BuMa_2010_04 - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
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DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
wodurch wir das Handwerkszeug <strong>für</strong> die sich anschließende<br />
Behandlung der menschgemachten Kernfusion erhalten. In<br />
Tab. 1 sind die relevanten physikalischen Daten der Sonne<br />
zusammengefasst, die sich allerdings von Autor zu Autor ein<br />
wenig unterscheiden.<br />
Sonnenmasse 2•1030 kg<br />
1H-Anteil 91,0 Atom %<br />
1H-Atommasse 1,008145 g/Mol<br />
4He-Anteil 8,9 Atom %<br />
4He-Atommasse 4,003874 g/Mol<br />
Energieproduktion 4•10 26 J/s<br />
Mittlere Dichte 1,4 g/cm³<br />
Maximale Dichte 150 g/cm³<br />
Maximaler Druck 220 Mrd. bar<br />
Maximale Temperatur 15,3 Mio. K entspr. 1319 eV<br />
Alter 4,5 Mrd. a<br />
Tab. 1: <strong>Physikalische</strong> Konstanten der Sonne (die Atommassen sind bezogen<br />
auf die von 16 O = 16,0000 g/Mol). Die Maximalwerte entsprechen ungefähr<br />
den Bedingungen im Sonnenkern<br />
Mechanismus der Fusionsreaktionen<br />
R. E. Atkinson und F. Houtermans 6 wiesen in ihrer 1929 erschienenen<br />
Arbeit „Zur Frage der Aufbaumöglichkeit der Elemente<br />
in Sternen“ als erste daraufhin, dass die Energieerzeugung<br />
der Sterne auf Fusionsreaktionen der Kerne der leichten<br />
Elemente bei Sterntemperaturen von vielen Mio. K beruhen.<br />
Bei der hohen Temperatur sind die Atome vollständig ionisiert,<br />
es liegt ein Plasma mit positiv geladenen Atomkernen und entsprechender<br />
Anzahl von Elektronen vor. Die wesentlichen Reaktionsketten,<br />
durch die die Sonnenenergie produziert wird,<br />
werden eingeleitet durch die pp-Reaktion (H. A. Bethe und C. L.<br />
Critchfi eld, 1938), in der aus zwei Protonen unter Freisetzung<br />
eines Positrons e + und eines Neutrinos n ein Deuteron (schwerer<br />
Wasserstoffkern) gebildet wird. Das Positron wird durch ein Elektron<br />
aus dem Plasma unter Emission von 2 g-Quanten annihiliert.<br />
Das Deuteron wird durch eine weitere p-Reaktion unter Freisetzung<br />
eines γ-Quants in einen 3 He ++ -Kern umgewandelt. Zwei dieser<br />
leichten He-Kerne bilden unter Emission von zwei Protonen<br />
schließlich das Endprodukt, einen normalen Heliumkern 4 He ++ :<br />
1 H + + 1 H + → 2 H + + e + + n 0,42 MeV (1)<br />
e + + e – → 2 g 1,02 MeV (2)<br />
1 H + + 2 H + → 3 He ++ + g 5,49 MeV (3)<br />
3 He ++ + 3 He ++ → 4 He ++ + 2 1 H + 12,86 MeV (4)<br />
Unter Berücksichtigung, dass die Reaktionen (1) bis (3) je zweimal<br />
ablaufen müssen, damit die beiden 3 He ++ Kerne in Reaktion<br />
(4) zur Verfügung stehen, folgt als Summenreaktion<br />
4 1 H + + 2 e – → 4 He ++ + 2n + 6 g 26,72 MeV (5)<br />
Etwa 84 % der in der Sonne produzierten Energie entstammen<br />
dieser sog. ppI-Kette. Die ppII-Kette, über die etwa 15 % der<br />
ASPEKTE<br />
Energie erzeugt werden, und die ppIII-Kette, die nur einen minimalen<br />
Energiebeitrag leistet, bauen auf den Reaktionen (1)<br />
bis (3) auf und führen dann über 7 Be und 7 Li bzw. über 7 Be, 8 B<br />
und 8 Be zu Helium.<br />
In einer weiteren Wasserstoff-Fusionskette (C. F. v. Weizsäcker,<br />
