Bachelorarbeit - Didaktik der Geographie

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4.2 Russland Im Folgenden werden die Selbst- und Fremdbilder in russischen Büchern analysiert. Da in den russischen Geographiebüchern wenig mit Bildern, Fotos, Diagrammen etc. gearbeitet wird, beschäftigt sich die Analyse überwiegend mit dem Text. 4.2.1 Selbstbild Zur Ermittlung des Selbstbildes Russlands wurden alle im Kap. 3.1 ausgeführten Lehrbücher analysiert. Dabei wurden meistens Geographiebücher der 8. und 9. Jahrgangsstufe berücksich- tigt, da in diesen Klassen ausschließlich Russland behandelt wird. Während der Untersuchung wurden auch einige, noch vor der Reform geschriebene, Geographiebücher angesehen. Da der geschichtliche Vergleich den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, soll nur erwähnt werden, dass die modernen Bücher viel offener und kritischer im Bezug auf Russland geworden sind. Aber trotzdem ist jedes Geographiebuch, unabhängig vom Verlag, durch den Stolz auf das eigene Land und den Patriotismus geprägt. Das erste in jedem Buch behandelte Thema ist i.d.R. etwa gleich formuliert: „wir und unser Land auf der Weltkarte“ (P 8), „Russland auf der Weltkarte“ (RS 8), „Platz Russlands in der Welt“. Es stechen immer wieder solche Ausdrücke wie „unser Land“, „unser Staat“, „wir“ etc. hervor. Analysekategorie 1: Soziale Aspekte/Bevölkerung Im Gegensatz zu deutschen Geographiebüchern wird in russischen Lehrwerken das multieth- nische Zusammenleben nicht in Verbindung mit aktuellen Konflikten gebracht. Außerdem werden diese Konflikte in keinem der untersuchten Bücher erwähnt. Die Aufmerksamkeit der Schüler wird viel mehr auf die aktuellen Bestrebungen nach nationalstaatlicher Homogenität und friedlichem Zusammenleben mit Migranten gelenkt: „Die wichtigste Regel darf nicht vergessen werden: es ist erforderlich, einander zu respektieren“ (P 8 2008: 36). Außerdem wird die Rolle der russischen Sprache für alle „nicht russischen in Russland leben- den Völker“ betont: „Russische Sprache gibt den anderen Völkern die Möglichkeit, den Zugang zur russischen Kultur (und dadurch auch zur Weltkultur) zu finden, eine Ausbildung nicht nur zu Hause sondern auch in anderen Regionen Russ- lands zu bekommen […]“ (P 8 2008: 50). Die schlechte finanzielle Situation der Bevölkerung und die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verschlechterten Lebensbedingungen werden in den Lehrbüchern nur indi- 34
ekt angesprochen. Üblicherweise werden diese Probleme mit dem aktuellen Bevölkerungs- rückgang im Zusammenhang gebracht: „Viele junge Leute, die den Bund der Ehe eingehen, wissen nicht, ob sie in der Lage sind, ihre Kinder zu ernäh- ren, zu erziehen und zu bilden“ (P 8 2008: 33). „Die hohe Sterberate in Russland am Ende des XX - anfangs XXI Jahrhundert wurde vor allem durch die Komp- lexität der sozio-ökonomischen Lage verursacht“ (D 9 2010: 27). In vielen Büchern wird der Nationalcharakter thematisiert. So werden z. B. in P 8 dem russischen Charakter folgende Eigenschaften zugeschrieben: „Beharrlichkeit, Mut, Zielstrebigkeit, Ideenreichtum, Geduld und Fähigkeit zum Ertragen von Not und Entbeh- rung“ (P 8 2008: 37). Diese Frage wird auch bei der Aufgabenstellung weiterverfolgt, indem vorgeschlagen wird einen Aufsatz zum Thema „Russischer Nationalcharakter: ich in einem Dialog der Kulturen“ (P 8 2008: 51) zu schreiben. Analysekategorie 2: Wirtschaftliche Aspekte Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten viele Geographielehrer das Problem des fehlenden Schülerinteresses beim Erlernen der Wirtschaftsgeographie Russlands. In den Me- dien dominierte überwiegend negative Information und in den Lehrwerken fehlten positive Beispiele der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands (vgl. ZHURAVLEVA 1999: 2). Im Rahmen der neuen Konzeption wird derzeit der Versuch unternommen, ein möglichst positi- ves Image von Russland in den Geographiebüchern zu vermitteln. Dabei soll das Russlandbild möglichst objektiv bleiben und die Schüler zu einem komplexen von Stereotypen freien Den- ken angeregt werden (vgl. TAMOGNJAJA o. J.: 122). Infolgedessen werden in den aktuellen Geographiebüchern unterschiedliche Meinungen ver- treten. Einerseits wird bemerkt, dass sich in Russland die technologische Rückständigkeit der Industrie und der Landwirtschaft negativ auf die gesamte Wirtschaft auswirken, anderseits wird das wissenschaftliche und technische Potenzial zur Entwicklung neuer Technik betont (vgl. D 9 2010: 53 ff.). Die Bedeutung natürlicher Ressourcen (vor allem Erdgas und Erdöl) für Wirtschaft und Han- del wird in allen Büchern hervorgehoben und thematisiert. Allgemein wird weniger auf die Probleme eingegangen, sondern es findet eine Beschreibung von unterschiedlichen Wirt- schaftszweigen statt. 35
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