAvenir (1997) und die Eurozone an der Goldenen Bremm (1999) haben ebenso<br />

europäische Akzente gesetzt wie die Inbetriebnahme der Länder verbindenden Saarbahn (1997)<br />

oder die Einrichtung der deutsch-französischen Hochschule in Saarbrücken, die auf dem Weimarer<br />

Gipfel von 1997 beschlossen wurde.<br />

Das <strong>Saarland</strong> schaffte es in diesen Jahren, Anschluss an die westdeutsche Entwicklung zu finden.<br />

Der Abstand bei der Arbeitslosenquote konnte von 2,4 (1994) auf 1,3 Prozentpunkte (1999)<br />

reduziert werden. Das Land war allerdings mit einer Arbeitslosenquote von 11,9 Prozent noch weit<br />

entfernt von dem Ziel der Vollbeschäftigung.<br />

2000-2008<br />

Die Jahre seit dem Jahrtausendwechsel sind durch einen fast stetigen Aufholprozess des<br />

<strong>Saarland</strong>es verbunden. Der Politikwechsel, für den Ministerpräsident Peter Müller im Wahlkampf<br />

1999 geworben hatte, wurde nach seinem Amtsantritt vor allem in drei Bereichen umgesetzt:<br />

Seite 23 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

<strong>Wirtschaft</strong>spolitisch bekannte sich die CDU-Regierung zu einem sozialverträglichen Auslaufberg-<br />

bau und nahm somit Abschied von der jahrzehntelangen Strategie, einen stabilen Montankern als<br />

nationale Energiereserve für das <strong>Saarland</strong> zu erhalten. Ersetzt wurde dies durch eine <strong>Wirtschaft</strong>s-<br />

politik, die auf günstige Standortbedingungen, Innovationen und Wissenschaft, Weltmarktorien-<br />

tierung und ein insgesamt wirtschaftsfreundliches Klima mit kurzen Entscheidungswegen setzt.<br />

Der Ausstieg aus dem Bergbau sollte kein Signal zur Deindustrialisierung sein. Im Gegenteil – die<br />

Industrie trieb zusammen mit den industrienahen Dienstleistungen den Aufholprozess in diesen<br />

Jahren voran. Der Fahrzeugbau, der Maschinenbau und die Stahlindustrie prägten neben der IT-<br />

<strong>Wirtschaft</strong> den Strukturwandel an der Saar. Neben der Informations- und Nanotechnologie wurde<br />

mit der Biotechnologie ein weiterer Forschungsbereich aufgebaut und durch die Schaffung des<br />

Science-Park Saar gezielt für Unternehmensansiedlungen geöffnet. Es mehren sich die Anzei-<br />

chen, dass die zum Teil <strong>bis</strong> auf die 80er Jahre zurückgehenden technologischen Neuentwick-<br />

lungen auf die Gesamtwirtschaft durchschlagen und ihr ein neues Fundament verleihen.<br />

Bildungspolitisch wurden durch die bundesweit beachtete Einführung des achtjährigen<br />

Gymnasiums neue Zeichen für eine erhöhte Leistungsorientierung und Eliteförderung gesetzt,<br />

während in der Innenpolitik das Thema „innere Sicherheit“ groß geschrieben und der<br />

Polizeibereich personell verstärkt und reorganisiert wurde.<br />

3.2 Gründe und Ursachen für den Aufschwung des <strong>Saarland</strong>es<br />

Das <strong>Saarland</strong> ist wie jede andere Volkswirtschaft auch in die nationale und internationale Arbeits-<br />

teilung eingebunden und damit von dem Auf und Ab der Konjunkturzyklen abhängig. Einzelne<br />

Länder können nur schwer die allgemeine wirtschaftliche Situation beeinflussen. Sie können aber<br />

die maßgeblichen Wachstumstreiber und die Rahmenbedingungen für zukünftigen Erfolg durch<br />

ihre Politik beeinflussen. Diese Wachstumstreiber und Rahmenbedingungen für Wachstum sollen<br />

in diesem Abschnitt untersucht werden. Daneben sollen die Veränderungen bei einzelnen Erfolgs-<br />

indikatoren auch stärker qualitativ untersucht werden. Ist der Abbau der Arbeitslosigkeit nur durch<br />

einen Rückgang der Erwerbspersonen oder durch eine Überführung der Arbeitslosen in den SBG-<br />

II-Regelkreis zu erklären oder steht ein echter Beschäftigungsaufbau dahinter? Das ist ein Beispiel<br />

für diese mehr qualitative Analyse. Schließlich interessiert die Frage, wie viel von dem Aufschwung<br />

bei den Menschen angekommen ist.<br />

Zur Beantwortung dieser drei Fragestellungen werden acht Politikfelder näher untersucht:<br />

• Beschäftigung, Integration und soziale Lage<br />

• Einkommen und Einkommensverteilung<br />

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• Humankapital, Bildung und Wissenschaft<br />

• Bildung und Familienfreundlichkeit<br />

• Infrastruktur<br />

• Öffentliche Finanzen<br />

• Demografie<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Betrachtet werden soll die Entwicklung der letzten Dekade. Da einige Daten nur durch einen<br />

zeitlichen Vergleich sinnvoll interpretierbar sind, werden Vergleichsdaten aus vorangegangenen<br />

Jahren herangezogen. Der Analysezeitraum beschränkt sich aber auf die Jahre 1994 <strong>bis</strong> 2008,<br />

weil für diese Periode auch die Entwicklung in den neuen Ländern sinnvoll einbezogen werden<br />

kann.<br />

3.2.1 Beschäftigung, Integration und Soziale Lage<br />

Das <strong>Saarland</strong> hatte in den letzten zehn Jahren eine gute Entwicklung am Arbeitsmarkt. Anhand<br />

von vier Prüfbausteinen werden die Gründe analysiert.<br />

Arbeitsplätze<br />

Im <strong>Saarland</strong> wurden in den letzten zehn Jahren zwischen 1998 und 2008 rund 28.000 Arbeits-<br />

plätze zusätzlich geschaffen. Mit 513.000 Erwerbstätigen wurde in 2008 historischer Beschäfti-<br />

gungshöchststand erreicht. Pro Jahr stieg die Zahl der Jobs um 0,8 Prozent und damit mehr als im<br />

Bundesdurchschnitt (+0,7 Prozent). Das bedeutet unter den sechzehn Ländern bei diesem Zehn-<br />

jahresvergleich Platz sechs. Damit hat sich die gute Entwicklung fortgesetzt, die Mitte der 90er<br />

Jahre begonnen hatte. Die Zahl der Arbeitsplätze ist zwischen 1993 und 1998 im Jahresdurch-<br />

schnitt um 0,6 Prozent (Bund + 0,2 Prozent) gestiegen. Das bedeutete unter allen Ländern Platz<br />

eins. Als wichtiges Fazit bleibt festzuhalten, dass die Erfolge beim Abbau der Arbeitslosigkeit an<br />

der Saar mit einem überdurchschnittlich starken Beschäftigungsaufbau einherging. Das ist positiv<br />

zu bewerten.<br />

Arbeitslose und Struktur der Arbeitslosigkeit<br />

Der beschriebene Aufbau von Arbeitsplätzen spiegelt sich auch in der Entwicklung der Arbeitslo-<br />

sigkeit. Im Zeitraum von 1998 <strong>bis</strong> 2008 waren im <strong>Saarland</strong> mehr als 15.000 Arbeitslose weniger zu<br />

verzeichnen (Tabelle 3-1). Dies entspricht einem jährlichen Rückgang der Anzahl der Arbeitslosen<br />

um 3,5 Prozent in den letzten zehn Jahren. Neben Sachsen und Thüringen, die allerdings ein viel<br />

höheres Ausgangsniveau hatten, verlief die Entwicklung nur in Bayern und Baden-Württemberg<br />

besser. Deutlich spürbar ist auch der konjunkturelle Aufschwung der letzten Jahre. Zwischen 2005<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

und 2008 verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen mit einer jährlichen Rate von 11,6 Prozent und<br />

erreichte damit eine ähnliche Dynamik wie im Bundesvergleich.<br />

Arbeitslose<br />

Tabelle 3-1: Struktur und Entwicklung der Arbeitslosigkeit<br />

Arbeitslose insgesamt und nach Altersgruppen<br />

<strong>Saarland</strong> West D<br />

1998 52.711 2.744.215 4.267.125<br />

2004 46.049 2.787.392 4.387.497<br />

2005 53.533 3.246.727 4.860.880<br />

2008 37.004 2.144.651 3.267.907<br />

Veränderung 1998-2004 in Prozent -2,2 0,3 0,5<br />

Veränderung 2005-2008 in Prozent -11,6 -12,9 -12,4<br />

Veränderung 1998-2008 in Prozent -3,5 -2,4 -2,6<br />

Rang (Veränderung (98-08) 5<br />

Arbeitslose U25<br />

1998 5.851 311.807 471.996<br />

2004 5.846 322.512 504.338<br />

2005 6.805 412.205 618.867<br />

2008 3.461 216.853 339.857<br />

Veränderung 1998-2004 in Prozent 0,0 0,6 1,1<br />

Veränderung 2005-2008 in Prozent -20,2 -19,3 -18,1<br />

Veränderung 1998-2008 in Prozent -5,1 -3,6 -3,2<br />

Rang (Veränderung (98-08) 2<br />

Arbeitslose Ü55<br />

1998 12.372 640.168 950.110<br />

2004 4.870 324.205 483.269<br />

2005 6.258 397.906 580.447<br />

2008 4.530 273.440 428.000<br />

Veränderung 1998-2004 in Prozent -14,4 -10,7 -10,7<br />

Veränderung 2005-2008 in Prozent -10,2 -11,8 -9,7<br />

Veränderung 1998-2008 in Prozent -9,6 -8,2 -7,7<br />

Rang (Veränderung (98-08) 2<br />

Quelle: IW Consult<br />

Sehr erfreulich entwickelte sich auch die Struktur der Arbeitslosigkeit. Insbesondere in den beiden<br />

Gruppen der älteren und der jungen Arbeitslosen sind deutliche Verbesserungen zu verzeichnen:<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Die Anzahl der unter 25 jährigen Arbeitslosen reduzierte sich von 1998 <strong>bis</strong> 2008 um ca.<br />

2.400. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Rückgang um 5,1 Prozent. Nur<br />

Baden-Württemberg konnte im Betrachtungszeitraum einen stärkeren Rückgang<br />

verzeichnen. Im bundesweiten Vergleich liegt das <strong>Saarland</strong> damit auf dem zweiten Rang.<br />

Dieser positive Trend bestätigt sich auch im kurzfristigen Vergleich, wo das <strong>Saarland</strong> mit<br />

einem jährlichen Rückgang von 20,2 Prozent auch überdurchschnittlich abschnitt.<br />

• Ähnlich positiv verlief die Entwicklung bei der Gruppe der älteren Arbeitslosen, den Ü55.<br />

Integration<br />

Diese Gruppe ist in Regionen, die stark von wirtschaftsstrukturellen Umbrüchen geprägt<br />

sind, besonders von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen in<br />

diesem Bereich hat sich im betrachteten Zehnjahreszeitraum von über 12.300 auf gut 4.500<br />

fast gedrittelt. Dies entspricht einem jährlichen Rückgang um durchschnittlich 9,6 Prozent.<br />

Mit dieser starken Entwicklung belegt das <strong>Saarland</strong> ebenfalls den zweiten Rang im<br />

Bundesländervergleich.<br />

Eine Arbeitsmarktentwicklung kann selbst bei insgesamt fallender Arbeitslosigkeit nur befriedigend<br />

sein, wenn alle in den Arbeitsmarkt integriert sind. Auch hat das <strong>Saarland</strong> insbesondere bei einer<br />

