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Juni 2008 - Niederlenz

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Persönliches<br />

Heuer hab ich keine Zeit für Ferien ...<br />

Eine Begegnung mit Kurt Häsler im Unruhestand<br />

„Damit Sie gleich wissen, womit ich meine<br />

Zeit nun verbringe ...“ Kurt Häsler öffnet<br />

schwungvoll das Gatter zum Hühnerhof,<br />

in welchem seine prächtigen braunen,<br />

schwarzen und schwarzweiss geperlten<br />

Hühner friedlich picken. Nächste Station<br />

sind die Pferdeboxen. „Ich selber reite nicht,<br />

aber wir sind ein eingeschworenes Team.“<br />

Das eine Pferd wurde vor der Schlachtbank<br />

gerettet, das andere ist ein Schweizer<br />

Zuchtpferd. – Und dann die Kaninchen.<br />

Kurt Häsler züchtet erfolgreich für Ausstellungen.<br />

Eigentlich wollte er etwas abbauen,<br />

den Bestand verringern, aber dann lief alles<br />

so gut, es gab neue Zuchterfolge – kleine<br />

unwiderstehlich süsse Chüngeli, die neugierig<br />

in die Luft schnuppern ... Die Tiere sind<br />

die eine Leidenschaft von Kurt Häsler, der<br />

seit Anfang Jahr seine Uniform der Repol<br />

Lenzburg abgegeben und sich frühzeitig<br />

in Pension begeben hat. Aber nicht seine<br />

Tiere sind es, die ihn keine Ferien machen<br />

lassen. Er hat verschiedene Jobs und Aufträge<br />

angenommen, übt noch dieses oder<br />

jenes Ämtchen aus, hilft dem Sohn beim<br />

Bauen – und geniesst es, sein eigener Herr<br />

und Meister zu sein. Korrekt müsste man<br />

ihn nun als Selbstständig-Erwerbenden<br />

bezeichnen. Und die lassen sich bekanntlich<br />

nicht pensionieren. Den Entscheid zum vorzeitigen<br />

Rücktritt hat er vor über drei Jahren<br />

gefällt. Plötzlich war ihm klar: Bis 60, und<br />

nicht länger. Der Übergang in diese dritte<br />

Lebensphase fiel ihm zu seinem eigenen<br />

Erstaunen überhaupt nicht schwer.<br />

Polizisten-Magie<br />

Während 30 Jahren war Kurt Häsler für<br />

<strong>Niederlenz</strong> zuständig, zuerst als Dorfpolizist,<br />

danach als Mitglied des Repol-Teams<br />

in Lenzburg. Dieser Wechsel ist rückblickend<br />

eine markante Schnittstelle in seinem<br />

Berufsleben: Es gibt ein Vorher und ein<br />

Nachher, es gibt ein Leben ganz fürs Dorf<br />

und ohne geregelte Arbeitszeit, und eines als<br />

Teil eines Polizei-Corps, in dem Einsatzzeiten<br />

und Freizeit klar getrennt sind und man<br />

überall im Grossgebiet Lenzburg eingesetzt<br />

wird. Klar, als einziger ehemaliger Dorfpolizist<br />

gehörte <strong>Niederlenz</strong> weiterhin zu seinem<br />

speziellen Zuständigkeitsgebiet – und<br />

manchmal war es ganz gut, sich in Lenzburg<br />

verabschieden zu können, weil im Dorf zum<br />

Rechten geschaut werden musste. Aber das<br />

Vorher hatte etwas mit intakter Welt zu tun,<br />

mit Menschen, die man kannte, mit eigenverantwortlichem<br />

Arbeiten zum Wohle des<br />

ganzen Dorfes. Wenn einer die Begabungen<br />

von Kurt Häsler hat, ist dies ein Glücksfall<br />

für ein Dorf. Aber das war früher. Der unwiderrufliche<br />

Schnitt wurde immer besser<br />

spürbar: Früher hatte er jeden Schüler vom<br />

ersten Kindergarten-Verkehrsunterricht her<br />

gekannt; wurden sie dann allmählich zu<br />

„schwierigen“ Jugendlichen, konnte er auf<br />

dieses Verhältnis bauen. Auch in häuslichen<br />

Zwistigkeiten liess sich erstaunlicherweise<br />

leichter eine Lösung finden, wenn man die<br />

Leute persönlich kannte.<br />

Wenn man Kurt Häsler erzählen hört, wird<br />

einem klar, dass der Dorfpolizist eines ganz<br />

vor allem sein musste: Ein guter Psychologe,<br />

einer mit viel Gspür und Geistesgegenwart,<br />

um in den unterschiedlichsten<br />

Momenten richtig zu reagieren. Seine<br />

beruhigende Wirkung auf Menschen, die<br />

die Kontrolle verloren haben, ist legendär.<br />

So konnte manche schwierige Situation<br />

gerettet werden.<br />

Unkonventionell war sein Umgang mit den<br />

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Jugendlichen. Traf er zum Beispiel wie so<br />

oft auf ein Saufgelage Jugendlicher, überraschte<br />

er diese durch sein unmoralisches<br />

Vorgehen: Er drohte nicht, sondern meinte<br />

nur einfach: „Wenn ihr euch kaputt saufen<br />

wollt, so ist das eure Entscheidung. Wenn<br />

aber morgen hier nicht Ordnung ist, hat das<br />

Konsequenzen.“ Er notierte die Namen –<br />

und hatte damit fast hundertprozentigen<br />

Erfolg. Die Jugendlichen merkten, dass es<br />

ihm um eine sachliche Lösung ging – und<br />

nicht um Machtausübung. Leben und leben<br />

lassen, das konnten sie von ihm lernen. Die<br />

Arbeit mit den Jungen lag ihm überhaupt.<br />

Hier war erlebbar, dass Menschlichkeit vom<br />

Gegenüber erwidert wird ... Heute wird sehr<br />

schnell anstelle einer persönlichen Regelung<br />

eine behördliche Massnahme oder ein<br />

Strafantrag gestellt.<br />

Wie alles begann<br />

Wie kam Kurt Häsler überhaupt dazu,<br />

sich für das Amt des Dorfpolizisten zu bewerben?<br />

Das ist nun gut 30 Jahre her. Am<br />

Tag vor seiner Abreise in die Ferien nach<br />

Spanien war die Stellenausschreibung im<br />

Bezirksanzeiger. Er packte das schönere

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