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Stalin Eine neue Welt

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Wissarion Dshugaschwili, stammte aus dem Dorf Didi-Lilo und war Schuhmacher von Beruf. Er<br />

arbeitete in einer Schuhfabrik im nahen Tiflis, der Hauptstadt Georgiens. Man zeigt in einem<br />

Museum den strickbespannten Schemel, den er benutzt und abgewetzt hat. Wissarion war ein armer<br />

Mann, wenig gebildet, aber gutmütig. Er gab Joseph in die Schule von Gori (ein laubbeschattetes,<br />

einem Bauernhof ähnelndes Häuschen) und später in das Seminar von Tiflis - er tat wirklich alles<br />

für ihn, was er mit seinen Mitteln tun konnte. Dann: Ich kam mit 15 Jahren in die revolutionäre<br />

Bewegung, indem ich in Beziehung zu den Geheimgruppen der russischen Marxisten trat, die es in<br />

Transkaukasien gab. Diese Gruppen übten eine starke Anziehung auf mich aus und ließen mich<br />

Geschmack an der verbotenen Literatur gewinnen... Joseph Wissarionowitsch hielt die Augen<br />

offen. Es gibt unter den Menschen eine Mehrheit, die sich der bestehenden Macht fügt, schweigt<br />

und weitertrottet. Das ist die Herde, von der Tacitus spricht, und von der er sagt, dank dieser<br />

stummen Bürger „kann man alles machen“. Es gibt andere, eine kleine Minderheit, die zu<br />

widersprechen wagen und die sich nicht fügen. Er also hielt die Augen offen und lauschte.<br />

Georgien bildet (mit Armenien und Aserbeidshan) am südlichen Abhang des Kaukasus zwischen<br />

dem Schwarzen dem Kaspischen Meer - Transkaukasien. Am Ende einer langen und ruhmreichen<br />

Geschichte verlor Georgien (letzter „Wall“ der Christenheit gegen die Türken) seine<br />

Unabhängigkeit und wurde im 19. Jahrhundert in die Peripherie des russischen Zarenreiches<br />

eingegliedert. Von St. Petersburg aus unternahmen es die Großrussen, das Land zu<br />

entnationalisieren und zu russifizieren, wie sie es mit all den verschiedenen Teilen des gewaltigen<br />

kaiserlichen Flickreiches taten, und wie es die großen Länder immer mit den annektierten Gebieten<br />

und den Kolonien getan haben: die Metropole schluckt, und dann versucht sie mit Hilfe aller<br />

möglichen Kunstgriffe zu verdauen, in erster Reihe aber mit Hilfe von Brutalität und Verfolgung.<br />

(Im eigentlichen Rußland begnügte sich der Zar damit, das Volk jeder Freiheit und, im größten<br />

Umfang, jeder Bildung zu berauben.) Fremde Völker, wie die Georgier, zu beherrschen, hieß gegen<br />

sie wüten. Man hat damals mit Recht sagen können: „Die Völker Kaukasiens haben nur ein Recht,<br />

nämlich das, gerichtet zu werden.“ Sie durften nur seufzen, und auch das nur in russischer Sprache.<br />

So entstand in dieser dem Herrscherland direkt angegliederten Kolonie eine nationalistische<br />

Strömung mit der Befreiung Georgiens als Idealziel. Das Problem wurde dadurch kompliziert, dass<br />

eine große Zahl verschiedener Rassen nicht nur in Transkaukasien sondern auch in Georgien<br />

nebeneinander lebten. Außer den Georgiern gab es Armenier, Türken, Juden, Kurden und ein<br />

Dutzend anderer Stämme. Und diese bunte Herde von Untertanen, alle gleich verfolgt von den<br />

Russen, lebte untereinander in ewigem Kriegszustand. Wenn sie es gekonnt hätten, hätten sie sich<br />

nicht nur auf die Petersburger Kettenhunde gestürzt, sondern wären vielleicht noch heftiger alle<br />

übereinander hergefallen.<br />

Neben dieser alten separatistischen Strömung, die in einer ziemlich starken „föderalistischen“<br />

Partei ihren Ausdruck fand, gab es noch die sozialistische Bewegung. Alle die großen<br />

Gruppierungen, die in der allgemeinen Freiheitsbewegung in Rußland bestanden, bildeten sich<br />

ziemlich schnell auch im Kaukasus aus. Nach der Niederlage im Krimkrieg von 1856 (es sind<br />

immer die Kriege, die die Völker am tiefsten aufwühlen)- kam es zu einer Gegenbewegung gegen<br />

den Absolutismus, der Rußland im Vergleich mit den großen Ländern des Westens im Zustand<br />

einer besonderen und privilegierten Barbarei hielt. <strong>Eine</strong> reformistische Bourgeoisie, die die besten<br />

Absichten verfolgte, richtete ihre Blicke auf das „Licht aus dem Westen“. 1860 - 1869: Reformen<br />

kommen diesen Tendenzen entgegen. Die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Schaffung der<br />

Semstwos (Gemeindeselbstverwaltung), eine Reorganisation des Gerichtswesens. Aber so viel<br />

Staub diese Reformen aufwirbelten, man konnte bald feststellen, dass sie nicht viel an der Lage<br />

änderten. Die Aufhebung der Leibeigenschaft war von nichts weniger diktiert als von<br />

Gleichheitsbestrebungen. Sie verfolgte finanzielle Zwecke, kam praktisch dem Grundbesitz zugute<br />

und war schließlich aus politischen Erwägungen geboren: „Damit die Befreiung der Bauern nicht<br />

von selbst, nicht von unten kommt“ (so sagte der Zar selbst). Aus der Enttäuschung entstand die<br />

große Bewegung der Narodniki: Nicht mehr hypnotisiert auf den Westen blicken, sondern im

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