Dynamikbetrachtung Erfolge aufzuweisen (Tabelle 3-2):<br />

• Die Erwerbsquote (Erwerbstätige in Prozent der Einwohner zwischen 15 und 64 Jahren)<br />

liegt mit heute mit rund 75 Prozent über dem westdeutschen Vergleichsniveau. 1998 war<br />

das noch anders. Das <strong>Saarland</strong> hat aufgeholt und diese Quote in zehn Jahren um 8,6<br />

Prozentpunkte erhöht. Das ist der größte Zuwachs unten allen Bundesländern (Platz 1).<br />

• Auch die Frauenerwerbsquote ist um 10 Prozentpunkte in diesem Zeitraum gestiegen, liegt<br />

aber immer noch unter dem Durchschnittsniveau. In der Dynamiksicht bedeutet dieses<br />

Ergebnis im Ländervergleich aber ebenfalls Platz eins.<br />

• Schlechter sieht die Bilanz bei der Erwerbsquote von Ausländern aus. Sie ist zwischen<br />

1998 und 2007 gefallen und liegt um 10 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt.<br />

Allerdings liegt sie heute deutlich höher als noch 1994. Trotzdem bedeuten diese Befunde<br />

für den Zeitraum 1998 <strong>bis</strong> 2007 in der Dynamiksicht nur den vorletzten Platz.<br />

• Viel erfolgreicher war das <strong>Saarland</strong> bei der Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt. Die<br />

Altersbeschäftigungsquote (Beschäftigte im Alter von 55 <strong>bis</strong> 64 in Prozent der Einwohner<br />

dieser Altersgruppe) ist zwischen 1999 und 2008 um 16,8 Punkte gestiegen. In der Dyna-<br />

miksicht bedeutet das auch Platz eins für das <strong>Saarland</strong>.<br />

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das <strong>Saarland</strong> bei der Integration der Erwerbsbevölkerung und<br />

vor allem Frauen sowie Älteren sehr erfolgreich ist. Der vorne festgestellte überdurchschnittlich<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

starke Abbau der Arbeitslosigkeit geht mit Erfolgen bei Integration der Menschen in den Arbeits-<br />

markt einher. Der Aufholprozess im <strong>Saarland</strong> steht bei dieser Blickrichtung gesehen auf einem<br />

breiten Fundament.<br />

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Erwerbsquote<br />

Tabelle 3-2: Integration am Arbeitsmarkt<br />

Erwerbsbeteiligung nach Gruppen<br />

<strong>Saarland</strong> West-D D<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

1994 63,8 67,4 68,8<br />

1998 66,9 67,7 69,5<br />

2008 1)<br />

75,5 74,1 76,1<br />

Veränderung 2008/98 in Prozentpunkten 8,6 6,4 6,6<br />

Rang <strong>Saarland</strong> bei Dynamik 1<br />

Frauenerwerbsquote<br />

1994 47,8 61,1 58,7<br />

1998 53,1 62,0 59,6<br />

2007 63,1 69,2 67,9<br />

Veränderung 2007/98 in Prozentpunkten 10,0 7,2 8,3<br />

Rang <strong>Saarland</strong> bei Dynamik 3<br />

Ausländererwerbsquote<br />

1994 49,4 66,7 66,0<br />

1998 61,4 63,4 63,5<br />

2007 56,1 66,5 66,2<br />

Veränderung 2007/98 in Prozentpunkten -5,3 3,1 2,7<br />

Rang <strong>Saarland</strong> bei Dynamik 15<br />

Altersbeschäftigungsquote (55 – 64 Jahre)<br />

1999 16,5 26,1 26,0<br />

2007 33,3 36,8 36,6<br />

Veränderung 2007/99 in Prozentpunkten 16,8 10,7 10,6<br />

Rang <strong>Saarland</strong> bei Dynamik 1<br />

1) Bezogen auf die Einwohner 2007<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, IW Consult<br />

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Hilfeempfänger<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Das <strong>Saarland</strong> hat traditionell höhere Hilfeempfängerquoten als im Bundesdurchschnitt. In der Zeit<br />

vor der Hartz IV-Reform – also vor 2005 – zeigt dies ein Blick auf die Sozialhilfe 4 - und<br />

Arbeitslosenhilfeempfänger je 100 Einwohner. Sie lag 1998 bei 5,2 Prozent und ist <strong>bis</strong> 2004 auf<br />

5,0 Prozent gefallen. Danach kam die Hartz IV-Reform mit der Folge, dass die Daten nicht mehr<br />

unmittelbar vergleichbar sind. 2005 war ein Übergangsjahr mit vielen statistischen Umstellungs-<br />

problemen und Inkonsistenzen. Es sollte deshalb auch in der Analyse ausgeblendet werden. Von<br />

2006 <strong>bis</strong> 2008 ist die Zahl der Empfänger von Arbeitslosenhilfe II um 6,4 Prozent gefallen. Die<br />

Quote ging um 0,3 Prozentpunkte zurück. Diese Entwicklung entspricht in etwa dem Bundes-<br />

durchschnitt. Dieser Rückgang bedeutet im Ländervergleich nur den elften Platz für das <strong>Saarland</strong>.<br />

Im Vergleich mit den westdeutschen Ländern ist es immerhin Platz sechs.<br />

Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfequote<br />

Tabelle 3-3: Hilfeempfängerquoten<br />

Angaben in Prozent<br />

<strong>Saarland</strong> West-D D<br />

1998 5,2 3,5 4,0<br />

2004 5,0 3,8 4,8<br />

ALG-II-Quote<br />

2005 5,7 4,9 6,0<br />

2006 6,2 5,3 6,5<br />

2007 6,1 5,2 6,5<br />

2008 5,9 4,9 6,1<br />

Veränderung der ALG-II Empfänger 2008<br />

gegenüber 2006<br />

In Prozent -6,4 -6,4 -7,1<br />

Rang untern den 16 Ländern 11<br />

Entscheidend ist, dass die Entwicklung der Zahl der Hilfeempfänger im <strong>Saarland</strong> seit 1998 im<br />

Trend rückläufig ist. Das bedeutet umgekehrt, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit nicht das<br />

4 Berücksichtigt werden nur die Sozialhilfeempfänger im Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Das ist eine Annäherung an<br />

die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger.<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Ergebnis einer Verschiebung in den SGB-II-Regelkreis ist, sondern einen wirklichen Erfolg bei der<br />

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit darstellt.<br />

3.2.2 Einkommen und Einkommensverteilung<br />

Will man Aussagen über die Einkommen und die Einkommensverteilung treffen, stößt man<br />

zunächst auf eine Vielzahl unterschiedlicher Verdienst- und Einkommenskonzepte. Das ist<br />

insoweit nicht verwunderlich, als es keine umfassende Statistik gibt, die alle relevanten Aspekte<br />

eines Vergleiches beleuchtet. Das wesentlichen Ergebnis für die Einkommensbegriffe Bruttojah-<br />

resverdienst, Bruttomonatsverdienst und Bruttolohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer lautet: Im<br />

Durchschnitt sind die Einkommen im <strong>Saarland</strong> niedriger als in Westdeutschland. Im Einzelnen<br />

lässt sich der Befund wie folgt skizzieren:<br />

• Die Bruttojahresverdienste der saarländischen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer lagen<br />

im Jahre 2006 um -8,3 Prozent unter jenen im früheren Bundesgebiet.<br />

• Auf Monatsbasis gerechnet, liegt der Abstand nur bei 5,9 Prozent; im <strong>Saarland</strong> werden<br />

folglich weniger Lohnbestandteile ausgezahlt, die sich auf das Gesamtjahr beziehen (13.<br />

Monatsgehalt etc.).<br />

• Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten. Für Arbeiter liegen<br />

aus der Verdienststatistik nur Daten für das Produzierende Gewerbe vor; für die Angestell-<br />

ten noch zusätzlich für den Handel und das Versicherungs- und Kreditgewerbe.<br />

• Die vollzeitbeschäftigten saarländischen Arbeiter im Produzierenden Gewerbe verdienen<br />

pro Monat durchschnittlich sechs Prozent mehr als ihre westdeutschen Kollegen. Die<br />

Angestellten verdienen 9,1 Prozent weniger; unter Einbeziehung des Handels sowie der<br />

Kredit- und Versicherungswirtschaft sind es sogar 9,9 Prozent weniger.<br />

• Die Bruttolohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer, der umfassendste Indikator zur<br />

Messung von Einkommensunterschieden, liegt im <strong>Saarland</strong> um fünf Prozent unter dem<br />

Niveau Westdeutschlands. Auf Stundenbasis gerechnet sind es noch 4,7 Prozent.<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Tabelle 3-4: Einkommen im <strong>Saarland</strong> im Vergleich zu West-Deutschland<br />

Strukturelle Unterschiede beachten<br />

Verschiedene Konzepte; Angaben in Euro für 2006<br />

Die festgestellten Differenzen zwischen Arbeitern und Angestellten zeigen, dass bei Vergleichen<br />

strukturelle Unterschiede zu beachten sind. Weitere Aufschlüsse liefern hier<br />

Strukturbereinigungen. Dabei werden die Durchschnittseinkommen des <strong>Saarland</strong>es unter den<br />

Bedingungen berechnet, dass die Branchenstruktur sowie die Verteilung der Beschäftigten nach<br />

Geschlecht und nach Leistungsgruppen den westdeutschen Verhältnissen entsprächen. Es wird<br />

nachfolgend das Mengengerüst Westdeutschlands auf das <strong>Saarland</strong> übertragen und die Durch-<br />

schnittseinkommen unter dieser Annahme berechnet. Steigen die Einkommen durch diese Berei-<br />

nigung, hat das <strong>Saarland</strong> eine für hohe Löhne ungünstigere Struktur; umgekehrt kann dies als ein<br />

Indiz für eine günstige Struktur gewertet werden.<br />

Bruttomonatsgehälter Vollzeitbeschäftigte<br />

<strong>Saarland</strong> West-D Abstand in<br />

Das Ergebnis zeigt die Tabelle 3-5. Sie enthält die Strukturbereinigungen für die Bruttostunden-<br />

löhne der Arbeiter und der Bruttomonatsgehälter der Angestellten. Man erkennt:<br />

Prozent<br />

Arbeiter Prod. Gewerbe 2.831 2.669 +6,1<br />

Angestellte Prod. Gewerbe, Handel, Kredit-<br />

und Versicherungen<br />

Arbeitnehmer Prod. Gewerbe, Handel, Kredit-<br />

und Versicherungen<br />

Bruttojahresverdienste Vollzeitbeschäftigte<br />

Arbeitnehmer Prod. Gewerbe, Handel, Kredit-<br />

und Versicherungen<br />

Bruttolohn- und Gehaltssumme alle Beschäftigten<br />

3.239 3.596 -9,1<br />

2.987 3.173 -5,9<br />

39.164 42.724 -8,3 1)<br />

Arbeitnehmer Gesamtwirtschaft 26.163 27.554 -5,0<br />

je Stunde Gesamtwirtschaft 20,62 19,65 -4,7<br />

1) Die Arbeitskammer weist Werte für 2005 aus; der Abstand lag bei -8,1 Prozent.<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008), Arbeitskammer des <strong>Saarland</strong>es (2007), eigene<br />

Berechnungen .<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Die strukturbereinigten Bruttostundenlöhne der Arbeiter im Modell sind kleiner als die<br />

tatsächlich gezahlten. Das bedeutet, dass im Bereich der Arbeiter das <strong>Saarland</strong><br />

Strukturvorteile hat, die höhere Löhne begünstigen. Eine Zerlegung in einzelne Kompo-<br />

nenten zeigt, dass dies vor allem Vorteile bei der Branchenstruktur sind.<br />

• Bei den Angestellten sind die strukturbereinigten Einkommen höher als die tatsächlich<br />

gezahlten. Das <strong>Saarland</strong> hat also im Bereich der Angestellten strukturelle Nachteile. Die<br />

