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Eine Schule für alle? - sonderpaedagoge.de!

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<strong>Eine</strong> <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?<br />

Son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung<br />

und verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen im dänischen<br />

Schulsystem.<br />

Schriftliche Hausarbeit im Rahmen <strong>de</strong>r Ersten Staatsprüfung <strong>für</strong><br />

das Lehramt <strong>für</strong> Son<strong>de</strong>rpädagogik, <strong>de</strong>m Staatlichen Prüfungsamt<br />

<strong>für</strong> Erste Staatsprüfungen <strong>für</strong> Lehrämter an <strong>Schule</strong>n in Köln<br />

vorgelegt von:<br />

Jessica Uebelin<br />

Köln, 19.02.2001<br />

Prof. Dr. Januszewski<br />

Seminar <strong>für</strong> Erziehungsschwierigenpädagogik


Einleitung........................................................................... 1<br />

1. Lebenswelt Dänemark ............................................... 4<br />

2.Das dänische Schulsystem ........................................... 15<br />

2.1 Zur Geschichte und Entwicklung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems..15<br />

2.2 Beschreibung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems.................................28<br />

2.3 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>r „folkeskole“.........................................38<br />

2.4 Resümee und aktuelle Diskussion...............................................42<br />

3. „Specialun<strong>de</strong>rvisning“ – son<strong>de</strong>rpädagogische<br />

För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem .......................... 45<br />

3.1 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik und <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Dänemark..................................................45<br />

3.2 Vom „specialcenter“ bis zur „efterskole“ – son<strong>de</strong>rpädagogische<br />

För<strong>de</strong>rung und „specialun<strong>de</strong>rvisning“ heute.....................................58<br />

3.2.1 Was ist „specialun<strong>de</strong>rvisning“? – Gesetze und Definitionen 59<br />

3.2.2 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ................... 62<br />

3.2.3 Welche SchülerInnen erhalten „specialun<strong>de</strong>rvisning“? ........ 63<br />

3.2.4 In welchen Formen wird „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erteilt und<br />

wer ist an <strong>de</strong>ssen Umsetzung beteiligt?.......................................... 66<br />

3.2.5 Vom kleinsten bis zum größten Eingriff............................... 75<br />

3.2.6 Son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung an <strong>de</strong>r „efterskole“............. 76<br />

3.3 Resümee und aktuelle Diskussion...............................................78<br />

4. Verhaltensauffällige SchülerInnen im dänischen<br />

Schulsystem...................................................................... 81<br />

4.1 Begriffsbestimmung: verhaltensauffällige Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche in<br />

Dänemark ..........................................................................................81<br />

4.2 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Unterrichts<br />

verhaltensauffälliger SchülerInnen in Dänemark..............................84<br />

4.3 Organisationsformen, Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Unterrichts mit<br />

verhaltensauffälligen SchülerInnen...................................................90<br />

4.3.1 Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ .. 90<br />

4.3.2 Die verschie<strong>de</strong>nen Organisationsformen .............................. 93<br />

4.4 Resümee und aktuelle Diskussion...............................................97<br />

5. Erfahrungsberichte von verschie<strong>de</strong>nen <strong>Schule</strong>n...... 99<br />

5.1 Das „specialcenter“ <strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“ ...........................99<br />

5.2 „Lille Tjoerngaard“ – zwei „specialklasser“ <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen....................................................................................101<br />

5.3 „Terrasserne“ – eine „observationsskole“.................................106<br />

5.4 „Skolen ved Kaeret“ – eine „specialskole“ <strong>für</strong> SchülerInnen mit<br />

„generellen Lernschwierigkeiten“...................................................109<br />

5.5 „Blykobbe Efterskole“ – eine „efterskole“ mit „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

.........................................................................................................112<br />

5.6 „Efterskole Dueod<strong>de</strong>“ – eine „efterskole“ <strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge“<br />

.........................................................................................................116


6. Die „folkeskole“ – eine <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?.................. 121<br />

7. Schlussresümee.......................................................... 126<br />

Literaturverzeichnis...................................................... 131<br />

Glossar............................................................................ 136


Einleitung<br />

Seit einiger Zeit ist die Integration von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rbedarf in die Regelschule ein wichtiges Thema<br />

in <strong>de</strong>r Heilpädagogik. Dabei wird auch oft geschaut, wie in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

mit <strong>de</strong>r Integration dieser Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen umgegangen wird. Im<br />

Zuge <strong>de</strong>r europäischen Union wird in diesem Bereich verstärkt mit an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn kooperiert, was nicht nur an <strong>de</strong>r Salmanca- Konferenz im Jahre<br />

1996 zu erkennen ist.<br />

Die skandinavischen Län<strong>de</strong>r galten bei <strong>de</strong>r Integration behin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlicher lange Zeit als Vorbild, da sie in einem gut ausgebauten<br />

Wohlfahrtsstaat mit kleinen übersichtlichen <strong>Schule</strong>n schon früh mit <strong>de</strong>r<br />

Integration begannen.<br />

Da ich, seit ich drei Jahre alt bin, regelmäßig im Urlaub nach Dänemark<br />

fahre, habe ich eine beson<strong>de</strong>re Beziehung zu diesem Land und habe mich<br />

dort immer sehr wohl gefühlt. Im Laufe meines Studiums entstand<br />

<strong>de</strong>swegen die I<strong>de</strong>e, mich mit <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in<br />

Dänemark auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Meine Vorstellungen waren damals, dass es in Dänemark kaum noch<br />

Son<strong>de</strong>rschulen gibt und die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r<br />

Hauptsache an <strong>de</strong>r Regelschule stattfin<strong>de</strong>t.<br />

Um mehr über das dänische Schulsystem zu erfahren, habe ich neun<br />

Monate, vom August 1999 bis zum Mai 2000 an <strong>de</strong>r Universität<br />

Kopenhagen am Institut <strong>für</strong> Pädagogik, Philosophie und Rhetorik studiert.<br />

In dieser Zeit habe ich mich mittels Literaturrecherche und <strong>de</strong>m Besuch von<br />

verschie<strong>de</strong>nen <strong>Schule</strong>n mit <strong>de</strong>r dänischen Gesellschaft, <strong>de</strong>m dänischen<br />

1


Schulsystem und <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning (Spezialunterricht)“, <strong>de</strong>r<br />

dänischen son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung, beschäftigt. Diese<br />

Examensarbeit basiert daher v.a. auf <strong>de</strong>n Erkenntnissen, die ich durch diesen<br />

Aufenthalt in Kopenhagen gewonnen habe.<br />

Da das Schulsystem eines Lan<strong>de</strong>s immer mit <strong>de</strong>ssen spezieller Kultur und<br />

Gegebenheiten verbun<strong>de</strong>n ist, wird in dieser Arbeit zunächst durch das<br />

Kapitel „Lebenswelt Dänemark“ ein kurzer Einblick in die Geschichte, die<br />

Geographie und die Gesellschaftsstruktur Dänemarks gegeben. Danach wird<br />

das dänische Schulsystem im allgemeinen mit seiner historischen<br />

Entwicklung und seinen Zielen und Prinzipien dargestellt, welches eine<br />

Grundlage <strong>für</strong> die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung ist.<br />

In <strong>de</strong>m Kapitel „„Specialun<strong>de</strong>rvisning“- son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung im<br />

dänischen Schulsystem“ wird dann die gesamte Bandbreite <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in Dänemark erläutert. Im Anschluss daran<br />

wird noch speziell die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen geschil<strong>de</strong>rt. Um einen Einblick in die Praxis <strong>de</strong>r<br />

sondrpädagogischen För<strong>de</strong>rung in Dänemark zu geben, wer<strong>de</strong>n dann die<br />

<strong>Schule</strong>n beschrieben, die ich während meines Aufenthalts in Dänemark<br />

besucht habe.<br />

Anschließend wird die Frage diskutiert, ob die dänische „folkeskole<br />

(Volksschule)“, die neunjährige Einheitsschule, ihrem selbstgesetztem<br />

Anspruch, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu sein, gerecht wird. Im Schlussresümee<br />

wer<strong>de</strong>n dann die Ergebnisse <strong>de</strong>r Arbeit zusammengefaßt.<br />

Da sich viele wichtige Begriffe nur unzureichend ins Deutsche übersetzen<br />

lassen, wird mit <strong>de</strong>n meisten Begriffen so verfahren, dass sie, wenn sie das<br />

erste Mal erwähnt wer<strong>de</strong>n, kurz, z.T. einfach nur wörtlich, übersetzt und<br />

anschließend erläutert wer<strong>de</strong>n und dann im weiteren <strong>de</strong>r dänische Begriff<br />

verwen<strong>de</strong>t wird. Zusätzlich dazu befin<strong>de</strong>t sich am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Arbeit ein<br />

2


Glossar, in <strong>de</strong>m <strong>alle</strong> dänischen Begriffe, die verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, samt<br />

Übersetzung aufgelistet sind. Einige dieser Begriffe tauchen aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Zusammenhangs, z.B. Verwendung <strong>de</strong>r Mehrzahlform, in leicht verän<strong>de</strong>rter<br />

Version auf. Dazu sei gesagt, das im Dänischen die Mehrzahl durch ein „r“<br />

am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wortes gebil<strong>de</strong>t wird, aus „skole (<strong>Schule</strong>)“ wird also „skoler“.<br />

Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r bestimmte Artikel an das Wort hinten dran gehängt, so<br />

wird aus „en skole (eine <strong>Schule</strong>)“ „skolen (die <strong>Schule</strong>)“, o<strong>de</strong>r aus „et hus<br />

(ein Haus)“ „huset (das Haus)“.<br />

Um die Zitate aus <strong>de</strong>n englischen Texten so wenig wie möglich zu<br />

verfälschen, habe ich diese in <strong>de</strong>r englischen Sprache belassen. Die dänische<br />

Zitate habe ich nach bestem Wissen und Gewissen selber ins Deutsche<br />

übersetzt.<br />

Zu einigen <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Arbeit verwen<strong>de</strong>ten Informationen kann ich lei<strong>de</strong>r<br />

keine Quellenangaben machen, da ich sie während meines Aufenthalts in<br />

Dänemark irgendwo gehört o<strong>de</strong>r gelesen habe. Dies gilt v.a. <strong>für</strong> die<br />

Informationen in <strong>de</strong>m Kapitel „Lebenswelt Dänemark“. Der Großteil <strong>de</strong>r<br />

dort verwen<strong>de</strong>ten Informationen stammt aus meinen Mitschriften aus zwei<br />

Kursen, die ich an <strong>de</strong>r Universität Kopenhagen belegt habe, einem Kurs<br />

über das politische System Dänemarks und einem Kurs über dänische<br />

Kultur und Geschichte, die speziell <strong>für</strong> Austauschstudieren<strong>de</strong> konzipiert<br />

waren.<br />

3


1. Lebenswelt Dänemark<br />

Als ich im August 1999 <strong>für</strong> neun Monate nach Kopenhagen zog, war ich,<br />

wie auch schon in <strong>de</strong>r Einleitung erwähnt, schon mehrmals im Urlaub in<br />

Kopenhagen gewesen. Durch die Urlaube und das, was ich durch die<br />

Medien und Bücher über Dänemark wusste, hatte ich ein sehr positives Bild<br />

von Dänemark.<br />

Die DänInnen erschienen mir offene, freundliche, tolerante und nette Leute<br />

zu sein. Abgesehen davon schienen sie ihren eigenen Kopf zu haben, was<br />

beispielsweise bei <strong>de</strong>r Ablehnung <strong>de</strong>s EU- Maastricht-Abkommens <strong>de</strong>utlich<br />

wur<strong>de</strong>, was mir damals als sehr sympathisch erschien. Auch <strong>de</strong>r Staat als<br />

solches schien mir einem „I<strong>de</strong>al“ recht nah zu kommen, er hatte <strong>de</strong>n<br />

Anschein eines liberalen Staates, welcher <strong>de</strong>n Bürgern viele Freiheiten ließ,<br />

aber trotz<strong>de</strong>m über einen gut ausgebauten Sozialstaat die Bevölkerung<br />

absicherte.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r ersten Dinge, welche ich neben <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>ngängen in<br />

Kopenhagen erledigte, war die Beschaffung eines Telefons. Da ich zur<br />

Untermiete bei einer Familie wohnte, konnte ich <strong>de</strong>ren Telefonanschluss<br />

nicht benutzen und hatte mich daher entschlossen, ein Mobiltelefon mit<br />

Festvertrag zu erstehen. Um <strong>de</strong>n Vertrag abzuschließen, musste ich natürlich<br />

meine Adresse angeben. Als ich dann <strong>de</strong>n isländischen Namen meiner aus<br />

Island stammen<strong>de</strong>n, aber in Dänemark aufgewachsenen, Vermieterin angab,<br />

bat mich <strong>de</strong>r Verkäufer, diesen Namen zu buchstabieren und fügte hinzu:<br />

„Diese isländischen Namen, die sind total schwierig zu schreiben. Wenn die<br />

hier schon leben, dann können die sich auch einen dänischen Namen<br />

zulegen!“.<br />

4


Diese Aussage passte natürlich überhaupt nicht in mein so positives Bild <strong>de</strong>r<br />

toleranten DänInnen und ich war ziemlich geschockt. Während <strong>de</strong>r<br />

darauffolgen<strong>de</strong>n Monate habe ich Dänemark, durch das alltäglich Erleben<br />

und durch die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r dänischen Geschichte und <strong>de</strong>m<br />

dänischen System, von verschie<strong>de</strong>nen Seiten kennen gelernt. Dabei musste<br />

ich auch feststellen, wie schwierig es ist herauszufin<strong>de</strong>n, was eine<br />

Gesellschaft und ein Land ausmacht. Die vielen Eindrücke und<br />

Informationen die ich während meines Aufenthalts in Kopenhagen<br />

gesammelt habe, waren zum Teil wi<strong>de</strong>rsprüchlich und schwer einzuordnen.<br />

Mein daraus entstan<strong>de</strong>nes sehr subjektives Bild von Dänemark möchte ich<br />

in diesem Kapitel darstellen.<br />

Dänemark ist ca. 43.000 qkm groß und besteht aus <strong>de</strong>r Halbinsel Jütland,<br />

welche sich im Nor<strong>de</strong>n Deutschlands an Schleswig-Holstein anschließt, und<br />

ca. 400 Inseln, von <strong>de</strong>nen ungefähr 100 bewohnt sind. Die größten Inseln<br />

sind Seeland, Fünen, Lolland und Falster. Aufgrund <strong>de</strong>r vielen Inseln ist die<br />

Küstenlinie Dänemarks ca. 7000 km lang. Dänemark hat ca. 5,2 Millionen<br />

Einwohner, woraus sich eine Bevölkerungsdichte von 121 Einwohnern pro<br />

Quadratkilometer ergibt. Die Hauptstadt Kopenhagen befin<strong>de</strong>t sich auf<br />

Seeland und hat ca. 500.000 Einwohner, <strong>alle</strong>rdings wohnen in <strong>de</strong>m<br />

Großraum Kopenhagen 1,5 Millionen Menschen, was ungefähr ein Viertel<br />

<strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung Dänemarks ausmacht. Administrativ ist Dänemark<br />

in 14 „amter“ (Bezirke) und 269 „kommuner“ (Gemein<strong>de</strong>n) aufgeteilt,<br />

wobei die „kommuner“ Kopenhagen und Fre<strong>de</strong>riksberg aufgrund ihrer<br />

Größe, Lage und Geschichte einen Son<strong>de</strong>rstatus innehaben und gleichzeitig<br />

„amter“ sind. 1<br />

1 vgl.: Niels Egelund,, Country Briefing –Special Education in Denmark. Kopenhagen 1996<br />

5


Nordrhein-Westfalen hat im Vergleich dazu, bei einer Fläche von ca. 34.000<br />

qkm, ca. 18 Millionen Einwohner, woraus sich eine Bevölkerungsdichte von<br />

523 Einwohnern pro Quadratkilometer ergibt. 2<br />

Es war mir lange nicht bewusst, welchen Unterschied diese<br />

Größenverhältnisse ausmachen. Als dann <strong>alle</strong>rdings in <strong>de</strong>m Stadtteil<br />

Kopenhagens, in <strong>de</strong>m ich wohnte, eine zweistündige Straßenschlacht<br />

stattfand und ich mich über das meines Erachtens viel zu große Medienecho<br />

wun<strong>de</strong>rte, wur<strong>de</strong> mir bewusst, was es be<strong>de</strong>utet, in einem Land mit nur 5,2<br />

Millionen Einwohnern zu wohnen. Für eine so kleine Gesellschaft hatte<br />

diese Straßenschlacht eine größere Be<strong>de</strong>utung, als sie in einem Land mit 80<br />

Millionen Einwohnern gehabt hätte. In einem kleinen Land kennt man sich<br />

untereinan<strong>de</strong>r und somit sind beispielsweise Politiker und Menschen, die in<br />

<strong>de</strong>r Verwaltung arbeiten, näher an <strong>de</strong>r Bevölkerung. Umgekehrt verspürt<br />

man auch als Bürger eine größere Nähe zu Politikern und <strong>de</strong>m Staat an sich.<br />

Dänemark ist jedoch nicht immer ein kleines Land gewesen. Ganz im<br />

Gegenteil, war doch Dänemark lange Zeit die Großmacht in Nor<strong>de</strong>uropa, zu<br />

<strong>de</strong>r Südschwe<strong>de</strong>n, Norwegen, Island, Färöer und Grönland gehörten.<br />

Im Jahre 1659 verlor Dänemark dann erst Südschwe<strong>de</strong>n. 1813 nach einer<br />

vernichten<strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rlage während <strong>de</strong>r napoleonischen Kriege gegen<br />

England ging Dänemark bankrott und verlor <strong>de</strong>swegen Norwegen. 1864<br />

musste nach <strong>de</strong>m Krieg mit Preußen Schleswig-Holstein abgetreten wer<strong>de</strong>n.<br />

Und obwohl Deutschland 1918 Teile dieses Gebietes wie<strong>de</strong>r an Dänemark<br />

zurückgeben musste, wird man auch heute noch manchmal als Deutscher<br />

mit <strong>de</strong>m Vorwurf konfrontiert, dass Deutschland schon damals die<br />

Souveränität <strong>de</strong>s dänischen Staates gefähr<strong>de</strong>te hätte. Nach <strong>de</strong>m zweiten<br />

Weltkrieg 1949 wur<strong>de</strong> dann Island zu einem unabhängigen Staat.<br />

Schließlich wur<strong>de</strong>n auch Grönland und die Färöer weitgehend autonom,<br />

2 vgl.: Lan<strong>de</strong>szentrale <strong>für</strong> politische Bildung (Hrsg.), Die Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r. 50 Jahre<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Stuttgart 1999, S.66<br />

6


obwohl ihr Staatsoberhaupt weiterhin die dänische Königin ist und sie<br />

jeweils von einem Abgeordneten im „folketing“, <strong>de</strong>m dänischen Parlament,<br />

repräsentiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Die ständige Verkleinerung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s hatte zur Folge, dass seit <strong>de</strong>m 19.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt in Dänemark mehr Gewicht auf die Innen- als auf die<br />

Außenpolitik gelegt wur<strong>de</strong>.<br />

Bis ins Jahr 1848 wur<strong>de</strong> Dänemark absolutistisch regiert. In diesem Jahr<br />

kam es zu einer Revolution, <strong>de</strong>ren Ziel die Schaffung einer <strong>de</strong>mokratischen<br />

Verfassung war. Da <strong>de</strong>r damalige König ahnte, dass er gegen diese<br />

For<strong>de</strong>rungen nicht viel unternehmen konnte, gab er <strong>de</strong>n Revolutionären<br />

nach. So kam es 1849 zu <strong>de</strong>r ersten Verfassung in Dänemark und <strong>de</strong>r<br />

Errichtung <strong>de</strong>s dänischen Parlaments, <strong>de</strong>s „folketing“. Der König blieb aber<br />

Oberhaupt <strong>de</strong>s Staates, <strong>de</strong>ssen politische Rechte aber im Laufe <strong>de</strong>r Jahre<br />

immer geringer wur<strong>de</strong>n. So muss die <strong>de</strong>rzeitige Königin Margarethe II. zwar<br />

<strong>alle</strong> Gesetze unterzeichnen, die das „folketing“ beschließt, hat aber keinen<br />

Einfluss auf <strong>de</strong>ren Inhalt.<br />

Zu Anfang <strong>de</strong>r siebziger Jahre <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts entstan<strong>de</strong>n dann drei <strong>de</strong>r<br />

wichtigsten Parteien Dänemarks, „Venstre (Links)“, „Konservative<br />

Folkeparti (Konservative Volkspartei)“ und „Social<strong>de</strong>mokratiet“.<br />

„Venstre“ ist eine Partei, die ursprünglich von Bauern gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, die<br />

sich in dieser Zeit als politisch progressive, liberale Bewegung etabliert<br />

hatten. Der große Einfluss <strong>de</strong>r Bauern ist darauf zurückzuführen, dass die<br />

Industrialisierung in Dänemark erst recht spät begann und ein Großteil <strong>de</strong>r<br />

dänischen Bevölkerung noch bis in die fünfziger Jahre <strong>de</strong>s letzten<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts von <strong>de</strong>r Landwirtschaft o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fischerei lebte. Der Name<br />

„Venstre“ kommt daher, dass diese Partei anfangs politisch links, v.a. im<br />

Vergleich zu <strong>de</strong>n Konservativen, war. Sie entwickelte sich aber schnell zu<br />

einer rechtsliberalen Partei, was 1905 dazu führte dass sich <strong>de</strong>r linksliberale<br />

7


Teil <strong>de</strong>r Partei als „Radikale Venstre“ abspaltete. Die „Konservative<br />

Folkeparti“ und „Social<strong>de</strong>mokratiet“ sind, wie <strong>de</strong>r Name schon sagt die<br />

konservative und die sozial<strong>de</strong>mokratische Partei.<br />

Zusätzlich zu diesen Parteien gibt es momentan vier<br />

sozialistisch/kommunistische Parteien, „Kommunister“, „Venstre Socialister<br />

(Linke Sozialisten)“, „Enhedsliste (Einheitsliste)“, „Socialistisk Folkeparti<br />

(Sozialistische Volkspartei)“, die Parteien „Demokratisk Fornyelse<br />

(Demokratische Erneuerung)“, „Centrum Demokrater“, „Kristeligt<br />

Folkeparti (Christliche Volkspartei)“, welche sich in <strong>de</strong>r „politischen Mitte“<br />

zwischen „Venstre“ und „Radikale Venstre“ bewegen, sowie drei rechte<br />

Parteien, „Fremskridtsparti (Fortschrittspartei)“, „Dansk Folkeparti<br />

(Dänische Volkspartei)“ und „Frihed 2000 (Freiheit 2000)“.<br />

Auf Grund <strong>de</strong>r vielen Parteien kommt es in Dänemark oft zu<br />

Min<strong>de</strong>rheitenregierungen, die sich dann entwe<strong>de</strong>r um „Venstre“ o<strong>de</strong>r<br />

„Social<strong>de</strong>mokratiet“, <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n größten Parteien, bil<strong>de</strong>n.<br />

„Social<strong>de</strong>mokratiet“ koaliert dabei meist mit „Radikale Venstre“ und<br />

„Venstre“ mit „Konservative Folkeparti“. Zu diesen Bündnissen kommen<br />

manchmal noch an<strong>de</strong>re Parteien dazu. Die momentane Regierung besteht<br />

aus einer Koalition von „Social<strong>de</strong>mokratiet“ und „Radikale Venstre“. <strong>Eine</strong><br />

Folge <strong>de</strong>r häufigen Min<strong>de</strong>rheitenregierungen ist, dass die Regierungen auf<br />

wechseln<strong>de</strong> Mehrheiten angewiesen sind und <strong>de</strong>swegen viele Kompromisse<br />

schließen müssen.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Elemente <strong>de</strong>s dänischen Staates ist <strong>de</strong>r Sozialstaat,<br />

<strong>de</strong>ssen Anfänge am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts entstan<strong>de</strong>n. In dieser Zeit gab<br />

es die erste Armen- und Sozialgesetzgebung. Als dann zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Weltwirtschaftskrise 1929 erstmals „Social<strong>de</strong>mokratiet“ und „Radikale<br />

Venstre“ eine gemeinsame Regierung bil<strong>de</strong>ten, kam es zu umfassen<strong>de</strong>n<br />

sozialen Reformen. Diese Entwicklung wur<strong>de</strong> durch die <strong>de</strong>utsche Besetzung<br />

Dänemarks 1940 erstmal unterbrochen. Nach <strong>de</strong>m zweiten Weltkrieg<br />

8


entwickelte sich <strong>de</strong>r Sozialstaat rasch weiter und breitete sich in <strong>alle</strong><br />

Bereiche aus.<br />

Der dänische Sozialstaat beruht dabei auf <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s „humanen<br />

Kapitalismus“. Der Staat hat in diesem Mo<strong>de</strong>ll die Aufgabe, <strong>de</strong>n Wohlstand<br />

zu verteilen und <strong>für</strong> soziale Gleichheit, Gerechtigkeit und Absicherung zu<br />

sorgen. Die soziale Absicherung ist universal und wird nicht wie bei uns<br />

teilweise durch Versicherungen geregelt. Diese Absicherung gilt <strong>für</strong> <strong>alle</strong>, die<br />

in Dänemark wohnen. So war ich beispielsweise automatisch in Dänemark<br />

krankenversichert, da ich länger als drei Monate im Land gewohnt habe. Um<br />

<strong>alle</strong>rdings Sozialhilfe o<strong>de</strong>r Arbeitslosengeld zu bekommen, muss man in<br />

Dänemark gearbeitet haben. Die Ausgaben, die durch dieses System<br />

entstehen, wer<strong>de</strong>n durch hohe direkte und indirekte Steuern (wie z.B. einer<br />

Mehrwertsteuer von 25%) finanziert.<br />

Obwohl <strong>de</strong>r Sozialstaat in <strong>de</strong>n letzten zwanzig Jahren oft <strong>de</strong>r Kritik<br />

ausgesetzt war und es v.a. in <strong>de</strong>n achtziger Jahren unter <strong>de</strong>r konservativliberalen<br />

Koalition aus „Venstre“ und „Konsevative Folkeparti“ zu<br />

Einschnitten in <strong>de</strong>n Sozialstaat kam, ist <strong>de</strong>r Glaube an dieses System<br />

insgesamt noch recht weit verbreitet. Zwar beklagen sich die meisten Leute<br />

darüber, dass sie soviel an Steuern zahlen müssen, sobald jedoch jemand aus<br />

einem an<strong>de</strong>ren Land anmerkt, dass die Steuern in Dänemark zu hoch wären,<br />

wird <strong>de</strong>r dänische Sozialstaat verteidigt und erklärt, dass man <strong>für</strong> die tollen<br />

Leistungen <strong>de</strong>s Staates auch gerne soviel Steuern bezahlen wür<strong>de</strong>.<br />

Bei solchen Gelegenheiten kann man dann feststellen, dass ein Großteil <strong>de</strong>r<br />

Dänen sehr stolz auf ihr Land ist. Dabei sind viele <strong>de</strong>r Meinung, dass gera<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r dänische Sozialstaat mit seinen umfassen<strong>de</strong>n Leistungen ein<br />

herausragen<strong>de</strong>s System ist und bemerken nicht, dass es in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn<br />

Systeme gibt, die vergleichbare Leistungen bringen. Diese Überzeugung,<br />

dass ihr Sozialsystem und auch an<strong>de</strong>re Gesetze, wie z.B. Umweltgesetze,<br />

9


am fortschrittlichsten und besten sind, ist auch ein Grund, warum viele<br />

Dänen <strong>de</strong>r Europäischen Union so ablehnend gegenüber stehen.<br />

In diesem Zusammenhang wird auch <strong>de</strong>utlich, dass das Vertrauen in <strong>de</strong>n<br />

Staat noch recht groß ist. Für dieses Vertrauen wer<strong>de</strong>n aber auch gewisse<br />

Gegenleistungen erwartet. So be<strong>de</strong>utet beispielsweise kostenlose Bildung,<br />

dass <strong>alle</strong> Lehrmittel an staatlichen <strong>Schule</strong>n vom Staat gezahlt wer<strong>de</strong>n und<br />

das <strong>alle</strong> Studieren<strong>de</strong>n innerhalb <strong>de</strong>r Regelstudienzeit monatlich 3500 DKK<br />

(ca. 950 DM) bekommen, die sie auch nicht zurückzahlen müssen.<br />

Ein Grund <strong>für</strong> das positive Verhältnis <strong>de</strong>r DänInnen zu ihrem Staat ist das<br />

Prinzip <strong>de</strong>r „Demokratie von unten“. Dies be<strong>de</strong>utet, dass politische<br />

Verän<strong>de</strong>rungen von einem Großteil <strong>de</strong>r Bevölkerung getragen wer<strong>de</strong>n, bzw.<br />

ihren Ursprung in ihr haben. Zu wichtigen Entscheidungen wer<strong>de</strong>n<br />

Volksabstimmungen durchgeführt. So wur<strong>de</strong> beispielsweise letztes Jahr im<br />

Sommer über die Einführung <strong>de</strong>s Euros abgestimmt. Auch in an<strong>de</strong>ren<br />

Bereichen, wie z.B. an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, sind viele Möglichkeiten zur<br />

Mitbestimmung gegeben.<br />

Wie schon zuvor erwähnt ist <strong>de</strong>r Nationalstolz in Dänemark sehr verbreitet.<br />

Dies merkt man nicht nur daran, dass viele DänInnen ihr System <strong>für</strong> das<br />

Beste halten, son<strong>de</strong>rn auch daran, dass die dänische Flagge zu <strong>alle</strong>n<br />

Gelegenheiten gehißt und genutzt wird. Zum Geburtstag wer<strong>de</strong>n Kuchen<br />

und Brötchen mit kleinen Dänemarkfahnen geschmückt, ähnlich wie an<br />

Weihnachten <strong>de</strong>r Weihnachtsbaum. Viele Wochenendhäuser haben eine<br />

Fahnenstange, von <strong>de</strong>r auch recht häufig Gebrauch gemacht wird. Und nicht<br />

nur nach <strong>de</strong>m Erfolg bei Fußballspielen, son<strong>de</strong>rn auch nach <strong>de</strong>m Gewinn<br />

<strong>de</strong>s „Grand Prix Eurovisison <strong>de</strong> la Chanson“ im letzten Jahr tanzten einige<br />

DänInnen mit Fahnen auf <strong>de</strong>r Straße und feierten „ihren Sieg“.<br />

Während meiner Urlaube in Dänemark habe ich diesen Nationalstolz als<br />

positiv erlebt, da ich die Menschen als offen und freundlich gegenüber<br />

10


Frem<strong>de</strong>n, wie z.B. mir als Touristin, erlebte. Während meines Aufenthalts in<br />

Kopenhagen habe ich dann feststellen müssen, dass einige DänInnen eine<br />

ablehnen<strong>de</strong> Haltung gegenüber Deutschen haben. Diese Haltung hat<br />

sicherlich v.a. geschichtliche Grün<strong>de</strong> (<strong>de</strong>r Krieg 1864 und die <strong>de</strong>utsche<br />

Besatzung 1940), mir ist aber auch teilweise eine recht herablassen<strong>de</strong><br />

Haltung gegenüber Deutschen begegnet, die mit <strong>de</strong>n geschichtlichen<br />

Grün<strong>de</strong>n meines Erachtens wenig zu tun hat. Diese äußerte sich<br />

beispielsweise in Aussagen wie: „Deutsche sehen nicht beson<strong>de</strong>rs gut aus!“.<br />

Viel überraschter war ich <strong>alle</strong>rdings darüber, dass die DänInnen gar nicht so<br />

offene Leute sind, wie ich immer gedacht hatte. Ich habe sie im Gegenteil<br />

als verschlossene Menschen erlebt, an die man schwer herankommen kann.<br />

Mit jeman<strong>de</strong>n in einer Kneipe o<strong>de</strong>r auf einer Party ins Gespräch zu<br />

kommen, war nach ein paar Bier kein Problem. Ob einen <strong>de</strong>rjenige bei einer<br />

zufälligen Begegnung an <strong>de</strong>r Universität noch wie<strong>de</strong>rerkannte, war eine<br />

an<strong>de</strong>re Frage. Es hat auch bis kurz vor <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> meines Aufenthalts<br />

gedauert, bis sich die dänischen KommilitonInnen in meinem Seminar in<br />

<strong>de</strong>n Pausen mit mir unterhielten und mich fragten, was ich <strong>de</strong>nn genau<br />

studieren wür<strong>de</strong> und warum ich dies in Dänemark täte. An<strong>de</strong>re<br />

Austauschstudieren<strong>de</strong> machten ähnliche Erfahrungen. So erzählte mir ein<br />

italienischer Freund, dass er beson<strong>de</strong>rs in einem Kurs überhaupt keinen<br />

Kontakt zu seinen dänischen Mitstudieren<strong>de</strong>n bekommen wür<strong>de</strong> und er als<br />

einziger Austauschstudieren<strong>de</strong>r Außenseiter in <strong>de</strong>m Kurs wäre. Auf einer<br />