1938, H. A. Bethe, 1939) wirkt ein 12 C-Kern als „Katalysator“,<br />
der nach vier Reaktionsschritten mit Protonen und zweimaliger<br />
Positronenemission über 13 N, 13 C, 14 N, 15 O und 15 N einen<br />
He-Kern aufbaut und dabei wieder zurückgebildet wird; in einfacher<br />
Schreibweise (p Proton, ß + Positronzerfall mit Neutrinoemission):<br />
12 C(p, g) 13 N( ß + ) 13 C(p, g) 14 N(p, g) 15 O( ß + ) 15 N(p, 4 He) 12 C (6)<br />
Diese als CNO-Zyklus bezeichnete Reaktionskette liefert etwa<br />
1 % der Sonnenenergie, sie ist aber auf Wasserstoffsternen<br />
höherer Temperatur die Hauptenergiequelle.<br />
Die vier verschiedenen Reaktionsketten führen letztlich alle<br />
zur gleichen Bruttoreaktion, die durch Gl. (5) beschrieben<br />
wird, wobei allerdings die Anzahl der emittierten Neutrinos<br />
und γ-Quanten variiert. Die Reaktionsenergie ist natürlich <strong>für</strong><br />
alle gleich groß, nämlich 26,72 MeV. Da aber die Neutrinos,<br />
die einen mehr oder weniger großen Anteil der Reaktionsenergie<br />
tragen, die Sonne wechselwirkungsfrei verlassen 7 , ist die<br />
Effektivenergie der verschiedenen Reaktionszyklen doch unterschiedlich:<br />
26,2; 25,7; 19,2 und 26,7 MeV <strong>für</strong> die drei pp-<br />
Zyklen und den CNO-Zyklus.<br />
Kinetik der Fusionsreaktion<br />
In einer Kette mehrerer hintereinander geschalteter Reaktionen<br />
ist die langsamste geschwindigkeitsbestimmend. Grundsätzlich<br />
gilt:<br />
1) Reaktionen, die den schwachen Wechselwirkungen unterliegen<br />
(Emission von Neutrinos), z.B. Reaktion (1), sind extrem<br />
langsam;<br />
6 Z. Phys. 54, 656 (1929). – Fritz Houtermans (1903 - 1966), Sohn eines<br />
wohlhabenden Bankiers, Schüler von J. Franck in Göttingen und G. Hertz<br />
in Berlin, fl üchtete 1933 wegen seiner Zugehörigkeit zur kommunistischen<br />
Partei aus Deutschland nach England, zwei Jahre später zog es ihn in die<br />
Sowjetunion, wo er 1937 bei einer stalinistischen Säuberungsaktion inhaftiert<br />
wurde. Aufgrund des Nichtangriffspaktes zwischen Deutschland<br />
und der Sowjetunion wurde er von dem sowjetischen Geheimdienst GPU<br />
an die Gestapo ausgeliefert und von dieser wiederum inhaftiert. M. v. Laue<br />
konnte dann jedoch seine Freilassung erwirken und ihm eine Arbeitsmöglichkeit<br />
in dem privaten Forschungsinstitut von M. v. Ardenne verschaffen.<br />
wo er noch vor der Entdeckung des Transuranelementes Plutoniums durch<br />
G. T. Seaborg auf die Bedeutung der Transurane <strong>für</strong> die Energiegewinnung<br />
durch Kernspalt-Kettenreaktionen hinwies. Von 1952 bis zu seinem Tod<br />
1966 hatte Houtermans eine Professur am <strong>Physikalische</strong>n Institut der<br />
Universität Bern, Schweiz, inne und verschaffte dem Institut als Direktor<br />
internationales Ansehen.<br />
7<br />
Für den Energieverlust heißer Sterne durch Neutrinos hat Gamow den<br />
Ausdruck Urca-Prozess geprägt, angeregt durch seine Erfahrungen in dem<br />
brasilianischen Spielcasino Urca, wo das Einsatzgeld ebenso unkontrollierbar<br />
verschwindet wie die Neutrinoenergie.<br />
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