Hauptursache liegt in den geringeren Anteilen der Beschäftigten in der höchsten<br />

Leistungsgruppe.<br />

An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Mengeneffekt einer ungünstigeren Struktur nur etwa ein<br />

Zehntel der Einkommensunterschiede erklärt. Der weit überwiegende Teil ist ein reiner Preiseffekt,<br />

d. h. auch strukturbereinigt verdienen die Angestellten im <strong>Saarland</strong> 8,8 Prozent weniger als in<br />

Westdeutschland.<br />

Tabelle 3-5: Ergebnisse der Strukturbereinigung<br />

Angaben für 2006 in Euro<br />

<strong>Saarland</strong> West-D<br />

Differenz in<br />

Prozent<br />

Arbeiter Bruttostundenverdienst der Arbeiter<br />

Istwert 16,89 16,20 +4,3<br />

Strukturbereinigter Wert (IW Consult) 16,06 16,26 -1,2<br />

Angestellte Bruttomonatsverdienst der Angestellten<br />

Istwert 3.239 3.595 -9,9<br />

Strukturbereinigter Wert (IW Consult) 3.277 3.594 -8,8<br />

Modell Arbeiter: Differenziert nach 17 Branchen des Produzierenden Gewerbes, dem<br />

Geschlecht und drei Leistungsgruppen; nur Vollzeitbeschäftigte<br />

Modell: Angestellte: Differenziert nach 19 Branchen aus den Bereichen Produzierenden<br />

Gewerbe, Handel sowie Kredit- und Versicherungswirtschaft, Geschlecht und vier<br />

Leistungsgruppen; nur Vollzeitbeschäftigte<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt; IW Consult<br />

Natürlich muss an der Stelle eingeräumt werden, dass die Branchenstruktur und die Zusammen-<br />

setzung der Beschäftigten nach Geschlecht und Leistungsgruppen zwar wichtige Merkmale sind,<br />

um strukturelle Unterschiede herauszuarbeiten, es aber daneben eine Vielzahl anderer Eigen-<br />

schaften gibt. Der Mikrozensus bietet Daten zu den Nettohaushaltseinkommen, die nach vielen<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Merkmalen (Stellung im Beruf, überwiegend ausgeübte Tätigkeiten, Bildungsabschlüsse, Arbeits-<br />

zeiten etc.) für das <strong>Saarland</strong> und das frühere Bundesgebiet ausgewertet werden können. Damit<br />

kann die Strukturanalyse deutlich verbessert werden, wenn auch die Ergebnisse in die erwähnten<br />

Strukturbereinigungsmodelle integriert werden können. Die Analyse wird getrennt für Angestellte<br />

und Arbeiter vorgenommen.<br />

Erweiterter Strukturvergleich mit Daten des Mikrozensus<br />

Eine Sonderauswertung des Mikrozensus für die Angestellten bestätigt die <strong>bis</strong>herige Vermutung,<br />

dass das <strong>Saarland</strong> in diesem Bereich ungünstigere Strukturen als Westdeutschland hat:<br />

• In Westdeutschland sind mehr Angestellte in höheren Berufsstellungen, die im Durchschnitt<br />

höher entlohnt werden, tätig.<br />

• Saarländische Angestellte sind deutlich seltener in hoch entlohnten unternehmensnahen<br />

Dienstleistungsbereichen mit dispositiver Natur (Marketing, Public Relations und Manage-<br />

ment) beschäftigt.<br />

• Wesentlich weniger saarländische Angestellte haben im Vergleich zum früheren Bundesge-<br />

biet einen hochqualifizierten Berufsabschluss; mit fast 40 Prozent weniger fällt der Abstand<br />

besonders groß bei den Universitätsabschlüssen aus.<br />

• Im Vergleich zum <strong>Saarland</strong> arbeiten in Westdeutschland rund sieben Prozent mehr Ange-<br />

stellte als Vollzeitkräfte. Ein Teil des Verdienstrückstands der saarländischen Angestellten<br />

ist hierauf zurückzuführen.<br />

Sehr wichtig ist der Befund, dass die strukturbereinigten Einkommen größer sind als die tatsäch-<br />

lichen. Der Verdienstabstand ist daher zumindest teilweise auf die ungünstigeren Strukturen<br />

zurückzuführen. Aber diese Auswertungen kommen auch zu den Ergebnissen, dass der Preis-<br />

effekt überwiegt und im <strong>Saarland</strong> die Angestelltengehälter für vergleichbare im Mikrozensus abge-<br />

bildete Merkmale niedriger sind.<br />

Für die Arbeiter wird der obige Befund bestätigt. Sie profitieren von insgesamt günstigeren<br />

Strukturen. Es bestätigt sich dabei, dass das <strong>Saarland</strong> eine von Facharbeitern geprägte <strong>Wirtschaft</strong><br />

hat, welches wiederum die überdurchschnittlich hohen Arbeiterlöhne begründen kann.<br />

Einkommensverteilung mit weniger Extremen<br />

Zur Analyse der Einkommenssituation wurden nicht nur Verdienststatistiken, sondern auch die<br />

amtliche Lohn- und Einkommensteuerstatistik aus dem aktuell verfügbaren Berichtsjahr 2001<br />

ausgewertet. Hier sind zwei Befunde wichtig:<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Die durchschnittlichen Gesamtbeträge der Einkünfte je Haushalt sind im <strong>Saarland</strong> deutlich<br />

niedriger als in Westdeutschland (-11,7 Prozent).<br />

• Die Einkommensverteilung ist mit den schwächer besetzten oberen und unteren Rändern<br />

weniger degressiv. Die Einkommen sind damit weniger ungleich verteilt.<br />

Ordnet man in aufsteigender Reihenfolge nach den Maßstäben Westdeutschlands alle steuer-<br />

pflichtigen Haushalte nach Höhe ihre Einkünfte in zehn gleich große Gruppen (Dezile), lässt sich<br />

diese „mittelschichtorientierte Verteilung“ gut darstellen. In den beiden untersten Dezilen befinden<br />

sich 16,3 Prozent der saarländischen Haushalte und damit weniger als in Westdeutschland (20<br />

Prozent); in den obersten beiden Dezilen finden sich nur 17 Prozent der Steuerpflichtigen.<br />

Besonders groß ist der Unterschied im zehnten Dezil: Dort sind nur 7,2 Prozent (West: 10 Prozent)<br />

der saarländischen Haushalte vertreten. In der Mittelschicht des dritten <strong>bis</strong> siebten Dezils befinden<br />

sich im <strong>Saarland</strong> hingegen zwei Drittel der Haushalte; im Westen sind es 60 Prozent.<br />

Verfügbares Einkommen je Einwohner<br />

Um einen Einblick in die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung zu bekommen, liefert die Entwick-<br />

lung der verfügbaren Einkommen weitere aufschlussreiche Hinweise (Tabelle 3-6). Es zeigt sich,<br />

dass im Jahre 2007 den Haushalten im <strong>Saarland</strong> 5,9 Prozent weniger Einkommen als dem west-<br />

deutschen Bundesdurchschnitt zuflossen, die sie für Konsum- und Sparzwecke verwenden<br />

konnten. Trotzdem hat sich der Rückstand zu Westdeutschland seit dem Jahr 2000 um über<br />

zwei Prozentpunkte erheblich verringert; er bleibt aber noch immer beachtlich. Eine ähnliche Ent-<br />

wicklung zeichnet sich im gleichen Zeitraum auch für den Vergleich des <strong>Saarland</strong>es mit dem<br />

gesamten Bundesgebiet ab: Auch hier hat das <strong>Saarland</strong> seinen Rückstand um 2,5 Prozentpunkte<br />

verkürzen können; betrug beim verfügbaren Einkommen je Einwohner der Abstand zum Bundes-<br />

durchschnitt im Jahr 2000 noch 4,2 Prozent, waren es 2007 nur noch 1,7 Prozent. Damit zeigt sich<br />

ein klarer Aufholprozess des <strong>Saarland</strong>es bei den verfügbaren Einkommen.<br />

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Tabelle 3-6: Verfügbares Einkommen je Einwohner <strong>Saarland</strong><br />

Angaben in Euro und Prozent<br />

Jahr <strong>Saarland</strong> D WD<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Prozentuale Abweichung<br />

<strong>Saarland</strong> vs. D <strong>Saarland</strong> vs. WD<br />

2000 15.415 16.087 16.775 -4,2 -8,1<br />

2001 16.210 16.688 17.426 -2,9 -7<br />

2002 16.032 16.794 17.515 -4,5 -8,5<br />

2003 16.497 17.136 17.867 -3,7 -7,7<br />

2004 16.953 17.402 18.152 -2,6 -6,6<br />

2005 17.392 17.753 18.551 -2 -6,2<br />

2006 17.774 18.105 18.913 -1,8 -6<br />

2007 18.110 18.415 19.242 -1,7 -5,9<br />

Legende: Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (Ausgabenkonzept) ergibt sich dadurch, dass dem<br />

Primäreinkommen einerseits die monetären Sozialleistungen und sonstigen laufenden Transfers hinzugefügt werden,<br />

die die privaten Haushalte überwiegend seitens des Staates empfangen; abgezogen werden dagegen Einkommen- und<br />

Vermögenssteuern, Sozialbeiträge und sonstige laufende Transfers, die von den privaten Haushalten zu leisten sind.<br />

Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte entspricht damit den Einkommen, die den privaten Haushalten<br />

letztendlich zufließen und die sie für Konsum- und Sparzwecke verwenden können.<br />

Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder – VGR d L (2008)<br />

Realeinkommensvergleiche<br />

Die alleinige Betrachtung der Entwicklung des verfügbaren Einkommens sowie der strukturellen<br />

Unterschiede bei den Gehältern greift bei einer Analyse der Einkommen und Einkommensvertei-<br />

lung zu kurz, so dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Die <strong>bis</strong>her betrach-<br />

teten Verdienstunterschiede erlauben nur einen Blick auf die durchschnittliche nominelle, nicht<br />

jedoch die reale Einkommenssituation der Saarländer. Durch ein geringeres Lebenshaltungs-<br />

kostenniveau müssen saarländische Arbeitnehmer aber nicht notwendig real tatsächlich schlechter<br />

gestellt sein. Um dies zu prüfen, hat die IW Consult ein Lebenshaltungskostenmodell konzipiert,<br />

mit dem rund 28 Prozent des Warenkorbs abgedeckt werden können: Dazu gehören Wohnungs-<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

mieten, die Wasserver- und Abwasserentsorgung, Müllabfuhr, Strom, Gas, ÖPNV-Kosten und Kfz-<br />

Versicherungsbeiträge im <strong>Saarland</strong>.<br />

Im Gesamtergebnis der betrachteten Waren sind die Lebenshaltungskosten im <strong>Saarland</strong> um<br />

rund vier Prozent geringer als im westdeutschen Durchschnitt: Damit verringert sich der<br />

nominal festgestellte Verdienstabstand der saarländischen Arbeitnehmer um die Hälfte auf real nur<br />

noch rund vier Prozentpunkte:<br />

• Für einen mittleren Wohnwert von Mietobjekten ergeben sich für das <strong>Saarland</strong> im Durch-<br />

schnitt um 4,25 Prozent geringere Lebenshaltungskosten.<br />

• Für Nebenkosten (Wasserver- und Abwasserentsorgung, Müllabfuhr, Strom, Gas) muss im<br />

<strong>Saarland</strong> rund 0,46 Prozent mehr ausgegeben werden als in Westdeutschland.<br />