Party seines Fachbereiches fingen seine KommilitonInnen zu seinem<br />

Erstaunen an, sich mit ihm zu unterhalten. Nach dieser Party, im nüchternen<br />

Zustand, verhielten sie sich Ihm gegenüber aber wie<strong>de</strong>r genauso wie vorher.<br />

Viele DänenInnen sind sich dieser Verschlossenheit bewusst und geben zu,<br />

dass es schwierig ist, an sie heranzukommen. Woher dieses Problem kommt,<br />

ist mir immer noch schleierhaft, vor <strong>alle</strong>m da die DänInnen nach ein paar<br />

Bier direkt viel offener und redseliger wer<strong>de</strong>n. Auf mich wirkte diese<br />

Verschlossenheit oft wie eine Mischung aus Egozentrik und Schüchternheit.<br />

11


Die dänische Königin Margarethe II. macht <strong>für</strong> diese Eigenschaft, welche<br />

sie in einem Interview anlässlich ihres 60. Geburtstages im April letzten<br />

Jahres kritisierte, die Dorfmentalität <strong>de</strong>r DänInnen verantwortlich. „In einer<br />

Dorfgemeinschaft kann man zugleich zusammenkleben und einan<strong>de</strong>r doch<br />

<strong>de</strong>n Rücken zuwen<strong>de</strong>n“ 3 . In diesem Interview kritisierte sie auch zum<br />

wie<strong>de</strong>rholten Male die mangeln<strong>de</strong> Toleranz <strong>de</strong>r DänInnen Einwan<strong>de</strong>rern<br />

gegenüber. „Den Dänen ist wohl auch klar gewor<strong>de</strong>n, dass Toleranz nicht<br />

mehr so leicht ist, wie zu <strong>de</strong>n Zeiten, als wir sie nicht brauchten.“ 4<br />

Das die DänInnen so große Schwierigkeiten damit haben, ihre ausländischen<br />

Mitbürger zu integrieren, hatte ich nicht erwartet. Aber Dänemark ist<br />

beispielsweise das Land in <strong>de</strong>r EU mit <strong>de</strong>n größten Schwierigkeiten,<br />

ausländische Arbeitnehmer in <strong>de</strong>n Arbeitsmarkt zu integrieren. Die<br />

Arbeitslosenquote bei ausländischen Arbeitnehmern ist sehr hoch. Zu <strong>de</strong>r<br />

Zeit, in <strong>de</strong>r ich in Dänemark war, lief aus diesem Grund eine Kampagne, um<br />

die dänische Bevölkerung über diesen Missstand aufzuklären. Mich<br />

erstaunten auch die Diskussionen, über die man in Zeitungen lesen konnte.<br />

So wur<strong>de</strong> in verschie<strong>de</strong>nen Zeitungen diskutiert, ob Frauen, die ein<br />

Kopftuch tragen, ihr Kopftuch während <strong>de</strong>r Arbeit in einem Supermarkt<br />

aufbehalten dürfen o<strong>de</strong>r nicht. Wie weit verbreitet Auslän<strong>de</strong>rfeindlichkeit<br />

verbreitet ist, sieht man nicht nur daran, dass die rechtspopulistische Partei<br />

„Dansk Folkeparti“ in Umfragen bis zu 15% <strong>de</strong>r Stimmen erhält, son<strong>de</strong>rn<br />

auch an Äußerungen an<strong>de</strong>rer PolitikerInnen. So sagte die Sozialministerin<br />

Karen Jespersen, dass <strong>alle</strong> kriminellen Einwan<strong>de</strong>rer am besten auf eine ö<strong>de</strong><br />

Insel ausgewiesen wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

Die Dorfmentalität <strong>de</strong>r DänInnen hat aber auch ihre positiven Seiten. Ist<br />

man ein Teil <strong>de</strong>r „Dorfgemeinschaft“, ist man sich sehr nah. Diese Seite <strong>de</strong>r<br />

3<br />

Zitat: Königin Margarethe II. In: Thomas Borchert, Königin: Dänen haben Dorfmentalität.<br />

WAZ, 10.4.2000<br />

4<br />

Zitat: wie 3<br />

12


Dorfmentalität kann man auch daran erkennen, dass es die DänInnen gerne<br />

„hyggelig“ haben. Das Wort „hyggelig“ kann man am ehesten mit<br />

„gemütlich“ übersetzen, damit erfasst man <strong>alle</strong>rdings nicht die ganze<br />

Be<strong>de</strong>utung dieses Wortes. Mit „hyggelig“ wer<strong>de</strong>n die Situationen<br />

beschrieben, in <strong>de</strong>nen es einem gut geht, v.a. wenn man mit an<strong>de</strong>ren<br />

zusammenkommt. Hat man mit Freun<strong>de</strong>n zusammengesessen, sich<br />

unterhalten und dabei vielleicht was getrunken, so bedankt man sich am<br />

En<strong>de</strong> und sagt: „Det var hyggeligt!“. Im Deutschen wür<strong>de</strong> man in so einer<br />

Situation eher sagen: „Das war nett!“. Zu <strong>de</strong>m Wort „hyggelig“ gibt es<br />

außer<strong>de</strong>m ein Verb „hygge“, was sich auch nur unzureichend mit „sich<br />

gemütlichen machen“ übersetzt wer<strong>de</strong>n kann. Ich empfin<strong>de</strong> die von <strong>de</strong>m<br />

Verb „hygge“ beschriebene Handlung als aktiver und länger als das, was ich<br />

unter „es sich gemütlich machen“ verstehe, und auch das<br />

Be<strong>de</strong>utungsspektrum dieses Wortes ist größer und kann in bestimmten<br />

Zusammenhängen beispielsweise auch „schmusen“ be<strong>de</strong>uten. „Hygge“ ist<br />

dabei nicht nur das Verb, son<strong>de</strong>rn auch das Substantiv zu <strong>de</strong>m Wort<br />

„hyggelig“.<br />

„Hygge“ und „hyggelig“ ist ein wichtiger Bestandteil <strong>de</strong>r dänischen<br />

Gesellschaft, und was man auch an <strong>de</strong>m fast schon inflationären Gebrauch<br />

dieser Wörter sehen kann. Interessanterweise halten viele DänInnen „hygge“<br />

<strong>für</strong> etwas urdänisches, was man nicht in an<strong>de</strong>re Sprachen übersetzen kann<br />

und was man <strong>de</strong>swegen auch nicht in seiner Ganzheit begreifen kann, wenn<br />

man nicht aus Dänemark kommt. <strong>Eine</strong>rseits zeigt sich hier meines Erachtens<br />

wie<strong>de</strong>r die Dorfgemeinschaft, die zusammenhängt und dabei an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>n<br />

Rücken zukehrt. An<strong>de</strong>rerseits verbin<strong>de</strong> auch ich mit <strong>de</strong>m dänischen<br />

„hyggelig“ etwas Beson<strong>de</strong>res, nämlich eine Lebenseinstellung, bei <strong>de</strong>r man<br />

sich nicht ständig an bestimmte Konventionen und Regeln halten muss.<br />

„Hyggelig“ be<strong>de</strong>utet <strong>für</strong> mich, dass sich fast <strong>alle</strong> direkt duzen und mit <strong>de</strong>m<br />

Vornamen ansprechen, dass <strong>de</strong>r Lehrer meines Dänischkurses ab und zu ein<br />

Bier während <strong>de</strong>s Unterrichts trank, dass ich auf eine Anfrage um<br />

Informationen einen Brief aus <strong>de</strong>m Unterrichtsministerium bekam <strong>de</strong>r mit<br />

13


„Kaere Jessica (Liebe Jessica)“ begann, dass Kin<strong>de</strong>r überall<br />

mithingenommen wer<strong>de</strong>n können und vieles mehr. Ich habe dies als sehr<br />

positiv empfun<strong>de</strong>n und mich in Dänemark, trotz <strong>de</strong>r Verschlossenheit vieler<br />

Leute, immer sehr wohl gefühlt.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Sache die ich als sehr positiv empfun<strong>de</strong>n habe, ist die Stellung<br />

<strong>de</strong>r Frau in <strong>de</strong>r dänischen Gesellschaft. Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit <strong>de</strong>r<br />

Däninnen ist berufstätig, was u.a. dadurch ermöglicht wird, dass es<br />

zahlreiche Kin<strong>de</strong>rkrippen gibt, in <strong>de</strong>nen Kin<strong>de</strong>r ab sechs Monate betreut<br />

wer<strong>de</strong>n. Dies be<strong>de</strong>utet auch, dass ein Großteil <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r an Institutionen<br />

gewöhnt sind, wenn sie in die <strong>Schule</strong> kommen. Außer<strong>de</strong>m habe ich in<br />

Dänemark <strong>de</strong>utlich mehr Väter Kin<strong>de</strong>rwagen schiebend auf <strong>de</strong>r Straße<br />

gesehen als in Deutschland. Die Frauen auf <strong>de</strong>n Straßen wirken sehr<br />

selbstbewusst und selbstsicher. Dies <strong>alle</strong>s weist darauf hin, dass die<br />

Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau weit fortgeschritten ist.<br />

Ich habe mich während meines Aufenthalts in Dänemark oft über die<br />

DänInnen geärgert, über ihre Verschlossenheit, ihren Rassismus und ihre<br />

Überzeugung, sie hätten die fortschrittlichsten Gesetze. Trotz<strong>de</strong>m sind sie<br />

mir in dieser Zeit sehr ans Herz gewachsen und ich plane bereits meinen<br />

nächsten längeren Dänemarkaufenthalt. Deswegen möchte ich dieses<br />

Kapitel mit <strong>de</strong>m Satz schließen, mit <strong>de</strong>m die Königin je<strong>de</strong>s Jahr ihre<br />

Neujahrsansprache been<strong>de</strong>t.<br />

GUD BEVAR DANMARK. (Gott bewahre Dänemark.)<br />

14


2.Das dänische Schulsystem<br />

2.1 Zur Geschichte und Entwicklung <strong>de</strong>s dänischen<br />

Schulsystems<br />

Die ersten Schulgesetze in Dänemark entstan<strong>de</strong>n schon im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />

1708 wur<strong>de</strong> im „Bedürftigengesetz“ <strong>de</strong>r Bedarf <strong>für</strong> <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land<br />

festgestellt, woraufhin ca. 240 „rytterskoler (Reiterschulen)“ im ganzen<br />

Land entstan<strong>de</strong>n. 5 Religionsunterricht war in diesen <strong>Schule</strong>n das Hauptfach,<br />

die Schüler konnten aber freiwillig auch Lesen, Schreiben und Rechnen<br />

lernen. In diesem Fall mussten aber die Eltern die Unterrichtsmaterialien<br />

bezahlen, ansonsten war <strong>de</strong>r Unterricht kostenfrei. 6 Diese <strong>Schule</strong>n hießen<br />

übrigens „rytterskoler“, weil Dänemark damals in zwölf „rytter“- Bezirke<br />

eingeteilt war.<br />

Abgesehen von diesen <strong>Schule</strong>n existierten, vor <strong>alle</strong>m in <strong>de</strong>n Städten,<br />

kirchliche „latinskoler (Lateinschulen)“, <strong>de</strong>ren Ursprünge bis ins 13.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt zurückgehen, bürgerliche „danske skoler eller skriveskoler<br />

(dänische <strong>Schule</strong>n o<strong>de</strong>r Schreibschulen)“ 7 und „fattigskoler<br />

(Armenschulen)“ welche stark von <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen, pietistischen<br />

Professor und Geistlichen A.H. Francke inspiriert waren. 8<br />

1736 wur<strong>de</strong> die Konfirmation in Dänemark eingeführt, was <strong>für</strong> die<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s Schulwesens insofern be<strong>de</strong>utsam ist, dass <strong>alle</strong><br />

Konfirman<strong>de</strong>n die Erklärungen von Luthers Katechismus lesen können<br />

5<br />

vgl.: Danmark. Uddannelse. in Den Store Danske Encyclopaedi, Bd. 4. Gyl<strong>de</strong>ndal.<br />

Kopenhagen 1996, S. 487<br />

6<br />

vgl.: K. Grue-Soerensen und Thyge Winter-Jensen: Paedagogikkens Hvem Hvad Hvor.<br />

In: Den danske skoles udvikling. Politikens Forlag 1978, S. 63<br />

7<br />

vgl.: wie 6, S. 59<br />

8<br />

vgl.: wie 6, S. 62<br />

15


mussten und war man nicht konfirmiert, konnte man we<strong>de</strong>r heiraten, noch<br />

Land und einen dazugehörigen Bauernhof erwerben. 9<br />

Im Jahre 1739 wur<strong>de</strong> dann erstmals die Unterrichtspflicht <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r von<br />

sechs Jahren bis zur Konfirmation eingeführt. Die Fächer, welche<br />

unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollten, waren wie in <strong>de</strong>n „rytterskoler“ Religion und<br />

Schreiben, Lesen und Rechnen auf freiwilliger Basis. Da aber die Kosten <strong>für</strong><br />

die <strong>Schule</strong>n von <strong>de</strong>r lokalen Bevölkerung getragen wer<strong>de</strong>n sollten und ein<br />

Grossteil <strong>de</strong>r Bevölkerung kein Interesse an Unterricht hatte, wur<strong>de</strong> dieses<br />

Gesetz in <strong>de</strong>r Praxis kaum umgesetzt. 10<br />

Daher kann man erst mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1814, welches in 25-jähriger<br />

Arbeit von <strong>de</strong>r sogenannten großen Schulkommission erarbeitet wur<strong>de</strong>, von<br />

einer lan<strong>de</strong>sweiten Einführung <strong>de</strong>r Unterrichtspflicht sprechen. Die<br />

Unterrichtspflicht umfasste <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r zwischen sieben und vierzehn<br />

Jahren. Da die Kin<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Land oft ihren Eltern bei <strong>de</strong>r Arbeit helfen<br />

mussten, mussten sie in <strong>de</strong>r Regel nur dreimal in <strong>de</strong>r Woche zur <strong>Schule</strong><br />

gehen. Die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Stadt hatten je<strong>de</strong>n Tag Unterricht, durften sich aber<br />

aussuchen, ob sie vormittags o<strong>de</strong>r nachmittags zur <strong>Schule</strong> gehen wollten. 11<br />

Die Schüler wur<strong>de</strong>n je nach Alter und Können in zwei Klassen aufgeteilt<br />

und in <strong>de</strong>n Fächern Religion, Schreiben, Rechnen und Lesen unterrichtet,<br />

wobei es wichtig war, dass Bücher gelesen wer<strong>de</strong>n sollten, in <strong>de</strong>nen auch<br />

etwas über Geografie und die Geschichte Dänemarks stand. 12 Ziel <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts war es, „ ... die Kin<strong>de</strong>r zu guten und rechtschaffen<strong>de</strong>n Menschen<br />

zu bil<strong>de</strong>n, in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>r christlich-evangelischen Lehre,<br />

gleichzeitig ihnen das Wissen und die Fertigkeiten beizubringen, die da<br />

notwendig sind um glückliche Bürger im Staate zu wer<strong>de</strong>n.“ 13 .<br />

9 vgl.: wie 6, S. 64<br />

10 vgl.: wie 6, S. 64<br />

11 vgl.. wie 6, S. 70<br />

12 vgl.: wie 6, S. 70 f<br />

13 Zitat wie 6, S. 71<br />

16


Die Kosten <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong>n wur<strong>de</strong>n weiterhin von <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

getragen, <strong>alle</strong>rdings wur<strong>de</strong> eine Geldstrafe <strong>für</strong> diejenigen eingeführt, die<br />

ohne Grund <strong>de</strong>m Unterricht fernblieben. <strong>Eine</strong> weitere wichtige Än<strong>de</strong>rung<br />

dieses Gesetzes war, dass erstmalig von <strong>de</strong>n Lehrern eine<br />

„Seminariumsausbildung“ verlangt wur<strong>de</strong>, da aber zeitweise sehr großer<br />

Lehrermangel herrschte, wur<strong>de</strong>n auch viele Lehrer ohne Ausbildung<br />

eingestellt. 14<br />

Dieses Gesetz blieb als Rahmengesetz das ganze 19.Jahrhun<strong>de</strong>rt hindurch<br />

bestehen, <strong>alle</strong>rdings war die Durchführung dieses Gesetzes anfangs sehr<br />

schwierig. Es fehlte an finanziellen Mitteln - <strong>de</strong>r dänische Staat war im<br />

Jahre 1813 bankrott gegangen - und auch immer noch an <strong>de</strong>m Willen v.a.<br />

<strong>de</strong>r Landbevölkerung. Das Niveau <strong>de</strong>s Unterrichts war niedrig und teilweise<br />

ließ <strong>de</strong>r Lehrer die guten Schüler die Schwächeren unterrichten. Allerdings<br />

wur<strong>de</strong> im Laufe <strong>de</strong>r Zeit immer mehr darauf geachtet, dass nur Lehrer mit<br />

einer entsprechen<strong>de</strong>n Ausbildung unterrichteten. 15 Trotz <strong>de</strong>r anfänglichen<br />

Schwierigkeiten gilt das Jahr 1814 als das Geburtsjahr <strong>de</strong>r „folkeskole“. 16<br />

Der Unterschied zwischen <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land und <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r<br />

Stadt war ziemlich groß. Die Landbevölkerung war, wie bereits erwähnt<br />

nicht son<strong>de</strong>rlich am Schulunterricht interessiert und da die Bevölkerung<br />

selber <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>n zahlen musste, waren die <strong>Schule</strong>n oft in<br />

einem schlechtem Zustand. Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts entstan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>swegen<br />

in Stadt und Land private <strong>Schule</strong>n. Während die wohlhaben<strong>de</strong>n Bürger in<br />

<strong>de</strong>n (Kaufmanns-) Städten <strong>für</strong> ihre Kin<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>n errichten ließen, in <strong>de</strong>nen<br />

sie die Fertigkeiten erlernen sollten, die wichtig <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l waren, wie<br />

etwa Sprachen, Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer 17 , so waren<br />

14 vgl.: wie 6, S. 70 ff<br />

15 vgl.: wie 6, S. 72 ff<br />

16 vgl.: wie 5<br />

17 vgl.: wie 6, S. 76 f<br />

17


die <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> mehr auf eine an<strong>de</strong>re Art <strong>de</strong>s Lernens<br />

ausgerichtet und sollten die Schüler in ihrem Selbstwertgefühl bestärken.<br />

Diese Bewegung <strong>de</strong>r sogenannten „friskoler (freie <strong>Schule</strong>n)“ wur<strong>de</strong> von<br />

liberalen Kräften getragen, die in <strong>de</strong>n privaten <strong>Schule</strong>n auch eine Alternative<br />

zu <strong>de</strong>r staatsbestimmten <strong>Schule</strong> sahen. Durch das Erstarken <strong>de</strong>r liberalen<br />

Bewegung kam es im Jahre 1849 auch zu <strong>de</strong>r Einführung einer freien<br />

Verfassung in Dänemark und im Jahre 1855 zur Schaffung eines Gesetzes,<br />

welches die „friskoler“ legitimierte. 18<br />

Die „friskole“- Bewegung wur<strong>de</strong> in dieser Zeit v.a. durch die Namen N.S.F.<br />

Grundtvig und Christen Kold geprägt, welche auch heute noch einen großen<br />

Stellenwert in <strong>de</strong>r Pädagogik, v.a. <strong>de</strong>r „friskoler“ und „folkehoejskoler<br />

(Volkshochschulen)“, in Dänemark haben. 19 N.S.F Grundtvig war ein<br />

Pfarrer, <strong>de</strong>ssen Auffassung es war, dass man <strong>de</strong>n Menschen die Religion mit<br />

<strong>de</strong>m „lebendigem Wort“, also durch die freie Re<strong>de</strong> näher bringen sollte und<br />

nicht nur durch die Bibel. Diese Theorie übertrug er auch auf die Pädagogik,<br />

in<strong>de</strong>m er <strong>Schule</strong>n grün<strong>de</strong>n wollte, in <strong>de</strong>nen nicht nur aus Büchern gelernt<br />

wur<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn im Dialog zwischen Schülern und Lehrer Erkenntnis<br />

gewonnen wird. 20 Grundtvig hielt nicht sehr viel von <strong>de</strong>n existieren<strong>de</strong>n<br />

<strong>Schule</strong>n und bezeichnete beispielsweise seine eigene Schulzeit an einer<br />

„latinskole“ als verlorene Zeit.<br />

Nicht nur was die Pädagogik, son<strong>de</strong>rn auch was die Fächer angeht, hatte<br />

Grundtvig seine eigenen Vorstellungen. Religion war seiner Meinung nach<br />

kein Schulfach, viel wichtiger erschien es ihm, dass man neben Rechnen,<br />

Schreiben und Lesen etwas über die Geschichte Dänemarks, die Natur,<br />

Gedichte und Märchen lernen sollte. Obwohl Grundtvig Unterstützer <strong>für</strong><br />

18 vgl.: wie 6, S.79<br />

19 vgl.: wie 6, S. 79<br />

20 vgl.: Meike Knaack, Dialogisches Prinzip und Bildung <strong>für</strong> <strong>alle</strong>: <strong>de</strong>r Theologe und<br />

Pädagoge N.F.S. Grundtvig. In: M.A. Kreienburg u.a. (Hrsg.): Bildungslandschaft Europa.<br />

Zehn Schulsysteme im aktuellen Vergleich. Kleine Verlag. Bielefeld 1997, S. 78 ff<br />

18


seine I<strong>de</strong>en fand, errichtet er selber keine <strong>Schule</strong> nach seinen I<strong>de</strong>en und<br />

Vorstellungen. 21<br />

Erst Christen Kold, ein Schüler Grundtvigs, errichtete 1844 die erste<br />

„folkehoejskole“ nach Grundtvigs Mo<strong>de</strong>ll. Er grün<strong>de</strong>te in <strong>de</strong>r<br />

darauffolgen<strong>de</strong>n Zeit noch weitere <strong>Schule</strong>n, nicht nur „folkehoejskoler“,<br />

welche ja v.a. <strong>für</strong> Erwachsene vorgesehen waren, son<strong>de</strong>rn auch „efterskoler<br />

(Nachschule)“ <strong>für</strong> 14-18 jährige Jugendliche und „friskoler“ <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r ab<br />

sieben Jahren. 22 Diese <strong>Schule</strong>n mussten sich ganz selbst finanzieren, bis sie<br />

1899 vom Staat bezuschusst wur<strong>de</strong>n 23 , im Gegensatz zu <strong>de</strong>n staatlichen<br />

<strong>Schule</strong>n, welche schon seit <strong>de</strong>m Jahre 1856 finanziell vom Staat unterstützt<br />

wur<strong>de</strong>n. Die „folkehoejskoler“ breiteten sich schnell über das Land aus und<br />

erfreuten sich großer Beliebtheit, aber auch die „friskoler“, welche im Jahr<br />

1880 von ca. 4% <strong>de</strong>r Schüler auf <strong>de</strong>m Land besucht wur<strong>de</strong>n, hatten eine<br />

nicht zu unterschätzen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung. 24<br />

Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts for<strong>de</strong>rten die Universitäten <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s eine<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r „latinskole“ - welche ursprünglich eine kirchliche <strong>Schule</strong><br />

war, in <strong>de</strong>r man zum Priester ausgebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und in <strong>de</strong>r auf lateinisch<br />

unterrichtet wur<strong>de</strong> - in <strong>de</strong>m Sinne, dass sie „ ... die Schüler zu einer wahren<br />

und einer gründlich allgemeinen Bildung führen sollte und gleichzeitig auf<br />

ein aka<strong>de</strong>misches Studium vorbereiten sollte“. 25<br />

Diese For<strong>de</strong>rungen wur<strong>de</strong>n in einem Gesetz zu <strong>de</strong>n „latinskolen“<br />

festgehalten, mit <strong>de</strong>m auch das „stu<strong>de</strong>ntereksamen“ –das dänische Abitur –<br />

eingeführt wur<strong>de</strong>. Die aus diesem Gesetz resultieren<strong>de</strong> <strong>Schule</strong> war<br />

achtjährig, <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r zwischen zehn und achtzehn Jahren, und es wur<strong>de</strong>n<br />

v.a. die Fächer Griechisch, Latein, Deutsch, Französisch, Mathematik und<br />

21 vgl.: wie 6, S.79 ff<br />

22 vgl.: wie 6, S. 79 ff<br />

23 vgl.: wie 5, S. 488<br />

24 vgl.: wie 6, S. 82<br />

25 Zitat, wie 6, S. 83<br />

19


Physik unterrichtet. Im Jahre 1871 wur<strong>de</strong> dieses Gesetz nachgebessert,<br />

in<strong>de</strong>m die Schulzeit an <strong>de</strong>r „latinskole“ auf sechs Jahre verkürzt wur<strong>de</strong> –<br />

vom zwölften bis zum achtzehnten Lebensjahr- und eine Teilung <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

in einen sprachlich- historischen und einen mathematischnaturwissenschaftlichen<br />

Zweig eingeführt wur<strong>de</strong>. 26<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts war das Bild <strong>de</strong>r dänische Schullandschaft<br />

nicht sehr einheitlich. Es gab große Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m Unterricht<br />

auf <strong>de</strong>m Land und in <strong>de</strong>r Stadt, zwischen <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r Armen und <strong>de</strong>r<br />

Reichen und außer<strong>de</strong>m existierte keinerlei Verbindung zwischen <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ und <strong>de</strong>r „latinskole“. 27<br />

Daher wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1903 die „mellemskole<br />

(Mittelschule)“ eingeführt, nach <strong>de</strong>ren Besuch man entwe<strong>de</strong>r weiter in die<br />

einjährige „realklasse“ o<strong>de</strong>r in das dreijährige „gymnasium“ – die frühere<br />

„latinskole“ – gehen konnte. 28 Es wur<strong>de</strong> somit erstmals ein einheitliches<br />

System von <strong>de</strong>r ersten Klasse bis zum „stu<strong>de</strong>ntereksamen“ geschaffen.<br />

Dadurch gingen <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n ersten fünf Jahren zusammen zur <strong>Schule</strong><br />

und es war erstmals <strong>für</strong> begabte Kin<strong>de</strong>r aus armen Verhältnissen möglich,<br />

einen Schulabschluss zu machen, <strong>de</strong>r ihren Begabungen entsprach.<br />

Durch das Gesetz wur<strong>de</strong> auch die Möglichkeit geschaffen, dass<br />

„folkeskoler“ und „friskoler“, „mellemskole“-, „realklasse“- und<br />

„gymnasium“- Abschlüsse abnehmen durften, was dazu führte, dass viele<br />

„folkeskoler“ „mellemskoler“ und „realklasser“ errichteten. 29 Weiterhin<br />

wur<strong>de</strong> mit diesem Gesetz versucht, <strong>de</strong>n Unterschied zwischen <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n<br />

in <strong>de</strong>r Stadt und auf <strong>de</strong>m Land zu verringern, in <strong>de</strong>m festgeschrieben wur<strong>de</strong>,<br />

26 vgl.: wie 6, S. 83 f<br />

27 vgl.: wie 6, S. 84<br />

28 vgl.: wie 5, S. 488<br />

29 vgl.: wie 6, S. 86<br />

20


dass die Kin<strong>de</strong>r „ ... in Klassen nach Alter, Erfolg und Reife“ 30 aufgeteilt<br />

und unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollten.<br />

Dies wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Land <strong>alle</strong>rdings kaum durchgeführt und die meisten<br />

<strong>Schule</strong>n blieben zwei- o<strong>de</strong>r dreiklassig. Auch die Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n pro Woche war in Stadt und Land unterschiedlich, in <strong>de</strong>r<br />

Stadt waren 21 Stun<strong>de</strong>n pro Woche vorgesehen und auf <strong>de</strong>m Land nur 18.<br />

Mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1903 wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Kreis <strong>de</strong>r Fächer, welche<br />

unterricht wer<strong>de</strong>n sollten, erweitert, und in <strong>de</strong>r „folkeskole“ sollte jetzt<br />

Dänisch, Schreiben, Rechnen, Geschichte, Geografie, Gesang und natürlich<br />

Religion unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch auf die Professionalität <strong>de</strong>r Lehrer wur<strong>de</strong> im Zuge dieses Gesetzes<br />

mehr geachtet. Es konnten nur noch diejenigen als Lehrer eingestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, welche am „seminarium“ studiert hatten und ihr Studium<br />

erfolgreich abgeschlossen hatten. Auch <strong>für</strong> das „gymnasium“, die frühere<br />

„latinskole“, gab es eine Än<strong>de</strong>rung in diesem Gesetz. Es wur<strong>de</strong> dort nun<br />

nicht mehr nur in zwei, son<strong>de</strong>rn in drei Zweige unterteilt: in eine klassisch-<br />

sprachliche, eine mathematisch-naturwissenschaftliche und eine neu-<br />

sprachliche. 31<br />

Das einheitliche System, welches mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1903 eingeführt<br />

wur<strong>de</strong>, traf <strong>de</strong>n Nerv <strong>de</strong>r Zeit und die Zahl <strong>de</strong>rjenigen Schüler, welche<br />

„stu<strong>de</strong>ntereksamen“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n „realklasse“- Abschluss machten, stieg stark<br />

an. Allerdings führte das zu <strong>de</strong>m Problem, dass die Schüler, welche nicht<br />

zur „mellemskole“ gingen und die letzten bei<strong>de</strong>n Jahre ihrer<br />

Unterrichtspflicht in <strong>de</strong>r „folkeskole“ verbrachten, fast ausschließlich die<br />

Schüler waren, die nicht son<strong>de</strong>rlich motiviert waren, in die <strong>Schule</strong> zu gehen,<br />

30 Zitat wie 6, S. 84<br />

31 vgl.: wie 6, S. 84 ff<br />

21


weshalb die Lehrer in diesen Jahren dann große Schwierigkeiten mit diesen<br />

Schülern hatten. 32<br />

Deswegen wur<strong>de</strong> im Jahre 1937 ein „folkeskole“- Gesetz verabschie<strong>de</strong>t,<br />

welches die abschlussfreie „mellemskole“ <strong>für</strong> die Schüler einführte, welche<br />

nicht weiter in die „realklasse“ o<strong>de</strong>r in das „gymnasium“ gehen wollten.<br />

Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> durch dieses Gesetz die Möglichkeit geschaffen, dass sich<br />

kleinere <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land zu Zentralschulen zusammenschließen<br />

konnten. 33<br />

Auch die Zielsetzung <strong>de</strong>r „folkeskole“ wur<strong>de</strong> durch dieses Gesetz neu<br />

<strong>de</strong>finiert. Ziel <strong>de</strong>r „folkeskole“ war <strong>de</strong>mnach „ ... to foster and <strong>de</strong>velop the<br />

child´s aptitu<strong>de</strong>s and abilities, to reinforce charcter <strong>de</strong>velopment and<br />

provi<strong>de</strong> them with useful knowledge“. 34<br />

Die abschlussfreie „mellemskole“ hatte nicht <strong>de</strong>n Erfolg, <strong>de</strong>n sich die<br />

Macher erhofft hatten. Im Jahre 1940 wur<strong>de</strong> dann Dänemark von <strong>de</strong>n<br />

Deutschen besetzt, welches viele Entwicklungen und Reformprozesse zum<br />

Stoppen brachte, so auch <strong>de</strong>n Reformprozess <strong>de</strong>s Schulwesens. In <strong>de</strong>n<br />

Jahren nach <strong>de</strong>n zweiten Weltkrieg kam es zu einem Konjunkturaufschwung<br />

in Dänemark, weswegen schon bald die For<strong>de</strong>rung nach einer Verän<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Schulsystems im Raum stand. 35<br />

In <strong>de</strong>m aus dieser For<strong>de</strong>rung resultieren<strong>de</strong>n Schulgesetz von 1958, wur<strong>de</strong><br />

endgültig <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n auf <strong>de</strong>m Land und in <strong>de</strong>r<br />

Stadt abgeschafft. Von diesem Zeitpunkt an mußten auch die Schüler auf<br />

<strong>de</strong>m Land dieselbe Anzahl von Stun<strong>de</strong>n in die <strong>Schule</strong> gehen und wur<strong>de</strong>n<br />

auch in <strong>de</strong>nselben Fächern unterrichtet. Zwar erlaubte das Gesetz auch<br />

32 vgl.: wie 6, S. 87<br />

33 vgl.: wie 6, S. 87<br />

34 Zitat: Harry Hue, Learning in Denmark. In: Discover Denmark- on Denmark, the Danes,<br />

Past, present and Future. Danish Cultural Institute. Kopenhagen 1995, S. 71<br />

35 vgl.: wie 6, S. 88<br />

22


weiterhin kleinen Gemein<strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n, die in nur zwei, drei o<strong>de</strong>r vier<br />

Klassen unterteilt waren, zu errichten, da aber in vielen Gemein<strong>de</strong>n große<br />

Zentralschulen entstan<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> diese Möglichkeit kaum genutzt. 36<br />

<strong>Eine</strong> weitere Än<strong>de</strong>rung dieses Gesetzes war, dass die „mellemskole“ ganz<br />

abgeschafft wur<strong>de</strong>. Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong>n die Schüler nach <strong>de</strong>r fünften Klasse<br />

in drei Leistungsgruppen eingeteilt, welche dann teilweise getrennt<br />

unterrichtet wur<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>r siebten Klasse, mit <strong>de</strong>r man die<br />

