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PDF, 2.00 MB - Gemeinde Freienbach

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«Die Kinder haben heute eine andere Beziehung zur lehrperson. Die Beziehung<br />

lehrer–Schüler ist enger geworden.»<br />

Die runde der lehrpersonen, die seit vierzig<br />

Jahren und mehr in der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Freienbach</strong><br />

und anderswo tätig ist, ist nicht vollständig.<br />

Dennoch fällt es Elisabeth Fessler<br />

aus Pfäffikon, Brigitte Pfister aus Bäch,<br />

rita Britschgi, hansruedi höfliger und Günther<br />

Bauer aus Wilen nicht schwer, ins Gespräch<br />

zu kommen. Vor vierzig Jahren waren<br />

Klassengrössen von 28 und mehr Kindern<br />

an der tagesordnung, heute bewegt<br />

sich die Durchschnittsklassengrösse in der<br />

<strong>Gemeinde</strong>schule <strong>Freienbach</strong> bei 16. Der<br />

Kontakt zu den Kindern, so die lehrpersonen,<br />

sei damit viel intensiver möglich geworden.<br />

Brigitte Pfister: «Die Kinder haben<br />

heute eine andere Beziehung zur lehrperson.<br />

Die Beziehung lehrer–Schüler ist enger<br />

geworden. Früher hat man schon mal<br />

ein sehr stilles Kind vergessen können,<br />

heute ist das nicht mehr möglich. Eine gewisse<br />

Distanz ist verloren gegangen.»<br />

Der Verlust der Langsamkeit<br />

Während früher die lehrpersonen noch mit<br />

der Schnapsmatrize und der Walze die Kopien<br />

für den unterricht machten, stehen<br />

heute der Kopierer und die Drucker bereit.<br />

Dadurch ist der unterricht jedoch nicht einfacher<br />

geworden, im Gegenteil. hansruedi<br />

höfliger: «Früher hatten wir für die unterrichtsthemen<br />

viel mehr Zeit. heute werden<br />

die themen schnell abgehandelt. Die Schüler<br />

wissen daher viel und doch wenig. Vor<br />

allem die schwächeren Schüler kommen<br />

dadurch auch zu wenig zum üben.»<br />

Alle lehrpersonen stellen fest, dass der<br />

unterricht viel sprachlastiger geworden ist,<br />

und dass im Gegensatz zu früher, im Fach<br />

Mensch & umwelt weniger Erlebnisunterricht<br />

stattfindet. nicht selten besuchte man<br />

die Väter der Kinder an ihrem Arbeitsort,<br />

beispielsweise in der Schreinerei oder auf<br />

dem Bauernhof. Früher wussten die Kinder<br />

noch genau, was ihre Väter beruflich machen,<br />

heute haben sie kaum noch eine Vorstellung<br />

davon. Obwohl die leistungserwartung<br />

gestiegen und der lernstoff in der<br />

Schule mehr geworden ist, stellen die lehrpersonen<br />

fest, dass die Konzentration und<br />

die Ausdauer der Schülerinnen und Schüler<br />

gesunken ist. Früher, so sind sich alle einig,<br />

konnte man von den Kindern in der Arbeitshaltung<br />

mehr erwarten. heute wüssten sie<br />

viel mehr, aber sie seien emotional und sozial<br />

weniger belastbar.<br />

Vom Einzelkämpfer zum Teammitglied<br />

nicht nur der unterricht hat sich verändert<br />

auch die rolle der lehrperson hat sich in<br />

den vergangen vierzig Jahren enorm gewandelt.<br />

Früher waren lehrer eher Einzelkämpfer<br />

im Klassenzimmer, heute hingegen<br />

nehmen die teamarbeit und die Schulentwicklung<br />

einen nicht unbedeutenden<br />

Anteil der Arbeit einer lehrperson ein. Dass<br />

die Schulzimmertüren heute offen sind, erleben<br />

die fünf lehrpersonen als Vorteil für<br />

ihre Arbeit. Der Austausch mit den Kolleginnen<br />

und Kollegen ist zwar zeitaufwendig,<br />

spart jedoch ressourcen andernorts. So<br />

können die lehrpersonen beispielsweise<br />

gegenseitig von ihren unterrichtsvorbereitungen<br />

profitieren. Verfügt ein lehrer auf<br />

einem bestimmten Gebiet über ein ganz besonderes<br />

Fachwissen, so erfährt das ganze<br />

team dadurch einen Gewinn. Der lehrer als<br />

Einzelkämpfer ist aus unseren Breitengraden<br />

fast verschwunden. Verändert hat sich<br />

jedoch auch der Männeranteil in der Primarschule.<br />

Als die fünf lehrpersonen in der<br />

Schule angefangen haben, war der Anteil<br />