• Für zwei wichtige Größen der beruflichen Mobilität (ÖPNV-Kosten und Kfz-Versicherungs-<br />

beiträge) müssen Saarländer rund 0,13 Prozent weniger ausgeben.<br />

Die Verdienstunterschiede saarländischer Arbeitnehmer sind also nicht nur auf strukturelle Unter-<br />

schiede zurückzuführen, sie sind darüber hinaus auch real nicht so gravierend wie es auf den<br />

ersten Blick erscheint.<br />

Interpretation der Ergebnisse<br />

Der Befund, dass die Verdienste im <strong>Saarland</strong> deutlich unter den westdeutschen Vergleichswerten<br />

liegen, mag zunächst als Zeichen einer Verarmung gedeutet werden. Ein näheres Hinschauen<br />

zeigt aber, dass sich daraus keine sozialpolitischen, sondern wirtschaftsstrukturelle Fragen<br />

ergeben.<br />

Warum ist der Befund sozialpolitisch unbedenklich? Die Antwort fällt in drei Teilen aus:<br />

• Der Blick in die Steuerstatistik zeigt, dass es weniger arme Einkommensteuerzahler im<br />

<strong>Saarland</strong> als in Westdeutschland gibt. Das <strong>Saarland</strong> hat eine Gesellschaft mit einer ausge-<br />

prägten Mittelschicht. Wenn man es überspitzt formuliert, könnte man sagen, die<br />

Einkommen sind im <strong>Saarland</strong> niedriger, weil es zu wenig „sehr Reiche“ gibt.<br />

• Die Einkommen der Arbeiter sind höher als im westdeutschen Durchschnitt. Das gilt vor<br />

allem für den Metallbereich. Die Arbeiter haben Arbeitsplätze mit Einkommen, die sich eher<br />

am unteren Ende oder im Mittelfeld der Skala der gesamten Einkommensverteilung<br />

bewegen. Deshalb sind sie oft Zielgruppe sozial- oder tarifpolitischer Maßnahmen. Auf den<br />

Punkt gebracht, könnte formuliert werden, dass es gerade dem „kleinen Mann“ im <strong>Saarland</strong><br />

aber relativ gut geht. Hinzu kommt, dass der Anteil der Arbeiter (im Produzierenden<br />

Gewerbe) an allen Arbeitnehmern im <strong>Saarland</strong> deutlich höher ist als in Westdeutschland.<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Berücksichtigt man insbesondere die niedrigeren Mieten, zeigt sich, dass die Arbeitnehmer<br />

im <strong>Saarland</strong> keine schlechtere Reallohnposition haben als jene in Westdeutschland. Der<br />

Vorteil der niedrigeren Lebenshaltungskosten kann auf rund vier Prozentpunkte geschätzt<br />

werden. Das gleicht den Lohnrückstand von etwa fünf Prozentpunkten fast aus. Für<br />

Arbeiter ergeben sich sogar höhere Reallöhne.<br />

Warum ist der Befund wirtschaftstrukturell bedenklich? Auch hier ist eine differenzierte Antwort<br />

notwendig:<br />

Fazit<br />

• Die Analysen zeigten, dass ein Teil der Einkommensunterschiede bei Angestellten durch<br />

ungünstigere Strukturen zu erklären ist. Es gibt zu wenig Arbeitsplätze im Bereich<br />

Forschung und Entwicklung oder Arbeitsplätze mit umfassenden Führungstätigkeiten. Auch<br />

sind Akademikerjobs im <strong>Saarland</strong> unterrepräsentiert. Insgesamt fehlen dem Land hochwer-<br />

tige Dienstleistungsarbeitsplätze und vor allem Headquartern größerer Unternehmen,<br />

welche diese Arbeitsplätze haben. Überspitzt lässt sich formulieren, dass das <strong>Saarland</strong><br />

immer noch „Merkmale einer verlängerten Werkbank“ aufweist und moderne wertschöp-<br />

fungsintensive Arbeitsplätze fehlen.<br />

• Die Analysen zeigen aber auch, dass solche Strukturunterschiede den Einkommensrück-<br />

stand der Angestellten nicht vollständig erklären können. Das ist nicht überraschend, denn<br />

eine hochwertigere <strong>Wirtschaft</strong>sstruktur hat Komplementäreffekte und zieht andere Bereiche<br />

über Produktions-Dienstleistungsverbünde oder moderne Zulieferer-Abnehmer-Verbünde<br />

nach oben. Deshalb gibt es eine klare Reihenfolge: Zuerst muss die Struktur der <strong>Wirtschaft</strong><br />

verbessert werden und danach wird eine Konvergenz der Einkommen zum westdeutschen<br />

Niveau zu beobachten sein.<br />

Das <strong>Saarland</strong> weist eine relativ gleichmäßige Einkommensverteilung auf. Das verfügbare<br />

Einkommen je Einwohner hat sich seit dem Jahr 2000 erheblich erhöht und dem Bundesdurch-<br />

schnitt um über zwei Prozentpunkte angenähert; das <strong>Saarland</strong> hat hier also seinen Rückstand<br />

erheblich verkürzt. (Fach-)Arbeiter profitieren von insgesamt günstigeren Strukturen und können<br />

im Vergleich zu Westdeutschland überdurchschnittlich hohe Löhne erzielen. Der Vorteil der<br />

niedrigeren Lebenshaltungskosten kann auf rund vier Prozentpunkte geschätzt werden; dies<br />

gleicht den Lohnrückstand von etwa fünf Prozentpunkten fast aus. Allerdings fehlen dem Land<br />

hochwertige Dienstleistungsarbeitsplätze und vor allem Headquarter größerer Unternehmen.<br />

Seite 38 von 60


3.2.3 Unternehmen und Unternehmensstruktur<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Das <strong>Saarland</strong> definiert sich selbst als innovativen Unternehmensstandort, der wirtschaftsfreundlich<br />

ist, kurze Entscheidungswege kennt, den Mittelstand unterstützt, international aufgestellt ist und<br />

auf ein Mix von Industrie und industrienahen Dienstleistungen setzt. Außerdem wird immer wieder<br />

hervorgehoben, dass das <strong>Saarland</strong> aus dem Steinkohlebergbau ausgestiegen ist und diesen<br />

Strukturwandel ohne große Verwerfungen geschafft hat.<br />

Unternehmerfreundlichkeit<br />

Unternehmerfreundlichkeit ist für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes sehr wichtig, aber<br />

sehr schwer zu messen. Weil harte quantitative Indikatoren fehlen, muss hier auf Befragungs-<br />

ergebnisse zurückgegriffen werden. Der Mittelstandsbarometer 2008 der <strong>Wirtschaft</strong>sprüfungs-<br />

gesellschaft Ernst & Young attestiert dem <strong>Saarland</strong> gute regionale Rahmenbedingungen. Das<br />

<strong>Saarland</strong> landet im Vorderfeld auf Platz vier. Die Bewertung ist 3,07 auf einer Skala von 1<br />

(schlecht) <strong>bis</strong> 4 (gut).<br />

<strong>Wirtschaft</strong>liche Leistungskraft<br />

Das wichtigste Maß zur Beschreibung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist die Produktivität<br />

(Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen). Die Tabelle 3-7 zeigt die Befunde:<br />

• Die Produktivität der <strong>Wirtschaft</strong> des <strong>Saarland</strong>es liegt mit 60.827 Euro unter dem<br />

bundesdeutschen Durchschnitt.<br />

• Die Wachstumsrate der letzten zehn Jahre liegt mit 2,2 Prozent in etwa im Bundesdurch-<br />

schnitt. Mit diesem Zuwachs liegt das <strong>Saarland</strong> auf Platz 7. Die Ursache für diesen Rück-<br />

stand liegt in der unterdurchschnittlichen Produktivität im Nicht-Industriebereich begründet.<br />

• Besser sieht es im Verarbeitenden Gewerbe aus. Die Produktivität weist im <strong>Saarland</strong> mit<br />

76.834 Euro im Jahr 2008 einen Wert deutlich über dem Bundesdurchschnitt auf. Das<br />

bedeutet Platz 2 im Vergleich der Flächenländer. Auch das Produktivitätswachstum liegt<br />

mit 4,6 Prozent pro Jahr deutlich über dem Durchschnitt.<br />

Es bleibt festzuhalten, dass es im <strong>Saarland</strong> Aufholbedarf bei der Produktivität in den Branchen<br />

außerhalb des Verarbeitenden Gewerbes gibt. Es bedeutet aber auch, dass der Wohlstand im<br />

<strong>Saarland</strong> heute sehr stark von der Industrie geschaffen wird.<br />

Seite 39 von 60


Gesamtwirtschaft<br />

Tabelle 3-7: Produktivität<br />

Gesamtwirtschaft und Verarbeitendes Gewerbe<br />

<strong>Saarland</strong> WD D<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

1994 47.276 50.415 47.467<br />

1998 48.947 54.665 51.842<br />

2008 60.827 64.273 61.790<br />

Veränderung 2008/98 2,2 1,6 1,8<br />

Rang Veränderung 2008/98 7<br />

Verarbeitendes Gewerbe<br />

1994 45.676 45.527 42.867<br />

1998 48.964 51.999 49.755<br />

2008 76.834 70.258 68.500<br />

Veränderung 2008/98 4,6 3,1 3,2<br />

Rang Veränderung 2008/98 6<br />

Produktivität: Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen in Euro<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, IW Consult<br />

Struktur und Strukturwandel<br />

Wie stark der Erfolg des <strong>Saarland</strong> durch einen industriellen Aufschwung erklärt wird, zeigt ein Blick<br />

auf die Wachstumsraten (Abbildung 3-1):<br />

• Die Bruttowertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe ist im Durchschnitt der letzten zehn<br />

Jahre um 4,6 Prozent pro Jahr real gewachsen. In der Gesamtwirtschaft waren es nur 2,7<br />

Prozent.<br />

• Bundesweit konnte das Verarbeitende Gewerbe nur 2,4 Prozent zulegen – die<br />

saarländische Industrie ist also mit fast doppeltem Tempo gewachsen.<br />

• Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der realen Wertschöpfung ist im <strong>Saarland</strong> von<br />

25 Prozent (1998) auf über 30 Prozent (2008) angestiegen.<br />

Von Deindustrialisierung kann im <strong>Saarland</strong> keine Rede sein. Im Gegenteil – das Herzstück der<br />

<strong>Wirtschaft</strong> ist mehr denn je seine breite industrielle Basis.<br />

Seite 40 von 60


Der Schlüssel zum Erfolg liegt aber nicht in der industriellen Basis, sondern in einem<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

ausgewogenen Branchen-Mix. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass das <strong>Saarland</strong><br />

insbesondere in der IT-<strong>Wirtschaft</strong> überdurchschnittlich wächst. Die Erfahrungen der letzten Jahre<br />

haben gezeigt, dass dem so genannten Industrie-Dienstleistungsverbund eine besondere Rolle<br />

zukommt. Bundesländer mit hoher Konzentration auf diese Bereiche (Bayern und Baden-Würt-<br />

temberg) sind insgesamt die wirtschaftsstärksten Standorte. Zu dem Industrie-Dienstleistungs-<br />

verbund gehören neben dem Verarbeitenden Gewerbe die Logistik und die unternehmensnahen<br />

Dienstleistungen. Die IT-Branche ist Teil dieses Verbundes.<br />

Die Abbildung 3-2 zeigt die Bedeutung des Industrie-Dienstleistungsverbundes für das <strong>Saarland</strong><br />

und Deutschland anhand von Beschäftigungsanteilen:<br />

• Der Beschäftigungsanteil Verbundsektor liegt im <strong>Saarland</strong> leicht über dem Bundesdurch-<br />

schnitt.<br />

Abbildung 3-1: Wachstums der Wertschöpfung<br />

Jahresdurchschnittliche Wachstumsrate (1998-2008) in Prozent<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, IW Consult<br />

Seite 41 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Dieser Anteil ist seit 1998 sogar leicht angestiegen. Innerhalb des Verbundes haben die<br />