Unterrichtspflicht erfüllt hatte, bestand dann die Möglichkeit, entwe<strong>de</strong>r in<br />

die dreijährige „realaf<strong>de</strong>ling (Realabteilung)“ zu gehen o<strong>de</strong>r freiwillig bis<br />

zur zehnten Klasse weiter die „folkeskole“ zu besuchen. Nach<strong>de</strong>m man die<br />

„realaf<strong>de</strong>ling“ besucht hatte, konnte man entwe<strong>de</strong>r einen Abschluss machen<br />

o<strong>de</strong>r auf das „gymnasium“ wechseln. 37<br />

Auch zum Abschluß <strong>de</strong>r „folkeskole“ konnte man, wenn man wollte, nach<br />

<strong>de</strong>r neunten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zehnten Klasse eine „statskontrolleret afgangsproeve<br />

(staatliche kontrollierte Abschlussprüfung)“ o<strong>de</strong>r das „teknisk<br />

forbere<strong>de</strong>lseseksamen (technisches Vorbereitungsexamen)“ ablegen, welche<br />

auf verschie<strong>de</strong>ne Ausbildungen vorbereiteten. Die Intention dieses<br />

Schulgesetzes war, dass mit Hilfe <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gesellschaftliche Unterschie<strong>de</strong><br />

abgebaut wer<strong>de</strong>n konnten, aber auch dass die Begabungen <strong>de</strong>r jungen<br />

Bevölkerung so gut wie möglich genutzt wer<strong>de</strong>n sollten. 38<br />

Auch in pädagogischer Hinsicht wur<strong>de</strong>n einige Än<strong>de</strong>rungen eingeführt, so<br />

kam es erstmals zu Experimenten mit neuen Arbeitsformen wie<br />

beispielsweise Gruppenarbeit. Außer<strong>de</strong>m war <strong>de</strong>r damalige<br />

Unterrichtsminister stark von <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en Grundtvigs beeinflusst, was dazu<br />

führte, dass neben <strong>de</strong>m Lernen aus Büchern auch <strong>de</strong>r handlungsorientierter<br />

Unterricht immer mehr an Be<strong>de</strong>utung gewann, genauso wie das Ziel, dass<br />

36 vgl.: wie 6, S. 90<br />

37 vgl.: wie 6, S. 88 f<br />

38 vgl.: wie 6, S. 88 f<br />

23


die Schüler „Lernen“ lernen sollten. Auch <strong>de</strong>mokratische Prinzipien<br />

erhielten aus diesem Grund Einzug in die <strong>Schule</strong>, genauso wie das<br />

„folkelige“, ein Begriff <strong>de</strong>n man ins Deutsche mit <strong>de</strong>m Wort „volkstümlich“<br />

übersetzen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r aber mehr die Wertschätzung <strong>de</strong>r Gemeinschaft<br />

beschreibt und dabei entwe<strong>de</strong>r die Gemeinschaft <strong>de</strong>s Dorfes, <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>r Stadt, <strong>de</strong>r Gegend o<strong>de</strong>r aber auch <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s meint. 39<br />

Auch das „gymnasium“ wur<strong>de</strong> 1958 neu strukturiert, in<strong>de</strong>m man nur noch in<br />

einen sprachlichen Zweig, in welchem man sich dann <strong>für</strong> die altsprachliche,<br />

die neusprachliche o<strong>de</strong>r die gesellschaftswissenschaftliche Richtung<br />

entschei<strong>de</strong>n konnte, und einen mathematisch- naturwissenschaftlichen<br />

Zweig, in welchem man sich zwischen <strong>de</strong>r mathematisch- physikalischen,<br />

<strong>de</strong>r gesellschaftswissenschaftlichen und <strong>de</strong>r „naturfaglig (naturfachlichen)“<br />

Richtung entschei<strong>de</strong>n konnte, unterteilte. Trotz dieser strengen Unterteilung<br />

gab es Fächer, wie z.B. Religion, Dänisch, Geschichte, welche man in je<strong>de</strong>m<br />

Fall belegen mußte. 40<br />

Im Jahre 1969 wur<strong>de</strong> im „folketing“ ein Neun - Punkte - Programm<br />

verabschie<strong>de</strong>t, in <strong>de</strong>m die Prinzipien einer zehnjährigen „folkeskole“,<br />

welche eine neunjährige Grundschule und ein freiwilliges zehntes Schuljahr<br />

umfasste, festgelegt waren.<br />

Im Jahre 1972 wur<strong>de</strong> dann die Unterrichtspflicht auf neun Jahre erhöht. 41<br />

Außer<strong>de</strong>m begann En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r sechziger Jahre die Dezentralisierung <strong>de</strong>s<br />

Schulsystems, in Folge <strong>de</strong>rer vom Staat nur noch die Rahmenbedingungen<br />

vorgegeben wur<strong>de</strong>n und die Kommunen <strong>für</strong> die Finanzierung <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ und das Ausfüllen <strong>de</strong>r Rahmenbedingungen verantwortlich<br />

waren. 42<br />

39 vgl.: wie 6, S. 88 f<br />

40 vgl.: wie 6, S. 91<br />

41 vgl.: wie 6, S. 91<br />

42 vgl.: wie 6, S. 93<br />

24


Mit <strong>de</strong>m Schulgesetz von 1975 kam es dann zu <strong>de</strong>r endgültigen<br />

Abschaffung <strong>de</strong>r „realaf<strong>de</strong>ling“ und die „folkeskole“ wur<strong>de</strong> zu einer<br />

Einheitsschule, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler von <strong>de</strong>r ersten bis zur neunten Klasse<br />

gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollten und in <strong>de</strong>r die Möglichkeit bestand,<br />

die „boernehaveklasse (Kin<strong>de</strong>rgartenklasse)“ und ein freiwilliges zehntes<br />

Schuljahr zu besuchen. Ab <strong>de</strong>r achten Klasse mussten die Schüler aber dann<br />

in <strong>de</strong>n Fächern Mathematik, Englisch, Deutsch, Physik und Chemie<br />

zwischen <strong>de</strong>m Grundkurs und <strong>de</strong>m erweiterten Kurs entschei<strong>de</strong>n. Die Wahl<br />

zwischen Grundkurs und erweiterten Kurs wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Schülern und<br />

ihren Eltern getroffen. Außer<strong>de</strong>m bestand <strong>für</strong> die Schüler ab <strong>de</strong>r siebten<br />

Klasse die Möglichkeit, zu <strong>de</strong>n 15 obligatorischen Fächern noch Wahlfächer<br />

dazu zu wählen. Nach <strong>de</strong>r neunten und <strong>de</strong>r zehnten Klasse konnte man dann<br />

die „Folkeskolens afgangsproeve (Abschlussprüfung <strong>de</strong>r „folkeskole“)“<br />

o<strong>de</strong>r die „Folkeskolens udvi<strong>de</strong><strong>de</strong> afgangsproeve (erweiterte<br />

Abschlussprüfung <strong>de</strong>r „folkeskole“)“ in <strong>de</strong>n Fächern, in <strong>de</strong>nen man dies<br />

wollte, ablegen. 43 Nach <strong>de</strong>m Besuch <strong>de</strong>r „folkeskole“ konnte man dann auf<br />

das weiterhin dreijährige „gymnasium“ wechseln, um dort das<br />

„stu<strong>de</strong>ntereksamen“ zu machen.<br />

Die Zielsetzung <strong>de</strong>r „folkeskole“ war nach diesem Schulgesetz,<br />

„ ... in collaboration with the parents, to provi<strong>de</strong> pupils with the<br />

opportunities to aquire knowledge, skills, working methods and mo<strong>de</strong>s of<br />

expression, which will contribute to the all- round <strong>de</strong>velopment of the<br />

individual. In all its activities, the Folkeskole must seek to establish<br />

opportunities for experience and self-direction, which will encourage pupils<br />

to increase their eagerness to learn, to use their imagination and to <strong>de</strong>velop<br />

in<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt judgement and view.“ 44 und die Schüler auf „Zusammenleben<br />

und Mitbestimmung in einer <strong>de</strong>mokratischen Gesellschaft und<br />

Mitverantwortung im Lösen von gemeinsamen Aufgaben“ 45 vorzubereiten.<br />

43 vgl.. wie 6, S. 91 f<br />

44 Zitat wie 6<br />

45 Zitat wie 6, S. 92<br />

25


Das Schulgesetz von 1975 war stark von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>ntwicklung in an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn und progressiven Unterrichtstheorien beeinflusst. Dabei wur<strong>de</strong>n<br />

I<strong>de</strong>en wie z.B. Chancengleichheit, das Eingehen auf die Bedürfnisse <strong>de</strong>s<br />

Kin<strong>de</strong>s, Projektarbeit, individuelle Entwicklung <strong>de</strong>r Persönlichkeit <strong>de</strong>s<br />

Kin<strong>de</strong>s aufgenommen und mit Grundtvigs und Kolds I<strong>de</strong>en, wie z.B. die<br />

Betonung <strong>de</strong>r „folkelige“ Tradition, zu einer eigenen dänischen Pädagogik<br />

verbun<strong>de</strong>n. 46<br />

Auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten <strong>de</strong>r Eltern wur<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Gesetz<br />

von 1975 vergrößert. Es wur<strong>de</strong>n die „skolebestyrelse“ und die<br />

„skolekommission“ eingeführt, Schulgremien, in <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r Mehrzahl<br />

Eltern saßen und die beispielsweise über die Besetzung von Lehrerstellen<br />

bestimmten. 47<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r siebziger Jahre wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r damaligen sozial<strong>de</strong>mokratischen<br />

Regierung ein Plan erarbeitet, <strong>de</strong>r das Ziel hatte, eine zwölfjährige<br />

Einheitsschule zu schaffen, also auch das „gymnasium“ in die „folkeskole“<br />

zu integrieren. Dabei sollten Chancengleichheit und gesellschaftlich<br />

relevanter, projektorientierter, fächerübergreifen<strong>de</strong>r Unterricht im<br />

Vor<strong>de</strong>rgrund stehen. 48<br />

Allerdings kam es 1982 zu <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Regierung durch die liberal –<br />

konservative Koalition aus <strong>de</strong>n Parteien „Venstre“ und „Konservative<br />

Folkeparti“, weswegen diese Pläne nicht in die Praxis umgesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />

Statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> mehr Wert auf die Qualität <strong>de</strong>s Unterrichtsstoffes gelegt,<br />

wobei genauer <strong>de</strong>finiert wur<strong>de</strong>, welches Wissen in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern<br />

vorhan<strong>de</strong>n sein musste. Vor <strong>alle</strong>m die „ ... gemeinsamen Erfahrungen als<br />

Volk, die in <strong>de</strong>r Geschichte, <strong>de</strong>r Literatur, <strong>de</strong>r Dichtung, <strong>de</strong>r Kunst, Gesang<br />

46 vgl.: wie 6, S. 72<br />

47 vgl.: wie 6, S. 92 f<br />

48 vgl.: wie 6, S. 92 f<br />

26


und Psalmen, „laerdom“ und Wissenschaft“ 49 sich ausdrückt, sollten einen<br />

größeren Stellenwert im Unterricht erhalten. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n die <strong>Schule</strong>n<br />

dazu angehalten, ein eigenes Schulprofil zu entwickeln. 50<br />

Zu einem neuen Schulgesetz <strong>für</strong> die „folkeskole“ kam es unter <strong>de</strong>r liberalkonservativen<br />

Regierung nicht, <strong>alle</strong>rdings wur<strong>de</strong> die Struktur <strong>de</strong>s<br />

„gymnasium“ verän<strong>de</strong>rt. Anstelle <strong>de</strong>r festgelegten Richtungen in <strong>de</strong>m<br />

sprachlichen und <strong>de</strong>m mathematischen Zweig, wur<strong>de</strong> ein freieres<br />

Fächerwahlsystem innerhalb dieser Zweige eingeführt. 51<br />

1993 kurz nach <strong>de</strong>r Übernahme <strong>de</strong>r Regierung durch eine<br />

sozial<strong>de</strong>mokratisch geführte Koalition, wur<strong>de</strong> das bisher letzte Gesetz zur<br />

„folkeskole“ verabschie<strong>de</strong>t. Darin wur<strong>de</strong> festgelegt, dass <strong>de</strong>r Unterricht an<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“ auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten <strong>de</strong>s einzelnen Schülers<br />

ausgerichtet sein soll und somit stark differenziert wer<strong>de</strong>n muß. Außer<strong>de</strong>m<br />

wur<strong>de</strong> die Unterteilung in einigen Fächern in Grundkurs und erweiterten<br />

Kurs abgeschafft und damit das Prinzip <strong>de</strong>r Einheitsschule weiter<br />

ausgebaut. 52 Wobei hier anzumerken wäre, dass gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n neunziger<br />

Jahren immer weniger Schüler auf diese Einheitsschule gehen, son<strong>de</strong>rn 13%<br />

eine „friskole“ besuchen.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Geschichte <strong>de</strong>s dänischen<br />

Schulsystems sehr früh beginnt, was man u.a. an <strong>de</strong>r sehr frühen Einführung<br />

<strong>de</strong>r Unterrichtspflicht erkennen kann.<br />

Diese frühe Entwicklung im Bereich <strong>de</strong>r Bildungspolitik liegt auch daran,<br />

dass Dänemark Anfang <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts von einer Großmacht in<br />

Nor<strong>de</strong>uropa auf ein kleines Land zusammengeschrumpft war und<br />

49<br />

Zitat: Thyge Winter-Jensen, Dansk uddanelsespolitik og reformarbej<strong>de</strong> i 80´erne og<br />

90´erne. Kopenhagen 1997, S. 4<br />

50<br />

vgl.: wie 49, S. 3 ff<br />

51<br />

vgl.: wie 1, S. 489<br />

52<br />

vgl.: wie 49, S.17 f<br />

27


infolge<strong>de</strong>ssen sich mehr auf die Innen- anstelle von Außenpolitik<br />

konzentrierte.<br />

Die konsequente Entwicklung einer Einheitsschule lässt sich darauf<br />

zurückführen, dass seit <strong>de</strong>n dreißiger Jahren das Land v.a. von<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischen Regierungen geführt wur<strong>de</strong>. Da diese aber oft<br />

Min<strong>de</strong>rheitenregierungen waren, waren die Schulreformen mit<br />

Kompromissen verbun<strong>de</strong>n und wur<strong>de</strong>n größtenteils auch von Teilen <strong>de</strong>r<br />

Opposition unterstützt, was eine hohe Konstanz in <strong>de</strong>r Bildungspolitik zur<br />

Folge hat.<br />

Abgesehen davon ist es in Dänemark bei Reformen in so wichtigen<br />

Bereichen wichtig, dass die I<strong>de</strong>en „von unten“, also vom Volk kommen und<br />

getragen wer<strong>de</strong>n. Dies hat zur Folge, dass die Geschichte <strong>de</strong>s Schulsystems<br />

auch ein Abbild <strong>de</strong>r dänischen Gesellschaft ist.<br />

2.2 Beschreibung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems<br />

In Dänemark besteht die neun-jährige Unterrichtspflicht, welche <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlichen zwischen sieben und sechszehn Jahren umfasst. Man kann<br />

zur Erfüllung dieser Unterrichtspflicht in <strong>de</strong>r staatlichen „folkeskole“, einer<br />

privaten <strong>Schule</strong> o<strong>de</strong>r aber zu Hause unterrichtet wer<strong>de</strong>n. 53 Dabei muss <strong>de</strong>r<br />

Unterricht, welcher außerhalb <strong>de</strong>r „folkeskole“ erteilt wird, auch einem<br />

gewissen Standard entsprechen. „Compulsory education means an<br />

obligation to participate in the teaching provi<strong>de</strong>d in the Folkeskole or in<br />

53 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: The Folkeskole. Kopenhagen 1999<br />

http://www.uvm.dk/eng/publications/factsheets/fact2.htm<br />

28


teaching which is comparable to what is usually required in the<br />

Folkeskole.” 54<br />

Die „folkeskole“ umfasst dabei <strong>de</strong>n Unterricht von <strong>de</strong>r nicht-obligatorischen<br />

„boernehaveklasse“ –welche <strong>alle</strong>rdings von 98% <strong>alle</strong>r Schüler besucht wird<br />

- bis zu <strong>de</strong>m freiwilligen zehnten Schuljahr. 55 Die „folkeskole“ ist eine<br />

Einheitsschule, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler von <strong>de</strong>r ersten bis zur neunten Klasse<br />

gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Fächer, die unterrichtet wer<strong>de</strong>n, sind Dänisch, Religion, Mathematik<br />

und Sport in <strong>alle</strong>n Klassenstufen, Sachunterricht und Musik von <strong>de</strong>r ersten<br />

bis zur sechsten Klasse, Kunst von <strong>de</strong>r ersten bis zur fünften Klasse,<br />

Englisch von <strong>de</strong>r vierten bis zur neunten Klasse, Textil, Werken und<br />

Hauswirtschaft von <strong>de</strong>r vierten bis zur siebten Klasse, Geschichte von <strong>de</strong>r<br />

dritten bis zur achten Klasse, Geografie und Biologie in <strong>de</strong>r siebten und <strong>de</strong>r<br />

neunten Klasse, Physik und Chemie von <strong>de</strong>r siebten bis zur neunten Klasse,<br />

sowie Sozialwissenschaften in <strong>de</strong>r neunten Klasse. Außer<strong>de</strong>m müssen von<br />

<strong>de</strong>r siebten bis zur neunten Klasse Deutsch und Französisch als zweite<br />

Fremdsprache und von <strong>de</strong>r achten bis zur zehnten Klasse verschie<strong>de</strong>ne<br />

Wahlfächer, wie z.B. Informatik, Theater, Fotografie, eine dritte<br />

Fremdsprache (meist Deutsch o<strong>de</strong>r Französisch), Arbeitslehre, angeboten<br />

wer<strong>de</strong>n, wobei das Erlernen einer zweiten Fremdsprache neben Englisch<br />

obligatorisch ist. 56<br />

Der Unterricht in <strong>de</strong>r „boernehavenklasse“ soll „... as far as possible be<br />

given in the form of play and other <strong>de</strong>veloping activities. It shall en<strong>de</strong>avour<br />

to familiarize the children with thed aily routines of school life.” 57 In <strong>de</strong>r<br />

freiwilligen Zehnten Klasse <strong>de</strong>r „folkeskole” haben die Schüler eine relative<br />

54<br />

Zitat: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: Act on the Folkeskole. The Danish Primary and Lower<br />

Secondary School, Chapter 5, 33.(1). Kopenhagen 1994<br />

55<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 3. (1)<br />

56<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 5. (2)<br />

57<br />

Zitat: wie 54, Chapter 2, 11. (1)<br />

29


große Freiheit in <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Fächer. Den Schülern muss Unterricht in <strong>de</strong>n<br />

Fächern Dänisch Mathematik, Sport, Religion, Sozialwissenschaften,<br />

Englisch und Physik/ Chemie angeboten wer<strong>de</strong>n. 58 Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n<br />

meist noch weitere Fächer zur Auswahl gestellt.<br />

Bis zum achten Schuljahr müssen an <strong>de</strong>r „folkeskole“ keine Noten gegeben<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>alle</strong>rdings müssen die Eltern je<strong>de</strong>s halbe Jahr über die Entwicklung<br />

und Leistung ihres Kin<strong>de</strong>s informiert wer<strong>de</strong>n. Dies geschieht in <strong>de</strong>r Form<br />

von schriftlichen Berichten, in <strong>de</strong>nen auch darüber informiert wird, wie<br />

weiterhin <strong>de</strong>r Unterricht geplant wird, um die Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu<br />

för<strong>de</strong>rn. 59 Die Notenskala in Dänemark umfasst die Zahlen null bis<br />

dreizehn, wobei dreizehn die beste Note ist. Da in <strong>de</strong>m Gesetz zur<br />

„folkeskole“ nicht festgelegt ist, was die SchülerInnen in <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Klassenstufen können müssen und da es als wichtig angesehen wird, dass<br />

die Kin<strong>de</strong>r einer Altersstufe gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n, können<br />

SchülerInnen nicht sitzen bleiben. Allerdings besteht die Möglichkeit <strong>für</strong> die<br />

Eltern beantragen zu können, dass ihr Kind ein Schuljahr wie<strong>de</strong>rholt, wenn<br />

da<strong>für</strong> ausreichen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>n sind. 60<br />

Die Anzahl <strong>de</strong>r Schüler einer Klasse in einer „folkeskole“ darf nicht mehr<br />

als 28, in Ausnahmefällen 30, betragen. 61 Die durchschnittliche<br />

Klassenstärke liegt bei 19 SchülerInnen, das Schüler-Lehrer- Quotient bei<br />

10,4. 62<br />

Die Verwaltung und Organisation <strong>de</strong>r „folkeskole“ ist <strong>de</strong>zentral. Der Staat<br />

schafft mit <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ die Rahmenbedingungen, die<br />

Ausfüllung dieser Rahmenbedingungen obliegt <strong>alle</strong>rdings <strong>de</strong>r „kommune“<br />

und <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> selber, wobei <strong>de</strong>r Einfluss <strong>de</strong>r Eltern auf die <strong>Schule</strong> sehr<br />

58<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 8.<br />

59<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 13. (1), (2), (3)<br />

60<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 12. (1)<br />

61<br />

vgl.: wie 54, Chapter 2, 17. (1)<br />

62<br />

vgl.: wie 53<br />

30


groß ist. Dieser Grundsatz ist im ersten Kapitel <strong>de</strong>s Gesetzes unter <strong>de</strong>n<br />

Zielen <strong>de</strong>r „folkeskole“ festgehalten:<br />

„2. (1) The Folkeskole is a municipal matter. It shall be the responsibility of<br />

the municipal council to ensure all children in the municipality free<br />

education in the Folkeskole. The municipal council shall lay down the<br />

targets and the framework of the activities of the schools within the<br />

provision of this act, cf. section 40.<br />

(2) The individual school shall within the given framework be responsible<br />

for the quality of the teaching in accordance with the aims laid down for the<br />

teaching in the Folkeskole, cf section 1, and it shall itself make <strong>de</strong>cisions in<br />

relation to the planning and organisation of the teaching.<br />

(3) Pupils and parents shall cooperate with the school with a view to<br />

meeting the aims of the folkeskole.” 63<br />

Diese Dezentralisierung sieht in <strong>de</strong>r Praxis so aus, dass je<strong>de</strong> Kommune je<br />

nach Anzahl <strong>de</strong>r Schüler, die zur „folkeskole“ gehen Geld bekommt und<br />

dann selber bestimmt, wohin das Geld neben <strong>de</strong>n laufen<strong>de</strong>n Kosten fließt.<br />

Dieses System hat eine hohe Flexibilität zum Ziel, die es je<strong>de</strong>r „kommune“<br />

ermöglicht, eigene Prioritäten im Bereich <strong>de</strong>r Schulpolitik zu setzen. 64<br />

Aber nicht nur die „kommune“ hat einen Einfluss auf das Profil <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die „skolekommission“ <strong>de</strong>r einzelnen <strong>Schule</strong>n hat einen<br />

großen Einfluss darauf. Die „skolekommission“ besteht aus fünf bis sieben<br />

Elternvertretern, zwei Personalvertretern (mit Personal sind <strong>alle</strong> an <strong>de</strong>r<br />

<strong>Schule</strong> beschäftigten gemeint und nicht nur die Lehrer), zwei<br />

Schülervertretern und <strong>de</strong>m Schulleiter. Die Eltern sind in je<strong>de</strong>m Fall<br />

stimmberechtigt. Ob die Personalvertreter und die Schülervertreter<br />

stimmberechtigt sind, entschei<strong>de</strong>t die „kommune“, <strong>de</strong>r Schulleiter hat<br />

63 Zitat.: wie 54, Chapter 1, 2.<br />

64 vgl.: un<strong>de</strong>rvisiningsministeriet: The Education System in General.<br />

http://www.uvm.dk/eng/publications/1prin/1htm<br />

31


<strong>alle</strong>rdings kein Stimmrecht, wobei stets zu beachten ist, dass die Stimmen<br />

<strong>de</strong>r Eltern die Mehrheit bil<strong>de</strong>n. 65<br />

Das Aufgabenfeld dieser „skolekommission“ ist ziemlich groß, so kann die<br />

„skolekommission“ bei <strong>de</strong>r Einstellung von Lehrern zwischen <strong>de</strong>n<br />

Bewerbern entschei<strong>de</strong>n und hat zusätzlich u.a. die Aufgabe, Prinzipien <strong>für</strong><br />

die Aktivitäten <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, die Schulordnung, die Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern und <strong>de</strong>n Haushalt <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

zu bestimmen. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r „skolekommission“ die<br />

Lehrmaterialien genehmigt und über das Angebot von<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ entschie<strong>de</strong>n. 66<br />

Nach <strong>de</strong>r neunten Klasse besteht dann die Möglichkeit in <strong>de</strong>n Fächern<br />

Dänisch, Mathematik, Englisch, Physik/ Chemie und Deutsch bzw.<br />

Französisch die „folkeskolens afgangsproeve“ zu absolvieren. Diese<br />

Abschlussprüfung ist eine Zentralprüfung, was be<strong>de</strong>utet, dass <strong>alle</strong> Schüler<br />

eines Jahrgangs dieselben Aufgaben gestellt bekommen, welche im<br />

„un<strong>de</strong>rvisningsministeriet“ ausgearbeitet wer<strong>de</strong>n. 67<br />

Nach <strong>de</strong>m neunten Schuljahr <strong>de</strong>r „folkeskole“ hat man dann die folgen<strong>de</strong>n<br />

Möglichkeiten:<br />

- das zehnte Schuljahr <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu besuchen und dann die<br />

„udvi<strong>de</strong><strong>de</strong><br />

absolvieren;<br />

afgangsproeve (erweiterte Abschlussprüfung)“ zu<br />

- auf das dreijährige Gymnasium zu wechseln und dort das<br />

„stu<strong>de</strong>ntereksamen“ zu machen;<br />

- das zehnte Schuljahr an <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu absolvieren und dann<br />

die zweijährigen Kurse zum Erlangen <strong>de</strong>s „hoejre<br />

65 vgl.: wie 54, Chapter 6, 42.<br />

66 Vgl.: wie 54, Chapter 6, 44.<br />

67 vgl.: wie 54, Chapter 2, 14. (1), (2), (5)<br />

32


-<br />

forbere<strong>de</strong>lseseksamen (hf) (Höheres Vorbereitungsexamen)“ zu<br />

belegen;<br />

eine <strong>Schule</strong> zu besuchen auf <strong>de</strong>r man eine „erhversfaglige<br />

uddannelse (erwerbsfachliche Ausbildung)“ absolvieren kann;<br />

- eine „individuelle uddannelse (individuelle Ausbildung) zu<br />

durchlaufen. 68<br />

Hat man nach <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> eine min<strong>de</strong>stens einjährige Ausbildung<br />

durchlaufen, besteht außer<strong>de</strong>m die Möglichkeit, eine zwei- o<strong>de</strong>r dreijährige<br />

„erhversgymnasiale uddannelse (erwerbsgymnasiale Ausbildung)“ zu<br />

machen, welche entwe<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m „hoejre han<strong>de</strong>lseksamen (hhx) (höheres<br />

Han<strong>de</strong>lsexamen)“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m „hoejre teknisk eksamen (höheres technisches<br />

Examen)“ abgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann. Für all die <strong>Schule</strong>n, welche auf <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ aufbauen, ist dann nicht mehr die „kommune“ son<strong>de</strong>rn das<br />

„amt“ zuständig. 69<br />

Das „stu<strong>de</strong>ntereksamen“ und das „hoejere forbere<strong>de</strong>seseksamen“<br />

qualifizieren <strong>für</strong> <strong>alle</strong> weiteren Hochschulausbildungen. Mit <strong>de</strong>m „hoejre<br />

han<strong>de</strong>lseksamen“ und <strong>de</strong>m „hoejre teknisk eksamen“ erhält man die<br />

Zulassung <strong>für</strong> ein Hochschulstudium, sowie die Qualifikation <strong>für</strong> bestimmte<br />

Berufe.<br />

Die „erhversfaglige uddannelse“ bereitet v.a. auf bestimmte Berufe vor,<br />

wobei im Gegensatz zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen System aus Berufsschule und Lehre<br />

an einem Betrieb die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nicht bei einem Betrieb beschäftigt<br />

sind, son<strong>de</strong>rn Schüler an einer bestimmten <strong>Schule</strong> sind und dann zu<br />

verschie<strong>de</strong>nen Zeitpunkten Praktika in <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Betrieben<br />

absolvieren. Nach <strong>de</strong>m Abschluss dieser drei- bis vierjährigen Ausbildung,<br />

68 vgl.: wie 34, S. 64<br />

69 vgl.: wie 34, S. 64<br />

33


ist man nicht nur <strong>für</strong> einen bestimmten Beruf qualifiziert, son<strong>de</strong>rn auch <strong>für</strong><br />

bestimmte Hochschulausbildungen. 70<br />

Zusätzlich dazu gibt es noch zwei Arten „individuelle uddannelse“, die<br />

„erhversgrunduddannelse (egu) (Erwerbsgrundausbildung)“ und die „fri<br />

ungdomsuddannelse (fuu) (freie Jugendausbildung)“, welche bei<strong>de</strong> zwei<br />

Jahre dauern. Diese Ausbildungen sind speziell auf <strong>de</strong>n Einzelnen<br />

ausgerichtet und geben Einblick in verschie<strong>de</strong>ne berufliche Bereiche. 71<br />

Neben <strong>de</strong>m öffentlichen Schulsystem gibt es zahlreiche Privatschulen<br />

(„friskoler“), welche auf eine lange Tradition zurückblicken können. Je<strong>de</strong><br />

dänische Staatsbürgerin und je<strong>de</strong>r dänische Staatsbürger hat das Recht eine<br />

Privatschule zu grün<strong>de</strong>n, wobei <strong>alle</strong>rdings einige grundlegen<strong>de</strong> Dinge<br />

beachtet wer<strong>de</strong>n müssen. 72<br />

Wie schon erwähnt muss <strong>de</strong>r Unterricht <strong>de</strong>m Standard <strong>de</strong>s Unterrichts in <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ entsprechen. Außer<strong>de</strong>m müssen einige räumliche und<br />

hygienische Vorraussetzungen gewährleistet sein. Die Privatschulen haben<br />

aber die Freiheit, ihre <strong>Schule</strong> i<strong>de</strong>ologisch so auszurichten, wie sie möchten,<br />

das Lehrpersonal ihrer <strong>Schule</strong> zu bestimmen - was auch be<strong>de</strong>utet, dass auch<br />

Personen angestellt wer<strong>de</strong>n können, die keine Lehrerausbildung absolviert<br />

haben – und die Schüler ihrer <strong>Schule</strong> auszuwählen. Darüber hinaus haben<br />

sie - eingeschränkt durch die oben genannten Bedingungen – die Freiheit,<br />

ihren Lehrplan zu gestalten. 73<br />

Die <strong>Schule</strong>n wer<strong>de</strong>n zu ca. 80% vom Staat finanziert, wobei die restlichen<br />

20% von <strong>de</strong>n Eltern getragen wer<strong>de</strong>n. Diese Prozentzahlen beziehen sich auf<br />

<strong>de</strong>n Betrag, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Staat <strong>für</strong> eineN SchülerIn <strong>de</strong>r „folkeskole“ aufbringt.<br />

Den <strong>Schule</strong>n ist es nicht erlaubt, mehr als diesen Betrag zu verlangen, was<br />

70 vgl.: wie 5, S. 488 f<br />

71 vgl.: wie 5, S. 488 f<br />

72 vgl.: wie 20, S. 88<br />

73 vgl.: wie 20, S. 88<br />

34


zur Folge hat, dass diese Privatschulen keine elitären <strong>Schule</strong>n, wie dies etwa<br />

in England <strong>de</strong>r Fall ist, sind.<br />

Es gibt zur Zeit ca. 420 „friskoler“ 74 , <strong>de</strong>ren i<strong>de</strong>ologische Ausrichtung sehr<br />

unterschiedlich ist. Es gibt beispielsweise <strong>Schule</strong>n, die religiös ausgerichtet<br />

sind, <strong>Schule</strong>n, die eine bestimmte pädagogische Richtung verfolgen, wie<br />

Steinerschulen (welche bei uns Waldorfschulen heißen) o<strong>de</strong>r Tvindschulen,<br />

<strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Min<strong>de</strong>rheit und natürlich <strong>Schule</strong>n, die nach <strong>de</strong>n<br />

Prinzipien Grundtvigs und Kolds, welche als Urväter <strong>de</strong>r „friskole“-<br />

Bewegung gelten, aufgebaut sind. Die Anzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen, die eine<br />

„friskole“ besuchen, ist seit <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r achtziger Jahre stark<br />

angestiegen. Besuchten im Schuljahr 1982/83 8% <strong>alle</strong>r SchülerInnen eine<br />

Privatschule 75 , sind es heute schon 13%.<br />

Zusätzlich zu diesen „friskoler“ gibt es noch zwei weitere private<br />

Schulformen, welche in dänischen Schulsystem eine Rolle spielen, die<br />

„efterskole“ und die „folkehoejskole“. Bei<strong>de</strong> Schulformen beruhen auf<br />

