Online-Publikation - Kriminologische Zentralstelle eV
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A.2 Alkohol und Kriminalität<br />
der Begehung von Straftaten durchgehen lassen will, ambivalent. 53 So ermöglicht<br />
z.B. § 46 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) im Rahmen der Strafzumessung,<br />
eine Alkoholisierung beispielsweise bei den Umständen der Tat, den<br />
Beweggründen oder dem Vorleben schärfend oder mildernd zu berücksichtigen.<br />
Hinter § 323a StGB (Vollrausch) wiederum steht der Gedanke, dass Alkohol<br />
zwar vielfach entlastend wirken kann, man aber diejenigen, die alkoholisiert<br />
gegen das Strafgesetz verstoßen, dann an den Konsequenzen einer<br />
Straftat im Zusammenhang mit ihrem Alkoholkonsum (trotz erwiesener<br />
Schuldunfähigkeit) festhalten will, wenn es für sie absehbar war oder absehbar<br />
hätte sein müssen, dass sie unter Einfluss von Alkohol eine Straftat begehen.<br />
In ähnliche Richtung weist auch die Figur der „actio libera in causa“ 54 ,<br />
die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Täter zur Tatzeit schuldunfähig ist,<br />
gleichwohl aber strafrechtlich haftet, weil er vorab in verantwortlichem Zustand<br />
das Tatgeschehen in Gang gesetzt hat.<br />
Das spezialpräventiv ausgerichtete Sanktionenrecht berücksichtigt Missbrauch<br />
und Abhängigkeit von psychotropen Stoffen in differenzierter Weise. Die<br />
Spannbreite reicht von Weisungen bis zu einer unbestimmten Freiheitsentziehung.<br />
55 Daneben gibt es verschiedene Interventionsmöglichkeiten außerhalb<br />
des Strafrechts. Im Folgenden werden diese rechtlichen Grundlagen im Überblick<br />
dargestellt 56 , um die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §§ 35<br />
ff. BtMG in diesen Zusammenhang einzuordnen.<br />
Bereits auf der untersten Stufe einer formellen strafrechtlichen Reaktion, der<br />
Verwarnung mit Strafvorbehalt, kann das Gericht eine Weisung aussprechen,<br />
sich einer ambulanten Entziehungskur zu unterziehen (§ 59a Abs. 2 S. 1 Nr. 4<br />
StGB). Dafür ist einerseits die Einwilligung der verwarnten Person erforderlich;<br />
andererseits sieht das Gericht von einer solchen Weisung vorläufig ab,<br />
wenn diese entsprechende Zusagen für ihre künftige Lebensführung macht<br />
und zu erwarten ist, dass sie sich daran halten wird (§§ 59a Abs. 2 S. 3, 56c<br />
Abs. 3 und 4 StGB). Allerdings hält sich die praktische Bedeutung dieser<br />
Sanktionsform in Grenzen; Verwarnungen werden insgesamt eher selten verhängt.<br />
Bei der (Primär-)Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung wie auch bei<br />
der Strafrestaussetzung beschränkt sich die entsprechende Weisung nicht<br />
mehr auf ambulante Behandlungsmöglichkeiten, sondern kann sich auch auf<br />
53 Kerner (2001, 23 f.).<br />
54 Zu Einzelheiten der alic vgl. Fischer (2004) § 20 Rn. 49 ff.<br />
55 Zu den Möglichkeiten, bereits zu Beginn des Strafverfahrens therapeutische Maßnahmen einzuleiten,<br />
vgl. Egg (1999, 402 f.).<br />
56 Darstellung nach Dessecker (1996, 15 ff.).