Dienstleistungsbereiche an Bedeutung gewonnen.<br />

• Das ist ein übliches Muster von erfolgreichem Strukturwandel in Deutschland in den letzten<br />

20 Jahren.<br />

Abbildung 3-2: Beschäftigungsanteile im Industrie-Dienstleistungsverbund<br />

<strong>Saarland</strong> und Deutschland; 1998-2008; Angaben in Prozent<br />

Verbund: Verarbeitendes Gewerbe, Logistik und unternehmensnahe Dienstleistungen<br />

Datenbasis: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, IW Consult<br />

Dem <strong>Saarland</strong> ist in den letzten Jahren ein industriegetriebener Wachstumsprozess gelungen,<br />

obwohl das Land aus dem Steinkohleberbergbau ausgestiegen ist. Seit 1998 gingen in diesem<br />

Bereich über 7.000 Arbeitsplätze verloren; allein in den letzten beiden Jahren waren es über 1.100<br />

Arbeitsplätze. Dieser Strukturwandel verlief relativ geräuschlos, zumindest wenn man die Situation<br />

mit ähnlichen Einschnitten in früheren Jahren vergleicht. Die Landesregierung federt diesen<br />

Seite 42 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Wandel sozialverträglich ab, nutzt die üblichen Instrumente, bietet aber auch Hilfen bei der<br />

Stellenvermittlung an.<br />

Eine wichtige Facette des Strukturwandels ist die Veränderung der Unternehmensgrößenstruktur.<br />

Wie hat sich der Mittelstand im Vergleich zu den großen Unternehmen entwickelt? Drei Viertel der<br />

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (2007) arbeiten in Betrieben mit weniger als 500<br />

Beschäftigten. Es gibt nur 68 von insgesamt 24.321 Betrieben, die mehr als 500 Beschäftigte<br />

haben (0,3 Prozent). Allerdings existieren auch zahlreiche Betriebe mit weniger als 500<br />

Beschäftigten, die Teil von international agierenden Großkonzernen sind. Im Vergleich zu<br />

Deutschland insgesamt existieren im <strong>Saarland</strong> strukturelle Unterschiede:<br />

• Das <strong>Saarland</strong> ist stärker als andere durch Großbetriebe geprägt. Im <strong>Saarland</strong> haben 25,4<br />

Prozent aller SV-Beschäftigten ihren Arbeitsplatz in Betrieben mit mehr als 500<br />

Mitarbeitern. Im Bundesgebiet liegt diese Quote bei 21,0 Prozent; im Westen bei 22,2<br />

Prozent.<br />

• Allerdings hatten die kleinen und mittleren Unternehmen zwischen 1998 und 2007 eine<br />

bessere Beschäftigungsentwicklung als die Großbetriebe. Sie haben 4,1 Prozent Arbeits-<br />

plätze aufgebaut; die Unternehmen mit mehr als 500 Mitabeitern haben die Beschäftigung<br />

um 8 Prozent reduziert. Die großen Unternehmen haben in knapp zehn Jahren 2,4<br />

Prozentpunkte an Beschäftigungsanteilen verloren.<br />

Das zeigt, dass der Mittelstand auch im <strong>Saarland</strong> in den letzten Jahren noch wichtiger geworden<br />

ist. Allerdings sind die Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten so hoch, dass eine Wirt-<br />

schaftspolitik nicht einseitig auf eine Unternehmensgrößenklasse setzen, sondern die Symbiose<br />

betonen sollte. Die <strong>Wirtschaft</strong>spolitik des <strong>Saarland</strong>es geht diesen Weg.<br />

Internationale Ausrichtung<br />

Die saarländische <strong>Wirtschaft</strong> war in den letzten Jahren erfolgreich, weil sie international aufgestellt<br />

ist. Das zeigt ein Blick auf die Exportquoten:<br />

• Die Exportquote liegt bei 46,7 Prozent (2007) und damit deutlich über dem bundes-<br />

deutschen Niveau.<br />

• Die Exportquote ist seit 1998 um 10 Prozentpunkte gestiegen und damit etwas stärker als<br />

im Bundesdurchschnitt. Das zeigt, dass die saarländische <strong>Wirtschaft</strong> die Chancen der Glo-<br />

balisierung in den letzten Jahren verstärkt genutzt hat.<br />

Seite 43 von 60


Tabelle 3-8: Exportquoten<br />

Angaben in Prozent<br />

<strong>Saarland</strong> Westdeutschland Deutschland<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

1994 32,4 30,2 28,6<br />

1998 36,6 35,8 34,1<br />

2007 48,2 45,9 44,6<br />

Zunahme 2007 gegenüber<br />

1998 in Prozentpunkten 11,6 10,1 10,5<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, IW Consult<br />

Unternehmen und Gründungen<br />

Bei dem Thema „Unternehmen und Strukturwandel“ bleiben zwei Schwachpunkte, die schon lange<br />

im <strong>Saarland</strong> existieren:<br />

• Die Unternehmensdichte ist unterdurchschnittlich hoch. Das zeigen die Indikatoren<br />

„Betriebe je 1.000 Einwohner“ (<strong>Saarland</strong>: 23,4; Bund: 24,9) und „Umsatzsteuerpflichtige je<br />

1.000 Einwohner“ (<strong>Saarland</strong> 35; Bund 38). An diesen Relationen hat sich in den letzten<br />

Jahren wenig geändert.<br />

• Die Gründungsintensität liegt unter dem Bundesdurchschnitt. Der Gewerbesaldo lag im<br />

Jahr 2008 mit 0,86 je 1.000 Einwohner unter dem bundesdeutschen Vergleichswert von<br />

1,23.<br />

Die Landesregierung weist mit Recht immer darauf hin, das es nicht alleine auf den Gewerbesaldo<br />

ankommt, sondern auf die echten Betriebsgründungen. Hier gab es zwischen 2000 und 2008<br />

40 Prozent mehr Betriebsgründungen als Betriebsaufgaben. Bundesweit liegt diese Quote bei<br />

27 Prozent. Daten des Global Entrepreneurship Monitors zufolge verläuft im <strong>Saarland</strong> der Schritt<br />

vom potenziellen Gründer zum Jungunternehmer besonders reibungslos. Der <strong>Saarland</strong> Offensive<br />

für Gründer (SOG) gelingt es offenbar gut, den potenziellen Gründern passgenau den Schritt in die<br />

Selbstständigkeit zu ermöglichen. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass der Anteil der<br />

Insolvenzen von jungen Unternehmen (Alter


3.2.4 Humankapital und Wissenschaft<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Humankapital und Wissenschaft sind wichtige Erfolgstreiber für die wirtschaftliche Entwicklung<br />

einer ganzen Region. Die Forschungsstruktur eines Landes weist eine hohe Relevanz für seine<br />

Innovationsfähigkeit auf. Das <strong>Saarland</strong> hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen zur<br />

endgültigen Überwindung des Strukturwandels unternommen und verfolgt im Zuge dessen eine<br />

Innovationsstrategie, bei welcher die Stärkung von Forschung und Entwicklung sowie die Verbes-<br />

serung des Innovationstransfers durch Clusterstrukturen eine zentrale Rolle spielen. Des Weiteren<br />

ist in den letzten Jahren ein beachtenswertes hochschulexternes Forschungspotenzial entstanden,<br />

wo aus den Hochschulen heraus neue Forschungsinstitute gegründet wurden, die gleichwohl eng<br />

mit den Hochschulen verknüpft sind. Durch diese Strategie werden Forschung und Lehre in den<br />

Hochschulen weiter gestärkt. 5<br />

In der Studie der Bertelsmann-Stiftung 6 zum Innovationswettbewerb der Bundesländer wurden die<br />

Bedingungen für Innovation beschrieben. Dort ist das <strong>Saarland</strong> beim Teilindex Forschung über-<br />

durchschnittlich (Rang 7, zusammen mit Bayern), beim Teilindex unternehmerische Umsetzung<br />

belegt es hinter Hamburg und Berlin mit dem dritten Rang einen Platz in der Spitzengruppe. 7<br />

Als Indikatoren zur Beschreibung der Erfolgstreiber Humankapital und Wissenschaft dienen im<br />

Folgenden die Ingenieurdichte, die Wissenschaftlerdichte, die Hochqualifiziertenquote, die Patent-<br />

intensität sowie die FuE-Intensität. Insgesamt nimmt das <strong>Saarland</strong> bei dynamischer Betrachtung<br />

eine leicht überdurchschnittliche Position im Ländervergleich ein, was offensichtlich den<br />

beträchtlichen, oben skizzierten Anstrengungen im Rahmen der Innovationsstrategie geschuldet<br />

ist. Diese Bemühungen beginnen sich allmählich auszuzahlen und das <strong>Saarland</strong> holt auf:<br />

• Bei der Ingenieurintensität schneidet das <strong>Saarland</strong> im Ländervergleich<br />

überdurchschnittlich ab. Obwohl der absolute Wert der Ingenieursdichte mit 1,75 im Jahr<br />

2008 noch unter dem Bundesdurchschnitt (2,77) sowie dem Durchschnitt der<br />

westdeutschen Länder (2,89) liegt, weist das <strong>Saarland</strong> hier einen enormen Wachstums-<br />

schub auf. Dieser lässt das <strong>Saarland</strong> bei dynamischer Betrachtung des Wachstums der<br />

Ingenieursintensität der letzten zehn Jahre mit einem Wert von 0,97 Prozent um rund 0,3<br />

Prozentpunkte besser als der Bundesdurchschnitt (0,62) abschneiden.<br />

• Der Indikator FuE-Intensität gibt die Anzahl der FuE-Beschäftigten je 100 sozialversiche-<br />

rungspflichtig Beschäftigter an. Hier schneidet das <strong>Saarland</strong> im Bundesvergleich relativ<br />

schwach ab; zu einem ähnlichen Ergebnis kommt hier auch die bereits erwähnte Studie der<br />

5 Beispielhaft seien hier nur der Aufbau der PharmBioTec GmbH zusammen mit der Universität, die Gründung des<br />

neuen Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA), die Gründung des neuen Max-Planck-Institut für<br />

Softwaresysteme oder die Neugründung eines Steinbeis-Forschungszentrums Material Engineering Center <strong>Saarland</strong><br />

(MECS) genannt.<br />

6 So unlängst Berthold, Norbert; Kögel, Dominik; Kullas, Matthias: Die Bundesländer im Innovationswettbewerb. Studie<br />

herausgegeben von der Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh, Juni <strong>2009</strong>.<br />

7 Ebenda.<br />

Seite 45 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Bertelsmann-Stiftung. Trotz dieser Schwäche belegt das <strong>Saarland</strong> im Dynamikvergleich der<br />

Jahre 1999 <strong>bis</strong> 2005 immerhin noch mit Rang neun einen Platz im Mittelfeld.<br />

• Besser schneidet das <strong>Saarland</strong> indes wieder bei der Hochqualifiziertenquote ab, welche<br />

angibt, wie viele Hochqualifizierte (Akademiker) auf 100 sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigte entfallen. Hier weist das <strong>Saarland</strong> im Jahr 2008 einen Wert von knapp 8<br />