I<strong>de</strong>en Grundtvigs und Kolds. Die „efterskole“ ist eine Internatsschule <strong>für</strong><br />

SchülerInnen <strong>de</strong>r achten, neunten und zehnten Klasse. Diese <strong>Schule</strong>n<br />

befin<strong>de</strong>n sich häufig auf <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> und bieten neben <strong>de</strong>n üblichen<br />

Schulfächern auch viele kreative und praxisorientierte Fächer an. Auch<br />

unter <strong>de</strong>n „efterskoler“ gibt es verschie<strong>de</strong>ne Ausrichtungen, so gibt es<br />

<strong>Schule</strong>n mit <strong>de</strong>m Schwerpunkt Sport o<strong>de</strong>r Theater, aber auch hier fin<strong>de</strong>t<br />

man verschie<strong>de</strong>ne pädagogische Richtungen und natürlich auch viele<br />

<strong>Schule</strong>n, die traditionelle „Grundtvig/Kold“-<strong>Schule</strong>n sind. 76<br />

Die „efterskoler“ wur<strong>de</strong>n lange Zeit von SchülerInnen besucht, die von zu<br />

Hause ausziehen und ein selbständiges Leben führen wollten und von <strong>de</strong>nen<br />

einige schulmü<strong>de</strong> waren. In <strong>de</strong>n letzten Jahren hat die „efterskole“ aber auch<br />

74 vgl.: wie 53<br />

75 vgl.: wie 53<br />

76 vgl.: wie 20, S. 89<br />

35


immer mehr Schüler auf Grund ihrer alternativen Fächer angezogen,<br />

weswegen sie einen <strong>de</strong>utlichen Anstieg <strong>de</strong>r Schülerzahlen v.a. im zehnten<br />

Schuljahr verzeichnete. 77<br />

Ziele <strong>de</strong>r „efterskole“ sind u.a., die Jugendlichen zu Selbständigkeit,<br />

Toleranz und Zusammenarbeit zu erziehen. An vielen „efterskoler“ wird <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen, wie auch an vielen „friskoler“ die Möglichkeit geboten, die<br />

„folkeskolen afgangsproeve“ o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r zehnten Klasse die „udvi<strong>de</strong><strong>de</strong><br />

afgangsproeve“ zu machen. Da diese Abschlussprüfungen Zentralprüfungen<br />

sind, wird auch an <strong>de</strong>n „efterskoler“ darauf geachtet, dass <strong>de</strong>r Standard <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts und die Unterrichtsinhalte <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r „folkeskole“ entsprechen. 78<br />

Die „folkehoejskole“ gehört zu <strong>de</strong>n Institutionen <strong>de</strong>s<br />

Erwachsenenbildungssektors und wur<strong>de</strong> von Grundtvig und Kold begrün<strong>de</strong>t.<br />

Die „folkehoejskole“ bietet Kurse aus <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Bereichen an,<br />

wobei diese zwischen drei Wochen und fünf Wochen dauern. Während <strong>de</strong>r<br />

Dauer <strong>de</strong>s Kurses, wohnt man in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>. Nach Beendigung eines Kurses<br />

erhält man we<strong>de</strong>r Zeugnisse noch sonstige Urkun<strong>de</strong>n, da hinter diesen<br />

<strong>Schule</strong>n das Prinzip <strong>de</strong>s lebenslangen Lernen steht, welches man aus<br />

eigenem Antrieb und nicht auf Grund von Noten, Abschlüssen etc. tut.<br />

Die „folkehoejskoler“ stehen prinzipiell Erwachsenen je<strong>de</strong>n Alters offen,<br />

<strong>alle</strong>rdings sind viele Kurse <strong>de</strong>r „folkehoejskole“ <strong>für</strong> junge Erwachsene<br />

konzipiert, in <strong>de</strong>nen sie herausfin<strong>de</strong>n können, welche Fähigkeiten sie haben<br />

und was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Die „folkehoejskoler“<br />

wer<strong>de</strong>n zwar vom Staat bezuschusst, müssen aber einen Großteil <strong>de</strong>r<br />

laufen<strong>de</strong>n Kosten selber über ihre Schüler finanzieren. Allerdings können<br />

die Schüler auch Zuschüsse zum Schulgeld vom Staat bekommen. Die Zahl<br />

<strong>de</strong>rjenigen, die eine „folkehoejskole“ besuchen, ist <strong>de</strong>rzeit rückläufig,<br />

77<br />

vgl.: Christine Ove Holm und Irene Stelling, Politikerne har kig paa kreative efterskoler.<br />

In: Aktuelt, 10.11.2000<br />

78<br />

vgl. wie 20, S. 89 f<br />

36


weswegen viele <strong>Schule</strong>n versuchen, mit beispielsweise Surfkursen o<strong>de</strong>r<br />

ähnlichem neue Schüler zu gewinnen. 79<br />

Die LehrerInnen, welche an staatlichen dänischen <strong>Schule</strong>n arbeiten, wer<strong>de</strong>n<br />

auf zwei verschie<strong>de</strong>ne Weisen ausgebil<strong>de</strong>t. Die „folkeskole“ – LehrerInnen<br />

müssen vier Jahre an einem „seminarium“ studieren. Während dieses<br />

Studiums muss <strong>de</strong>r Bereich „kristendomskundskab/livsoplysning“<br />

(„Religion/ Lebensaufklärung“, wobei <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r „Lebensaufklärung“<br />

sich an die Zeit <strong>de</strong>r Aufklärung anlehnt), sowie die Fächer Didaktik,<br />

Psychologie, Pädagogik und <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r Gesellschaft abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n.<br />

Darüber hinaus müssen vier „linjefag“ (Unterrichtsfächer, die dann an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ unterrichtet wer<strong>de</strong>n) gewählt wer<strong>de</strong>n, wobei eins dieser Fächer<br />

entwe<strong>de</strong>r Mathematik o<strong>de</strong>r Dänisch sein muss und min<strong>de</strong>stens zwei weitere<br />

Fächer entwe<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m geisteswissenschaftlichen, <strong>de</strong>m<br />

naturwissenschaftlichen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m praktisch-musischen Bereich. Weiterhin<br />

müssen zwei längere Praktika absolviert wer<strong>de</strong>n. 80<br />

Die Lehrer am „gymnasium“ wer<strong>de</strong>n im Gegensatz zu <strong>de</strong>n „folkeskole“-<br />

LehrerInnen an Universitäten ausgebil<strong>de</strong>t. Sie müssen zwei<br />

Unterrichtsfächer studieren und Seminare zu Pädagogik und Didaktik<br />

belegen. Nach Abschluss ihres Studiums wer<strong>de</strong>n sie direkt an einem<br />

„gymnasium“ angestellt und erhalten das normale Gehalt, müssen aber in<br />

<strong>de</strong>n ersten zwei Jahren das „paedagogikum“ absolvieren, welches vom<br />

Aufbau mit unserem Refrendariat zu vergleichen ist, aber nicht dieselbe<br />

Wertigkeit hat. 81<br />

Die Lehrer an <strong>de</strong>n Privatschulen haben keine vorgeschriebene Ausbildung<br />

zu absolvieren und es kommt dort durchaus vor, dass v.a. in <strong>de</strong>n praktischen<br />

79 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet. Hvad er en folkehoejskole? Kopenhagen 1999<br />

80 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet, Bekendtgoerelsen af lov om uddannelse af laereren til<br />

folkeskolen. Kopenhagen 2000, kapitel 1, § 2,<br />

http://www.uvm.dk/lov/lbk/2000/0000981.htm<br />

81 vgl.: wie 20, S.77<br />

37


Fächern wie Metall- o<strong>de</strong>r Holzverarbeitung, Gartenbau, Tierpflege o<strong>de</strong>r<br />

Kunst gelernte Handwerker o<strong>de</strong>r auch Autodidakten unterrichten.<br />

2.3 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

Die Ziele und Prinzipien, nach <strong>de</strong>nen die „folkeskole“ aufgebaut ist und<br />

nach <strong>de</strong>nen unterrichtet wird, bil<strong>de</strong>n eine Grundlage <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem. Deswegen<br />

sollen die wichtigsten Ziele und Prinzipien in diesem Kapitel erläutert<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Die wichtigsten übergreifen<strong>de</strong>n Ziele <strong>de</strong>r „folkeskole“ wer<strong>de</strong>n direkt in <strong>de</strong>m<br />

ersten Kapitel <strong>de</strong>s Gesetzes zur „folkeskole“ beschrieben und bil<strong>de</strong>n somit<br />

die Grundlage dieses Gesetzes. Dort steht unter <strong>de</strong>r Überschrift „The Aims<br />

of the Folkeskole“:<br />

„1. (1) The Folkeskole shall – in cooperation with the parents – further the<br />

pupils´ acquisition of knowledge, skills, working methods and ways of<br />

expressing themselves and thus contribute to the all-round personal<br />

<strong>de</strong>velopment of the individual pupil.<br />

(2) The folkeskole shall en<strong>de</strong>avour to create such opportunities for<br />

experience, industry and absorption that the pupils <strong>de</strong>velop awareness,<br />

imagination and an urge to learn, so that they acquire confi<strong>de</strong>nce in their<br />

own possibilities and a background for forming in<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nt judgements and<br />

for taking personal action.<br />

(3) The Folkeskole shall familiarize the pupils with Danish culture and<br />

contribute to their un<strong>de</strong>rstanding of others cultures and of man´s interaction<br />

with nature. The school shall prepare the pupils for active participation,<br />

38


joint responsibility, rights and duties in a society based on freedom and<br />

<strong>de</strong>mocracy. The teaching of the school and its daily life must therefor build<br />

on intellectual freedom, equality and <strong>de</strong>mocracy.“ 82<br />

Diese Ziele zeigen <strong>de</strong>utlich, dass die Aufgabe <strong>de</strong>r „folkeskole“ weit über die<br />

<strong>de</strong>r reinen Wissensvermittlung hinausgeht, statt<strong>de</strong>ssen wird ein Unterricht<br />

angestrebt, welcher so differenziert ist, dass er <strong>de</strong>n Fähigkeiten und<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen gerecht wird und <strong>de</strong>ren<br />

Entwicklung för<strong>de</strong>rn soll. Wichtig ist dabei, dass die För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung an <strong>de</strong>n Interessen und Begabungen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s orientiert ist<br />

und die SchülerInnen aktiv in <strong>de</strong>n Lernprozess eingebun<strong>de</strong>n sind.<br />

Das Prinzip <strong>de</strong>r Unterrichtsdifferenzierung wird somit, v.a. seit <strong>de</strong>r<br />

Einführung <strong>de</strong>r ungeteilten <strong>Schule</strong>, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler während <strong>de</strong>r<br />

gesamten Schulzeit in <strong>de</strong>r „folkeskole“ gemeinsam unterrichtet wer<strong>de</strong>n<br />

sollen, mit <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ von 1993, als wichtigstes Ziel<br />

angesehen. Dabei wird die Meinung vertreten, „dass es das Beste <strong>für</strong> die<br />

SchülerInnen und die Gesellschaft ist, dass es ein gemeinsames Angebot <strong>für</strong><br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche ungeachtet von Geschlecht, ethnischer und sozialer<br />

Zugehörigkeit und ungeachtet <strong>de</strong>r Lernvoraussetzungen und Lernpotentiale,<br />

gibt.“ 83 Diese Art <strong>de</strong>s Unterrichtens wird auch als Grundlage da<strong>für</strong> gesehen,<br />

die SchülerInnen auf das Leben und Mitbestimmen in einer <strong>de</strong>mokratischen<br />

Gesellschaft vorzubereiten. 84<br />

Dabei haben progressive Unterrichtstheorien und Metho<strong>de</strong>n wie Projektund<br />

Gruppenarbeit eine lange Tradition, wobei diese Metho<strong>de</strong>n oftmals mit<br />

<strong>de</strong>n Prinzipien von Grundtvig und Kold verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Die „folkelige“<br />

Tradition und das Lernen nach <strong>de</strong>m dialogischen Prinzip, wo SchülerInnen<br />

und LehrerInnen gemeinsam <strong>de</strong>n Unterricht gestalten, hat in diesem<br />

82 vgl.: wie 54, Chapter 1, 1. (1)-(3)<br />

83 Zitat : Kirsten Krogh-Jespersen u.a., Inspiration til un<strong>de</strong>rvisningsdifferentiering.<br />

Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets forlag. Kopenhagen 1998, S.16,<br />

84 vgl.: wie 83<br />

39


Zusammenhang eine große Be<strong>de</strong>utung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterricht nicht nur an <strong>de</strong>n<br />

Privatschulen, son<strong>de</strong>rn auch an <strong>de</strong>r „folkeskole“. Durch die Synthese <strong>de</strong>r<br />

progressiven Unterrichtstheorien mit <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r dänischen Tradition und<br />

Geschichte verwurzelten I<strong>de</strong>en Grundtvigs, ist diese Art <strong>de</strong>s Unterrichtens<br />

in großen Teilen <strong>de</strong>r Bevölkerung und bei einem breitem Spektrum <strong>de</strong>r<br />

Politiker akzeptiert. 85<br />

Ein weiteres sehr wichtiges Ziel ist, wie schon erwähnt, die Vermittlung von<br />

<strong>de</strong>mokratischen Prinzipien, wobei diese Prinzipien nicht nur im Unterricht<br />

vermittelt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn die „folkeskole“ auch nach <strong>de</strong>mokratischen<br />

Prinzipien aufgebaut ist. Die Schüler wer<strong>de</strong>n in viele<br />

Entscheidungsprozesse, gegebenenfalls auch in die Wahl <strong>de</strong>r<br />

Unterrichtsmetho<strong>de</strong>, miteinbezogen und sind verantwortlich <strong>für</strong> die<br />

Entscheidungen, welche sie treffen. 86<br />

„The establishment of working methods and the selection of subject-matter<br />

shall as far as possible take place in cooperation between the teacher and<br />

pupils.“ 87<br />

Dies be<strong>de</strong>utet auch, dass <strong>für</strong> die LehrerInnen Metho<strong>de</strong>nfreiheit gilt, aber<br />

auch in <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r Unterrichtsinhalte sind sie weitgehend freigestellt. In<br />

<strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ wird nur <strong>de</strong>r Rahmen <strong>für</strong> die einzelnen Fächer<br />

festgesetzt und vorgegeben, in welchen Klassenstufen die einzelnen Fächer<br />

unterrichtet wer<strong>de</strong>n sollen. Die Ausgestaltung <strong>de</strong>s Rahmens, <strong>de</strong>n das Gesetz<br />

gibt, ist Aufgabe <strong>de</strong>r „kommune“, <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, <strong>de</strong>r LehrerInnen, <strong>de</strong>r Eltern<br />

und wie schon erwähnt auch <strong>de</strong>r SchülerInnen. 88 Es gibt zwar auch<br />

staatliche Lehrpläne, diese sind <strong>alle</strong>rdings nicht verpflichtend und als<br />

Anregung zur Unterrichtsplanung konzipiert.<br />

85 vgl.: wie 34, S.72<br />

86 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: Principles and Issues in Education: Chapter 1: The<br />

Education System in General. http://www.uvm.dk.eng.publications/1prin/1htm<br />

87 Zitat: wie 53, Chapter 2, 18. (4)<br />

88 vgl.: wie 53, Chapter 2<br />

40


Diese Freiheit in <strong>de</strong>r Gestaltung <strong>de</strong>s Unterrichts ermöglicht es auch, <strong>de</strong>n<br />

Unterricht auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

auszurichten.<br />

„The organisation of the teaching, including the choice of teaching and<br />

working methods, teaching materials and the selection of subject-matter,<br />

shall in each subject live up to the aims of the Folkeskole and shall be<br />

varied so that it corresponds to the needs and prerequisites of the individual<br />

pupil.“ 89<br />

Man kann also zusammenfassend sagen, dass die „folkeskole“ nach<br />

<strong>de</strong>mokratischen Strukturen aufgebaut ist, wodurch Schüler, Eltern, Lehrer,<br />

„kommune“ und Staat auf verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>n Lernprozess gestalten.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r wichtigsten Ziele <strong>de</strong>r „folkeskole“ ist es dabei, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong>“ zu sein, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Schüler ihren Voraussetzungen und Interessen<br />

entsprechend geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n sollen. Diese Zielsetzung wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> sie<br />

konsequent durchgezogen wer<strong>de</strong>n, eine son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung, egal<br />

an welchem Ort, überflüssig machen, da bereits eine optimale För<strong>de</strong>rung<br />

durch <strong>de</strong>n differenzierten, auf die Voraussetzungen <strong>de</strong>s einzelnen Kin<strong>de</strong>s<br />

zugeschnittenen Unterricht geleistet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>m aktuellen<br />

Gesetz zur „folkeskole“ soll versucht wer<strong>de</strong>n, diesem Ziel so nah wie<br />

möglich zu kommen.<br />

89 Zitat: wie 53, Chapter 2, 18. (1)<br />

41


2.4 Resümee und aktuelle Diskussion<br />

Insgesamt gesehen ist das dänische Schulsystem ein sehr flexibles System,<br />

dass u.a. aufgrund <strong>de</strong>s ausgeprägten Privatschulsystems viele<br />

Bildungsalternativen bil<strong>de</strong>t. Diese Vielfalt ist gera<strong>de</strong> im Hinblick auf die<br />

Größe <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s sehr erstaunlich. Auch das Regelschulsystem, und hierbei<br />

v.a. die „folkeskole“, ist durch ein hohes Maß an Flexibilität<br />

gekennzeichnet.<br />

Durch die Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten und –rechte, ist<br />

es „kommuner“, <strong>Schule</strong>n, Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen möglich,<br />

auf Probleme und unterschiedliche Voraussetzungen schnell zu reagieren<br />

und <strong>de</strong>n Unterricht sowie das Angebot und die Prioritäten <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

daraufhin auszurichten. Das dänische Schulsystem ist <strong>de</strong>swegen auch im<br />

letzten Jahr von <strong>de</strong>r Bertelsmannstiftung als eines <strong>de</strong>r fortschrittlichsten<br />

Systeme Europas ausgezeichnet wor<strong>de</strong>n.<br />

Trotz diesem so fortschrittlichen und flexiblen System ist die Kritik, v.a. an<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“ in Dänemark momentan sehr groß. Die Kritikpunkte und<br />

Probleme sind dabei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen und an<strong>de</strong>ren europäischen<br />

Schulsystemen teilweise recht ähnlich. Die Diskussion über das Niveau <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts spielt dabei eine große Rolle.<br />

Dänische SchülerInnen haben in verschie<strong>de</strong>nen internationalen<br />

Untersuchungen zu Lese- und Schreibfähigkeiten sehr schlecht<br />

abgeschnitten und lan<strong>de</strong>n in diesen Kategorien auch im Vergleich mit <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren skandinavischen Län<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>m letzten Platz. Diesen<br />

Untersuchungen zu Folge haben ein Drittel <strong>de</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r siebten<br />

Klasse große Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben.<br />

Außer<strong>de</strong>m hat die starke Dezentralisierung <strong>de</strong>s Schulsystems zur Folge, dass<br />

<strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>n einzelnen „folkeskoler“ relativ groß ist.<br />

42


Dieser Trend wur<strong>de</strong> auch dadurch verstärkt, dass man seine Kin<strong>de</strong>r nicht<br />

mehr auf die <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r Nachbarschaft schicken muss, son<strong>de</strong>rn dass man<br />

eine beliebige „folkeskole“ innerhalb <strong>de</strong>r „kommune“ wählen kann. Diese<br />

Wahlfreiheit hat u.a. zur Folge, dass an einigen <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>r Anteil<br />

ausländischer SchülerInnen zwischen 80 und 100% beträgt, obwohl <strong>de</strong>r<br />

Auslän<strong>de</strong>ranteil in <strong>de</strong>n Schulbezirken wesentlich niedriger ist. <strong>Eine</strong>n hohen<br />

Auslän<strong>de</strong>ranteil <strong>de</strong>uten dann viele Eltern als ein Zeichen mangeln<strong>de</strong>r<br />

Qualität <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>.<br />

Ein <strong>de</strong>utliches Zeichen <strong>für</strong> die Unzufrie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r dänischen Bevölkerung<br />

mit <strong>de</strong>n staatlichen <strong>Schule</strong>n ist die steigen<strong>de</strong> Anzahl <strong>de</strong>r Eltern, die ihre<br />

Kin<strong>de</strong>r auf eine Privatschule schicken. Aber auch die LehrerInnen scheinen<br />

mit ihrem Arbeitsplatz nicht mehr zufrie<strong>de</strong>n zu sein. Zeitungsberichten zu<br />

Folge hört ein Fünftel <strong>de</strong>r „folkeskole“- Lehrer bereits nach fünf Jahren mit<br />

<strong>de</strong>m Schuldienst auf und die Anzahl <strong>de</strong>r Lehramtsstudieren<strong>de</strong>n ist in <strong>de</strong>n<br />

letzten Jahren gesunken. Diese Entwicklungen haben zu einem<br />

LehrerInnenmangel geführt, welcher in <strong>de</strong>n nächsten Jahren noch wachsen<br />

wird.<br />

Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> dieses Problem sind vielschichtig und auch nur schwer zu<br />

benennen. Ein Grund ist meines Erachtens, dass die vom Gesetz erhobenen<br />

Ziele und Ansprüche in <strong>de</strong>r Realität nur schwer umsetzbar sind. Man muss<br />

schon ein „Superlehrer“ sein, um diesen Ansprüchen gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Außer<strong>de</strong>m wird v.a. <strong>de</strong>r Unterrichtsdifferenzierung in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />

noch zu wenig Gewicht beigemessen. Zwar soll die<br />

Unterrichtsdifferenzierung in <strong>de</strong>n Didaktik- und<br />

Fachdidaktikveranstaltungen vorgestellt, erläutert, diskutiert und konkrete<br />

Vorschläge zur Umsetzung gemacht wer<strong>de</strong>n, <strong>alle</strong>rdings erklärte mir ein<br />

Dozent eines „seminarium“ <strong>für</strong> „folkeskole“- LehrerInnen, dass es von <strong>de</strong>n<br />

DozentInnen abhängt, ob das Thema besprochen wird o<strong>de</strong>r nicht. Die<br />

Möglichkeiten zur Durchführung <strong>de</strong>r Unterrichtsdifferenzierung wür<strong>de</strong>n<br />

oftmals nicht vermittelt. Dies bestätigte mir auch ein „folkeskole“- Lehrer-<br />

43


Stu<strong>de</strong>nt, <strong>de</strong>r auf meine Frage, ob er während seines bisherigen Studiums<br />

etwas über Unterrichtsdifferenzierung gelernt hätte, antwortete, dass <strong>de</strong>r<br />

Begriff durchaus schon einmal gef<strong>alle</strong>n wäre, er aber überhaupt keine<br />

Vorstellungen davon hätte, wie er seinen Unterricht differenzieren solle.<br />

Auch haben die LehrerInnen die Freiheit <strong>de</strong>r Wahl ihrer Unterrichtsmetho<strong>de</strong><br />

und beurteilen selber, wie weit sie ihren Unterricht <strong>de</strong>n Voraussetzungen<br />

und Fähigkeiten ihrer Schüler entsprechend differenzieren können.<br />

Ein Grund <strong>für</strong> die Niveaudiskussion in Dänemark ist u.a. das Fehlen<br />

verbindlicher, staatlicher Richtlinien und Lehrpläne <strong>für</strong> die einzelnen<br />

Fächer. Zumin<strong>de</strong>st wird im Moment diskutiert, ob nicht genauer festgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n sollte, was die SchülerInnen in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern in <strong>de</strong>n<br />

jeweiligen Klassenstufen können sollen und welche Themen besprochen<br />

wer<strong>de</strong>n sollen. Dabei wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n momentanen Regierungsparteien<br />

sowie von einigen Oppositionsparteien Vorschläge erarbeitet, wie solche<br />

Lehrpläne aussehen könnten und auf welcher Ebene („kommune“, „amt“<br />

o<strong>de</strong>r Staat) sie ausgearbeitet wer<strong>de</strong>n sollen. Mir ist dabei <strong>alle</strong>rdings unklar,<br />

wie das Festlegen von Unterrichtsinhalten und Fähigkeiten, welche die<br />

SchülerInnen zu einem bestimmten Zeitpunkt können müssen, mit <strong>de</strong>r<br />

Zielsetzung, <strong>de</strong>n Unterricht auf die Fähigkeiten und Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />

einzelnen Kin<strong>de</strong>s auszurichten, verbun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />

44


3. „Specialun<strong>de</strong>rvisning“ – son<strong>de</strong>rpädagogische<br />

För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem<br />

3.1 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Son<strong>de</strong>rpädagogik und <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in<br />

Dänemark<br />

Wie schon zuvor erwähnt wur<strong>de</strong> im Jahre 1814 die Unterrichtspflicht <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r zwischen sieben und vierzehn Jahren eingeführt. Diese<br />

Unterrichtspflicht bezog sich jedoch nicht wortwörtlich auf <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r, so<br />

galten beispielsweise geistigbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r und Kin<strong>de</strong>r mit an<strong>de</strong>ren die<br />

Sinne betreffen<strong>de</strong>n Behin<strong>de</strong>rungen als „uun<strong>de</strong>rviselig (ununterrichtbar)“,<br />

eine Bezeichnung, die erst 1980 abgeschafft wur<strong>de</strong>.<br />

Trotz<strong>de</strong>m entstan<strong>de</strong>n im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt, angeregt durch in Entwicklung in<br />

an<strong>de</strong>ren europäischen Län<strong>de</strong>rn wie z.B. England, die ersten <strong>Schule</strong>n und<br />

Institutionen <strong>für</strong> von Behin<strong>de</strong>rung betroffenen Menschen, 90 welche zuvor in<br />

„Verwahranstalten“ wie „fattiggaar<strong>de</strong> (Armenhöfe)“, „sindsygehospitaler<br />

(Irrenanstalt)“ o<strong>de</strong>r in „tvangsarbej<strong>de</strong>anstalter (Zwangsarbeitsanstalten)“<br />

untergebracht waren. 91 Im Jahre 1807 wur<strong>de</strong> die erste staatliche <strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

Taube errichtet, 1811 entstand auf Grund einer privaten Initiative eine<br />

<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> Blin<strong>de</strong> und im Jahre 1855 eine <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> Geistigbehin<strong>de</strong>rte. Die<br />

Unterrichtspflicht wur<strong>de</strong> dann 1871 auf taube und 1926 auf blin<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r<br />

erweitert. 92<br />

1845 wur<strong>de</strong> in Kopenhagen erstmals <strong>de</strong>r Versuch gemacht, Kin<strong>de</strong>r die <strong>de</strong>m<br />

normalen Unterricht nicht folgen konnten, in einer „ekstraskole<br />

90 vgl.: I. Skov-Joergensen, Historisk Strejftog. In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog.<br />

Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 310<br />

91 vgl.: Birgit Kirkebaek, Spaendingsfelt mellem almenpaedagogik og specialpaedagogik.<br />

In: Tidsskriftet KVAN. Aarhus Dag- og Aftenseminarium. Aarhus 2000, S. 31<br />

45


(Extraschule)“, welche später in „saerklasser (Son<strong>de</strong>rklassen)“ umgewan<strong>de</strong>lt<br />

wur<strong>de</strong>, zu unterrichten. Dieser Versuch setzte sich <strong>alle</strong>rdings nicht durch.<br />

1900 wur<strong>de</strong> dann, auch in Kopenhagen, nach Leipziger Vorbild die erste<br />

Hilfsklasse <strong>für</strong> SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten eingerichtet. Schon<br />

1908 wur<strong>de</strong>n diese eine feste Einrichtung und so populär, dass ca. die Hälfte<br />

<strong>alle</strong>r Schüler <strong>de</strong>r „kommune“ zu dieser <strong>Schule</strong> ging. Außer<strong>de</strong>m entstand<br />

1909 die erste Ganztagsschule „Dagarbej<strong>de</strong>skole for forbry<strong>de</strong>riske og<br />

forsoemte drenge (Tagesarbeitsschule <strong>für</strong> verbrecherische und verwahrloste<br />

Jungen)“, <strong>de</strong>ren Schüler man heute wahrscheinlich als<br />

„erziehungsschwierig“ o<strong>de</strong>r „verhaltensauffällig“ bezeichnen wür<strong>de</strong>. 93<br />

Auch in an<strong>de</strong>ren Bereichen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

weiterentwickelt. Im Jahre 1916 entstand eine Klasse <strong>für</strong> „svagthoeren<strong>de</strong><br />

(schwachhören<strong>de</strong>)“, 1927 eine Klasse <strong>für</strong> „svagtseen<strong>de</strong> (schwachsehen<strong>de</strong>)“<br />

und 1935 eine <strong>für</strong> „laeseretar<strong>de</strong>re<strong>de</strong> (leseschwache)“ Kin<strong>de</strong>r, ca. 30 Jahre<br />

später (1961 und 1967) wur<strong>de</strong>n zusätzlich dazu noch eine Klasse <strong>für</strong><br />

„bevaegelseshaemme<strong>de</strong> (bewegungsbehin<strong>de</strong>rte)“ und „psykotiske“ Kin<strong>de</strong>r<br />

errichtet. Alle diese Klassen waren an <strong>de</strong>r „folkeskole“ errichtet wor<strong>de</strong>n,<br />

während <strong>de</strong>r Unterricht <strong>für</strong> schwerbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r von 1924 bis 1980 in<br />

<strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>s Sozialministeriums lag. 94<br />

Die SchülerInnen in <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ wur<strong>de</strong>n von<br />

„folkeskole“-Lehrern unterrichtet, <strong>alle</strong>rdings wur<strong>de</strong>n 1931 an <strong>de</strong>r<br />

„laererhoejskole (Lehrerhochschule)“ erste Kurse <strong>für</strong> „hjaelpeklasselaerer<br />

(Hilfsklassenlehrer)“ angeboten und 1933 wur<strong>de</strong> die Weiterbildung zum<br />

„talelaerer („Sprechlehrer“, Lehrer <strong>für</strong> Sprachbehin<strong>de</strong>rte)“ errichtet, aus <strong>de</strong>r<br />

später die Ausbildung zum „speciallaerer („Spezi<strong>alle</strong>hrer“,<br />

Son<strong>de</strong>rschullehrer)“ entstand. 95<br />

92<br />

vgl.: wie 90, S.310 f<br />

93<br />

vgl.: Niels Egelund, Specialpaedagogikkens landskab. In: Tidsskriftet KVAN. Aarhus<br />

Dag- og Aftenseminarium. Aarhus, 2000, S. 21<br />

94<br />

vgl.: wie 90, S. 312<br />

95<br />

vgl.: wie 93, S. 21<br />

46


In <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ von 1937 wird erstmals <strong>de</strong>r<br />

„saerun<strong>de</strong>rvisning (Son<strong>de</strong>runterricht)“ erwähnt und die „folkeskole“ bedingt<br />

dazu verpflichtet diesen durchzuführen. 96 Seit 1943 war es dann möglich<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zusätzlich zu <strong>de</strong>m „normalen“ Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ zu erhalten. 97<br />

Zu Än<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>de</strong>r LehrerInnen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ kam es 1944, in <strong>de</strong>m verschie<strong>de</strong>ne weiterbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Kurse angeboten wur<strong>de</strong>n, wie z.B. einen acht bis neun Wochen dauern<strong>de</strong>n<br />

Kurs <strong>für</strong> Hilfsschullehrer, einen vierzehntägigen Kurs <strong>für</strong> das Unterrichten<br />

von „laeseretar<strong>de</strong>re<strong>de</strong>“ Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r einen sechstägigen Kurs <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

Unterricht von „svagtbegaeve<strong>de</strong> (schwachbegabten)“ Kin<strong>de</strong>rn innerhalb <strong>de</strong>s<br />

regulären Unterrichts. 98 In <strong>de</strong>mselben Jahr wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Universität<br />

Kopenhagen eine Ausbildung zum Psychologen eingerichtet, welche auch<br />

zu <strong>de</strong>r Arbeit <strong>de</strong>s schulpsychologischen Dienstes vorbereiten sollte. Dieser<br />

schulpsychologische Dienst begann 1934 in verschie<strong>de</strong>nen „kommunen“<br />

seine Arbeit und ist <strong>de</strong>r Vorläufer <strong>de</strong>s „Paedagogisk Psykologisk<br />

Raadgivning (PPR) (Pädagogisch Psychologische Beratung)“, welcher heute<br />

eine wichtige Rolle in verschie<strong>de</strong>nen Bereichen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

hat. 99<br />

Wur<strong>de</strong>n bis zu dieser Zeit v.a. diejenigen unterrichtet, die <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

in irgen<strong>de</strong>iner Weise „nutzen“ konnten, wur<strong>de</strong> dieser Zustand mit <strong>de</strong>r<br />

Menschenrechtserklärung von 1948 geän<strong>de</strong>rt, in<strong>de</strong>m je<strong>de</strong>m Menschen ein<br />

