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BuMa_2010_04 - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...

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PREISE/EHRUNGEN<br />

Dr. Henning Schmidgen<br />

[Foto: Heiko Link]<br />

Arbeitsplatz der Wissenschaftler.<br />

154<br />

PAUL-BUNGE-PREIS <strong>2010</strong><br />

AN DR. HENNING SCHMIDGEN<br />

Wissenschaftliche Instrumente<br />

sind Teil unseres wissenschaftlich–kulturellen<br />

Erbes. Sie liefern<br />

Erkenntnisse über die Genese<br />

von Wissen und über die<br />

Beziehungen zwischen Wissenschaft,<br />

Wirtschaft, Kultur und<br />

Gesellschaft. Ihre historische<br />

Erforschung ist ein junges Arbeitsgebiet<br />

der Wissenschaftsgeschichte.<br />

Ausgangspunkt in<br />

den 1980er Jahren war die<br />

Erfahrung einer nachhaltigen<br />

Transformation der Forschungspraxis<br />

durch den Einzug von<br />

Elektronik und Computer am<br />

Von der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft und der Gesellschaft<br />

<strong>Deutsche</strong>r Chemiker gemeinsam getragen, fördert die Hans R.<br />

Jenemann-Stiftung die historische Erforschung wissenschaftlicher<br />

Instrumente. Von Hans R. Jenemann, dem 1996 verstorbenen<br />

Sammler und Historiker der Chemischen Analysenwaage,<br />

ins Leben gerufen, verleiht die Stiftung seit 1993 den<br />

international ausgeschriebenen Paul-Bunge-Preis. Der Name<br />

des Preises erinnert an den bedeutendsten Konstrukteur chemischer<br />

Analysenwaagen im 19. Jahrhundert.<br />

Der diesjährige Preisträger ist Dr. Henning Schmidgen. Als<br />

Psychologe ausgebildet und mit einem Zweitstudium in Philosophie,<br />

nach der Promotion zunächst <strong>für</strong> zwei Jahre in der<br />

klinischen Psychologie tätig, arbeitet er seit 1997 am Max-<br />

Planck-Institut <strong>für</strong> Wissenschaftsgeschichte in Berlin – unterbrochen<br />

durch Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren<br />

an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in<br />

Paris, der Stanford University und der Harvard University. Im<br />

Rahmen eines Projekts zur Geschichte der Experimentalisierung<br />

der Lebenswissenschaften bearbeitet Schmidgen die<br />

Instrumentalisierung der kognitions- und neurophysiologischen<br />

Forschung im 19. und 20. Jahrhundert. Daneben ist er<br />

maßgeblich an der Schaffung einer Bild- und Text-Datenbank<br />

zur Geschichte von Experiment und Instrument beteiligt, die<br />

als „Virtual Laboratory“ als<br />

Referenz international genutzt wird. Von 2000 bis 2005 war<br />

Schmidgen Gründungsmitglied der „Jungen Akademie“ an der<br />

Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Akademie der Naturforscher Leopoldina.<br />

Die wissenschaftlichen Arbeiten von Henning Schmidgen sind<br />

von theoretischen Überlegungen geleitete historisch-empirische<br />

Fallstudien zur Instrumentalisierung des Labors im 19. Jhdt. Im<br />

Zentrum stehen die damit verbundenen Experimentalpraktiken.<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 12. JAHRGANG · 4/<strong>2010</strong><br />

Besondere Aufmerksamkeit gilt der Messung rasch ablaufender<br />

Sinnesvorgänge, ein Gebiet an der Schnittstelle von Philosophie,<br />

Psychologie, Physiologie und Experimentalphysik, dem<br />

in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. ein ähnlicher Stellenwert zukam<br />

wie der Kognitions- und Hirnforschung heute. Schmidgens Aufsätze<br />

zum Hippschen Chronoskop und zur Donders-Maschine,<br />

Apparate zur Messung der Geschwindigkeit psychophysischer<br />

Reaktionen, gelten bereits heute als Klassiker. Sie gehen aus<br />

von konkreten Objekten, rekonstruieren die Praxisbezüge, in<br />

denen diese verwendet wurden, das materielle und technologische<br />

Umfeld, ohne das sie nicht möglich gewesen wären,<br />

ferner den methodologischen und philosophischen Diskurs<br />

und stellen schließlich theoretische Fragen wie die nach der<br />

Grenze zwischen individuellem Instrument, Experimentalsystem<br />

und technisch-materiellem Kontext.<br />

In seinem kürzlich erschienenen Buch „Die Helmholtz’ Originalkurven:<br />

Auf der Spur der verlorenen Zeit“ (Berlin: Merve-<br />

Verlag, <strong>2010</strong>) geht Schmidgen aus von einem singulären<br />

Archivfund: Helmholtz’ Originalkurven von 1850/51 zur Fortpfl<br />

anzungsgeschwindigkeit der Nervenreizung, einem der<br />

Schlüsselexperimente <strong>für</strong> die Begründung der modernen Lebenswissenschaften.<br />

Helmholtz’ Zeitexperimente untersuchen<br />

das Intervall zwischen Reiz und Reaktion, Wahrnehmung und<br />

Handlung, und machen die „verlorene Zeit“ zur intrinsischen<br />

Dimension des Organismus. Die Arbeit stellt Helmholtz’ Untersuchungen<br />

in den historischen Kontext der Experimentalisierung<br />

und Instrumentalisierung von Wahrnehmungsprozessen<br />

sowie in den systematischen Kontext des wechselseitigen<br />

Bezugs von digitalen und analogen Inskriptions- bzw. Repräsentationspraktiken.<br />

Dabei kontextualisiert Schmidgen die<br />

Kymograph nach Carl Ludwig mit fortlaufendem Registrierstreifen; aus: Elie<br />

de Cyon, Atlas zur Methodik der Physiologischen Experimente und Vivisectionen<br />

(Giessen/St. Petersburg: Ricker, 1876). [Quelle: http://vlp.mpiwgberlin.mpg.de]

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