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Stalin Eine neue Welt

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ergriffen wurden. Die staatlichen Betriebe wurden auf Rentabilität umgestellt. Die Löhne wurden mit der<br />

Qualifikation und dem Arbeitsertrag in Beziehung gebracht. Und da der Staat mehr Betriebe zu seiner<br />

Verfügung hatte, als er selbst (ohne überflüssige Aufblähung des Apparates) leiten konnte, verpachtete er<br />

eine bestimmte Anzahl von ihnen an Privatunternehmer. Durch Anwendung dieser Politik, die, wie man<br />

sieht, nicht wenige Zugeständnisse von seiten der Bolschewiki in sich schloss, kam es zu einer „schnellen<br />

Wiederherstellung der Lage“. 1922 ergab sich folgendes Bild: die dem Staate gehörenden Eisenbahnen<br />

(63000 km Strecke und 800000 Angestellte) beförderten bereits wieder ein Drittel der Vorkriegsmengen.<br />

Auf dem Lande wurden 95 Prozent des anbaufähigen Bodens, der dem Gesetz nach dem Staate gehörte, den<br />

Bauern „zur wirtschaftlichen Ausnützung“ überlassen (was, gewisse Einschränkungen hinsichtlich der<br />

Dauer und bestimmte Leistungen eingerechnet, soviel bedeutete wie „zum Besitz“); die Bauern bezahlten<br />

dafür eine Naturalsteuer: insgesamt 300 Millionen Pud (1 Pud = 16,38 kg.) Getreide von einer Ernte, die<br />

bereits drei Viertel der Vorkriegsernte erreichte. Was die industriellen Unternehmungen betrifft, so gehörten<br />

sie nach wie vor dem Staat; aber der Staat betrieb selbst nur 4000 Unternehmungen (mit allerdings einer<br />

Million Arbeitern) und verpachtete 4000 Unternehmungen (von geringer Bedeutung, mit zusammen 80000<br />

Arbeitern). Das Privatkapital bildete und entwickelte sich vor allem im Handel. Es erreichte insgesamt 30<br />

Prozent des zirkulierenden Handelskapitals. Der Außenhandel, der Staatsmonopol blieb, erreichte bei der<br />

Einfuhr ein Viertel und bei der Ausfuhr ein Zwanzigstel der Vorkriegsmengen. Durch diese<br />

Wiederherstellung des Marktes entstand eine Lage, in der sich rechte politische Abweichungen entwickeln<br />

konnten. Denn parallel zu dem „sozialistischen Prozess“ entwickelte sich ein <strong>neue</strong>r „kapitalistischer<br />

Prozess“ (in erster Linie auf dem Lande), und es hieß sich energisch verteidigen. In dem jetzt beginnenden<br />

Kampf „hatte die proletarische Macht die höchstentwickelten Produktivkräfte des Landes auf ihrer Seite. Sie<br />

trat auf dem Markt in Gestalt eines Eigentümers, Käufers und Verkäufers auf, der stärker war als die<br />

anderen, und darüber hinaus über die politische Macht verfügte“ ... „die Bourgeoisie hatte ihre alte<br />

Erfahrung und ihre Verbindung mit dem Auslandskapital für sich“. (Bericht an den IV. Kongress der<br />

Komintern 1922.) Bei diesem Zweikampf ging es um den höchsten Einsatz und sein Ausgang konnte<br />

unberechenbare soziale und weltanschauliche Folgen haben. Die eine wie die andere der kämpfenden<br />

Gruppen wandte ihre Aufmerksamkeit, in Rußland, dem Agrarland, den Bauern zu. Die Bauern, deren<br />

ärmster und ausgebeutetster Teil die Revolution unterstützt hatte, waren misstrauisch geworden gegenüber<br />

diesen Revolutionären, die ihnen zwar das Land gegeben, aber das Getreide genommen hatten. Der russische<br />

Bauer - Realist aber kurzsichtig, wie er war -, hatte schon zu erkennen gegeben, dass er zu heftigem<br />

Widerstand fähig war. Für das Verhältnis der Arbeiterschaft zu den Bauern hatte die NEP, indem sie der<br />

privaten Initiative und dem Privatverdienst einige Türen öffnete und Maßnahmen traf, die nichts mehr zu tun<br />

hatten mit den brutalen Requisitionen, die ganz den Bauern zur Last gefallen waren, eine entscheidende<br />

Bedeutung. Die Bolschewiki - die von allen Menschen, die über die Zukunft zu entscheiden haben, am<br />

wenigsten blind sind - wussten sehr gut, dass die Zukunft des sozialistischen Staates in erster Linie auf dem<br />

Bündnis zwischen der produktiven Wirtschaft des flachen Landes und der der Stadt beruhte (wie ja auch die<br />

Revolution selbst nur möglich gewesen war, weil die entscheidenden Schichten der Bauern sie gebilligt,<br />

unterstützt oder jedenfalls hatten geschehen lassen). Die <strong>neue</strong>n Herren proklamierten diesen Grundsatz<br />

ausdrücklich und legten auch in großen Zügen den Rahmen dieses Bündnisses fest. Sie ließen dabei die<br />

Schwerindustrie, die Elektrifizierung, die Perspektiven einer planmäßig aufgebauten Wirtschaft und großer<br />

staatlicher Bauten vorläufig außer acht. Zuerst musste die Revolution befestigt werden durch<br />

Übergangsmaßnahmen, die die dringendsten Ausbesserungen und die Vorbereitung des weiteren Weges<br />

möglich machten. Man durchdrang soweit es ging das flache Land mit genossenschaftlichen Organisationen.<br />

Im übrigen erklärte man nachdrücklich: wir sind auf dem Wege vom Kapitalismus zum Sozialismus, wenn<br />

auch „dem Ausgangspunkt näher als dem Ziel“. In Moskau wurde feierlich erklärt: „Der Staat erteilt<br />

industrielle Konzessionen und schließt Handelsabkommen nur in dem Maße ab, wie die einen oder die<br />

anderen die Grundlagen der Wirtschaft nicht erschüttern.“ Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, wie<br />

man damals in wohlunterrichteten Kreisen über diese Erklärungen gegrinst und selbst laut gelacht hat? Wer<br />

sich damals in den Kopf setzte, zu sagen: „Vertraut den Bolschewiki“, hatte eine undankbare Aufgabe.<br />

„Aha, sie geben schon nach, die wilden Revolutionäre“, erklärten die Neunmalweisen aller Nationen. „Es ist<br />

doch klar: sie gehen jetzt den ersten Schritt zurück zu den guten alten kapitalistischen Methoden. Es ist der<br />

Anfang vom Ende des verrückten sozialistischen Experiments!“ Als im Jahre 1921 Tschitscherin in Italien<br />

mit dem Vertreter Frankreichs, Herrn Colrat, zusammentraf, wurde der Volkskommissar für Auswärtige<br />

Angelegenheiten in seiner kaum begonnenen Rede von dem Franzosen unterbrochen: die Bolschewiki hätten<br />

nicht das Rechtüber politische Ökonomie zu sprechen angesichts der Desorganisation in der Wirtschaft ihres<br />

eigenen Landes. Ich habe nicht die Ehre, Herrn Colrat zu kennen, aber ich kann sagen, dass er ein

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