Recht auf Bildung und Unterricht zugesprochen wur<strong>de</strong>. 100 So kam es in <strong>de</strong>n<br />

fünfziger Jahren zu einer Reihe Sozialgesetzen <strong>für</strong> blin<strong>de</strong>, taube und<br />

geistigbehin<strong>de</strong>rter Menschen. 1959 wird beispielsweise die „un<strong>de</strong>rvisnings-<br />

96<br />

vgl.: wie 90, S. 312<br />

97<br />

vgl.: Hans Clausen, Specialun<strong>de</strong>rvisning – hvilken vej? In: Dansk paedagogisk Tidsskrift<br />

6/98, S. 4<br />

98<br />

vgl.: wie 93, S. 22<br />

99<br />

vgl.: wie 90, S. 312<br />

47


og oplaeringspligt (Unterrichts- und Anlernpflicht)“ <strong>für</strong> Geistigbehin<strong>de</strong>rte<br />

zwischen sieben und einundzwanzig Jahren eingeführt und es kommt zu <strong>de</strong>r<br />

Errichtung von Institutionen und <strong>Schule</strong>n <strong>für</strong> diese SchülerInnengruppe.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r dänischen Bevölkerung gab es nicht sehr viele<br />

dieser Einrichtungen, weswegen diese in <strong>de</strong>r Regel Internate waren, wo die<br />

SchülerInnen <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>s Jahres wohnten. 101<br />

Auch die „saerklasser“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ entwickelten sich in dieser Zeit<br />

weiter und mit <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ von 1958 wur<strong>de</strong> die<br />

„folkeskole“ dazu verpflichtet „saerun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>für</strong> Schüler aus <strong>de</strong>n<br />

Bereichen „svagt syn (schwache Augen)“, „svag hoerelse (schwaches<br />

Gehör)“, „talevanskelighe<strong>de</strong>r (Sprachschwierigkeiten)“, „smaa evner<br />

(kleine, geringe Fähigkeiten)“ und „laesevanskelighe<strong>de</strong>r<br />

(Leseschwierigkeiten)“ durchzuführen. 102 In <strong>de</strong>mselben Jahr wur<strong>de</strong> auch<br />

erstmals „specialun<strong>de</strong>rvisning“ als Wahlfach in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung<br />

angeboten. 103<br />

Da viele von Behin<strong>de</strong>rung betroffene SchülerInnen in Institutionen und<br />

Internaten weit weg von ihrem Elternhaus untergebracht waren, kam es seit<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fünfziger Jahre immer häufiger zu Elternprotesten, die for<strong>de</strong>rten,<br />

dass ihre Kin<strong>de</strong>r zu einer <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r „kommune“ gehen konnten, damit<br />

diese die Möglichkeit hatten zuhause zu wohnen. 104<br />

Das hatte zur Folge, dass es bereits 1961 zu einem Versuch in Herning,<br />

einer Kleinstadt in Jütland, kam, wo an einer „folkeskole“ erstmals<br />

sogenannte „centerklasser“ eingerichtet wur<strong>de</strong>n. In diesen „centerklasser“<br />

wur<strong>de</strong>n behin<strong>de</strong>rte SchülerInnen aus <strong>de</strong>m Umkreis unterrichtet, welche<br />

vorher in Son<strong>de</strong>rinstitutionen o<strong>de</strong>r -internaten unterrichtet wor<strong>de</strong>n waren.<br />

100 vgl. wie 91, S. 32<br />

101 vgl.: wie 90, S. 312<br />

102 vgl.: wie 90, S. 312<br />

103 vgl.: wie 93, S. 22<br />

48


Diese „centreklasser“ waren zwar vom räumlichen in die „folkeskole“<br />

integriert, <strong>de</strong>ren SchülerInnen wur<strong>de</strong>n aber nur in diesen Klassen<br />

unterrichtet und nahmen nicht an <strong>de</strong>m regulären Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

teil.<br />

Zusätzlich dazu wur<strong>de</strong> versucht einige behin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r, dabei vor <strong>alle</strong>m<br />

taube und blin<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r, ganz in die Regelklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu<br />

integrieren. 105 Dieser Versuch fand großen Anklang und v.a. die<br />

„centerklasser“ als Alternative zu <strong>de</strong>n Son<strong>de</strong>rinstitutionen setzten sich<br />

immer mehr durch. Auch die Versuche, behin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r in die<br />

Regelklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu integrieren. nahmen ständig zu.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Form <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“, welche sich in <strong>de</strong>n sechziger<br />

Jahren verbreitet, ist <strong>de</strong>r ergänzen<strong>de</strong> „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n<br />

sogenannten Schulkliniken. In diesen Schulkliniken wur<strong>de</strong>n Gruppen von<br />

vier bis sechs SchülerInnen in <strong>de</strong>n Fächern, in <strong>de</strong>nen sie Probleme haben,<br />

unterrichtet. Der Bedarf <strong>für</strong> diesen ergänzen<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“ war<br />

so groß, dass <strong>de</strong>r Prozentsatz <strong>de</strong>r SchülerInnen, die „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erhielten von 3,5% 1952/53 auf 7,8% 1962/63 und 9,8% 1968/69 anstieg,<br />

wobei ein Großteil <strong>de</strong>s Anstiegs auf <strong>de</strong>n Zuwachs <strong>de</strong>s ergänzen<strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zurückzuführen war. 106<br />

Im Mai 1969 beschloß das „folketing“ ein neun – Punkte – Programm zur<br />

„folkeskole“, <strong>de</strong>ssen Zielsetzung die Schaffung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ war.<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r Punkte dieses Programms ist <strong>de</strong>r Unterricht behin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r in<br />

<strong>de</strong>m gewöhnlichen Schulmilieu <strong>de</strong>r „folkeskole“, so heißt es dort u.a.:<br />

„ that the instruction of handicapped pupils shall be exten<strong>de</strong>d in such a way<br />

that the children can recieve instruction in a normal school enviorment if<br />

104 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: Integration of Handicapped Pupils in the Mainstream<br />

School System. Kopenhagen 1995. http://www.uvm.dk/eng/7handicap/handicap.htm<br />

105 vgl.: wie 93, S. 22<br />

106 vgl.: wie 1<br />

49


the parents so wish and can take care for the child at home, and if<br />

commitment to an institution is not a necessary part of the treatment“ 107 .<br />

Mit diesem Programm wur<strong>de</strong> die Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen in die<br />

„folkeskole“ zu einem wichtigen Ziel in <strong>de</strong>r Bildungspolitik und beson<strong>de</strong>rs<br />

in <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik, wobei auch die Einflussmöglichkeiten <strong>de</strong>r Eltern<br />

gestärkt wur<strong>de</strong>n.<br />

Im Zuge dieses Programms entwickelte sich die Integration <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in die „folkeskole“ in <strong>de</strong>n siebziger Jahren rasch<br />

weiter. Immer weniger SchülerInnen wur<strong>de</strong>n an „specialskoler<br />

(Son<strong>de</strong>rschulen)“ o<strong>de</strong>r Institutionen überwiesen, statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> versucht,<br />

so viele SchülerInnen wie möglich in Regelklassen zu unterrichten. Dazu<br />

wur<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>sweit Schulkliniken, an <strong>de</strong>nen v.a. Kin<strong>de</strong>r mit generellen<br />

Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten o<strong>de</strong>r Schwierigkeiten in<br />

Mathematik o<strong>de</strong>r beim Lesenlernen ergänzen<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erhielten, an „folkeskoler“ errichtet.<br />

Weiterhin wur<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerInnen eingestellt, die die<br />

behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>r, die in <strong>de</strong>n Regelklassen integriert waren, unterstützen<br />

sollten. Zusätzlich dazu gab es bald an vielen <strong>Schule</strong>n „centerklasser“ <strong>für</strong><br />

die SchülerInnen, die nicht in die Regelklassen integriert wer<strong>de</strong>n können.<br />

Bei <strong>alle</strong>n diesen Organisationsformen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ war es<br />

wichtig, dass die SchülerInnen nicht zu <strong>de</strong>n SpezialistInnen gebracht<br />

wur<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn dass jetzt umgekehrt die SpezialistInnen zu <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen kamen. 108<br />

Zur inhaltlichen Ausgestaltung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Regierung in <strong>de</strong>n siebziger Jahren sieben<br />

107 Zitat: wie 104<br />

108 vgl.: Bjarne Nielsen, Specialun<strong>de</strong>rvisnings historie og udvikling. in Tidsskriftet KVAN.<br />

Aaarhus Dag- og Aftenseminarium, Aarhus 2000, S. 42<br />

50


Erlasse zu <strong>de</strong>n einzelnen Behin<strong>de</strong>rtenkategorien, Lese-, Verhaltens-, See-,<br />

Hör-, Bewegungs-, Sprach- und generellen Lernschwierigkeiten,<br />

herausgegeben. Der erste Erlass kam 1972 heraus und behan<strong>de</strong>lte <strong>de</strong>n<br />

Unterricht von verhaltensaufälligen SchülerInnen, wobei es das erste Mal<br />

war, dass „specialun<strong>de</strong>rvisning“ SchülerInnen mit Verhaltensaufälligkeiten<br />

umfasste, weswegen in dieser Zeit auch vermehrt „observationsklasser<br />

(Beobachtungsklassen)“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ <strong>für</strong> diese SchülerInnen errichtet<br />

wur<strong>de</strong>n. 109<br />

In dieser Zeit kam es auch zu <strong>de</strong>m Ausbau <strong>de</strong>s schulpsychologischen<br />

Dienstes, <strong>de</strong>r die „folkeskoler“ bei Fragen zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

beraten sollte. Insgesamt kann man sagen, dass in dieser Zeit<br />

Son<strong>de</strong>rpädagogik, „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und die Integration von<br />

behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>rn ein Thema in Dänemark war, dass eine hohe Priorität<br />

und Prestige besaß. In dieser Zeit entwickelte <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ sein<br />

Profil. Dies zeigte sich auch darin, dass „specialun<strong>de</strong>rvisning“ das<br />

beliebteste Wahlfach in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung war.<br />

1978 wur<strong>de</strong> dann, um die Qualität <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ zu sichern,<br />

ein 1 ½- jähriger Weiterbildungskurs zum „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrer an<br />

„Danmarks Laererhoejskolen“ eingerichtet. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> die<br />

Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrern und <strong>de</strong>m<br />

Schulpsychologischen Dienst verstärkt, was auch zur Qualitätssicherung <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ beitrug.<br />

Die Bemühungen und die Gel<strong>de</strong>r die in dieser Perio<strong>de</strong> in die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ und die Integration von<br />

behin<strong>de</strong>rten SchülerInnen gesteckt wur<strong>de</strong>n, führten dazu, dass <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r<br />

109 vgl.: Bjarne Nielsen, Perspektiver paa folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 366<br />

51


SchülerInnen, welcher an Son<strong>de</strong>rschulen o<strong>de</strong>r Institutionen unterrichtet<br />

wur<strong>de</strong> von 2,5% auf 1,5% sank. 110<br />

Als dann das Gesetz zur „folkeskole“ von 1980 <strong>alle</strong> SchülerInnen umfasste<br />

und die „saerforsorg (Son<strong>de</strong>r<strong>für</strong>sorge)“ die Verantwortung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

Unterricht von behin<strong>de</strong>rten SchülerInnen an „amter“ und „kommuner“<br />

abgab, wur<strong>de</strong> bereits <strong>de</strong>r größte Teil dieser SchülerInnen in „centerklasser“<br />

o<strong>de</strong>r integriert in <strong>de</strong>n Regelklassen an <strong>de</strong>r „folkeskole“ unterrichtet. Mit<br />

diesem Gesetz wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>r Begriff „uun<strong>de</strong>rvislighed<br />

(Ununterrichtbarkeit)“ abgeschafft, wodurch einige Kin<strong>de</strong>r, die bislang<br />

keinen Unterricht erhalten hatten, auch unterrichtet wur<strong>de</strong>n. 111<br />

Das fortan das Gesetz zur „folkeskole“ <strong>für</strong> <strong>alle</strong> SchülerInnen galt, be<strong>de</strong>utet<br />

übrigens nicht, dass die Son<strong>de</strong>rschulen ganz abgeschafft wur<strong>de</strong>n. Zwar<br />

wur<strong>de</strong>n <strong>für</strong> die meisten von Behin<strong>de</strong>rung betroffenen SchülerInnen die<br />

integrieren<strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ weiterentwickelt, aber v.a.<br />

SchülerInnen mit Kommunikationsschwierigkeiten, wie z.B. taube,<br />

autistische und mehrfachbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r, wur<strong>de</strong>n meist weiterhin in<br />

segregieren<strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterrichtet, also in<br />

„special“- o<strong>de</strong>r „centerklasser“ o<strong>de</strong>r aber auch in Son<strong>de</strong>rschulen. Vor <strong>alle</strong>m<br />

geistigbehin<strong>de</strong>rte SchülerInnen wur<strong>de</strong>n, trotz einiger Versuche <strong>de</strong>r<br />

Integration in Regelklassen, hauptsächlich in <strong>de</strong>n segregieren<strong>de</strong>n Formen<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterrichtet. 112<br />

International gesehen stellte das „dänische Mo<strong>de</strong>ll“ ein sehr fortschrittliches<br />

und flexibles System dar, dass 1981 anlässlich <strong>de</strong>s UN- Behin<strong>de</strong>rtenjahr<br />

vorgestellt wur<strong>de</strong>. 113<br />

110 vgl.: wie 109, S. 366 f<br />

111 vgl.: wie 108, S. 43<br />

112 vgl.: wie 97, S. 5<br />

113 vgl.: wie 90, S. 310<br />

52


Trotz, o<strong>de</strong>r vielleicht gera<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r hohen Priorität und <strong>de</strong>s hohen<br />

Prestiges, die <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n siebziger Jahren<br />

beigemessen wur<strong>de</strong>n, stand er in <strong>de</strong>n achtziger Jahren oft zur Diskussion. Es<br />

„breitete sich die Auffassung aus, dass <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ohne<br />

Steuerung war in Verbindung damit, dass mehr und mehr SchülerInnen<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhielten und dieser teurer und teurer wur<strong>de</strong>.“ 114<br />

Obwohl sich in Untersuchungen zeigte, dass die Anzahl dieser SchülerInnen<br />

konstant bei 12-13% lag, wur<strong>de</strong> die Effizienz <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

angezweifelt und <strong>de</strong>ssen Ansehen sank. Es kam zu finanziellen Einschnitten,<br />

welche aber auch darauf zurückzuführen sind, dass in <strong>de</strong>n achtziger Jahren<br />

auf Grund <strong>de</strong>r schlechten ökonomischen Situation generell die finanziellen<br />

Mittel <strong>de</strong>r „folkeskole“ gekürzt wur<strong>de</strong>n. Teilweise wur<strong>de</strong>n die<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Ressourcen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Ausgleich <strong>de</strong>r Kürzungen im<br />

Regelschulbereich benutzt.<br />

1983 wur<strong>de</strong> dann auch die Möglichkeit abgeschafft, „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

in <strong>de</strong>r „folkeskole“- Lehrerausbildung als Wahlfach zu wählen, statt<strong>de</strong>ssen<br />

sollte in <strong>de</strong>m allgemeinen pädagogischen Teil Basiswissen über<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ vermittelt wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n die<br />

Weiterbildungskurse zur „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn reduziert.<br />

Zusätzlich dazu wur<strong>de</strong> im Zuge <strong>de</strong>r Dezentralisierung <strong>de</strong>r<br />

schulpsychologische Dienst Aufgabe <strong>de</strong>r „kommuner“. Somit konnte die in<br />

diesem Bereich bestehen<strong>de</strong> Zusammenarbeit zwischen v.a. <strong>de</strong>n kleineren<br />

„kommuner“, welche gemeinsam schulpsychologische Beratungsbüros<br />

errichtet hatten, um dort mehr und ein fachlich breiter gefächertes Personal<br />

zu beschäftigen, nicht mehr stattfin<strong>de</strong>n. Diese Entwicklungen führten dazu,<br />

dass das fachliche Niveau <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ im Laufe <strong>de</strong>r achtziger<br />

Jahre sank. 115<br />

114 Zitat: wie 109, S. 367<br />

115 vgl.: wie 108, S. 43 f und 109, S. 367<br />

53


In dieser Zeit begann auch die Diskussion darüber, dass <strong>de</strong>r „normale“<br />

Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ so „rummelig (weit)“ wie möglich wer<strong>de</strong>n<br />

sollte, sodass auch <strong>de</strong>r Bedarf an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ sinken wür<strong>de</strong>, da er<br />

in <strong>de</strong>n „normalen“ Unterricht mit einfließen wür<strong>de</strong>. 116<br />

Gleichzeitig dazu wird eine „Entkategorisierung“ im „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

diskutiert. Schon 1975 waren die Behin<strong>de</strong>rtenkategorien aus <strong>de</strong>m Gesetz zur<br />

„folkeskole“ entfernt und durch „hvis udvikling kraever en saerlig<br />

hensyntagen eller stoette (falls die Entwicklung beson<strong>de</strong>re Rücksichtnahme<br />

o<strong>de</strong>r Unterstützung erfor<strong>de</strong>rt)“ ersetzt wor<strong>de</strong>n. In einem Erlass im Jahre<br />

1990 wur<strong>de</strong>n die Behin<strong>de</strong>rtenkategorien auch aus <strong>de</strong>n Regeln zum<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ die Behin<strong>de</strong>rtenkategorien rausgenommen mit <strong>de</strong>m<br />

Ziel, das Kind in seiner Ganzheit, mit seinen Voraussetzungen und<br />

Bedürfnissen, zu sehen und <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“ individuell auf diese<br />

zuzuschnei<strong>de</strong>n. 117<br />

In diesem Erlass wur<strong>de</strong> auch die Mitverantwortung <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ bei <strong>de</strong>r Schaffung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“<br />

hervorgehoben, in<strong>de</strong>m mit Hilfe <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>de</strong>r<br />

Regelunterricht so weiterentwickelt wird, dass immer weniger SchülerInnen<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten müssen. Die Schulkliniken, welche bis dahin<br />

<strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“ organisiert hatten, wur<strong>de</strong>n mit diesem Erlass<br />

durch „specialcenter“ ersetzt, <strong>de</strong>ssen Team aus <strong>de</strong>r Schulleitung, Lehrern<br />

<strong>de</strong>s Regelunterrichts und <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ sowie Mitarbeitern <strong>de</strong>s<br />

„Paedagogisk Psykologisk Raadgivining (PPR)“ bestehen sollten. Das<br />

Mitarbeiten von Repräsentanten <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gruppen in diesem Team<br />

soll dazu beitragen, dass <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zur Aufgabe <strong>de</strong>r<br />

gesamten <strong>Schule</strong> wird.<br />

116 vgl..: wie 109, S. 367<br />

117 vgl.: Joergen Hansen, Regler for specialpaedagogisk bistand. In<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog, Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 304<br />

54


1993 fin<strong>de</strong>n die Ziele dieses Erlasses, nämlich die Verbindung von<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ mit <strong>de</strong>m Regelunterricht und die damit einhergehen<strong>de</strong><br />

Erweiterung <strong>de</strong>s Regelunterrichts, Eingang in das Gesetz zur „folkeskole“.<br />

Dort wird explizit eine Differenzierung <strong>de</strong>s Unterrichts nach <strong>de</strong>n<br />

individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

gefor<strong>de</strong>rt. 118<br />

Auch in <strong>de</strong>r Lehrerausbildung ist mit <strong>de</strong>m Gesetz von 1997 die Verbindung<br />

von Regelunterricht und „specialun<strong>de</strong>rvisning“ weiter fortgeschritten. Der<br />

Begriff „specialun<strong>de</strong>rvisning“ taucht in <strong>de</strong>m Gesetz gar nicht auf,<br />

statt<strong>de</strong>ssen sollen pädagogische und psychologische Aspekte bei <strong>de</strong>m<br />

Studium <strong>de</strong>r Unterrichtsfächer erlernt wer<strong>de</strong>n, wobei auch das<br />

Differenzieren <strong>de</strong>s Unterrichts nach <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s einzelnen<br />

Kin<strong>de</strong>s vermittelt wer<strong>de</strong>n soll. Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>n „seminarirer“<br />

empfohlen, einen „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Kurs anzubieten, welcher<br />

<strong>alle</strong>rdings nicht obligatorisch ist. Ob diese Art <strong>de</strong>r Lehrerausbildung <strong>de</strong>r<br />

Schaffung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“, in <strong>de</strong>r <strong>alle</strong> Kin<strong>de</strong>r nach ihren<br />

Bedürfnissen und Voraussetzungen geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dienlich ist, ist<br />

<strong>alle</strong>rdings fraglich. 119<br />

Trotz dieser Bemühungen von staatlicher Seite, <strong>de</strong>n Regelunterricht so zu<br />

gestalten, dass <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ immer geringer und eventuell<br />

sogar überflüssig wird, sieht die Entwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in<br />

<strong>de</strong>r Realität seit Mitte <strong>de</strong>r achtziger Jahre etwas an<strong>de</strong>rs aus. Dies sieht man<br />

beson<strong>de</strong>rs an <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

(„weitgehen<strong>de</strong>r specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r wegen<br />

<strong>de</strong>r weitreichen<strong>de</strong>n Probleme und Bedürfnisse <strong>de</strong>r SchülerInnen viel Geld<br />

kostet und <strong>de</strong>r meist in segregieren<strong>de</strong>n Formen, z.B. in Son<strong>de</strong>rschulen,<br />

stattfin<strong>de</strong>t). Lag <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r SchülerInnen die „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

118 vgl.: wie 108, S. 44<br />

119 vgl.: wie 93, S. 27<br />

55


specialun<strong>de</strong>rvisning erhalten 1985 mit 0,83% am niedrigsten, ist v.a. seit<br />

Beginn <strong>de</strong>r neunziger Jahre ein starker Anstieg in diesem Bereich zu<br />

verzeichnen. 1999 betrug <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r die „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhielten bereits 1,38%. 120<br />

Diese Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n dabei häufig auf Son<strong>de</strong>rschulen geschickt, obwohl<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ auch in verschie<strong>de</strong>nen Formen durch die<br />

„folkeskole“ erteilt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Die Grün<strong>de</strong> <strong>für</strong> diese Entwicklung sind unterschiedlich. Auf <strong>de</strong>r einen Seite<br />

setzte sich die Auffassung durch, dass nicht <strong>für</strong> <strong>alle</strong> SchülerInnen die<br />

Integration an <strong>de</strong>r Regelschule sinnvoll und vorteilhaft ist, v.a. wenn es<br />

große Probleme bei <strong>de</strong>r sozialen Integration in die Klasse gab. Auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite gab es von <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r Eltern ein Misstrauen, ob in Zeiten<br />

<strong>de</strong>r finanziellen Einschränkungen bei <strong>de</strong>r „folkeskole“ die optimale<br />

För<strong>de</strong>rung ihres Kin<strong>de</strong>s gewährleistet wäre. Hinzu kommt, dass es Anfang<br />

<strong>de</strong>r neunziger Jahre zu neuen medizinischen Erkenntnissen im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Gehirnfunktionsstörungen kam, was zu einer Diagnoseexplosion in diesem<br />

Bereich führte. Auch die Zahl <strong>de</strong>r Verhaltensauffälligen ist in Dänemark,<br />

ähnlich wie in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>m letzten Jahrzehnt <strong>de</strong>utlich<br />

angestiegen. Die steigen<strong>de</strong> Anzahl von Kin<strong>de</strong>rn mit<br />

Verhaltensauffälligkeiten ist auch <strong>de</strong>r Hauptfaktor <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Anstieg im<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“. 121<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass es schwer ist eine, einheitliche<br />

Entwicklung in <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik und <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

auszumachen.<br />

120 vgl.: Folkeskolens vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning 1985-1999, Amtsraadsforeningen ,<br />

2000, http://www.kvalitet-visp.dk/statistik/forsi<strong>de</strong>.htm<br />

121 vgl.: wie 108, S. 44<br />

56


Von <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik im 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt bis zum En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r fünfziger Jahre <strong>de</strong>s letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts, kam es vor <strong>alle</strong>m zu <strong>de</strong>r<br />

Einrichtung und Entwicklung von Unterrichtsformen und Institutionen <strong>für</strong><br />

von Behin<strong>de</strong>rung betroffenen Menschen.<br />

Diese Institutionen, Son<strong>de</strong>rklassen und –schulen waren von Vorbil<strong>de</strong>rn aus<br />

<strong>de</strong>m Ausland beeinflusst. Es waren segregieren<strong>de</strong> Schul- und<br />

Unterrichtsformen, welche die behin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>r kaum in <strong>de</strong>n Kontakt mit<br />

„normalen“ Kin<strong>de</strong>rn ihres Alters kommen ließen.<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r fünfziger Jahre kam es zu ersten Protesten von Eltern, die ihre<br />

Kin<strong>de</strong>r nicht in großen Institutionen weit weg von zu Hause, son<strong>de</strong>rn bei<br />

sich wohnen haben wollten. Sie wollten außer<strong>de</strong>m, dass ihre Kin<strong>de</strong>r mit<br />

gleichaltrigen Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Nachbarschaft zusammen zur <strong>Schule</strong> gehen<br />

sollten.<br />

Als Folge dieser Proteste kam es in <strong>de</strong>n sechziger Jahren zu <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung integrativer Konzepte und Unterrichtsformen <strong>für</strong> behin<strong>de</strong>rte<br />

Kin<strong>de</strong>r. Die Initiative <strong>für</strong> diese Entwicklung ging dabei meist von Eltern und<br />

Lehren aus, welche auf lokaler Ebene die Integration von behin<strong>de</strong>rten<br />

Kin<strong>de</strong>rn ausprobierten.<br />

Da diese Versuche erfolgreich waren, wur<strong>de</strong> die Integration von behin<strong>de</strong>rten<br />

Kin<strong>de</strong>rn in verschie<strong>de</strong>ne Gesetze mitaufgenommen und zu einem<br />

fundamentalen Prinzip <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rpädagogik in Dänemark.<br />

Der „specialun<strong>de</strong>rvisning“ genoss v.a. in <strong>de</strong>n siebziger Jahren ein hohes<br />

Ansehen und das Interesse an <strong>de</strong>m Thema war groß. Dies än<strong>de</strong>rte sich<br />

<strong>alle</strong>rdings in <strong>de</strong>n achtziger Jahren, in <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ v.a.<br />

aufgrund <strong>de</strong>r schwierigen finanziellen Lage oft zur Diskussion stand und es<br />

zu Kürzungen in diesen Bereich kam. Die Einschnitte im Bereich <strong>de</strong>r<br />

57


Lehrerausbildung und <strong>de</strong>s „Paedagogisk Psykologisk Raadgivning (PPR)“<br />

führten dazu, dass die Qualität <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ sank.<br />

Zusätzlich dazu war in <strong>de</strong>n achtziger Jahren <strong>de</strong>r Beginn einer zweigeteilten<br />

Entwicklung zu beobachten. Auf Gesetzesebene wird die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r<br />

Integration weiterentwickelt, was 1993 in <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gesetzes zur<br />

„folkeskole“, nach Unterrichtsdifferenzierung und einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“<br />

<strong>de</strong>utlich wird. Zu <strong>de</strong>r gleichen Zeit ist aber ein Ansteigen im „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“ und in <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r Schüler, welche Son<strong>de</strong>rschulen<br />

besuchen zu verzeichnen.<br />

Der Grund <strong>für</strong> diese unterschiedlichen Entwicklungen ist schwer<br />

auszumachen. <strong>Eine</strong> mögliche Erklärung wäre, dass die Initiative <strong>für</strong> die<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Integration in dieser Zeit vom Staat und Fachleuten<br />

von Hochschulen ausging. Waren die Anfänge <strong>de</strong>r Integration pragmatisch<br />

und „von unten“, also von Lehrern und Eltern, organisiert, erscheint die<br />

heutige Diskussion mehr i<strong>de</strong>ologisch und von internationalen diskutierten<br />

I<strong>de</strong>en, wie die <strong>de</strong>r „Inklusion“ geprägt.<br />

3.2 Vom „specialcenter“ bis zur „efterskole“ –<br />

son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung und<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ heute<br />

Da <strong>de</strong>r Begriff „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ein sehr weiter Begriff ist und nicht<br />

dasselbe beinhaltet wie „son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung“, möchte ich in<br />

diesem Kapitel erst mal diesen Begriff, u.a. mit Hilfe von Gesetzestexten<br />

und <strong>de</strong>n dazugehörigen Bekanntmachungen, erläutern. Dabei wer<strong>de</strong>n auch<br />

die Ziele und Prinzipien genannt und dargestellt, welche SchülerInnen<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten. Danach wer<strong>de</strong>n die unterschiedlichen<br />

Formen, in <strong>de</strong>nen „specialun<strong>de</strong>rvisning“ stattfin<strong>de</strong>t, und die Institutionen,<br />

58


die an <strong>de</strong>ssen Umsetzung beteiligt sind, erläutert. Anschließend wer<strong>de</strong>n die<br />

son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rmöglichkeiten an <strong>de</strong>r „efterskole“ aufgezeigt.<br />

3.2.1 Was ist „specialun<strong>de</strong>rvisning“? – Gesetze und<br />

Definitionen<br />

In <strong>de</strong>r Bekanntmachung zu „folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning og an<strong>de</strong>n<br />

specialpaedagogisk bistand (folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning und an<strong>de</strong>re<br />

spezialpädagogische Hilfe)“ vom 10.6.1999 wird in <strong>de</strong>n ersten Paragrafen<br />

<strong>de</strong>finiert, was unter „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu verstehen ist und was <strong>de</strong>ssen<br />

Zielgruppe ist.<br />

„ §1, 1. Diese Bekanntmachung enthält genauere Bestimmungen über<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>rgartenklasse und <strong>de</strong>r ersten bis zehnten Klasse <strong>de</strong>r „folkeskole“.<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ wird <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen erteilt, <strong>de</strong>ren Entwicklung einer beson<strong>de</strong>ren Rücksichtnahme<br />

und Stütze erfor<strong>de</strong>rt, welche nicht innerhalb <strong>de</strong>s Regelunterrichtes geleistet<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

§2 „Specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“<br />

umfasst:<br />

1) Unterricht in <strong>de</strong>n Fächern und Fachbereichen <strong>de</strong>r „folkeskole“, <strong>de</strong>r<br />

unter <strong>de</strong>r Rücksichtnahme <strong>de</strong>r Lernvoraussetzungen <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen zurechtgelegt ist.<br />

2) Unterricht und Training in Funktionsweisen und Arbeitsmetho<strong>de</strong>n,<br />

die darauf ausgerichtet sind die Folgen psychischer, physischer o<strong>de</strong>r<br />

sensorischer Funktionsschwierigkeiten zu beheben o<strong>de</strong>r zu<br />

begrenzen.<br />

59


3) Spezialpädagogische Beratung <strong>für</strong> Eltern, Lehrer o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Personen, <strong>de</strong>ren Einsatz <strong>für</strong> die Entwicklung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin eine Be<strong>de</strong>utung hat.<br />

4) Beson<strong>de</strong>re Unterrichtsmaterialien und technische Hilfsmittel, welche<br />

notwendig in Verbindung mit <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin sind.<br />

5) Persönliche Hilfe, die <strong>de</strong>m Schüler/ <strong>de</strong>r Schülerin bei <strong>de</strong>m<br />

Überwin<strong>de</strong>n praktischer Schwierigkeiten in Verbindung mit <strong>de</strong>m<br />

Schulbesuch helfen kann.<br />

6) Beson<strong>de</strong>rs zurechtgelegte Aktivitäten, die angeschlossen an <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ gegeben wer<strong>de</strong>n können. 122<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ ist also das<br />

Sicherheitsnetz <strong>für</strong> die SchülerInnen, <strong>de</strong>ren Bedürfnisse nicht o<strong>de</strong>r nur<br />

teilweise durch die Unterrichtsdifferenzierung <strong>de</strong>s Regelunterrichts <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ entsprochen wer<strong>de</strong>n kann. Mit Hilfe <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ wird also versucht, diesen<br />

Bedürfnissen gerecht zu wer<strong>de</strong>n. 123<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ kann dazu in verschie<strong>de</strong>nen Formen stattfin<strong>de</strong>n, die<br />

<strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin mehr o<strong>de</strong>r weniger von <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse abson<strong>de</strong>rt. Dabei kann man „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in zwei<br />

Kategorien unterteilen. <strong>Eine</strong>rseits gibt es <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r<br />

qualitativ an<strong>de</strong>rs gestaltet ist als <strong>de</strong>r Regelunterricht, an<strong>de</strong>rerseits gibt es <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Regelunterricht ergänzt. 124 In <strong>de</strong>r<br />

Bekanntmachung zu „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk<br />

bistand“ sind dazu die folgen<strong>de</strong>n Möglichkeiten genannt:<br />

122 Zitat: Bekendtgoerelsen nr.448 af 10. juni 1999 om folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning og<br />

an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand. In: John Ivarsen, Specialun<strong>de</strong>rvisning. Kroghs Forlag<br />

A/S, Vejle 1999, S. 30 ff<br />

123 vgl.: wie 117<br />

124 vgl.: Mogens Hansen und Poul Erik Pagaard, Almin<strong>de</strong>lig un<strong>de</strong>rvisning og<br />

specialun<strong>de</strong>rvisning. In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l.<br />