Hochqualifizierten je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigter auf; der Durchschnitts-<br />

wert für Westdeutschland liegt bei 9,7. In diesem Bereich hat sich das <strong>Saarland</strong> gegenüber<br />

dem Jahr 1998, wo der Wert noch 6,2 betragen hatte, deutlich verbessert. Im Dynamikver-<br />

gleich der Entwicklung zwischen 1998 und 2008 belegt das <strong>Saarland</strong> hier mit Rang acht<br />

einen Platz im Mittelfeld. Dieser Befund zeigt, dass sich die Innovationsstrategie im Bereich<br />

der Hochqualifizierten auszahlt und das <strong>Saarland</strong> gegenwärtig nicht von einem „brain drain“<br />

heimgesucht wird.<br />

• Vergleichsweise stark schneidet das <strong>Saarland</strong> bei der Patentintensität ab. Hochgerechnet<br />

auf die Gesamtbevölkerung gab es im <strong>Saarland</strong> im Jahr 2008 insgesamt 289 Patentan-<br />

meldungen, bundesweit waren es rund 49.000. Für einen aussagekräftigen Vergleich ist es<br />

angebracht, sich die Entwicklung der Patentanmeldungen in den vergangenen 10 Jahren<br />

anzuschauen. Dort weist das <strong>Saarland</strong> gegenüber dem Referenzjahr 1998 zwar ein Null-<br />

wachstum aus, was aber offensichtlich einem einmaligen Rückgang der Patentan-<br />

meldungen im Jahr 2008 geschuldet ist. Denn im Jahr 2007 wies das <strong>Saarland</strong> noch 334,<br />

im Jahr 2005 358 und im Jahr 2000 sogar 364 Patentanmeldungen auf. Zwischen 2000<br />

und 2007 gab es im <strong>Saarland</strong> im Großen und Ganzen jährlich immer mehr als 330 Patent-<br />

anmeldungen. Im gesamten Bundesgebiet hingegen verläuft die Entwicklung der Patent-<br />

anmeldungen seit 2000 hingegen rückläufig und damit umgekehrt zum <strong>Saarland</strong>. Nur im<br />

Jahr 2008 – dem Jahr, wo das <strong>Saarland</strong> erstmals eine schwächere Zahl von Patentanmel-<br />

dungen aufwies – gab es im Bundesgebiet einen einmaligen positiven Ausreißer aus der<br />

insgesamt rückläufigen Entwicklung der Patentanmeldungen. Insoweit darf dem Null-<br />

wachstum bei dynamischer Betrachtung des Zehnjahreszeitraums von 1998 <strong>bis</strong> 2008 keine<br />

allzu hohe Bedeutung beigemessen werden, da ansonsten die sehr positive Entwicklung<br />

des <strong>Saarland</strong>es zwischen 1999 und 2007 völlig ausgeblendet bliebe. Dies verdeutlicht<br />

allein schon die Tatsache, dass bei Betrachtung des Zeitraums von 1998 <strong>bis</strong> 2007 das<br />

<strong>Saarland</strong> eine durchschnittliche Wachstumsrate von 1,5 Prozent aufwies, während der<br />

Bundesdurchschnitt ein Nullwachstum bzw. Westdeutschland ein schwaches Wachstum<br />

bei diesem Indikator von 0,2 Prozent aufwies.<br />

• Bei der Wissenschaftlerdichte schneidet das <strong>Saarland</strong> mit 78 Wissenschaftlern je 1.000<br />

Einwohnern ebenfalls weit überdurchschnittlich ab, wenn man die Werte für Deutschland<br />

(72) und Westdeutschland (56) gegenüberstellt.<br />

Seite 46 von 60


Patentintensität 1)<br />

Tabelle 3-9: Kerndaten Humankapital und Wissenschaft<br />

S WD D<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

1994 260 34.587 37.797<br />

1998 291 43.582 47.735<br />

2008 289 45.726 49.116<br />

Veränderung1998/08 p.a. in Prozent -0,05 0,5 0,3<br />

Rang (98/08) 6<br />

Ingenieurintensität 2)<br />

1999 1,6 2,68 2,62<br />

2003 1,74 2,80 2,71<br />

2008 5)<br />

1,75 2,89 2,77<br />

Veränderung1999/08 p.a. in Prozent 0,97 0,83 0,62<br />

Rang (99/08) 5<br />

Hochqualifiziertenquote 3)<br />

1998 6,2 7,4 8,0<br />

2003 7,2 8,7 9,2<br />

2008 7,9 9,7 10,1<br />

Veränderung1998/08 p.a. in Prozent 2,44 2,81 2,27<br />

Rang (98/08) 8<br />

FuE-Intensität 4)<br />

1999 0,67 4,23 4,24<br />

2003 0,70 4,37 4,31<br />

2005 5) 0,60 4,56 4,49<br />

Veränderung1999/05 p.a. in Prozent -1,82 1,29 0,96<br />

Rang (99/05) 9<br />

Wissenschaftler je Einwohner<br />

2008 78 56 72<br />

Rang 8<br />

1) Absolute Anzahl der Patente, Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung.<br />

2) Anzahl der Ingenieure je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.<br />

3) Anzahl der Hochqualifizierten je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.<br />

4) Anzahl der FuE-Beschäftigten je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.<br />

5) Aktuellere Daten sind gegenwärtig nicht verfügbar.<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt, IW Consult<br />

Seite 47 von 60


Fazit<br />

Bei der Wissenschaftlerdichte schneidet das <strong>Saarland</strong> mit 78 Wissenschaftlern je 1.000<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Einwohnern bei einem Niveauvergleich überdurchschnittlich gut ab. Bei der Ingenieurintensität hat<br />

das <strong>Saarland</strong> besonders stark aufgeholt und schneidet hierbei in einem Dynamikvergleich recht<br />

gut ab; ähnliches gilt für die Patentintensität, insbesondere wenn man den Zeitraum von 2000 <strong>bis</strong><br />

2007 heranzieht. Schwächen offeriert das <strong>Saarland</strong> bei der FuE-Intensität, die im Dynamik-<br />

vergleich immer noch unterdurchschnittlich entwickelt ist. Damit weist das <strong>Saarland</strong> insgesamt<br />

gute Rahmenbedingungen für diesen Bereich auf, was schlussendlich auch die Innovationsfähig-<br />

keit dieses Landes unterstreicht.<br />

3.2.5 Bildung und Familiefreundlichkeit<br />

Bildung ist ein wichtiger Erfolgstreiber für den wirtschaftlichen Erfolg einer Region. Das <strong>Saarland</strong><br />

ist in diesem Bereich sehr gut aufgestellt und nimmt bei den einzelnen Indikatoren stets Plätze<br />

unter den besten sechs Ländern ein. Dieses Ergebnis ist insoweit nicht überraschend, als das<br />

<strong>Saarland</strong> zu den Gewinnern im Bildungsmonitor 2008 zählt. 8 Vor allem bei der Bekämpfung des<br />

Risikos der Bildungsarmut für Jugendliche und der Integration von Ausländern in das Bildungs-<br />

system hat sich das <strong>Saarland</strong> stark verbessert.<br />

Als Indikatoren zur Beschreibung der Erfolgstreiber Bildung und Familienfreundlichkeit dienen im<br />

Folgenden die Ausbildungsplatzversorgung, die Schulabgänger ohne Abschluss, die ausländi-<br />

schen Schulabgänger ohne Abschluss und die Schüler-Lehrer-Relation sowie der Anteil der Kinder<br />

unter 3 Jahren in Kindertageseinrichtungen.<br />

Insgesamt nimmt das <strong>Saarland</strong> hierbei eine Position im oberen Drittel im Rahmen eines Länder-<br />

vergleichs ein. Im Einzelnen:<br />

• Bei der Ausbildungsplatzversorgung schneidet das <strong>Saarland</strong> im Ländervergleich mit<br />

Rang fünf in der Zehnjahresbetrachtung von 1998 <strong>bis</strong> 2008 recht gut ab. Bei Betrachtung<br />

der absoluten Werte der Ausbildungsplatzversorgung (103,3) nimmt das <strong>Saarland</strong> im Jahr<br />

2008 sogar den zweiten Platz hinter Bayern ein. Die Ausbildungsplatzversorgung gibt die<br />

Relation der angebotenen Ausbildungsplätze zur Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden an.<br />

Ein Wert von über 100 sagt damit aus, dass die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze<br />

die Zahl der Auszubildenden übersteigt, was natürlich positiv zu bewerten ist.<br />

• Der Indikator Schulabgänger ohne Abschluss gibt an, wie viele von 100 Schulabgängern<br />

die Schule ohne Abschluss verlassen. Hier schneidet das <strong>Saarland</strong> im Bundesvergleich<br />

8 Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Bildungsmonitor 2008; Der Leistungscheck der Bundesländer.<br />

Seite 48 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

ebenfalls gut ab: Beim Dynamikvergleich von 1998 <strong>bis</strong> 2007 belegt es Rang zwei, denn im<br />

<strong>Saarland</strong> gelang es, in diesem Zeitraum die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss je<br />

100 Schulabgänger von 10,7 im Jahr 1998 auf 7,4 im Jahr 2007 zu senken. In West-<br />

deutschland sank diese Zahl lediglich von 8,3 auf 7,0 und damit jährlich um durchschnittlich<br />

2,3 Prozent. Diese Entwicklung ist ein großer Erfolg zur Bekämpfung der Bildungsarmut bei<br />

Jugendlichen.<br />

• Ähnlich ist der Indikator ausländische Schulabgänger ohne Abschluss aufgebaut. Er<br />

gibt an, wie viele von 100 ausländischen Schulabgängern die Schule ohne Abschluss<br />

verlassen. Hier landet das <strong>Saarland</strong> im Bundesvergleich unter den besten Fünf im Dyna-<br />

mikvergleich von 1998 <strong>bis</strong> 2007. Dem <strong>Saarland</strong> gelang es, in diesem Zeitraum die Zahl der<br />

ausländischen Schulabgänger ohne Abschluss von 25,2 im Jahr 1998 auf 15,9 im Jahr<br />

2007 und damit um jährlich durchschnittlich 4 Prozent zu senken; in Westdeutschland sank<br />

diese Zahl lediglich von 18,7 auf 15,7 und damit jährlich um durchschnittlich 1,9 Prozent.<br />

Dies ist ein ganz wesentlicher Erfolg zur Bekämpfung der Bildungsarmut und zur Integra-<br />

tion von Ausländern in das Bildungssystem.<br />

• Die Schüler-Lehrer-Relation gibt an, wie viele Schüler auf eine Lehrkraft entfallen. Je<br />

kleiner dieses Verhältnis ausfällt, desto intensiver können Schüler durch Lehrer betreut<br />

werden und desto günstiger sind die Aussichten für den Lernerfolg der Schüler. Das<br />

<strong>Saarland</strong> weist hier im Jahr 2007 einen Wert von knapp 16,4 auf und liegt damit exakt im<br />

westdeutschen Durchschnitt. Allerdings konnte es sein Schüler-Lehrer-Verhältnis im<br />

Zeitraum 1998 <strong>bis</strong> 2007 um durchschnittlich 1,1 Prozent pro Jahr verbessern und weist in<br />

dieser Hinsicht einen besseren Wert als der Bundesdurchschnitt (0,45) oder Westdeutsch-<br />

land auf (0,08).<br />

• Der Anteil der Kinder unter 3 Jahren in Kindertageseinrichtungen dient als Indikator für<br />

die Familienfreundlichkeit eines Landes, denn die Möglichkeit der Unterbringung von Klein-<br />

kindern in Kindertageseinrichtungen schafft Familien den Freiraum, dass beide Eltern die<br />

Chance bekommen, familiäres Leben und Berufsleben miteinander besser zu vereinbaren.<br />

In diesem Punkt ist das <strong>Saarland</strong> mit einer Quote von 13,2 Prozent deutlich besser als der<br />

westdeutsche Durchschnitt (10,0) und nimmt unter den Westdeutschen Ländern sogar<br />