der männlichen lehrer viel höher als der<br />

von Frauen. heute ist es genau umgekehrt<br />

und das bedauern alle, denn für die Buben<br />

in unserer Schule wären mehr männliche<br />

Bezugspersonen sehr wichtig.<br />

Veränderter Umgang mit Material<br />

Elsabeth Fessler: «Als ich angefangen habe<br />

im lehrerberuf, gab es noch keine Pausenaufsicht.<br />

In den lehrbüchern waren noch<br />

die Bücherzettel, darauf hat man gesehen,<br />

wer ein Buch vorher benutzt hat. heute gibt<br />

es diese Zettel nicht mehr. Jeder hat sein<br />

eigenes Buch und Sorge tragen ist nur im<br />

rahmen der Eigenverantwortlichkeit ein<br />

thema. Ich finde, der umgang der Schüler<br />

mit Material hat sich enorm verändert. Kleider,<br />

die in der Schule liegen gelassen werden,<br />

werden nicht mehr abgeholt und niemand<br />

fragt mehr danach. Das war früher<br />

anders.»<br />

Stark verändert hat sich auch die Zusammenarbeit<br />

mit den Eltern. Früher hat<br />

höchstens ein Elternabend stattgefunden<br />

und wenn es keine Probleme gab, dann sah<br />

man die Eltern nie in der Schule. rita<br />

Britschgi: «Ich denke, das Vertrauen der Eltern<br />

in die Schule war früher grösser. Mit<br />

der Wertevielfalt hat sich das gewandelt.<br />

lehrer und Eltern haben zum teil nicht<br />

mehr die gleichen Werte, die sie hoch halten<br />

und das gibt Anlass zu Gesprächen.»<br />

Früher, so meinen alle lehrpersonen, haben<br />

Eltern ihre Erziehungsverantwortung<br />

verstärkter wahrgenommen. Wenn eine<br />

lehrperson beispielsweise vor vierzig Jahren<br />

die Eltern über einen kritischen Vorfall<br />

21<br />

in der Schule informiert hat, haben die Eltern<br />

die lehrperson gestützt. Im Gegensatz<br />

zu heute, wo nicht selten die lehrpersonen,<br />

wenn ein Schüler Schwierigkeiten hat, von<br />

den Eltern dafür verantwortlich gemacht<br />

werden. Dabei wäre es genau im Bereich<br />

der Sozial- und Selbstkompetenz wichtig,<br />

dass lehrpersonen und Eltern am gleichen<br />

Strick ziehen.<br />

Die Kinder sind Persönlichkeiten<br />

Die Schule von heute ist viel differenzierter<br />

geworden. Günther Bauer: «Die Kinder sind<br />

Persönlichkeiten, sie getrauen sich auch zu<br />

widersprechen. Der Frontalunterricht, in<br />

welchem alle gleichzeitig immer das Gleiche<br />

machen, ist zum teilen durch individuellere<br />

unterrichtsformen ersetzt worden<br />

und die Kinder geniessen es, dass nicht alle<br />

die gleiche Zielsetzung haben und an den<br />

gleichen themen arbeiten.» Günther Bauer<br />

gerät ins Staunen, wie weit gereist seine<br />

Schülerinnen und Schüler heute schon<br />

sind. Da sei es klar, so Bauer, dass diese<br />

immer viel zu erzählen hätten, auch von<br />

Dingen, die der lehrer selbst noch nie gesehen<br />

hat. Die lebensart der Eltern wirkt sich<br />

auch auf die Schule aus. Dabei stellen unsere<br />

lehrpersonen fest, dass es heute für die<br />

Schülerinnen und Schüler nichts neues ist,<br />

auf die Malediven zu reisen, der Gang auf<br />

den Etzel jedoch eine horizonterweiterung<br />

bedeuten kann.<br />

«Kinder dürfen heute allzu oft nicht mehr<br />

Kind sein.» rita Britschgi beurteilt das<br />

tempo, in dem die Kinder heute den lernstoff<br />

in der Schule bewältigen müssen, kritisch.<br />

und auch die Freizeitgestaltung der<br />

Schüler hat sich stark verändert. Früher<br />

sind die Kinder nach der Schule nach hause<br />

zum draussen Spielen gegangen und haben<br />

noch genügend Zeit für fantasievolle, selbstgesteuerte<br />

Freizeitgestaltung gehabt. heute<br />

sind die Kinder schon weitgehend auch in<br />

der Freizeit verplant. niemand will noch<br />

eine lange Weile haben, um sich wirklich zu<br />

erholen und Gelerntes auch zu verarbeiten.<br />

nicht zuletzt, so meinen alle lehrpersonen,<br />

wirkt sich die Schnelllebigkeit der Gesellschaft<br />

deutlich auf das lernen der Kinder<br />

und auf die Schule aus.

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