Kopenhagen 1999, S.151<br />

60


„ §7 Specialun<strong>de</strong>rvisning kann in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Arten erteilt wer<strong>de</strong>n:<br />

1) Der Schüler/ die Schülerin behält die Zugehörigkeit zu <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse auf die Weise,<br />

a) dass <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in<br />

einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern als Ergänzung erhält, o<strong>de</strong>r<br />

b) dass in einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ an die Stelle <strong>de</strong>s Regelunterrichts<br />

tritt.<br />

2) Der Schüler/ die Schülerin gehört nicht mehr <strong>de</strong>r Regelklasse an und<br />

<strong>de</strong>r ganze Unterricht wird in einer „specialklasse“ erteilt. Die<br />

„specialklasse“ befin<strong>de</strong>t sich entwe<strong>de</strong>r an einer „folkeskole“ o<strong>de</strong>r<br />

an einer „specialskole“, welche auch ein Internat sein kann.<br />

3) Der Schüler/ die Schülerin gehört entwe<strong>de</strong>r einer „specialklasse“<br />

o<strong>de</strong>r einer Regelklasse an und wird in bei<strong>de</strong>n Klassenformen<br />

unterrichtet.“ 125<br />

Darüber hinaus wird „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in „almin<strong>de</strong>lig (allgemeinen)“<br />

und „vidtgaaen<strong>de</strong> (weitgehen<strong>de</strong>n) specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterschie<strong>de</strong>n,<br />

wobei <strong>de</strong>r „almin<strong>de</strong>lig specialun<strong>de</strong>rvisning“ von <strong>de</strong>r „kommune“ finanziert<br />

wird und <strong>de</strong>r „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ vom „amt“. 126 Als<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisnig“ ist dabei <strong>de</strong>r Unterricht gemeint, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen erteilt wird, „<strong>de</strong>ren Entwicklung eine beson<strong>de</strong>rs weitgehen<strong>de</strong><br />

För<strong>de</strong>rung und Unterstützung erfor<strong>de</strong>rt.“ 127 In <strong>de</strong>r Praxis wird mit<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>de</strong>r Unterricht bezeichnet, <strong>de</strong>r aufgrund<br />

<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren För<strong>de</strong>rung und Unterstützung mehr als 162.000 DKK (ca.<br />

45.000 DM) im Jahr pro SchülerIn kostet, wobei nur <strong>de</strong>r Betrag, <strong>de</strong>r über<br />

125<br />

Zitat: wie 122<br />

126<br />

vgl.: wie 54, Chapter 3, 20. (1), (2)<br />

127<br />

Zitat wie 122<br />

61


dieser Summe liegt vom „amt“ gezahlt wird und <strong>de</strong>r Rest von <strong>de</strong>r<br />

„kommune“. 128<br />

Welche SchülerInnen im „vidtgaaen<strong>de</strong> speciaun<strong>de</strong>rvisning“ geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, hängt auch davon ab, welches Angebot an „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

die jeweilige „kommune“ an ihren „folkeskoler“ bietet. Es kann durchaus<br />

vorkommen, dass SchülerInnen mit ähnlichen o<strong>de</strong>r gar i<strong>de</strong>ntischen<br />

Behin<strong>de</strong>rungen von unterschiedlichen Stellen, also „kommune“ o<strong>de</strong>r „amt“<br />

finanziert wer<strong>de</strong>n. 129<br />

3.2.2 Ziele und Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

In <strong>de</strong>r Bekanntmachung zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n<br />

specialpaedagogisk bistand“ ist das Ziel <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und<br />

„an<strong>de</strong>n specailpaedagogisk bistand“ wie folgt formuliert:<br />

„§1, 2. Das Ziel <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk<br />

bistand“ ist es, die Entwicklung <strong>de</strong>r SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren<br />

Bedürfnissen, in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>n Ansprüchen, die im Gesetz zur<br />

„folkeskole“ festgelegt sind, zu för<strong>de</strong>rn. Zu diesen Ansprüchen gehört, dass<br />

die SchülerInnen beim Verlassen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> die Voraussetzung haben, eine<br />

Ausbildung durchzuführen, einer gewerbsmäßigen Beschäftigung o<strong>de</strong>r einer<br />

an<strong>de</strong>ren Beschäftigung nachzugehen.“ 130<br />

Darüber hinaus wird <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ von <strong>de</strong>n Prinzipien<br />

„Vorbeugung“, „Nähe“ und „kleinster Eingriff“ geprägt.<br />

128 vgl.: John Ivarsen, Specialun<strong>de</strong>rvisning. Kroghs Forlag A/S, Vejle 1999, S. 4 und 28<br />

129 vgl.: Bjoern Glaesel, Vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 319<br />

130 Zitat wie 90<br />

62


Unter „Vorbeugung“ versteht man dabei, dass bereits die FachlehrerInnen<br />

im Regelunterricht versuchen, Lernschwierigkeiten zu beheben. Um dies zu<br />

verwirklichen, kann einE „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

„Paedagogisk Psykologisk Raadgivning (PPR)“ zu Rate gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Das Prinzip <strong>de</strong>r „Nähe“ be<strong>de</strong>utet, dass <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin so nah wie<br />

möglich an seinem sozialen Umfeld geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Mit <strong>de</strong>m Prinzip <strong>de</strong>s „kleinsten Eingriff“ ist gemeint, dass versucht wer<strong>de</strong>n<br />

soll, <strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin mit <strong>de</strong>m<br />

kleinst möglichen Eingriff in <strong>de</strong>n Regelunterricht gerecht zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Weitere Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

Schulkommission festgelegt und sind <strong>de</strong>swegen von <strong>Schule</strong> zu <strong>Schule</strong><br />

unterschiedlich. 131<br />

3.2.3 Welche SchülerInnen erhalten „specialun<strong>de</strong>rvisning“?<br />

Wie schon in <strong>de</strong>r geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erwähnt, wur<strong>de</strong>n im Zuge <strong>de</strong>r „Entkategorisierung“ 1990 <strong>alle</strong><br />

Behin<strong>de</strong>rtenkategorien aus <strong>de</strong>r Bekanntmachung zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

und „an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand“ gestrichen. In <strong>de</strong>r Erläuterung zur<br />

Bekanntmachung wer<strong>de</strong>n <strong>alle</strong>rdings vier Kategorien erwähnt, bei <strong>de</strong>ren<br />

Zutreffen „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erteilt wird:<br />

„1) Die Lernvoraussetzung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin genügen nicht <strong>de</strong>n<br />

For<strong>de</strong>rungen und Erwartungen, die normalerweise in zentralen Fächern wie<br />

Dänisch, Mathematik und Englisch gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

63


2) Die fachlichen For<strong>de</strong>rungen, die in <strong>de</strong>n allgemeinen Fächern gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, übersteigen generell die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin<br />

3) Die Organisation <strong>de</strong>s Schulunterrichts und <strong>de</strong>r ganze Schulbetrieb<br />

enthalten For<strong>de</strong>rungen an Verhalten und soziales Zusammenwirken, welche<br />

<strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin nicht erfüllen kann.<br />

4) SchülerInnen, die aufgrund spezifischer Funktionsbeeinträchtigungen in<br />

<strong>de</strong>n Bereichen Sehen, Hören, Sprechen o<strong>de</strong>r Motorik sich die<br />

Unterrichtsinhalte nicht durch die normalen Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n aneignen<br />

können.“ 132<br />

Darüber hinaus fin<strong>de</strong>t man in <strong>de</strong>r Literatur noch weitere Kategorien wie,<br />

„blin<strong>de</strong> und schwachsehen<strong>de</strong> SchülerInnen“, „sprechbeeinträchtigte<br />

SchülerInnen“, „taube und hörbeeinträchtigte SchülerInnen“,<br />

„bewegungsbeeinträchtigte SchülerInnen“, „leseretardierte SchülerInnen“,<br />

„SchülerInnen mit generellen Lernschwierigkeiten“, „SchülerInnen mit<br />

Verhaltensproblemen und psychischen Lei<strong>de</strong>n“, „SchülerInnen mit DAMP“,<br />

„SchülerInnen mit Autismus“. 133<br />

Interessanterweise gibt es <strong>für</strong> die in Deutschland größte Gruppe im Bereich<br />

<strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung, die „Lernbehin<strong>de</strong>rten“, im dänischen<br />

keine adäquate Übersetzung. Mit „SchülerInnen mit generellen<br />

Lernschwierigkeiten“ sind eher die SchülerInnen gemeint, die man im<br />

<strong>de</strong>utschen als „geistigbehin<strong>de</strong>rt“ bezeichnet. Bei „lernbehin<strong>de</strong>rten“<br />

SchülerInnen beschreibt man in Dänemark <strong>de</strong>ren genaue Schwierigkeiten,<br />

wie z.B. „SchülerInnen mit Lese-Rechtschreibschwäche“ o<strong>de</strong>r<br />

131 vgl.: wie 129, S. 7<br />

132 Zitat, wie 129, S. 6<br />

133 vgl.: wie 90, S. 321 f<br />

64


„mathematikschwache SchülerInnen“. 134 Da „lernbehin<strong>de</strong>rte“ Kin<strong>de</strong>r<br />

oftmals auch Probleme mit <strong>de</strong>m Sozialverhalten haben, wer<strong>de</strong>n sie auch<br />

teilweise unter die Gruppe <strong>de</strong>r SchülerInnen mit Verhaltensschwierigkeiten<br />

gefasst.<br />

Insgesamt kann man sagen, dass die Terminologien, die SchülerInnen <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ beschreiben, einen beschreiben<strong>de</strong>n Charakter haben.<br />

Wenn ein Schüler/ eine Schülerin „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten soll,<br />

geschieht dass in <strong>de</strong>r Regel auf Veranlassung eines Lehrers, <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>m<br />

Schüler/ <strong>de</strong>r Schülerin <strong>de</strong>n Bedarf nach Unterstützung feststellt. Daraufhin<br />

führt <strong>de</strong>r „PPR“ eine Untersuchung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin durch,<br />

aufgrund <strong>de</strong>rer ein Vorschlag ausgearbeitet wird. In diesem Vorschlag wird<br />

dann aufgezeigt, mit welcher Art von „specialun<strong>de</strong>rvisning“ auf <strong>de</strong>n<br />

beson<strong>de</strong>ren Bedarf eingegangen wer<strong>de</strong>n kann. Teil dieses Vorschlags ist ein<br />

För<strong>de</strong>rplan, <strong>de</strong>r die einzelnen Schritte und Ziele <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung enthält. Der<br />

<strong>Schule</strong>iter beschließt dann, ob <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhält, wobei die Eltern ebenfalls <strong>de</strong>m Vorschlag<br />

zustimmen müssen. Je<strong>de</strong>s Jahr fin<strong>de</strong>t dann eine neue Untersuchung statt, um<br />

festzustellen ob die För<strong>de</strong>rungsart noch zu <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>s Schülers/<br />

<strong>de</strong>r Schülerin passt und ob die Ziele <strong>de</strong>s För<strong>de</strong>rplans erreicht sind. 135<br />

Soll ein Schüler/ eine Schülerin „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten,<br />

so entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r „kommune“ ob ein Antrag dazu ans „amt“<br />

weitergereicht wird. Auf „amt“- Ebene wird dann beschlossen, ob diesem<br />

Antrag stattgegeben wird o<strong>de</strong>r nicht. 136<br />

134<br />

vgl.: Barbara Fronz-Joergensen, Schulische För<strong>de</strong>rung behin<strong>de</strong>rter Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlicher in Dänemark. In: Zeitschrift <strong>für</strong> Heilpädagogik. 45. Jahrgang 1994, Heft 7,<br />

S.467<br />

135<br />

vgl.: wie 123, S. 306<br />

136<br />

vgl.: wie 123, S. 306<br />

65


Momentan erhalten ungefähr 13% <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

„almin<strong>de</strong>lige specialun<strong>de</strong>rvisning“ 137 und 1,38 % „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“. 138 Ungefähr 15% <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

wer<strong>de</strong>n also in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Angeboten <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

betreut. Dies be<strong>de</strong>utet, dass ca. ein Viertel <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ während ihrer Schullaufbahn zu einem o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rem Zeitpunkt<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten. 139<br />

3.2.4 In welchen Formen wird „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erteilt<br />

und wer ist an <strong>de</strong>ssen Umsetzung beteiligt?<br />

„PPR - Paedagogisk Psykologisk Raadgivning“<br />

Je<strong>de</strong> „kommune“ in Dänemark hat ein „PPR“- Büro, welches eine wichtige<br />

Funktion bei <strong>de</strong>r Erteilung von „specialun<strong>de</strong>rvisning“ inne hat. In diesem<br />

Zusammenhang obliegen <strong>de</strong>m „PPR“ viele verschie<strong>de</strong>ne Aufgaben, welche<br />

auch über <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ hinausreichen. 140<br />

Ein Teil <strong>de</strong>r Aufgaben <strong>de</strong>s „PPR“ liegt im Bereich <strong>de</strong>r allgemeinen<br />

Pädagogik. So wer<strong>de</strong>n beispielsweise die lokalen Lehrpläne in Hinblick auf<br />

Inhalt, Methodik und Materialauswahl analysiert und Kataloge mit<br />

Vorschläge zu Materialwahl in <strong>de</strong>n einzelnen Fächern, Einrichtung <strong>de</strong>r<br />

Klassenzimmer etc., herausgebracht. Es wer<strong>de</strong>n Kurse <strong>für</strong> LehrerInnen zu<br />

pädagogischen und psychologischen Themen angeboten und Berater <strong>für</strong><br />

generelle Entwicklungsprojekte gestellt. Der „PPR“ nimmt im Bereich <strong>de</strong>r<br />

allgemeinen Pädagogik eine Beraterfunktion in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

fachlichen, pädagogischen und methodischen Gebieten war. Ziel dieser<br />

137<br />

vgl.: Jesper Holst, Specialpaedagogiske udviklinger og modsaetninger. In: Tidsskriftet<br />

KVAN. Aarhus Dag-og Aftensseminarium, Aarhus 2000, S. 10<br />

138<br />

vgl.: wie 120<br />

139<br />

vgl.: wie 90<br />

140<br />

vgl.: Per Kjeldsen, Paedagogisk-psykologisk radgivnings opgaver. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 100<br />

66


Aktivitäten ist u.a., die Qualität <strong>de</strong>s Regelunterrichts zu heben, um <strong>de</strong>n<br />

Bedarf an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu senken. 141<br />

<strong>Eine</strong> <strong>de</strong>r wichtigsten Aufgaben im Bereich <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist die<br />

Untersuchung von Kin<strong>de</strong>rn, die „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten sollen und<br />

die Erarbeitung eines Vorschlags zu <strong>de</strong>ren För<strong>de</strong>rung. Die Grundlage dieser<br />

Untersuchungen sind die Beobachtung von einzelnen Kin<strong>de</strong>rn, Gruppen<br />

o<strong>de</strong>r Klassen, das Testen von kognitiven, sozialen und emotionalen<br />

Fähigkeiten, sowie Gespräche mit LehrerInnen, Eltern und an<strong>de</strong>ren<br />

Personen aus <strong>de</strong>m Umfeld <strong>de</strong>s zu untersuchen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>s. 142<br />

Zusätzlich dazu ist es Aufgabe <strong>de</strong>s „PPR“ <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvisning <strong>de</strong>r<br />

„folkeskoler“ beratend zu begleiten und die generelle Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu för<strong>de</strong>rn. Dabei sollen sowohl Untersuchungen zu<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Behin<strong>de</strong>rungsarten durchgeführt wer<strong>de</strong>n, wie neue<br />

Materialien, Metho<strong>de</strong>n und Organisationsformen entwickelt wer<strong>de</strong>n. 143<br />

Darüber hinaus ist es die Aufgabe <strong>de</strong>s „PPR“, <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

vorbeugen<strong>de</strong> Maßnahmen in Tageseinrichtungen, Institutionen <strong>für</strong><br />

Kleinkin<strong>de</strong>r, Kin<strong>de</strong>rgärten und <strong>de</strong>n ersten Klassen zu sorgen und eine offene<br />

spezialpädagogische Beratungsstelle <strong>für</strong> <strong>Schule</strong>n und Institutionen zu<br />

etablieren. Der „PPR“ ist somit auch die Einrichtung, welche <strong>de</strong>n Kontakt<br />

zu <strong>de</strong>n Institutionen hat, die mit <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s zu tun haben<br />

und mit diesen zusammenarbeitet. 144<br />

141 vgl.: wie 140, S. 100<br />

142 vgl.. wie 140, S. 101<br />

143 vgl.: wie 140, S. 101 f<br />

144 vgl.: wie 140, S. 101 f<br />

67


Der „PPR“ hat außer<strong>de</strong>m die Verpflichtung, die SchülerInnen bezüglich<br />

einer weiteren Ausbildung zu beraten, welche in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> Probleme<br />

haben. 145<br />

Um diesen Verpflichtungen nachzukommen, haben die Mitarbeiter <strong>de</strong>s<br />

„PPR“ die unterschiedlichsten Qualifikationen. Im „PPR“ arbeiten<br />

Psychologen, wobei einige dieser Psychologen ausgebil<strong>de</strong>te Lehrer sind, die<br />

ein Psychologieaufbaustudium absolviert haben, Schulsozialberater, Physiound<br />

Ergotherapeuten, Sprech- und Hörpädagogen, sowie Berater <strong>für</strong><br />

verschie<strong>de</strong>ne Bereiche wie Sprech- und Hörunterricht, SchülerInnen mit<br />

Lese- und Schreibschwierigkeiten, „observationsun<strong>de</strong>rvisning<br />

(specialun<strong>de</strong>rvisning <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen)“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialklasser“. Diese Berater sind meist LehrerInnen, die im<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ langjährige Erfahrung haben, und neben <strong>de</strong>r Tätigkeit<br />

als Berater noch im Schuldienst tätig sind. Wie groß ein „PPR“- Büro ist<br />

und wie viele Mitarbeiter dort tätig sind, hängt dabei von <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r<br />

„kommune“ ab. Die Leistungen, die von einem „PPR“- Büro erbracht<br />

wer<strong>de</strong>n, sind also von „kommune“ zu „kommune unterschiedlich. 146<br />

Der „PPR“ hat also eine große Verantwortung im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und<br />

spielt eine zentrale Rolle bei <strong>de</strong>ssen Form und Umfang.<br />

Das „specialcenter“ <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

An fast <strong>alle</strong>n „folkeskoler“ in Dänemark gibt es ein „specialcenter“. „Unter<br />

„specialcenter“ versteht man einen Ausschuss <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>, welchem <strong>de</strong>r<br />

Schulleiter angehört und welcher Beschlüsse zu <strong>de</strong>r Verwirklichung von<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ und an<strong>de</strong>rer beson<strong>de</strong>rer Unterstützung trifft.“ 147<br />

Außer <strong>de</strong>m Schulleiter besteht das „specialcenter“ in <strong>de</strong>r Regel aus<br />

145<br />

vgl.: Henning W. Nielsen, Paedagogisk Psykologisk Raadgivning (PPR). In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 336<br />

146<br />

vgl.: wie 145, S.336 f<br />

147<br />

Zitat wie 122<br />

68


LehrerInnen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und <strong>de</strong>s Regelunterrichts, sowie<br />

einem Mitarbeiter <strong>de</strong>s „PPR“. 148<br />

Aufgabe <strong>de</strong>s „specialcenter“ ist es, die Ressourcen, die <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zur Verfügung stehen, zweckmäßig zu verwalten und<br />

die verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ zu gestalten und zu<br />

organisieren. Dazu wer<strong>de</strong>n die Probleme und die beson<strong>de</strong>ren Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen erörtert und Maßnahmen erarbeitet, um diesen<br />

SchülerInnen zu helfen. Wichtig ist dabei, dass verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten<br />

zur Durchführung von „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zur Verfügung stehen. Um<br />

eine geeignete För<strong>de</strong>rmaßnahme zu erstellen, wird <strong>de</strong>r „PPR“ zu Rate<br />

gezogen und die Probleme <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m<br />

jeweiligen Klassenlehrer und <strong>de</strong>n Eltern besprochen. 149<br />

Ein weitere Aufgabe <strong>de</strong>s „specialcenter“ ist die Beratung von SchülerInnen<br />

und LehrerInnen in Hinblick auf „specialun<strong>de</strong>rvisning“. 150<br />

Da je<strong>de</strong> <strong>Schule</strong> unterschiedliche SchülerInnen hat und die Mitarbeiter <strong>de</strong>s<br />

„specialcenter“ unterschiedliche Vorstellungen von „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

an <strong>de</strong>r „folkeskole“ haben, ist das Angebot an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ von<br />

„folkeskole“ zu „folkeskole“ verschie<strong>de</strong>n. 151 Trotz<strong>de</strong>m gibt es einige<br />

gängige Organisationsformen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“, die ich in <strong>de</strong>m<br />

folgen<strong>de</strong>n darstellen möchte.<br />

„Specialun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>r Regelklasse<br />

<strong>Eine</strong> mögliche Organisationsform <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist es, auf die<br />

beson<strong>de</strong>ren Bedürfnisse eines Schülers/ einer Schülerin innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Regelunterrichts einzugehen. Dazu kommt einE „specialun<strong>de</strong>rvisnings“-<br />

LehrerIn in die Regelklasse, um <strong>de</strong>n jeweiligen Schüler/ die jeweilige<br />

148 vgl.: wie 129, S. 10<br />

149 vgl.: wie 128, S. 10 f<br />

150 vgl.: wie 128, S. 11<br />

151 vgl.: wie 128, S.10<br />

69


Schülerin dort zu unterstützen. Wie viele Stun<strong>de</strong>n dieser Lehrer/ diese<br />

Lehrerin in <strong>de</strong>r Klasse ist, hängt von <strong>de</strong>m För<strong>de</strong>rbedarf <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r<br />

Schülerin ab. 152<br />

Stützkurse<br />

Der Stützkurs ist eine sehr häufig angewen<strong>de</strong>te Organisationsform <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“. Diese Kurse können <strong>de</strong>n Regelunterricht ergänzen<br />

o<strong>de</strong>r ihn in bestimmten Fächern ersetzen und sollen bei größeren<br />

Schwierigkeiten eines Schülers/ einer Schülerin in einem o<strong>de</strong>r mehreren<br />

Fächern eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Es besteht aber auch die Möglichkeit Stützkurse<br />

<strong>für</strong> SchülerInnen mit Verhaltensauffälligkeiten zu errichten. Wie lange <strong>de</strong>r<br />

Zeitraum ist, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Stützkurs stattfin<strong>de</strong>t, und wie häufig <strong>de</strong>r Schüler/<br />

die Schülerin an einem Stützkurs teilnimmt, hängt von <strong>de</strong>m Ausmaß <strong>de</strong>r<br />

Schwierigkeiten ab. Es besteht auch die Möglichkeit, dass ein Schüler/ eine<br />

Schülerin <strong>für</strong> <strong>de</strong>n größten Teils seiner Schullaufbahn an <strong>de</strong>m Unterricht<br />

eines Stützkurses in einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern teilnimmt. Außer<strong>de</strong>m<br />

hängt es von <strong>de</strong>n Schwierigkeiten <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin ab, ob <strong>de</strong>r<br />

Intensivkurs als Einzelunterricht o<strong>de</strong>r als Unterricht in <strong>de</strong>r Kleingruppe<br />

durchgeführt wird. <strong>Eine</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Stützkurse machen die Kurse aus, die<br />

SchülerInnen Unterstützung beim Lesenlernen geben. 153<br />

„Specialklasser“<br />

In „specialklasser“ wer<strong>de</strong>n die SchülerInnen unterrichtet, <strong>de</strong>ren<br />

För<strong>de</strong>rbedarf so groß ist, dass er nicht durch <strong>de</strong>n Regelunterricht und<br />

ergänzen<strong>de</strong> Stützkurse geleistet wer<strong>de</strong>n kann. Die specialklasser sind an<br />

eine „folkeskole“ angeglie<strong>de</strong>rt, so dass zumin<strong>de</strong>st eine räumliche Integration<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen gewährleistet ist. Ob und wie viele „specialklasser“ an <strong>de</strong>n<br />

einzelnen <strong>Schule</strong>n errichtet wer<strong>de</strong>n, entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r „kommune“.<br />

Die „specialklasser“ haben in <strong>de</strong>r Regel beson<strong>de</strong>re Stun<strong>de</strong>n- und Lehrpläne.<br />

152 vgl.: Bjarne Nielsen, Specialun<strong>de</strong>rvisning for skoleelever. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 329<br />

153 vgl.: wie 128, S. 10<br />

70


Die meisten SchülerInnen erhalten nur Unterricht in <strong>de</strong>r „specialklasse“, es<br />

besteht aber auch die Möglichkeit, Unterricht sowohl in einer Regelklasse<br />

als auch in einer „specialklasse“ zu erhalten. Wichtig ist dabei auch, dass die<br />

„specialklasser“ als natürlicher Bestandteil <strong>de</strong>r „folkeskole“ aufgefaßt<br />

wer<strong>de</strong>n. Die meisten „specialklasser“ wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r „kommune“<br />

finanziert, wobei es auch „specialklasser“ gibt, welche vom „amt“ getragen<br />

wer<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rbedarf <strong>de</strong>r SchülerInnen so umfassend ist, dass <strong>de</strong>r<br />

Unterricht in diesen Klassen zu <strong>de</strong>m „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

zählt. 154<br />

„Specialskoler“<br />

„Specialskoler“ sind <strong>Schule</strong>n, die vom „amt“ getragen wer<strong>de</strong>n, und an<br />

<strong>de</strong>nen „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ an SchülerInnen mit umfassen<strong>de</strong>n<br />

För<strong>de</strong>rbedarf erteilt wird. Die Ausstattung dieser <strong>Schule</strong>n unterschei<strong>de</strong>t sich<br />

meist von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Regelschulen. Einige <strong>Schule</strong>n haben eigene<br />

Schwimmbä<strong>de</strong>r und außer<strong>de</strong>m Möglichkeiten, verschie<strong>de</strong>ne Therapien<br />

durchzuführen. Zusätzlich dazu besteht an diesen <strong>Schule</strong>n eine an<strong>de</strong>re<br />

SchülerInnen – LehrerInnen – Relation als an <strong>de</strong>r „folkeskole“ und es sind<br />

neben Lehrern auch verschie<strong>de</strong>ne Therapeuten und Pädagogen beschäftigt.<br />

Welche SchülerInnen wer<strong>de</strong>n wo geför<strong>de</strong>rt?<br />

Bei all diesen unterschiedlichen Organisationsmöglichkeiten <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist es interessant zu sehen, welche<br />

SchülerInnengruppe in welche Formen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

unterrichtet wer<strong>de</strong>n. Dabei ist <strong>alle</strong>rdings zu beachten, dass die<br />

Unterrichtsform nicht nur von <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin<br />

abhängt, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>n individuellen Voraussetzungen, die <strong>de</strong>r Schüler/<br />

die Schülerin mitbringt. <strong>Eine</strong> großen Einfluss haben dabei auch die Eltern,<br />

auf <strong>de</strong>ren Wünsche zur Art <strong>de</strong>r Beschulung ihres Kin<strong>de</strong>s so weit wie<br />

möglich Rücksicht genommen wer<strong>de</strong>n muss. Auch das unterschiedliche<br />

154 vgl.: wie 128, S. 26 ff und wie 152, S. 330<br />

71


„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Angebot <strong>de</strong>r einzelnen „folkeskoler“ und<br />

„kommuner“ spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Trotz<strong>de</strong>m kann<br />

festgestellt wer<strong>de</strong>n, in welchen Unterrichtsformen die unterschiedlichen<br />

SchülerInnengruppen vorwiegend unterrichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

SchülerInnen mit Schwierigkeiten in einem o<strong>de</strong>r mehreren Fächern wer<strong>de</strong>n,<br />

wie schon beschrieben, meist durch Stützkurse, welche vom „specialcenter“<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“ organisiert wer<strong>de</strong>n, geför<strong>de</strong>rt. Dabei wer<strong>de</strong>n v.a. Kin<strong>de</strong>r<br />

mit Schwierigkeiten beim Lesenlernen mit einer Art Intensivkurs<br />

unterstützt. Dieser Intensivkurs dauert meist drei bis vier Wochen fin<strong>de</strong>t<br />

aber ziemlich häufig statt. Die SchülerInnen wer<strong>de</strong>n meist in Kleingruppen<br />

unterrichtet. Durch diese Intensivkurse erhofft man sich einen „Schub“ im<br />

Leselernprozess <strong>de</strong>r SchülerInnen.<br />

„Blin<strong>de</strong> und schwachsehen<strong>de</strong> SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n fast <strong>alle</strong> integriert in<br />

Regelklassen unterrichtet, wobei sie dort je nach Bedarf Unterstützung<br />

durch einen Stützlehrer/ eine Stützlehrerin erhalten. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n<br />

benötigte Hilfsmittel durch das „specialcenter“ zur Verfügung gestellt.<br />

„Sprechbeeinträchtigte SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n auch größtenteils in<br />

Regelklassen mit <strong>de</strong>r Hilfe von Intensivkursen unterrichtet, wobei es auch<br />

einige SchülerInnen gibt, die in eine „specialklasse“ gehen. Die Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Intensivkurs- Stun<strong>de</strong>n wird meist mit <strong>de</strong>r Zeit geringer, da die<br />

Beeinträchtigungen oftmals nach einiger Zeit geringer wer<strong>de</strong>n.<br />

„Taube und hörbeeinträchtigte SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n oft zu Anfang in <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse mit einer relativ großen Unterstützung durch StützlehrerInnen<br />

und Intensivkurse unterstützt. Der Umfang <strong>de</strong>r Stützmaßnahmen nimmt<br />

meist während <strong>de</strong>r Schulzeit zu und ein Großteil <strong>de</strong>r SchülerInnen wechselt<br />

zwischen <strong>de</strong>r fünften und siebten Klasse in eine „specialklasse“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialskole“. Der Hauptgrund da<strong>für</strong> ist, dass es aufgrund von<br />

72


Kommunikationsschwierigkeiten sehr schwierig ist, diese SchülerInnen in<br />

die Klassengemeinschaft zu integrieren.<br />

„Bewegungsbeeinträchtigte SchülerInnen“ wer<strong>de</strong>n fast <strong>alle</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse unterrichtet, wobei es meist keine größeren Probleme gibt.<br />

Zusätzlich zu <strong>de</strong>m Regelunterricht erhalten diese SchülerInnen oftmals<br />

Ergotherapie und Krankengymnastik.<br />

Bei „SchülerInnen mit generellen Lernschwierigkeiten“ hat die Erfahrung<br />

bei Integrationsversuchen gezeigt, dass es sehr schwierig ist, diese<br />

SchülerInnen in eine Regelklasse zu integrieren, wobei die Unterstützung<br />

durch Stützlehrer meist recht umfangreich ist. Einige dieser SchülerInnen<br />

wer<strong>de</strong>n daher in „specialklasser“ an <strong>de</strong>r „folkeskole“ unterrichtet und<br />

nehmen in einigen Stun<strong>de</strong>n als Gruppe an <strong>de</strong>m Unterricht einer regelklasse<br />

teil. Die meisten dieser SchülerInnen wer<strong>de</strong>n <strong>alle</strong>rdings an „specialskoler“<br />

unterrichtet.<br />

„SchülerInnen mit Verhaltensproblemen und psychischen Lei<strong>de</strong>n“ wer<strong>de</strong>n je<br />

nach Art <strong>de</strong>r Verhaltensprobleme in unterschiedlichen Organisationsformen<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ unterrichtet. Einige SchülerInnen wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

Regelschule unterrichtet und nehmen an Stützkursen teil, die vom<br />

„specialcenter“ organisiert wer<strong>de</strong>n. Zusätzlich dazu gibt es einige<br />

„specialklasser“ <strong>für</strong> SchülerInnen mit Verhaltensproblemen, welche meist<br />

von <strong>de</strong>r „kommune“ finanziert wer<strong>de</strong>n. Einige SchülerInnen besuchen <strong>für</strong><br />

einen begrenzten Zeitraum (meist <strong>für</strong> drei bis acht Monate) sogenannte<br />

„observationsskoler“. Diese <strong>Schule</strong>n sind Internate, in <strong>de</strong>nen man versucht<br />

herauszufin<strong>de</strong>n, wo genau die Probleme dieser SchülerInnen liegen, um<br />

dann eine geeignete <strong>Schule</strong> zu fin<strong>de</strong>n. SchülerInnen mit schweren<br />

Verhaltensproblemen können <strong>für</strong> einen begrenzten Zeitraum auch<br />

Einzelunterricht erhalten, falls sie im Unterricht nicht mehr tragbar sind und<br />

erstmal keine alternative Beschulungsform sich anbietet.<br />

73


„SchülerInnen mit DAMP“ haben Schwierigkeiten bei <strong>de</strong>r Konzentration,<br />

Aufmerksamkeit, Motorik und Aufnahmefähigkeit. Da <strong>de</strong>r Unterricht dieser<br />

SchülerInnen eine ganze eigene Struktur braucht, wer<strong>de</strong>n diese meist in<br />

„specialklasser“ o<strong>de</strong>r vereinzelt auch an „specialskoler“ unterrichtet.<br />

