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BuMa_2010_04 - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...

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DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />

Felix Geisler<br />

SCHÖNE NEUE WELT –<br />

WER KANN SICH DAS LEISTEN?<br />

Die Chemie ist angekommen in der<br />

schönen neuen Welt. Nach Jahrzehnten<br />

des Umbruchs nutzen die Studenten<br />

und Wissenschaftler heute<br />

chemische Literatur und Fachinformation<br />

großteils elektronisch. Vorbei<br />

sind die Zeiten, als man zur Abendstunde<br />

nicht an den benötigten Artikel<br />

kam, weil die Bibliothek bereits<br />

geschlossen hatte. Vorbei ist auch die<br />

mühevolle Suche nach Verbindungen<br />

und ihren Eigenschaften in unzähligen Bänden der Chemical<br />

Abstracts, des Beilstein und des Gmelin. Die betreffenden Zeitschriften-<br />

und Abstract-Bände verstauben heute ungenutzt in<br />

den Kellern der Bibliotheken. Nur das gedruckte Buch erfreut<br />

sich noch einer gewissen Beliebtheit. So wurde beobachtet, dass<br />

die Nutzung des gedruckten Exemplars zunimmt, wenn gleichzeitig<br />

Zugang zur elektronischen Fassung des entsprechenden<br />

Buches besteht.<br />

Die Welt der elektronischen Fachinformation bietet ihren Nutzern<br />

eine Vielzahl von Mehrwerten. Es ist möglich, Volltexte<br />

oder zumindestens Teile von Texten zu durchsuchen. Die Inhalte<br />

sind nicht selten untereinander umfangreich verlinkt und<br />

mit zusätzlichem Material angereichert. Besondere Relevanz<br />

<strong>für</strong> die (organische) Chemie hat die Eingabe von Suchanfragen<br />

mit einem Struktureditor. Noch größer ist der Mehrwert <strong>für</strong> den<br />

Nutzer allerdings, wenn mehrere Produkte gebündelt werden,<br />

zum Beispiel bibliographische Datenbanken und Faktendatenbanken<br />

mit elektronischen Zeitschriftenpaketen. Dies haben<br />

führende Verlage und Datenbankanbieter erkannt und darauf<br />

ihre Geschäftspolitik ausgerichtet. Welche Folgen ergeben sich<br />

daraus <strong>für</strong> die akademischen Nutzer elektronischer Fachinformation?<br />

Einige Überlegungen zu diesem Thema sind sicherlich<br />

sinnvoll, wenn man die Konkurrenzfähigkeit der deutschen<br />

Chemie-Institute und Chemie-Fachbereiche bei der Ausbildung<br />

und in der Forschung im Auge behalten möchte.<br />

Verlage, Datenbankanbieter und ihre Abonnenten befi nden<br />

sich in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis. Für viele<br />

Produkte fi ndet sich kein entsprechendes Konkurrenzangebot<br />

Dr. Felix Geisler, M.A. (LIS)<br />

Fachreferent Chemie, Maschinenbau, Allgemeines<br />

Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt<br />

Schloss, 64283 Darmstadt<br />

Telefon: 06151-16 5876<br />

E-Mail: geisler@ulb.tu-darmstadt.de<br />

LEITARTIKEL<br />

auf dem freien Markt. Die Zahl der Abonnenten von einzelnen<br />

Zeitschriften und Datenbanken liegt üblicherweise zwischen<br />

500 und 2000. Wissenschaftliche Institutionen und forschende<br />

Unternehmen sind die wichtigsten Kunden. Private Abos<br />

spielen keine fi nanzielle Rolle. Wie kommen nun die Preise <strong>für</strong><br />

einzelne Produkte zustande? Ein traditioneller Unternehmer<br />

würde vorrechnen: Personalaufwand plus Sachkosten plus<br />

Investitionskosten plus Vertriebskosten plus kalkulierter Gewinn<br />

geteilt durch die Anzahl der Abonnenten. Bei qualitativ<br />

hochwertigen Zeitschriften sind höhere Preise durch höhere<br />

Ablehnungsquoten bei den Zuschriften und den damit verbundenen<br />

zusätzlichen Organisationsaufwand zu rechtfertigen.<br />

Chemische Datenbanken sind komplexe Produkte, der Personalaufwand<br />

zu ihrer Erstellung und Pfl ege ist sehr groß, dies<br />

rechtfertigt einen besonderen Preis.<br />

Selbst wenn man diese Faktoren berücksichtigt kommt man zu<br />

dem Ergebnis, dass sich die Kosten <strong>für</strong> die Literatur- und Informationsversorgung<br />

in der Chemie (und auch in anderen Studienfächern)<br />

von den klassischen, betriebswirtschaftlich berechneten<br />

Kosten entkoppelt haben. Es liegt der Verdacht nahe,<br />

dass Produkte, die als unverzichtbar gelten, überteuert angeboten<br />

werden, um aus den zusätzlichen Gewinnen Produkte zu<br />

fi nanzieren, die von vielen Abonnenten als verzichtbar angesehen<br />

werden. Den Kunden werden also Zeitschriften-Pakete angeboten,<br />

die meist mehrere hundert Einzeltitel enthalten. Darin<br />

befi nden sich manchmal nur einige wenige dringend benötigte<br />

Zeitschriften, daneben Zeitschriften mit geringer und fehlender<br />

Nutzung. Die Summe der Einzelpreise <strong>für</strong> die als unverzichtbar<br />

eingestuften Zeitschriften wäre jedoch in vielen Fällen höher<br />

als der Preis <strong>für</strong> das gesamte Paket.<br />

Die Kosten <strong>für</strong> Literatur und Fachinformation in der Chemie haben<br />

sich in den vergangenen 10 Jahren insgesamt sehr stark<br />

erhöht, bei manchen Zeitschriften hat sich in dieser Zeit der<br />

Preis sogar verdreifacht. Dem Elsevier-Verlag ist es mit einer<br />

„beispiellosen“ Preispolitik gelungen, seine Umsatzrendite zeitweise<br />

auf über 30 % zu steigern. Von den Unterhaltsträgern der<br />

Universitäten wurde jedoch in den meisten Fällen nicht mehr<br />

Geld zum Erwerb von Literatur und Fachinformation zur Verfügung<br />

gestellt. Es gab lediglich Sonderprogramme zur Finan-<br />

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