Rang drei ein.<br />

Seite 49 von 60


Tabelle 3-10: Kerndaten Bildung und Familienfreundlichkeit<br />

Ausbildungsplatzversorgung 1)<br />

Angaben in Prozent<br />

S WD D<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

1998 97,9 100,1 98,1<br />

2003 98,2 98,2 96,6<br />

2008 103,3 101,3 100,8<br />

Veränderung1998/08 p. a. in Prozent 0,54 0,12 0,27<br />

Rang (98/08) 5<br />

Schulabgänger ohne Abschluss<br />

1994 10,8 8,1 9,1<br />

1998 10,7 8,3 9,0<br />

2007<br />

7,4 7,0 7,3<br />

Veränderung1998/07 p. a. in Prozent -4 -1,9 -2,3<br />

Rang (98/07) 2<br />

Ausländische Schulabgänger ohne Abschluss<br />

1994 24,8 19,9 20,9<br />

1998 25,2 18,7 19,5<br />

2007<br />

15,9 15,7 16,0<br />

Veränderung1998/07 p. a. in Prozent -5,0 -2,2 -2,0<br />

Rang (98/07) 5<br />

Schüler-Lehrer-Relation 2)<br />

1994 16,8 15,7 15,8<br />

1998 18,2 16,6 16,5<br />

2007 16,4 16,4 15,9<br />

Veränderung1998/2007 p. a. in Prozent -1,11 -0,08 -0,45<br />

Rang (98/07) 6<br />

Anteil der Kinder (


Fazit<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Das <strong>Saarland</strong> ist im Bereich Bildung recht gut aufgestellt und nimmt dort bei den einzelnen Indika-<br />

toren stets Plätze unter den besten sechs Ländern ein. Zu nennen sind hier im Besonderen die<br />

günstige Schüler-Lehrer-Relation, die gute Ausbildungsplatzversorgung und die stark rückläufige<br />

Quote von ausländischen Schulabgängern ohne Abschluss. Diese Faktoren ermöglichen es,<br />

jungen Menschen einen guten Start in das Berufsleben zu geben und zeigen auf, dass das<br />

<strong>Saarland</strong> ihnen gute Chancen zur Verwirklichung ihrer individuellen Ziele bietet.<br />

3.2.6 Verkehrsinfrastruktur<br />

Das <strong>Saarland</strong> verfügt über eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Trotz der Lage an der<br />

Grenze der Bundesrepublik ist das Bundesland nicht von den Fernverkehrsstrecken auf der Straße<br />

und auf der Schiene abgekoppelt. Durchschnittlich ist der nächste Autobahnanschluss im <strong>Saarland</strong><br />

innerhalb von sechs Minuten Fahrzeit mit dem PKW zu erreichen. Dies ist der beste Wert aller<br />

sechzehn Bundesländer, nur die Stadtstaaten weisen ähnlich gute Erreichbarkeiten auf.<br />

Deutschlandweit beträgt die durchschnittliche Fahrzeit zur nächsten Bundesautobahn 15 Minuten.<br />

Weniger eindeutig fällt die Beurteilung der Bahninfrastruktur aus. Durch die im Jahr 2007 eröffnete<br />

ICE/TGV Hochgeschwindigkeitsstrecke benötigt man für die ca. 400 km lange Strecke von Saar-<br />

brücken nach Paris nur noch 1h 50 min. Mit der Eröffnung dieser Strecke wurde auch der moder-<br />

nisierte Saarbrücker Hauptbahnhof eingeweiht. Für die Fahrt zum nur halb so weit entfernt<br />

liegenden Agglomerationszentrum Frankfurt, muss dagegen eine Fahrtzeit von fast zwei Stunden<br />

einkalkuliert werden.<br />

Von der verstärkten Nutzung so genannter Low-Cost-Carrier profitiert das <strong>Saarland</strong> ebenfalls. Am<br />

Flughafen Saarbrücken konnte das Passagieraufkommen im Jahr 2008 auf über 500.000<br />

gesteigert werden.<br />

3.2.7 Öffentliche Finanzen<br />

Sehr kritisch ist insgesamt im <strong>Saarland</strong> die Lage der öffentlichen Haushalte zu beurteilen.<br />

Spätestens seit Mitte der 80er Jahre gibt es strukturelle Probleme, die selbst die über zehn Jahre<br />

(von 1994 <strong>bis</strong> 2004) gezahlten Haushaltsnothilfen nicht beseitigen konnten.<br />

Zunächst ist aber festzuhalten, dass sich die Einnahmenseite, d.h. die originären Steuerein-<br />

nahmen vor Verteilung gut entwickelt haben. Sie sind im Jahresdurchschnitt um 3,2 Prozent<br />

gestiegen. Das ist deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt und bedeutet im Ländervergleich in<br />

dieser Zeitspanne Platz eins. Allerdings liegt die Steuerkraft des <strong>Saarland</strong>es immer noch unter<br />

dem westdeutschen Durchschnitt. Im Jahr 2008 beträgt der Abstand knapp 12 Prozent; 1994<br />

waren es noch 20 Prozent. Das <strong>Saarland</strong> bleibt damit Empfängerland im Länderfinanzausgleich.<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Im Jahr 2008 flossen 256 Euro je Einwohner 9 . Das ist nach Bremen der höchste Betrag, den ein<br />

westdeutsches Empfängerland erhält.<br />

Die Abhängigkeit von Zahlungen vom Bund und anderen Ländern wird beim Blick auf deren<br />

Finanzierungsanteil an den Gesamteinnahmen der öffentlichen Haushalte deutlich. Im <strong>Saarland</strong><br />

stammen rund 12 Prozent der Einnahmen der öffentlichen Haushalte vom Bund oder den anderen<br />

Ländern (2007). Im Durchschnitt der westdeutschen Länder liegt diese Quote bei gut 6 Prozent.<br />

Vor 2004 lag dieser Anteil bedingt durch die gezahlten Haushaltsnothilfen allerdings höher. Mehr<br />

als jeder fünfte Euro kam von außen.<br />

9 Umsatzsteuervorwegausgleich, Länderfinanzausgleich und Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen.<br />

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Steuern vor Verteilung je Einwohner<br />

Tabelle 3-11: Kerndaten Öffentliche Haushalten<br />

Länder und Gemeinden; Angaben in Euro<br />

S WD D<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

1994 3.955 4.922 4.277<br />

1998 3.736 5.460 4.755<br />

2008 5.124 5.776 5.108<br />

Veränderung1998/08 p. a. in Prozent 3,2 0,6 0,7<br />

Rang 1<br />

Ausgaben je Einwohner<br />

1994 3.879 3.845 4.053<br />

1998 3.943 3.966 4.168<br />

2008 1)<br />

4.340 4.416 4.487<br />

Veränderung1998/08 p. a. in Prozent 1,0 1,1 0,7<br />

Rang 10<br />

Zinsausgaben je Einwohner<br />

1994 592 281 254<br />

1998 506 289 293<br />

2008 1) 544 314 336<br />

Veränderung1998/08 p. a. in Prozent 0,7 0,8 1,4<br />

Rang 3<br />

Personalausgaben je Einwohner<br />

1994 1.518 1.511 1.531<br />

1998 1.595 1.575 1.586<br />

2008 1) 1.771 1.698 1.661<br />

Veränderung1998/08 p. a. in Prozent 1,0 0,8 0,5<br />

Rang (1998/08) 13<br />

Schulden je Einwohner<br />

1994 8.261 4.502 4.265<br />

1998 7.604 5.087 5.233<br />

2008 10.241 6.626 7.023<br />

Veränderung1998/08 p. a. in Prozent 3,4 3,0 3,3<br />

Rang 8<br />

1) Hochgerechnet auf Basis von drei Quartalen<br />

Quellen: Statistisches Bundesamt, Zentrale Datenstelle der Länder, IW Consult<br />

Die Tabelle 3-11 zeigt noch einige weitere Kerndaten, die die Problemlage bei den öffentlichen<br />

Haushalten verdeutlichen:<br />

Seite 53 von 60


50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

• Die öffentlichen Haushalte des <strong>Saarland</strong>es halten Ausgabendisziplin. Die Ausgaben je<br />

Einwohner liegen unter dem westdeutschen Vergleichsniveau und sie sind schwächer<br />

angestiegen (1,0 Prozent im Durchschnitt der Jahre 1998 <strong>bis</strong> 2008) als in Westdeutsch-<br />

land (1,1 Prozent). Die Primärausgaben (Ausgaben ohne Zinsen) sind sogar nur um 0,5<br />

Prozent (West-D: 0,8 Prozent) gestiegen.<br />

• Obwohl im Land seit vielen Jahren ein drastischer Sparkurs verfolgt wird, liegen die<br />

Personalausgaben je Einwohner über dem westdeutschen Niveau. In den letzten Jahren<br />

ist der Abstand sogar größer geworden.<br />

• Die Zinsausgaben je Einwohner liegen mit 544 Euro 10 über dem bundesdeutschen<br />

(336 Euro) und dem westdeutschen Niveau (314 Euro). Die sinkende Belastung<br />

gegenüber 1994 ist nicht auf fallende Schulden, sondern auf das in den letzten Jahren<br />

gesunkene Zinsniveau zurückzuführen. Die niedrigste Belastung in den letzten fünfzehn<br />

Jahren war 415 Euro im Jahr 2004. Nach Auslaufen der Sanierungshilfen sind die<br />

Schulden und die Zinsbelastungen wieder angestiegen.<br />

• Die Schulden des <strong>Saarland</strong>es sind mit 10.241 Euro je Einwohner (2008) höher als im<br />

Durchschnitt aller Länder (7.023 Euro) oder der Westländer (6.626 Euro). In der Phase<br />

von 1999 <strong>bis</strong> 2003 ist es dem <strong>Saarland</strong> unterstützt durch die Sanierungshilfen gelungen,<br />

die Schulden zu senken. Nach dem Auslaufen des Hilfspakts am Jahresende 2004 zeigte<br />

sich aber, dass das strukturelle Ziel der Haushaltsnothilfen nicht erreicht wurde. Der deut-<br />

liche Wiederanstieg der Schulden im Zeitraum 2004 <strong>bis</strong> 2008 zeigt, dass die strukturellen<br />

Probleme nicht gelöst und das <strong>Saarland</strong> es offensichtlich ohne fremde Hilfe nicht schafft,<br />

zumindest zum Länderdurchschnitt aufzuschließen. Allerdings gibt es jetzt in dem ausge-<br />

handelten Paket II der Föderalismusreform eine neue Chance. Dort soll es Entschul-<br />

dungshilfen geben allerdings mit dem Ziel, ab 2020 Haushalte ohne Verschuldung<br />

vorlegen zu müssen. Außerdem sollen ab dann auch die Transfers im Länderfinanz-<br />

ausgleich wegfallen. In den nächsten zehn Jahren steht deshalb das <strong>Saarland</strong> vor einer<br />

enormen Herausforderung.<br />

Die Abbildung 3-3 zeigt, dass die Verschuldungsquote des <strong>Saarland</strong> (Schulden der Länder und<br />

Gemeinden zu nominalem Bruttoinlandsprodukt) zu Anfang der 70er noch unter der 20-Prozent-<br />

Marke lag, aber dann <strong>bis</strong> Mitte der 90er Jahre auf über 40 Prozent anstieg. Sie lag damit in etwa<br />

doppelt so hoch wie die der westdeutschen Bundesländer. Die Haushaltsnothilfen von 1994 <strong>bis</strong><br />

2004 haben für eine deutliche Entlastung gesorgt. Die Schuldenquote ist gefallen und hat sich<br />

dem westdeutschen Niveau angenähert. Danach läuft es wieder auseinander. Das bedeutet, dass<br />

das <strong>Saarland</strong> ohne Hilfen von außen die Schuldenstandsquote nicht reduzieren kann. Die öffent-<br />

lichen Haushalte bleiben ein Kernproblem für die nächsten Jahre.<br />

10 Für das Jahr 2008 liegen in der Finanzstatistik der öffentlichen Haushalte (Länder und Gemeinden) erste Ergebnisse<br />

für die ersten drei Quartale vor. Sie wurden auf Jahresbasis hochgerechnet.<br />

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3.2.8 Demografie<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Der zweite große Schwachpunkt in der Leistungsbilanz des <strong>Saarland</strong>es ist die Demografie. Das<br />