„SchülerInnen mit Autismus“ wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel in „specialklasser“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialskoler“ unterrichtet. Es ist <strong>alle</strong>rdings vereinzelt möglich,<br />

SchülerInnen mit „Asperger- Syndrom“ in Regelklassen zu integrieren. 155<br />

LehrerInnen im „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

Um im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu unterrichten, braucht man formal keine<br />

an<strong>de</strong>ren Voraussetzungen zu erfüllen als eine abgeschlossene „folkeskole“-<br />

Lehreausbildung. Während dieser Ausbildung soll ein 40-stündiger<br />

„specialpaedagogik“- Kurs angeboten wer<strong>de</strong>n, um die zukünftigen<br />

LehreInnen auf ihre Aufgaben im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ vorzubereiten.<br />

Zusätzlich dazu gibt es eine „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerInnen-<br />

Ausbildung, welche in <strong>de</strong>r Form eines 1 ½-jährigen Aufbaustudium mit<br />

anschließen<strong>de</strong>m zweijährigen Praxisteil absolviert wer<strong>de</strong>n kann. In <strong>de</strong>m<br />

ersten Jahr dieser Ausbildung wer<strong>de</strong>n Grundlagen in Psychologie und<br />

„specialpaedagogik“ vermittelt. In <strong>de</strong>m darauffolgen<strong>de</strong>n halben Jahr wer<strong>de</strong>n<br />

zwei spezialpädagogische Bereiche vertieft studiert. Bereiche, die vertieft<br />

wer<strong>de</strong>n können, sind u.a.: „Sprech- und sprachbeeinträchtigte SchülerInnen<br />

und Erwachsene“, „Hörbeeinträchtigte SchülerInnen und Erwachsene“,<br />

SchülerInnen mit generellen Lernschwierigkeiten“, „SchülerInnen mit<br />

Verhaltensproblemen“, „Berufsberatung von SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren<br />

Bedürfnissen“, „alternative Kommunikation“. 156<br />

155<br />

vgl.: (<strong>de</strong>r ganze Abschnitt „Welche SchülerInnen wer<strong>de</strong>n wo geför<strong>de</strong>rt?“) wie 129, S.<br />

321 f<br />

156<br />

vgl.: wie 1<br />

74


3.2.5 Vom kleinsten bis zum größten Eingriff<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r Prinzipien <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist das Prinzip <strong>de</strong>s „kleinsten<br />

Eingriff“. Hierunter versteht man, dass auf die Bedürfnisse eines Schülers/<br />

einer Schülerin mit <strong>de</strong>m kleinstmöglichen Eingriff in <strong>de</strong>n Regelunterricht<br />

eingegangen wer<strong>de</strong>n soll. Welche Eingriffe –vom kleinsten bis zum<br />

größten- im dänischen Schulsystem möglich sind, möchte ich hier kurz<br />

aufzeigen.<br />

Grundsätzlich sind <strong>alle</strong> LehreInnen <strong>de</strong>r „folkeskole“ nach <strong>de</strong>m Gesetz zur<br />

„folkeskole“ dazu angehalten, ihren Unterricht so zu differenzieren, dass er<br />

<strong>de</strong>n Lernvoraussetzungen und –bedürfnisse <strong>de</strong>r SchülerInnen entspricht.<br />

Unterschei<strong>de</strong>n sich die Lernvoraussetzungen und –bedürfnisse eines<br />

Schülers/ einer Schülerin so von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren SchülerInnen, dass<br />

ihnen durch die „normale Unterrichtsdifferenzierung“ nicht mehr<br />

entsprochen wer<strong>de</strong>n kann, so kann man sich als LehrerIn von<br />

MitarbeiterInnen <strong>de</strong>s „PPR“ o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s „specialcenter“ beraten lassen, wie<br />

man <strong>de</strong>n Unterricht differenzieren kann, sodass er <strong>de</strong>n Lernvoraussetzungen<br />

und –bedürfnissen <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin entspricht.<br />

Reicht diese „spezielle Unterrichtsdifferenzierung“ nicht aus, gibt es dann<br />

verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten, <strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin zu för<strong>de</strong>rn. Es gibt<br />

die Möglichkeit, <strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin zusätzlich zum Regelunterricht<br />

in Stützkursen zu för<strong>de</strong>rn. Sind die Schwierigkeiten in einem Fach<br />

beson<strong>de</strong>rs groß, so kann <strong>de</strong>r Unterricht in einem o<strong>de</strong>r auch mehreren<br />

Fächern durch <strong>de</strong>n Unterricht in einem Stützkurs ersetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Abgesehen davon kann <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin im Regelunterricht <strong>für</strong><br />

eine bestimmte Anzahl von Stun<strong>de</strong>n von einem Stützlehrer geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r somit hilft, <strong>de</strong>n Unterricht zu differenzieren.<br />

75


Sind die Probleme <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin so umfassend, dass eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> För<strong>de</strong>rung durch diese Maßnahmen nicht gewährleistet ist, so<br />

wird <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin in mehreren o<strong>de</strong>r <strong>alle</strong>n Fächern in einer<br />

„specialklasse“ unterrichtet, die an die „folkeskole“ angeglie<strong>de</strong>rt ist.<br />

Gibt es in <strong>de</strong>r „kommune“ keine „specialklasse“, die <strong>de</strong>n Problemen <strong>de</strong>s<br />

Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin gerecht wer<strong>de</strong>n kann, so wird dieseR auf eine<br />

„specialskole“ überwiesen. Ein an<strong>de</strong>rer Grund <strong>für</strong> die Überweisung eines<br />

Kin<strong>de</strong>s an eine „specialskole“ kann <strong>de</strong>r Wunsch <strong>de</strong>r Eltern sein, die <strong>de</strong>r<br />

Auffassung sind, dass ihr Kind an einer „specialskole“ besser geför<strong>de</strong>rt<br />

wird.<br />

3.2.6 Son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung an <strong>de</strong>r „efterskole“<br />

Auch an <strong>de</strong>n vielen privaten <strong>Schule</strong>n in Dänemark gibt es SchülerInnen,<br />

welche son<strong>de</strong>rpädagogisch geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Dabei sind es v.a.<br />

„efterskoler“, die teilweise ihren „eigenen“ „specialun<strong>de</strong>rvisning“ anbieten.<br />

Generell sind an vielen „efterskoler“ SchülerInnen, die eine Alternative zu<br />

<strong>de</strong>m meist recht theoretischen Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ suchen.<br />

Abgesehen davon wer<strong>de</strong>n Jugendliche, die aus sozial schwierigen<br />

Verhältnissen kommen, gelegentlich von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n auf bestimmte<br />

„efterskoler“ überwiesen. Durch diese Maßnahme erlangen diese<br />

Jugendliche Abstand von ihrem Umfeld und <strong>de</strong>n familiären Verhältnissen,<br />

aus <strong>de</strong>nen sie stammen. Zusätzlich dazu können durch die zahlreichen<br />

Aktivitäten, die an <strong>de</strong>r „efterskole“ angeboten wer<strong>de</strong>n, die Jugendlichen auf<br />

einer erlebnispädagogischen Ebene erreicht wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m können die<br />

Jugendlichen dadurch dass „efterskoler“ Internatsschulen sind, umfassen<strong>de</strong>r<br />

pädagogisch betreut wer<strong>de</strong>n.<br />

76


Zusätzlich dazu gibt es eine Reihe von „efterskoler“, die sich „efterskoler“<br />

<strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge (spät entwickelte Jugendliche)“ nennen. Die<br />

SchülerInnen dieser „efterskoler“ wür<strong>de</strong> man in Deutschland wahrscheinlich<br />

größtenteils als „lernbehin<strong>de</strong>rt“ bezeichnen. Die Schwierigkeiten dieser<br />

SchülerInnen liegen v.a. darin, dass sie mit <strong>de</strong>m theoretischen Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ nicht gut zurechtgekommen sind. Die meisten dieser<br />

SchülerInnen haben große Probleme beim Lesen und Schreiben, und viele<br />

von ihnen haben Schwierigkeiten mit mathematischen Aufgaben.<br />

Die „efterskoler“ <strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge“ haben sich <strong>de</strong>swegen zur<br />

Aufgabe gemacht, die Stärken dieser Jugendlichen herauszufin<strong>de</strong>n und zu<br />

unterstützen, anstatt sich auf <strong>de</strong>ren Schwächen zu konzentrieren. Der<br />

Unterricht an diesen <strong>Schule</strong>n ist sehr praktisch geprägt und fin<strong>de</strong>t<br />

größtenteils in verschie<strong>de</strong>nen Werkstätten statt. Daneben fin<strong>de</strong>t auch<br />

Unterricht in <strong>de</strong>n „theoretischen Fächern“ statt, <strong>alle</strong>rdings wird hierbei<br />

versucht, einen Bezug zu <strong>de</strong>r praktischen Arbeit in <strong>de</strong>n Werkstätten<br />

herzustellen. Außer<strong>de</strong>m wird an diesen <strong>Schule</strong>n versucht, <strong>de</strong>n SchülerInnen<br />

eine Zukunftsperspektive zu geben, in<strong>de</strong>m man gemeinsam mit <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen versucht herauszufin<strong>de</strong>n, welche Berufe sie mit ihren<br />

Fähigkeiten ausüben können.<br />

Diese „efterskoler“ wer<strong>de</strong>n, wie schon erwähnt, auch von <strong>de</strong>n staatlichen<br />

Behör<strong>de</strong>n als Alternative zum „specialun<strong>de</strong>rvisning“ <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Schulsystems genutzt. In diesen Fällen wird <strong>für</strong> die SchülerInnen, welche<br />

aus sozial schwachen Familien kommen, oftmals die Zahlung <strong>de</strong>s<br />

Schulgel<strong>de</strong>s übernommen.<br />

77


3.3 Resümee und aktuelle Diskussion<br />

Das dänische System <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ enthält viele verschie<strong>de</strong>ne<br />

Möglichkeiten, auf SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren Lernvoraussetzungen und<br />

–bedürfnissen individuell einzugehen. Dabei ist die Integration dieser<br />

SchülerInnen in die Regelschule seit mehr als dreißig Jahren eins <strong>de</strong>r<br />

wichtigsten Ziele, welches bei einem Großteil <strong>de</strong>r SchülerInnen erreicht<br />

wor<strong>de</strong>n ist. Vor <strong>alle</strong>m <strong>de</strong>r „almin<strong>de</strong>lige specialun<strong>de</strong>rvisning“ ist ein Teil <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ gewor<strong>de</strong>n, aber auch fast 20% <strong>de</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>s<br />

„vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ sind in <strong>de</strong>r „folkeskole“ integriert. 157<br />

Den Erfolg <strong>de</strong>r Integration kann man sicherlich auch darauf zurückführen,<br />

dass pragmatisch an dieses Vorhaben herangegangen wor<strong>de</strong>n ist. Es wur<strong>de</strong><br />

viel ausprobiert und versucht, was dann, falls <strong>de</strong>r Versuch erfolgreich war,<br />

in Gesetze, Bekanntmachungen und Erlasse aufgenommen wur<strong>de</strong>. Wichtig<br />

<strong>für</strong> diese Entwicklung war auch, dass es immer Alternativen zur Integration<br />

gab und noch gibt.<br />

Ein wichtiger Aspekt, <strong>de</strong>r die flexible För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen<br />

möglich macht, ist, dass versucht wird, so wenig wie möglich mit<br />

Kategorien zu arbeiten, son<strong>de</strong>rn sich mit <strong>de</strong>n konkreten Problemen,<br />

individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Bewun<strong>de</strong>rung <strong>für</strong> die weitgehen<strong>de</strong> Integration <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in die „folkeskole“ sollte man nicht vergessen, dass<br />

die „specialklasser“ <strong>de</strong>r „folkeskole“ keine weitgehen<strong>de</strong> Integration <strong>für</strong><br />

<strong>de</strong>ren SchülerInnen be<strong>de</strong>utet. Die SchülerInnen <strong>de</strong>r „specialklasser“<br />

befin<strong>de</strong>n sich zwar meist in <strong>de</strong>mselben Schulgebäu<strong>de</strong> wie ihren „normalen“<br />

Altersgenossen, dass es aber zwischen <strong>de</strong>n „normalen“ SchülerInnen und<br />

157 vgl.: wie 120<br />

78


<strong>de</strong>n „specialklasser“- SchülerInnen zu Freundschaften o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren sozialen<br />

Kontakten kommt, ist dadurch nicht gesichert.<br />

Interessant bei <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen<br />

För<strong>de</strong>rung im dänischen Schulsystem ist auch, dass <strong>de</strong>r Begriff<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ sehr weit ist. Dass 15% <strong>alle</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten, be<strong>de</strong>utet nicht zwangsläufig,<br />

dass <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rbedarf bei SchülerInnen in Dänemark<br />

größer ist als in Deutschland. Mit „specialun<strong>de</strong>rvisning“ wer<strong>de</strong>n auch<br />

Veranstaltungen bezeichnet, die in Deutschland an Regelschulen als<br />

„För<strong>de</strong>runterricht“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. In Dänemark existiert auch<br />

nicht das in Deutschland so verbreitete System <strong>de</strong>r privaten Nachhilfe.<br />

Kostenlose Bildung wird in Dänemark so verstan<strong>de</strong>n, dass die <strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

das Beheben von Schwierigkeiten im Unterricht zuständig ist und nicht die<br />

Eltern Geld da<strong>für</strong> an private Organisationen zahlen müssen.<br />

In <strong>de</strong>r aktuellen Diskussion in Fachpublikationen geht es v.a. um die weitere<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“. Durch die Verflechtung von<br />

Regelunterricht mit <strong>de</strong>m „specialun<strong>de</strong>rvisning“, in <strong>de</strong>m Sinne, dass <strong>de</strong>r<br />

Regelunterricht so „weit“ und differenziert wer<strong>de</strong>n soll, dass ein Großteil<br />

<strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ überflüssig wird, ist die Qualität <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zurückgegangen. Vor <strong>alle</strong>m die Ausbildung<br />

qualifizierter LehrerInnen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n „specialun<strong>de</strong>rvsining“ wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

letzten zwanzig Jahren beschnitten mit <strong>de</strong>r Begründung, dass die<br />

LehrerInnen <strong>de</strong>s Regelunterrichts so ausgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, dass sie auch die<br />

SchülerInnen mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen<br />

unterrichten können.<br />

In <strong>de</strong>r aktuellen Diskussion geht es <strong>de</strong>swegen v.a. darum, ob <strong>de</strong>r Weg zu<br />

einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ weitergegangen wer<strong>de</strong>n soll, o<strong>de</strong>r ob man es bei <strong>de</strong>m<br />

status quo belassen soll und mehr Gewicht auf die Qualität <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ legen sollte. Nahrung erhält diese Diskussion auch<br />

79


durch die steigen<strong>de</strong>n SchülerInnenzahlen im „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“. Abgesehen davon kommen immer mehr Leute, die im<br />

Bereich <strong>de</strong>s specialun<strong>de</strong>rvisnig arbeiten, zu <strong>de</strong>r Auffassung, dass es nicht <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong> SchülerInnen ein erstrebenswertes Ziel ist, in <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

unterrichtet zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Diese Diskussion über die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

wird v.a. in Fachkreisen geführt. In <strong>de</strong>n Medien wer<strong>de</strong>n momentan eher<br />

an<strong>de</strong>re Probleme <strong>de</strong>r „folkeskole“ diskutiert. Waren in <strong>de</strong>n siebziger und am<br />

Anfang <strong>de</strong>r achtziger „specialun<strong>de</strong>rvisning“ und Integration Themen <strong>für</strong> die<br />

ein großes Interesse herrschte, kann man zur Zeit im Zusammenhang mit<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ am ehesten etwas über die wachsen<strong>de</strong> Anzahl von<br />

SchülerInnen mit Verhaltensauffälligkeiten und die Probleme von<br />

zweisprachigen SchülerInnen (SchülerInnen aus Einwan<strong>de</strong>rerfamilien)<br />

lesen. Es wird daher interessant sein, in welche Richtung sich <strong>de</strong>r<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Dänemark in <strong>de</strong>n nächsten Jahren entwickeln wird.<br />

80


4. Verhaltensauffällige SchülerInnen im<br />

dänischen Schulsystem<br />

4.1 Begriffsbestimmung: verhaltensauffällige Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendliche in Dänemark<br />

Für die Gruppe <strong>de</strong>r verhaltensauffälligen Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen gab und<br />

gibt es in Dänemark die unterschiedlichsten Bezeichnungen: „uartige<br />

(ungezogene)“, „uopdrage (unerzogene)“, „fraekke (freche)“, „uefterrettlige<br />

(unzuverlässige/nachlässige)“, „adfaerdsvansklige (verhaltensschwierige)“,<br />

„karakterafvigen<strong>de</strong> (charakterabweichen<strong>de</strong>)“, „tilpasnigsvansklige<br />

(anpassungsschwierige)“, „samspilsramte (vom Zusammenspiel/<br />

Zusammenwirken getroffene), „urolige (unruhige)“, „socialt belaste<strong>de</strong>“<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche, sowie Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit „psykiske<br />

li<strong>de</strong>lser (psychischen Lei<strong>de</strong>n)“, „socio-emotinelle vansklighe<strong>de</strong>r (sozialemotinalen<br />

Schwierigkeiten)“, „personlighedsvanskelighe<strong>de</strong>r<br />

(Persönlichkeitsschwierigkeiten)“ o<strong>de</strong>r „adfaerdsforstyrrelser<br />

(Verhaltensstörungen)“. 158<br />

Diese Begriffe beschreiben nicht <strong>alle</strong> dieselbe Gruppe von SchülerInnen,<br />

zeigen aber die unterschiedlichen Sichtweisen und das unterschiedliche<br />

Verständnis von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen mit Verhaltensauffälligkeiten. 159<br />

Dass so viele unterschiedliche Begriffe <strong>für</strong> diese Gruppe gebraucht wer<strong>de</strong>n,<br />

liegt auf <strong>de</strong>r einen Seite daran, dass diese Gruppe recht heterogen ist und auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite daran, dass in Dänemark versucht wird, die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Schwierigkeiten <strong>de</strong>r SchülerInnen zu beschreiben anstelle Kategorien zu<br />

benützen.<br />

158<br />

vgl.: Grethe Persson, Udvikling i observationsun<strong>de</strong>rvisning. In: Specialpaedagogik 6/99,<br />

S.13 und un<strong>de</strong>rvisnigsministeriet: Adfaerd, kontakt og trivsel. Debatoplaeg 1998, S. 7<br />

159<br />

vgl.: Grethe Persson, Udvikling i observationsun<strong>de</strong>rvisning. In: Specialpaedagogik 6/99,<br />

S. 14<br />

81


Vom „un<strong>de</strong>rvisningsministerium“ wird momentan die Bezeichnung „Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendliche mit beson<strong>de</strong>ren Bedürfnissen in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd,<br />

kontakt, trivsel““ verwen<strong>de</strong>t.<br />

„Adfaerd“ ist dabei das dänische Wort <strong>für</strong> „Verhalten“. In <strong>de</strong>m Themenheft<br />

„adfaerd, kontakt og trivsel“ <strong>de</strong>s „un<strong>de</strong>rvisningsministerium“ steht dazu<br />

unter Begriffsklärung und –abgrenzung:<br />

„“Adfaerd“ ist ein Begriff, <strong>de</strong>r auf neutrale Weise die Handlungen und das<br />

Tun und Lassen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s beschreibt. Im Zusammenhang mit <strong>Schule</strong> wird<br />

dieser Begriff u.a. in Verbindung mit <strong>de</strong>n Darbietungen, Fähigkeiten,<br />

Handlungsweisen, Benehmen und Aktivitäten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s angewen<strong>de</strong>t. Der<br />

Verhaltensbegriff sagt nichts über die Ursachen aus, aber das Verhalten<br />

kann mehr o<strong>de</strong>r weniger verständlich, zusammenhängend, zweckmäßig<br />

sein.“ 160<br />

Zu <strong>de</strong>m Begriff „kontakt“ steht dort folgen<strong>de</strong>s:<br />

„Kontakt ist ein Begriff, <strong>de</strong>r das Kind in <strong>de</strong>r sozialen Beziehung beschreibt.<br />

In einem sozialen Netzwerk eines Schulkin<strong>de</strong>s sind Kontakt und Bindung<br />

sehr wesentliche pädagogische und entwicklungsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Faktoren. Diese<br />

gelten als Antrieb bei <strong>de</strong>r Etablierung von Gruppen, als Sicherheitsfaktor<br />

und als soziales Steuerungsinstrument im Verhältnis zu Normen und<br />

Normbildung. Schwierigkeiten in diesem Bereich zeigen sich u.a. bei<br />

Störungen in <strong>de</strong>r allgemeinen psychischen Entwicklung.“ 161<br />

Der Begriff „trivsel“ ist schwer zu übersetzen. Im Wörterbuch steht unter<br />

„trivsel“: „1. Wachstum, Aufschwung (z.B. das Wachstum/ <strong>de</strong>r Aufschwung<br />

<strong>de</strong>r Industrie); 2. (Pflanzen, Tiere, Menschen) Ge<strong>de</strong>ihen (z.B. ihm liegt das<br />

Ge<strong>de</strong>ihen seiner Kin<strong>de</strong>r sehr am Herzen); 3. (...) Arbeitsklima (z.B. das<br />

Arbeitsklima im Betrieb)“ 162 und unter „trivselsfremmen<strong>de</strong>“ - wobei<br />

160<br />

Zitat: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet, Adfaerd kontakt og trivsel. Debatoplaeg 1998, S. 8<br />

161<br />

Zitat: wie 160, S. 8<br />

162<br />

Zitat: Egon Bork, Dansk-Tysk-Ordbog. Gyl<strong>de</strong>ndalske boghan<strong>de</strong>l, Nordisk Forlag A/S,<br />

10. Auflage, Kopenhagen 1996, S. 834<br />

82


„fremmen<strong>de</strong>“ för<strong>de</strong>rnd be<strong>de</strong>utet – „das Wohlbefin<strong>de</strong>n för<strong>de</strong>rnd ...“ 163 .<br />

Meines Erachtens ist dieser Begriff daher am ehesten mit „Wohlbefin<strong>de</strong>n im<br />

Schulklima“ zu übersetzen. Bei diesem Begriff spielt <strong>alle</strong>rdings auch<br />

„Wachstum“ und „Entwicklung“ eine Rolle.<br />

Zu <strong>de</strong>m Begriff „trivsel“ steht in <strong>de</strong>r Begriffsklärung und –abgrenzung <strong>de</strong>s<br />

Themenheftes folgen<strong>de</strong>s:<br />

„ „Trivsel“ ist ein Begriff <strong>de</strong>r die Qualität <strong>de</strong>s Verhaltens, <strong>de</strong>s Kontakts und<br />

<strong>de</strong>s Kontaktverhaltens <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s beschreibt. „Trivsel“ hat bei<strong>de</strong>s, eine<br />

subjektive Erlebnisdimension und eine objektive, von außen kommen<strong>de</strong><br />

Dimension. „Trivsel“ ist eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> Entwicklung<br />

und Lernen. Bei Schwierigkeiten sieht man hier Störungen beim<br />

Aufrechterhalten von situationsrelevanten und passen<strong>de</strong>n Gefühlen, hierbei<br />

auch <strong>de</strong>r Grundstimmung.“ 164<br />

In <strong>de</strong>m Themaheft „adfaerd, kontakt og trivsel“ wer<strong>de</strong>n die Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlichen, die Probleme in diesen Bereichen haben, als diejenigen<br />

beschrieben, welche Schwierigkeiten damit haben, sich an die<br />

Verhaltensregeln <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> anzupassen. Die For<strong>de</strong>rungen die an Disziplin,<br />

Konzentration und Kommunikation gestellt wer<strong>de</strong>n, übersteigen in <strong>de</strong>r<br />

Regel mehr o<strong>de</strong>r weniger die Fähigkeiten dieser Kin<strong>de</strong>r und<br />

Jugendlichen. 165<br />

Für die genaue Problemanalyse dieser Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen gibt es<br />

dabei zwei verschie<strong>de</strong>nen Betrachtungswinkel, einen „sozial und<br />

kontaktmässigen“ Betrachtungswinkel und einen neurologischen<br />

Betrachtungswinkel. Von diesen Betrachtungswinkeln aus wer<strong>de</strong>n vier<br />

verschie<strong>de</strong>ne Gruppen von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen beschrieben, welche<br />

Probleme in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“ haben:<br />

163 Zitat: wie 162, S. 834<br />

164 Zitat: wie 160, S. 8<br />

165 vgl.: wie 160, S. 3<br />

83


- Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit neurologisch/ organisch bedingten<br />

Dysfunktionen, die Schwierigkeiten in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Aufmerksamkeit, Konzentration, Deutung und Verarbeitung von<br />

Sinneseindrückung und <strong>de</strong>r motorischen Kotrolle haben.<br />

- Unterstimulierte und vernachlässigte Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche,<br />

welche oftmals grundlegen<strong>de</strong> Regeln <strong>de</strong>s Verhaltens, <strong>de</strong>r<br />

Kommunikation und <strong>de</strong>r Konfliktlösung nicht erlernt haben. Diese<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen haben oft sprachliche Schwächen und sind<br />

schwer zu motivieren.<br />

- ambivalente und selbstunsichere Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche, welche<br />

häufig eine negative Einstellung haben und provozieren<strong>de</strong>s und<br />

grenzenüberschreiten<strong>de</strong>s Verhalten abwechselnd mit<br />

zuvorkommen<strong>de</strong>n Verhalten zeigen.<br />

- ängstliche und zarte Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche, welche sich in <strong>de</strong>r<br />

<strong>Schule</strong> sehr unwohl fühlen und die meistens sehr zurückhaltend sind.<br />

Bei diesen Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen kann es zu unvorhersehbaren<br />

Gewaltausbrüchen kommen. 166<br />

4.2 Zur geschichtlichen Entwicklung <strong>de</strong>s Unterrichts<br />

verhaltensauffälliger SchülerInnen in Dänemark<br />

Die Geschichte <strong>de</strong>s Unterrichts <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen<br />

beginnt eigentlich erst 1972. In diesem Jahr wur<strong>de</strong> vom<br />

„un<strong>de</strong>rvisningsministerium“ ein Erlass zum sogenannten<br />

„obseervationsun<strong>de</strong>rvisning“ verabschie<strong>de</strong>t, welcher sich mit <strong>de</strong>m<br />

Unterricht verhaltensauffälliger SchülerInnen befasste. Dies war das erste<br />

166 vgl.: wie 160, S. 19 ff<br />

84


Mal, dass <strong>de</strong>r Unterricht dieser SchülerInnen zum „specialun<strong>de</strong>rvsining“<br />

gezählt wur<strong>de</strong>. 167<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt wur<strong>de</strong>n verhaltenauffällige SchülerInnen in<br />

Regelklassen unterrichtet o<strong>de</strong>r, in schweren Fällen, in Fürsorgeheimen o<strong>de</strong>r<br />

psychiatrischen Kliniken untergebracht, wo sie auch unterrichtet wur<strong>de</strong>n.<br />

Der Unterricht in diesen Institutionen wird nicht unter<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ gefasst, weil diese Institutionen <strong>de</strong>m Sozial- bzw.<br />

<strong>de</strong>m Gesundheitsministerium unterstehen.<br />

In <strong>de</strong>m Erlass von 1972 wird festgelegt, dass die Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen<br />

mit „adfaerdsproblemer og psykiske li<strong>de</strong>lser (Verhaltensprobleme und<br />

psychische Lei<strong>de</strong>n)“ „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten sollten. Als<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit „adfaerdsproblemer og psykiske li<strong>de</strong>lser“<br />

wer<strong>de</strong>n dabei diejenigen benannt, <strong>de</strong>ren „ ... Persönlichkeitsentwicklung in<br />

<strong>de</strong>m Maße geschädigt o<strong>de</strong>r bedroht ist, dass sie nicht mit ausreichen<strong>de</strong>m<br />

Gewinn <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r Regelklasse folgen können.“ 168<br />

Ein Schüler/ eine Schülerin sollte aber erst „observationsun<strong>de</strong>rvisning“<br />

erhalten, wenn <strong>alle</strong> Möglichkeiten ausgeschöpft wur<strong>de</strong>n, das<br />

„Wohlbefin<strong>de</strong>n“ <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin in <strong>de</strong>r Regelklasse zu för<strong>de</strong>rn.<br />

Dies beinhaltet auch, etwas an <strong>de</strong>r äußeren Struktur, wie z.B. <strong>de</strong>n<br />

Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n, zu än<strong>de</strong>rn. 169<br />

„Observationsun<strong>de</strong>rvisning“ kann seit<strong>de</strong>m in fünf verschie<strong>de</strong>nen<br />

Organisationsformen durchgeführt wer<strong>de</strong>n, mit Hilfe eines Stützlehrers in<br />

<strong>de</strong>r Regelklasse, in Form eines Stützkurses, in einer „specialklasse“ mit<br />

167 vgl.: wie 109, S. 366<br />

168 Zitat: wie 159, S. 14<br />

169 vgl.: wie 159, S. 14<br />

85


Ganztagsbetrieb, an einer „specialskole“ mit Ganztagsbetrieb o<strong>de</strong>r an einer<br />

„Observationsskole“, welche als Internat organisiert ist. 170<br />

An diesen Organisationsformen hat sich bis heute nichts geän<strong>de</strong>rt, weshalb<br />

es interessanter ist, das unterschiedliche Verständnis von<br />

Verhaltensauffälligkeiten und die daraus folgen<strong>de</strong>n unterschiedlichen<br />

Herangehensweisen im Unterricht zu betrachten.<br />

Die Sichtweise in <strong>de</strong>n siebziger Jahren war individuumsorientiert, d.h. die<br />

Ursache <strong>für</strong> das auffällige Verhalten lag in <strong>de</strong>m Kind selber. Im<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ sollte das Kind erst beobachtet wer<strong>de</strong>n und<br />

daraufhin so behan<strong>de</strong>lt und unterrichtet wer<strong>de</strong>n, dass die<br />

Verhaltensprobleme mit <strong>de</strong>r Zeit verschwan<strong>de</strong>n und das Kind wie<strong>de</strong>r am<br />

Regelunterricht teilnehmen konnte. 171<br />

Bei <strong>de</strong>r konkreten Durchführung <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ waren die<br />

LehrerInnen sich selbst überlassen. Es waren in diesem Bereich noch keine<br />

speziellen Metho<strong>de</strong>n entwickelt wor<strong>de</strong>n und die LehrerInnen mussten ihre<br />

eigenen Erfahrungen sammeln. Auch in <strong>de</strong>n darauffolgen<strong>de</strong>n Jahren tat sich<br />

nicht sehr viel bei <strong>de</strong>m Entwickeln von Materialien und Metho<strong>de</strong>n <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“. Deswegen war die Qualität <strong>de</strong>s<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in recht großem Maße von <strong>de</strong>n Kompetenzen<br />

<strong>de</strong>s Lehrers/ <strong>de</strong>r Lehrerin abhängig. 172<br />

In <strong>de</strong>n siebziger Jahren wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n<br />

damaligen Schulkliniken und die Möglichkeit, Kin<strong>de</strong>r schnell dorthin<br />

überweisen zu können, oftmals auch ausgenutzt. Viele LehrerInnen nutzten<br />

<strong>de</strong>n „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ als Disziplinarmaßnahme, wohin<br />

170<br />

vgl.: Niels Dueholm, Adfaerd, kontakt og trivsel – boern og unge med trivselsproblemer<br />

i skolen, - eller skoler med trivselsskaben<strong>de</strong> problemer. In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog.<br />

Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l. Kopenhagen 1999, S. 193<br />

171<br />

vgl.: wie 159, S. 15<br />

172<br />

vgl.: wie 159, S. 15 ff<br />

86


SchülerInnen bei mehr o<strong>de</strong>r weniger großen Regelverstößen schicken<br />

konnten. 173<br />

In <strong>de</strong>n achtziger Jahren wur<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r mit auffälligem Verhalten oft als<br />

„samspiltsramte“, also vom Zusammenspiel/Zusammenwirken getroffene,<br />

Kin<strong>de</strong>r bezeichnet. Darunter ist zu verstehen, dass das Zusammenspiel/<br />

Zusammenwirken in <strong>de</strong>r Familie o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Klasse das auffällige Verhalten<br />

<strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin hervorruft. 174<br />

Auf das „Zusammenspiel“ in <strong>de</strong>r Familie einzuwirken, war weniger<br />

Aufgabe <strong>de</strong>r LehrerInnen als <strong>de</strong>r SchulpsychologInnen, welche dann<br />

verstärkt in diesem Bereich eingesetzt wur<strong>de</strong>n. Um auf das<br />

„Zusammenspiel“ in <strong>de</strong>r Klasse einwirken zu können, wur<strong>de</strong> versucht,<br />

SchülerInnen mit auffälligem Verhalten in <strong>de</strong>r Regelklasse zu unterrichten.<br />

Dabei wur<strong>de</strong> v.a. auf verhaltensmodifizieren<strong>de</strong> Metho<strong>de</strong>n zurückgegriffen.<br />

Oftmals wur<strong>de</strong> dabei in drei Schritten vorgegangen. Der erste Schritt<br />

bestand darin, dass das Problem beschrieben wur<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m SchülerInnen,<br />