Land verliert Einwohner und überaltert.<br />

Abbildung 3-3: Schuldenquote 1960 <strong>bis</strong> 2007<br />

Schulden in Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, IW Consult<br />

Von 1998 <strong>bis</strong> 2008 ist die Zahl der Einwohner um 4,0 Prozent gefallen; im Bund gab es noch<br />

einen knappen Zuwachs von 0,1 Prozent. Im Vergleich der westdeutschen Bundesländer<br />

(Durchschnitt +1,6 Prozent) belegt das <strong>Saarland</strong> nur den letzten Platz. Einen ähnlichen Rückgang<br />

haben sonst nur die neuen Länder aufzuweisen. Deutliche werden die Probleme auch, wenn man<br />

den Alterquotienten U15 zu Ü65 betrachtet. Im Jahr 2008 kamen auf einen Einwohner im Alter<br />

von unter 15 Jahren 1,71 (Westdeutschland: 1,43) Einwohner über 65 Jahre. Dieses Verhältnis<br />

betrug im Jahr 1998 noch 1,16 (Westdeutschland: 1,05) und hat sich demnach deutlich<br />

verschlechtert. Das <strong>Saarland</strong> hat auch hier den schwächsten Wert unter den westdeutschen<br />

Ländern. Noch ungünstiger ist die Situation mit Ausnahme von Berlin in den neuen Ländern.<br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Ein Blick auf ausgewählte Einzelindikatoren bestätigt das schlechte Bild des <strong>Saarland</strong>es im<br />

Bereich Demografie. Im Strukturvergleich (Niveau) liegen alle Werte unter den westdeutschen<br />

Ergebnissen. Insbesondere die sehr niedrige Fertilitätsrate (Geburten je Frau im gebärfähigen<br />

Alter), lässt auch für die nahe liegende Zukunft keinen Trendwechsel erwarten (Tabelle 3-12).<br />

• Im Jahr 2007 waren 18,4 Prozent der Einwohner jünger als 20 Jahre, in den westdeut-<br />

schen Ländern liegt dieser Wert durchschnittlich bei 20,2 Prozent. In der Dynamikbe-<br />

trachtung von 2002 <strong>bis</strong> 2007 ging der Anteil mit 1,76 Prozentpunkten auch überdeutlich<br />

stark zurück (Westländer: -1,1 Prozentpunkte).<br />

• 26,7 Prozent der Einwohner waren im Jahr 2007 älter als 60 Jahre, dies entspricht einem<br />

um 1,9 Prozentpunkte höheren Anteil im Vergleich zu den westdeutschen Ländern. Besser<br />

im Verglich zu den westdeutschen Ländern verlief dagegen die Entwicklung von 2002 <strong>bis</strong><br />

2007. Während der Anteil in den westdeutschen Ländern insgesamt um 1,51 Prozent-<br />

punkte stieg, fiel der Anstieg im <strong>Saarland</strong> mit 0,92 Prozentpunkten deutlich niedriger aus.<br />

• Besonders deutlich wird der Abstand zum bundesdeutschen Niveau bei der Geburtenrate.<br />

Im <strong>Saarland</strong> liegt die Fertilitätsrate bei 1,24 und damit deutlich unter dem Vergleichswert<br />

der westdeutschen Länder von 1,38.<br />

• Bei der Lebenserwartung sind ebenfalls strukturelle Unterschiede vom <strong>Saarland</strong> zu den<br />

Vergleichsländern erkennbar. Während der Durchschnittswert im <strong>Saarland</strong> bei 77,9 Jahren<br />

lag, wurden die Menschen in den westdeutschen Vergleichsländern im Durchschnitt 1,2<br />

Jahre älter. Innerhalb des Dynamikvergleichs war aber keine Zunahme dieses<br />

Unterschieds erkennbar.<br />

In dem Bundesländerranking der IW Consult von 2008 wurden diese Niveau- und Dynamikdaten<br />

zu einem Demografieindex aggregiert. Zusätzlich sind dort noch Bevölkerungsprognosen des<br />

Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung eingehen berücksichtigt. Das <strong>Saarland</strong> erreicht 90,2<br />

Indexpunkte und erreicht damit im Bundesländervergleich nur den 11. Rang. Lediglich die<br />

ostdeutschen Flächenländer erzielen ein schlechteres Ergebnis als das <strong>Saarland</strong>. Die<br />

westdeutschen Länder erreichen sogar einen Indexwert von 109,1 Punkten.<br />

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Niveau<br />

Tabelle 3-12: Kernindikatoren Demografie<br />

Niveau – Dynamik – Index<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

<strong>Saarland</strong> West D<br />

Bevölkerung unter 20 Jahre 1 18,4 20,2 19,4<br />

Bevölkerung über 60 Jahre 1 26,7 24,8 25,3<br />

Fertilität 2 1,24 1,38 1,36<br />

Lebenserwartung 77,9 79,1 78,9<br />

Dynamik<br />

Bevölkerung unter 20 Jahre 3 -1,76 -1,10 -1,04<br />

Bevölkerung über 60 Jahre 3 0,92 1,51 2,54<br />

Lebenserwartung 4 1,1 1,0 1,1<br />

Demografieindex<br />

Gesamt 90,2 109,1 100<br />

Rang 11<br />

1 Anteil in Prozent 2007.<br />

2 Geburten je Frau <strong>bis</strong> 45 Jahre (Mittelwert der Jahre 2003/2004/2005).<br />

3 Veränderung 2002 <strong>bis</strong> 2007 in Prozentpunkten.<br />

4 Veränderung 2002 <strong>bis</strong> 2007 in Jahren.<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt; IW Consult<br />

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4 Krisenbetroffenheit<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Ein wesentlicher Grund für die gute Entwicklung des <strong>Saarland</strong>es in den letzten Jahren war, dass<br />

der Industriestandort Saar von dem industriellen Aufschwung in Deutschland profitieren konnte.<br />

Die derzeitige <strong>Wirtschaft</strong>skrise trifft aber die starken Industrieländer deutlich stärker. Das verdeut-<br />

licht ein regionaler Krisenbetroffenheitsindex. Dieser Index berücksichtigt<br />

• die Entwicklung der offenen Stellen, der Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit von Mai 2008 <strong>bis</strong><br />

Mai <strong>2009</strong> sowie<br />

• die Beschäftigungsanteile in den Branchen, die in diesem Zeitraum einen besonders<br />

hohen Umsatz- und Exporteinbruch hatten.<br />

Die Abbildung 4-1 zeigt den Index auf der Ebene der 39 NUTS-2-Regionen, die in den größeren<br />

Bundesländern etwa den Regierungsbezirken entsprechen. Das gesamte <strong>Saarland</strong> ist eine<br />

NUTS-2-Region. Die Karte zeigt deutlich, dass die südlichen Regionen, aber auch Bremen sowie<br />

das Siegerland und das Sauerland stark betroffen sind. Das sind die starken Industrieregionen in<br />

Deutschland. Das <strong>Saarland</strong> liegt hier auf Platz 17 und damit im Mittelfeld. Aggregiert man die Da-<br />

ten auf Länderebene hoch, liegt das <strong>Saarland</strong> auf Platz fünf. Nur Baden-Württemberg, Bayern,<br />

Bremen und Sachsen sind noch stärker von der Krise betroffen. Wenn man weiß, dass die meis-<br />

ten der <strong>bis</strong>herigen Konjunkturkrisen das <strong>Saarland</strong> überdurchschnittlich getroffen haben, muss das<br />

als Warnsignal aufgefasst werden. Wie stark die Krise bereit im <strong>Saarland</strong> angekommen ist, zeigt<br />

ein Blick auf einige Daten:<br />

• Die Arbeitslosenquote hat sich in den letzten zwölf Monaten um 0,5 Prozentpunkte erhöht;<br />

im Bund waren es 0,4 Prozentpunkte.<br />

• Die Zahl der offenen Stellen ist im <strong>Saarland</strong> nur um 1,6 Prozent zurückgegangen; im Bund<br />

waren es bereits -15,4 Prozent.<br />

• Von der Kurzarbeit sind im <strong>Saarland</strong> 1,6 Prozent der Beschäftigten betroffen; im Bund sind<br />

es 1,7 Prozent.<br />

• Der Beschäftigungsanteil in Problembranchen (Branchen mit hohem Umsatz- und Export-<br />

rückgang) beträgt im <strong>Saarland</strong> 17,8 Prozent (Bund: 12,2 Prozent).<br />

Die weiteren Auswirkungen der Krise hängen davon ab, wie schnell diese überwunden werden<br />

kann und bestehende Wirkungszusammenhänge wieder wirken. Sollten die weltwirtschaftlichen<br />

Verwerfungen länger anhalten, können nachhaltige Beeinträchtigungen der gesunden wirtschaftli-<br />

chen Basis nicht ausgeschlossen werden. Gegenwärtig ist aber davon auszugehen, dass es sich<br />

bei der aktuellen <strong>Wirtschaft</strong>skrise nur um eine Störung der positiven Wirkungszusammenhänge<br />

handelt und die <strong>Wirtschaft</strong> nach Beendigung der Krise wieder auf ihren Wachstumspfad zurück-<br />

kehrt.<br />

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Abbildung 4-1: Krisenbetroffenheit nach Regionen<br />

NUTS-2-Ebene<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, IW Consult<br />

50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

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50 Jahre <strong>Saarland</strong><br />

Unter den erwähnten Voraussetzungen steht der saarländischen <strong>Wirtschaft</strong> eine positive Beschäf-<br />

tigungsentwicklung bevor. Nach einer Beschäftigungsprojektion des Instituts für Arbeitsmarkt- und<br />

Sozialforschung (IAB) aus dem Jahr 2008 wird die Zahl der Arbeitnehmer des <strong>Saarland</strong>es<br />

zwischen 2005 und 2020 um 30.000 Beschäftigte zunehmen. Dabei wird von einem überdurch-<br />

schnittlich starken <strong>Wirtschaft</strong>swachstum im Vergleich zur Bundesebene ausgegangen. Die<br />

zusammen mit dem GWS aus Osnabrück gestellten Prognosen gehen dabei von:<br />

• weiteren Rückgängen der Beschäftigung in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft,<br />

Bergbau und Energie aus.<br />

• Durch positive Wachstumsaussichten der Branchen Metallerzeugung und -verarbeitung,<br />

Herstellung von Metallerzeugnissen sowie beim Fahrzeugbau werden im verarbeitenden<br />

Gewerbe aber nur moderate Rückgängen erwartet.<br />

• Durch gleichzeitig positiv prognostizierte Entwicklungen für die Dienstleistungsbranchen<br />

Handel, Gastgewerbe und Verkehr verläuft die Gesamtentwicklung des <strong>Saarland</strong>es<br />

überdurchschnittlich.<br />

Nach 2020 wird es den Prognosen zu Folge wieder zu einem Rückgang bei der Beschäftigung<br />

kommen. Dieser Rückgang ist aber nicht wirtschaftsstrukturell, sondern demografisch begründet.<br />

Zu diesem Zeitpunkt wird sich der Rückgang bei der erwerbsfähigen Bevölkerung auf die Beschäf-<br />

tigung auswirken.<br />

Die Ergebnisse solcher Prognosen müssen aber mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden,<br />

da sie mit der Entfernung vom Basiszeitraum mit zunehmenden Unsicherheiten behaftet sind. So<br />

fließen beispielsweise die natürlichen Bevölkerungsentwicklungen oder das Wanderungsverhalten<br />

nur modellhaft in die Projektionen ein.<br />

Trotz dieser Unsicherheiten hat die saarländische <strong>Wirtschaft</strong> insbesondere in den letzten Jahren<br />

ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt und so ist auch weiterhin von einer starken Wirt-<br />

schaftsentwicklung auszugehen.<br />

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