Eltern und LehrerInnen dazu befragt wur<strong>de</strong>n. Im zweiten Schritt sollte <strong>de</strong>r<br />

Schüler/ die Schülerin mit Hilfe von Übungen und Spielen,<br />

Handlungsmuster und –möglichkeiten erlernen und trainieren. In einem<br />

letzten Schritt wur<strong>de</strong> dann evaluiert, ob sich etwas an <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin geän<strong>de</strong>rt hatte. 175<br />

In <strong>de</strong>n achtziger Jahren gab es zwar auch weiterhin<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ außerhalb <strong>de</strong>r Regelklasse, aber dieser wur<strong>de</strong><br />

nicht mehr wie in <strong>de</strong>n siebziger Jahren als Disziplinarmaßnahme genutzt.<br />

<strong>Eine</strong> Ausnahme war da <strong>alle</strong>rdings die „kommune“ Kopenhagen, wo<br />

sogenannte „perio<strong>de</strong>klasser“ entstan<strong>de</strong>n, in die sowohl SchülerInnen mit<br />

schweren Persönlichkeitsstörungen als auch SchülerInnen, die gegen Regeln<br />

173 vgl.: wie 159, S. 16<br />

174 vgl.: wie 159, S. 16<br />

175 vgl.: wie 159, S. 16 f<br />

87


wie das Ausspucken <strong>de</strong>s Kaugummis zu Beginn <strong>de</strong>s Unterrichts verstoßen<br />

hatten, überwiesen wur<strong>de</strong>n. 176<br />

In <strong>de</strong>n neunziger Jahren verabschie<strong>de</strong>te man sich von <strong>de</strong>r Auffassung, dass<br />

das auffällige Verhalten von Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen eine Ursache hat<br />

und dass, sobald diese Ursache entfernt sei, auch das auffällige Verhalten<br />

verschwin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Es setzte sich vielmehr die Theorie durch, dass das<br />

Verhalten von mehreren Faktoren beeinflußt wird und sich dabei auch<br />

weiterentwickelt. In diesem Mo<strong>de</strong>ll von Verhalten ist die Beziehung<br />

zwischen Ursache und Wirkung nicht mehr linear, son<strong>de</strong>rn zirkulär, was<br />

be<strong>de</strong>utet, dass das Verhalten von <strong>de</strong>m Umfeld beeinflußt ist, das Umfeld<br />

aber wie<strong>de</strong>rum auch von <strong>de</strong>m Verhalten. 177<br />

Als Folgerung aus dieser Theorie dreht sich <strong>de</strong>r „observationsun<strong>de</strong>rvisning“<br />

nicht mehr nur um das Kind, son<strong>de</strong>rn auch um die Beziehungen, die das<br />

Kind zu seiner Umwelt hat, <strong>de</strong>ren Teil auch die <strong>Schule</strong> und <strong>de</strong>r Unterricht<br />

sind. Es wird versucht, das positive Verhalten <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

hervorzuheben o<strong>de</strong>r Situationen zu vermei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r zu verän<strong>de</strong>rn, in <strong>de</strong>nen<br />

das auffällige Verhalten auftritt. <strong>Eine</strong> weitere Strategie ist es, auch in <strong>de</strong>n<br />

Regelklassen mit sozialem- und emotionalem Lernen zu arbeiten. 178<br />

In dieser Zeit kam es außer<strong>de</strong>m zu <strong>de</strong>m Bekanntwer<strong>de</strong>n zahlreicher neuer<br />

neurologischer Diagnosen, welche <strong>für</strong> viele auffällige und „hyperaktive“<br />

Verhaltensweisen Erklärungen lieferten. Auf Grund dieser medizinischen<br />

Ursachen wur<strong>de</strong> bei diesen SchülerInnen oftmals eine För<strong>de</strong>rung außerhalb<br />

<strong>de</strong>r Regelklasse als geeignet betrachtet. 179<br />

Insgesamt gesehen hatte <strong>de</strong>r „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>n neunziger<br />

Jahren einen recht schweren Stand. Am Anfang dieses Jahrzehnts waren die<br />

176 vgl.: wie 159, S. 17<br />

177 vgl.: wie 159, S. 18 f<br />

178 vgl.: wie 159, S. 19 f<br />

179 vgl.: wie 159, S. 18<br />

88


gravieren<strong>de</strong>n Leseschwächen <strong>de</strong>r dänischen SchülerInnen bekannt<br />

gewor<strong>de</strong>n, weswegen die „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Ressourcen <strong>de</strong>r<br />

„kommuner“ v.a. <strong>für</strong> Stützkurse im Bereich Lesenlernen ausgegeben<br />

wur<strong>de</strong>n. An „folkeskoler“ angeschlossene „specialklasser“ gab es v.a. in <strong>de</strong>n<br />

„kommuner“, welche bereits seit längerem Projekte o<strong>de</strong>r „specialklasser“<br />

<strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen hatten. Ansonsten wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Aufbau<br />

eines qualifizierten „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ hintenan gestellt. Die<br />

fehlen<strong>de</strong>n Maßnahmen in diesem Bereich sind vielleicht auch ein Grund,<br />

warum <strong>de</strong>r Anstieg im „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ v.a. auf einen<br />

Anstieg in <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r SchülerInnen mit auffälligen Verhalten<br />

zurückzuführen ist. 180<br />

Allerdings ist in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein größeres Interesse an<br />

verhaltensauffälligen SchülerInnen zu verzeichnen. 1996 wur<strong>de</strong> eine<br />

Untersuchung über „unruhige“ SchülerInnen an <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

durchgeführt, <strong>de</strong>ren Ergebnisse auch im „folketing“ vorgestellt und<br />

diskutiert wur<strong>de</strong>n. Bei dieser Untersuchung stellt sich <strong>alle</strong>rdings heraus, dass<br />

es keinen Anstieg bei <strong>de</strong>r Zahl „unruhiger“ SchülerInnen innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ gibt, son<strong>de</strong>rn dass die Zahlen früheren<br />

Untersuchungen entsprechen. 181 Auch im „almin<strong>de</strong>lige specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

<strong>de</strong>r „kommuner“ besteht wie<strong>de</strong>r ein vermehrtes Interesse daran, ein<br />

qualifiziertes Angebot <strong>für</strong> SchülerInnen mit Problemen in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

„adfaerd, kontakt og trivsel“ zu schaffen. 182<br />

180 vgl.: wie 159, S. 18 und 108, S.45 f<br />

181 vgl.: un<strong>de</strong>rvisningsministeriet, Elever <strong>de</strong>r forstyrrer un<strong>de</strong>rvisning for sig selv eller<br />

an<strong>de</strong>re i folkeskolen. Re<strong>de</strong>goerelse til Folketinget 1997. Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets forlag,<br />

Kopenhagen 1997, S. 5<br />

182 vgl.: wie 108<br />

89


4.3 Organisationsformen, Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts mit verhaltensauffälligen SchülerInnen<br />

4.3.1 Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“<br />

Es ist schwierig, von übergeordneten Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n im<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ zu sprechen. Je<strong>de</strong> <strong>Schule</strong>, die<br />

„observationsun<strong>de</strong>rvisning“ o<strong>de</strong>r vorbeugen<strong>de</strong> Projekte <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r mit<br />

Problemen in <strong>de</strong>m Bereich „adfaerd, kontakt og trivsel“ anbietet, entwickelt<br />

dabei ihr eigenes Konzept. Dieses Konzept ist auch von <strong>de</strong>n „pädagogischen<br />

Präferenzen“ <strong>de</strong>r involvierten LehrerInnen abhängig. In <strong>de</strong>m Themenheft<br />

„adfaerd, kontakt og trivsel“ sind aber doch einige Prinzipien und Metho<strong>de</strong>n<br />

genannt.<br />

Einige <strong>de</strong>r Grundlagen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterrichts mit verhaltensauffälligen<br />

SchülerInnen sind im Gesetz zur „folkeskole“ zu fin<strong>de</strong>n. Zu <strong>de</strong>n dort<br />

genannten Zielen <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterricht an <strong>de</strong>r „folkeskole“ zählt u.a. die<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Persönlichkeit <strong>de</strong>r SchülerInnen zu för<strong>de</strong>rn. In diesem<br />

Bereich soll v.a. die För<strong>de</strong>rung verhaltensauffälliger SchülerInnen ansetzen,<br />

wobei Schwerpunkte auf die Beziehung zwischen SchülerIn und LehrerIn<br />

und die Entwicklung von einem positiven Selbstbild, Empathie und<br />

emotionaler Kontrolle gelegt wer<strong>de</strong>n. Wichtig ist dabei ein ganzheitlich<br />

orientierter Unterricht, <strong>de</strong>r viele praktisch- musische Aktivitäten enthält. 183<br />

Beim „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ ist es wichtig, <strong>de</strong>n SchülerInnen einen<br />

strukturierten, vorhersehbaren, klar umrissenen Schulalltag als<br />

Gegengewicht zu <strong>de</strong>m chaotischen Erleben ihrer Umwelt zu bieten. Dabei<br />

sollen die LehrerInnen <strong>de</strong>n SchülerInnen konkrete Handlungsanweisungen<br />

geben, Hilfe bei <strong>de</strong>m Lösen von Konflikten leisten und ein<strong>de</strong>utige, klare<br />

Anweisungen <strong>für</strong> alternative Handlungsweisen geben. Für die einzelnen<br />

90


SchülerInnen sollen individuelle Handlungspläne mit kurz- und<br />

längerfristigen Zielen erarbeitet wer<strong>de</strong>n, welche ständig evaluiert und<br />

gegebenenfalls an neue Situationen angepaßt wer<strong>de</strong>n sollen. 184<br />

Der pädagogische Einsatz, welcher durch „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ und<br />

daran angeschlossenen Aktivitäten geleistet wird, sollte darüber hinaus aus<br />

drei Teilen bestehen:<br />

- Unterricht und Lernen<br />

- Sozialpädagogik mit geplanten und sich entwickeln<strong>de</strong>n Aktivitäten<br />

- Behandlung in Form von Milieutherapie, eventuell in Kombination<br />

mit an<strong>de</strong>ren Therapieformen 185<br />

Da die pädagogische Praxis <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ nicht von<br />

einfachen pädagogischen Techniken, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>r Beziehung zwischen<br />

SchülerIn und LehrerIn geprägt ist, wird <strong>de</strong>n LehrerInnen empfohlen, über<br />

die folgen<strong>de</strong>n fünf verschie<strong>de</strong>ne Bereiche zu reflektieren:<br />

1. Selbstreflexion: Hierbei geht es um die Fragen, welchen Anteil man als<br />

LehrerIn an <strong>de</strong>r pädagogischen Situation hat, welche persönliche und<br />

fachliche Einstellung man zu <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s hat, wie die<br />

aktuelle, persönliche Situation aussieht und ob man sich in seinem<br />

Verhalten als LehrerIn geän<strong>de</strong>rt hat, ob man <strong>de</strong>n einzelnen Kin<strong>de</strong>rn<br />

genügend Aufmerksamkeit zukommen läßt und welche persönlichen<br />

Eigenschaften man im Unterricht anwen<strong>de</strong>t und welchen Effekt sie<br />

haben. 186<br />

2. Überlegungen über <strong>de</strong>n Schüler/ die Schülerin: Hierbei geht es um die<br />

Fragen, wie <strong>de</strong>r Schüler/die Schülerin einen als LehrerIn auffaßt, welche<br />

Konzentrations- und Auffassungsgabe und welche Frustrationstoleranz<br />

183 vgl.: wie 160, S. 10 ff<br />

184 vgl.: wie 160, S. 28 f<br />

185 vgl.: wie 160, S. 30<br />

186 vgl.: wie 160, S. 32<br />

91


das Kind hat, was kann das Kind aus seinen Erfahrungen lernen, was<br />

kennzeichnet das Verhalten und die Reaktionsmuster <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, wenn<br />

es unter Druck gerät, welche Situationen för<strong>de</strong>rn negatives, welche<br />

positives Verhalten, was sagt das Verhalten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s mir. 187<br />

3. Pädagogische Überlegungen: Hierbei geht es um die Fragen: För<strong>de</strong>rt ob<br />

<strong>de</strong>r Unterricht das gewünschte Verhalten, sind die Erwartungen an das<br />

Kind <strong>de</strong>ssen Voraussetzungen angepasst, ist die Situation durch<br />

Toleranz gegenüber Unterschie<strong>de</strong>n geprägt, kann ich als Lehrer<br />

zwischen Beschreibungs-, Interpretations- und Bewertungsniveau<br />

unterschei<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r Unterricht brauchbar und sinnvoll, wie arbeitet<br />

man an <strong>de</strong>m sozialen Wohlbefin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r gesamten Klasse, welche<br />

positiven und negativen Sanktionen sollen angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, ist die<br />

Kommunikation offen, wie kann das selbstkontrollierte Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Kin<strong>de</strong>s unterstützt wer<strong>de</strong>n, sind die SchülerInnen in das Aufstellen <strong>de</strong>r<br />

Regeln involviert, ist die Anzahl <strong>de</strong>r Regeln zweckmäßig, sind die<br />

Regeln zweckmäßig formuliert, sind die Regeln bis zu einem gewissen<br />

Grad flexibel? 188<br />

4. Pädagogisches Werkzeug: Hiebei geht es um Techniken wie, die<br />

Aufmerksamkeit von beispielsweise einer Konfrontation auf etwas<br />

neutrales zu lenken, die negative Betonung einer Situation in eine<br />

positive umzu<strong>de</strong>finieren, geplante physische Aktivitäten als Mittel zur<br />

Kanalisation von Unruhe und Rastlosigkeit anzuwen<strong>de</strong>n, bewußte<br />

Anwendung von physischer Nähe o<strong>de</strong>r Distanz, Anwendung von<br />

Struktur und Vorhersehbarkeit, um <strong>de</strong>n SchülerInnen Sicherheit zu<br />

geben, „feed-forward“ (konkrete Anweisungen <strong>für</strong> Verhalten in<br />

bestimmten, zukünftigen Situationen) geben, bewußtes Auswählen <strong>de</strong>s<br />

187 vgl.: wie 160, S. 33<br />

188 vgl.: wie 160, S. 33<br />

92


Zeitpunkts <strong>de</strong>r Intervention, in bestimmten Situationen Auswege ohne<br />

„Verlierer“ zu schaffen. 189<br />

5. Organisation von Unterricht und pädagogischen Aktivitäten: Hierbei<br />

geht es um die Fragen: wie man am besten die Pausen gestaltet, welche<br />

Gruppenstrukturen sind zweckmäßig, welche alternativen und för<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Aktivitäten gibt es, welche Aktivitäten haben eine Wirkung entwickelt<br />

und können diese erweitert wer<strong>de</strong>n, wie kann <strong>de</strong>r Unterricht und die<br />

Klasse organisiert wer<strong>de</strong>n, so dass zweckmäßige Beziehungen entstehen,<br />

wie können die an<strong>de</strong>ren SchülerInnen einbezogen wer<strong>de</strong>n, um ein<br />

gewünschtes Verhalten zu erreichen. 190<br />

4.3.2 Die verschie<strong>de</strong>nen Organisationsformen<br />

Unterricht von verhaltensauffälligen SchülerInnen im Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>r Regelklasse<br />

Es gibt viele verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten, an <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

verhaltensauffällige SchülerInnen, welche in <strong>de</strong>r Regelklasse unterrichtet<br />

wer<strong>de</strong>n, zu unterstützen. Die wahrscheinlichst häufigste Form ist, dass durch<br />

das „specialcenter“ <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ein Stützkurs <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen angeboten wird. In <strong>de</strong>r Regel wer<strong>de</strong>n in diesen Kursen vier bis<br />

acht SchülerInnen betreut. Die Dauer und die Häufigkeit <strong>de</strong>s Kurses hängt<br />

von <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>r SchülerInnen und <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ab. Es<br />

gibt dabei auch die Möglichkeit, einen Schüler/ eine Schülerin <strong>für</strong> nur eine<br />

Stun<strong>de</strong>, nach<strong>de</strong>m es zu einem Konflikt o<strong>de</strong>r Regelverstoß gekommen ist, zu<br />

einem Stützkurs zu überweisen. <strong>Eine</strong> weitere Möglichkeit ist es, dass ein<br />

189 vgl.: wie 160, S. 34<br />

190 vgl.: wie 160, S. 34<br />

93


„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrer/ eine „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn zur<br />

Unterstützung in die Regelklasse kommt. 191<br />

Es sind darüber hinaus an mehreren <strong>Schule</strong>n auch an<strong>de</strong>re Projekte<br />

entstan<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen versucht wird, auf die Probleme verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen einzugehen. So gibt es beispielsweise an einer <strong>Schule</strong> eine Art<br />

Cafe, wo SchülerInnen vor o<strong>de</strong>r während <strong>de</strong>s Unterrichts o<strong>de</strong>r auch während<br />

<strong>de</strong>r Pausen hingehen können. In dieses Cafe sollen SchülerInnen freiwillig<br />

kommen, um Situationen zu vermei<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen Probleme auftreten<br />

können. Wenn sie also merken, sie sind <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen, die <strong>de</strong>r<br />

Unterricht an sie stellt, in <strong>de</strong>m Moment nicht gewachsen, so können sie nach<br />

Absprache mit <strong>de</strong>m Lehrer/ <strong>de</strong>r Lehrerin in das Cafe gehen. Einige<br />

SchülerInnen kommen schon vor <strong>de</strong>m Unterricht, weil sie das Bedürfnis<br />

nach Unterhaltung haben o<strong>de</strong>r weil sie noch etwas essen wollen. In <strong>de</strong>m<br />

Cafe sind drei LehrerInnen beschäftigt, die die SchülerInnen in<br />

verschie<strong>de</strong>nen Dingen unterstützen. So haben die SchülerInnen die<br />

Möglichkeit, Hausaufgaben zu machen, sich zu unterhalten o<strong>de</strong>r über<br />

Probleme zu re<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m wird versucht, <strong>de</strong>n SchülerInnen in<br />

bestimmten Fächern Erfolgserlebnisse zu verschaffen. 192<br />

Solche Projekte sind aber lei<strong>de</strong>r eher die Ausnahme und es ist auch nicht an<br />

je<strong>de</strong>r „folkeskole“ üblich, etwas <strong>für</strong> SchülerInnen mit auffälligen Verhalten<br />

anzubieten. Es kommt daher auch sehr häufig vor, dass auffällige<br />

SchülerInnen einfach von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> verwiesen wer<strong>de</strong>n. 193<br />

„Observationsun<strong>de</strong>rvisning“ in <strong>de</strong>r „specialklasse“<br />

„Specialklasser“, welche sich auf „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ spezialisiert<br />

haben, können von <strong>de</strong>r „kommune“ o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m „amt“ bezahlt wer<strong>de</strong>n. In<br />

einer „specialklasse“ wer<strong>de</strong>n zwischen vier und acht SchülerInnen<br />

191 vgl.: wie 128, S. 75 f<br />

192 vgl.: wie 128, S. 81 ff<br />

193 vgl.: Luise Lückou Falhof, Barnet ingen vil have. Aktuelt 16. 12. 2000<br />

94


unterrichtet. „Specialklasser“ sind in <strong>de</strong>r Regel organisatorisch an eine<br />

bestimmte „folkeskole“ angeschlossen. Da aber nicht je<strong>de</strong> „folkeskole“ eine<br />

„specialklasse“ <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen anbietet, wer<strong>de</strong>n auch<br />

SchülerInnen von an<strong>de</strong>ren <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>r „kommune“ aufgenommen. Der<br />

Unterricht umfasst dabei die Fächer <strong>de</strong>r „folkeskole“. Viele „specialklasser“<br />

haben ein Freizeitangebot <strong>für</strong> die SchülerInnen, wo sie nachmittags von<br />

SozialpädagogInnen betreut wer<strong>de</strong>n. Da „specialklasser“ ein längerfristiges<br />

Angebot sind, müssen umfassen<strong>de</strong> Probleme in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd,<br />

kontakt, trivsel“ vorliegen, um einen Schüler/ eine Schülerin in eine<br />

„specialklasse“ zu überweisen. Ziel <strong>de</strong>s Unterrichts ist es, die SchülerInnen<br />

so in ihrer Entwicklung zu unterstützen, dass sie nach einer gewissen Zeit<br />

wie<strong>de</strong>r in einer Regelklasse unterrichtet wer<strong>de</strong>n können. 194<br />

„Observationsun<strong>de</strong>rvisning“ an einer „specialskole“<br />

Die meisten „specialskoler“, die observationsun<strong>de</strong>rvisning“ anbieten, sind<br />

Ganztagsschulen, was be<strong>de</strong>utet, dass die <strong>Schule</strong> von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr<br />

geöffnet ist. Diese Ganztagsschulen sind nach <strong>de</strong>m Gesetz „folkeskoler“,<br />

welche sich ausschließlich mit Unterricht von SchülerInnen mit Problemen<br />

in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“ beschäftigen. Am Nachmittag<br />

fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Regel kein Unterricht mehr statt, son<strong>de</strong>rn es wer<strong>de</strong>n<br />

sozialpädagogisch betreute Freizeitaktivitäten angeboten. Die SchülerInnen<br />

sind nach einer eingehen<strong>de</strong>n Untersuchung vom „PPR“ an diese Schulform<br />

überwiesen wor<strong>de</strong>n, wobei auch berücksichtigt wur<strong>de</strong>, ob die SchülerInnen<br />

von <strong>de</strong>r SchülerInnengruppe profitieren, in die sie hineinkommen, und ob<br />

umgekehrt die Gruppe von <strong>de</strong>r neuen Schülerin/ <strong>de</strong>m neuen Schüler<br />

profitiert. Ein wichtiger Aspekt bei <strong>de</strong>r Überweisung an eine<br />

Ganztagsschule ist auch, dass die Verbindung <strong>de</strong>s Schülers/ <strong>de</strong>r Schülerin zu<br />

Familie und Umfeld erhalten bleibt. Obwohl <strong>de</strong>r Aufenthalt <strong>de</strong>r<br />

SchülerInnen an diesen <strong>Schule</strong>n längerfristig geplant ist, ist es Ziel <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts, dass die SchülerInnen so in ihrer Entwicklung geför<strong>de</strong>rt<br />

194 vgl.: wie 160, S. 38 f<br />

95


wer<strong>de</strong>n, dass sie wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ teilnehmen<br />

können. 195<br />

„Observationsskole“ – „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ an einem Internat<br />

Die Internatsschulen mit „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ sind <strong>für</strong> einen<br />

mittelfristigen Aufenthalt von SchülerInnen mit auffälligen Verhalten<br />

gedacht. An diesen <strong>Schule</strong>n wohnen normalerweise zwischen sechzehn und<br />

vierundzwanzig SchülerInnen, wodurch diese Internate recht überschaubar<br />

<strong>für</strong> LehrerInnen und SchülerInnen bleiben. Die SchülerInnen dieser <strong>Schule</strong>n<br />

haben ernste Probleme in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“, wobei<br />

sie nicht zufrie<strong>de</strong>nstellend durch die Hilfsangebote <strong>de</strong>r „folkeskole“ bei<br />

ihren Problemen unterstützt wer<strong>de</strong>n konnten. Ziel <strong>de</strong>r „observationsskoler“<br />

ist es, die SchülerInnen außerhalb ihres normalen Umfelds zu beobachten,<br />

um so möglichst eine genaue Ursache <strong>für</strong> die Probleme herauszufin<strong>de</strong>n.<br />

Aufgrund dieser Beobachtungen soll ein geeigneter För<strong>de</strong>rort <strong>für</strong> die Kin<strong>de</strong>r<br />

und Jugendlichen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und diese sollen dann auf diesen<br />

För<strong>de</strong>rort vorbereitet wer<strong>de</strong>n. 196<br />

Einzelunterricht<br />

In beson<strong>de</strong>rs schwierigen Fällen kann es vorkommen, dass ein Schüler/ eine<br />

Schülerin Einzelunterricht <strong>für</strong> einen begrenzten Zeitraum erhält. Diese<br />

Unterrichtsform wird dann angewandt, wenn <strong>de</strong>r Schüler/ die Schülerin<br />

aufgrund einer Krisenreaktion o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer schwerwiegen<strong>de</strong>r Probleme<br />

nicht in <strong>de</strong>r Lage ist, mit an<strong>de</strong>ren SchülerInnen zusammen zu sein. 197<br />

195 vgl.: wie 160, S. 39 f<br />

196 vgl.: wie 160, S. 40 f<br />

197 vgl.: wie 160, S. 39<br />

96


4.4 Resümee und aktuelle Diskussion<br />

Insgesamt gesehen gibt es in Dänemark zahlreiche Möglichkeiten,<br />

SchülerInnen mit auffälligen Verhalten innerhalb und außerhalb <strong>de</strong>s<br />

Regelunterrichts <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu för<strong>de</strong>rn. Es ist dabei sehr interessant,<br />

dass nicht nur auf bestimmte Unterrichtsmetho<strong>de</strong>n zurückgegriffen wird,<br />

son<strong>de</strong>rn auch versucht wird, <strong>de</strong>n Freizeitbereich <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

mitzugestalten und mit sozialpädagogischen Metho<strong>de</strong>n auf die Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r und Jugendlichen einzugehen. V.a. die „observationsskole“ in<br />

Internatsform ist meines Erachtens eine gelungene Möglichkeit, die<br />

individuellen Probleme <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen herauszufin<strong>de</strong>n, sich<br />

darauf einzustellen und geeingnete För<strong>de</strong>rorte zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Durch die starke Dezentralisierung <strong>de</strong>s dänischen Schulsystems und<br />

finanziellen Einschnitt im Bereich <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ wer<strong>de</strong>n die<br />

vielen Möglichkeiten <strong>de</strong>s „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ zu wenig<br />

ausgenutzt 198 . Es hängt stark von <strong>de</strong>m Engagement einzelner ab, ob und<br />

welche Projekte an <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Schule</strong>n errichtet wer<strong>de</strong>n. Da viele<br />

<strong>Schule</strong>n keinerlei „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ anbieten, sind in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren vermehrt SchülerInnen mit auffälligen Verhalten einfach <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

verwiesen wor<strong>de</strong>n. Dies liegt <strong>alle</strong>rdings nicht nur an <strong>de</strong>n mangeln<strong>de</strong>n<br />

För<strong>de</strong>rmöglichkeiten <strong>de</strong>r einzelnen <strong>Schule</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch daran, dass die<br />

Wartezeit auf <strong>für</strong> eine Untersuchung durch <strong>de</strong>n „PPR“ in <strong>de</strong>n meisten<br />

„kommuner“ ein halbes bis ein ganzes Jahr beträgt 199 . Den meisten <strong>Schule</strong>n<br />

fällt es daher schwer, schwierige SchülerInnen über so einen langen<br />

Zeitraum an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> zu halten, v.a. da in Zeiten <strong>de</strong>r freien Schulwahl um<br />

ihren guten Ruf <strong>für</strong>chten.<br />

Allerdings sind „unruhige“ SchülerInnen und Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche mit<br />

Problemen in <strong>de</strong>n Bereichen „adfaerd, kontakt, trivsel“ wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

198 vgl.: wie 181<br />

199 vgl.: wie 193<br />

97


Diskussion, welche immer noch stark von <strong>de</strong>m Niveauproblem <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ und <strong>de</strong>n SchülerInnen mit Leseproblemen dominiert wird.<br />

Aber <strong>de</strong>r Anstieg im Bereich <strong>de</strong>s „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“,<br />

welcher v.a. auf einen Anstieg <strong>de</strong>r Anzahl verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen zurückzuführen ist, hat einige Verantwortliche wachgerüttelt.<br />

Es sind vermehrt Bemühungen zu erkennen Projekte <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen zu errichten und zu för<strong>de</strong>rn und ich <strong>de</strong>nke, dass dieser Trend<br />

noch eine Weile anhalten wird.<br />

98


5. Erfahrungsberichte von verschie<strong>de</strong>nen<br />

<strong>Schule</strong>n<br />

Während meines Aufenthalts in Kopenhagen habe ich einige <strong>Schule</strong>n<br />

besucht, um mir ein lebendigeres Bild vom „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu<br />

verschaffen und um mir einen kleinen Einblick in die „Realität“ zu<br />

verschaffen. Mein Schwerpunkt war dabei, die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Organisationsformen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisnings“ zu erleben und das<br />

vorzugsweise im Zusammenhang mit verhaltensauffälligen SchülerInnen.<br />

Die meisten dieser <strong>Schule</strong>n besuchte ich einen Tag lang, wobei mir zumeist<br />

erst die <strong>Schule</strong> gezeigt wur<strong>de</strong> und das Konzept und die Arbeitsweise <strong>de</strong>r<br />

<strong>Schule</strong> erklärt wur<strong>de</strong>. Anschließend daran durfte ich einige<br />

Unterrichtsstun<strong>de</strong>n miterleben. In <strong>de</strong>n „specialklasser“ <strong>de</strong>s „Lille<br />

Tjoerngaard“ hatte ich sogar die Möglichkeit, ein zweiwöchiges Praktikum<br />

zu absolvieren. Die dabei gesammelten Eindrücke möchte ich in diesem<br />

Kapitel schil<strong>de</strong>rn.<br />

5.1 Das „specialcenter“ <strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“<br />

Die „Tjoerngaardsskole“ ist eine „folkeskole“, welche in Gentofte, einer<br />

„kommune“, die im Nor<strong>de</strong>n an Kopenhagen angrenzt, liegt. Während<br />

meines Besuches habe ich eine Lehrerin <strong>de</strong>s „specialcenter“ einen Tag lang<br />

begleitet. Diese Lehrerin hatte nicht die Ausbildung zur<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Lehrerin absolviert, hatte aber einige<br />

Fortbildungskurse in diesem Bereich gemacht. Sie arbeitete nicht nur im<br />

„specialcenter“, son<strong>de</strong>rn unterrichtete auch Regelklassen in <strong>de</strong>m Fach<br />

Deutsch. Ich begleitete sie bei <strong>de</strong>r Erteilung von Stützkursen und bei <strong>de</strong>m<br />

Testen eines Jungen.<br />

99


100<br />

Die bei<strong>de</strong>n Stützkurse, bei <strong>de</strong>nen ich zugegen war, waren Kurse zur<br />

Unterstützung beim Lesenlernen. In einem Kurs waren zwei Schüler, <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Kurs war eine Einzelför<strong>de</strong>rung. Die Schüler wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Lehrerin<br />

in ihren Klassenzimmern abgeholt, um mit ihr in die Räume <strong>de</strong>s<br />

„specialcenter“ im dritten Stockwerk <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> zu gehen.<br />

Die einzelnen Räume <strong>de</strong>s „specialcenter“ sind nicht sehr groß, son<strong>de</strong>rn<br />

haben meist nur Platz <strong>für</strong> einen Tisch, an <strong>de</strong>m bis zu sechs Personen sitzen<br />

können, und <strong>für</strong> Regale mit Materialien <strong>für</strong> die Stützkurse. Die meisten<br />

Räume sind durch Türen miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Die Materialien sind in <strong>de</strong>r<br />

Regel Bücher und Arbeitsblätter, die auf bestimmte Lernschwierigkeiten<br />

abgestimmt sind.<br />

Die meisten Kurse, die in <strong>de</strong>m „specialcenter“ durchgeführt wer<strong>de</strong>n, sind<br />

Stützkurse zum Lesen- und Schreibenlernen, sowie Dänischkurse <strong>für</strong> Kin<strong>de</strong>r<br />

aus Einwan<strong>de</strong>rerfamilien. Zusätzlich dazu gibt es Angebote <strong>für</strong><br />

SchülerInnen mit Schwierigkeiten in Mathematik und <strong>für</strong><br />

verhaltensauffällige Kin<strong>de</strong>r.<br />

In <strong>de</strong>n Kursen, wo ich zugegen war, bestand die Aufgabe <strong>de</strong>r Schüler v.a.<br />

darin, kurze Texte zu lesen, wobei sie von <strong>de</strong>r Lehrerin unterstützt wur<strong>de</strong>n.<br />

Meine Dänischkenntnisse waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit, als<br />

dass ich <strong>alle</strong>s verstan<strong>de</strong>n hätte, was die Lehrerin <strong>de</strong>n Schülern sagte.<br />

Dadurch sind mir gewiss auch einige spezielle Anweisungen <strong>de</strong>r Lehrerin<br />

entgangen.<br />

Den Test, <strong>de</strong>n die Lehrerin mit einem Jungen <strong>de</strong>r dritten Klasse durchführte,<br />

war ein Test, mit <strong>de</strong>m man Leseschwierigkeiten feststellen konnte. Die<br />

Klassenlehrerin <strong>de</strong>s Schülers hatte <strong>de</strong>n Verdacht geäußert, dass dieser Junge<br />

Probleme in diesem Bereich hätte. Der etwa 30-minütige Test, <strong>de</strong>r<br />

durchgeführt wur<strong>de</strong>, sollte zeigen, ob dieser Verdacht berechtigt wäre o<strong>de</strong>r


101<br />

nicht, um dann eventuell weitere umfassen<strong>de</strong>re Untersuchungen in Gang zu<br />

setzen und <strong>de</strong>n „PPR“ zu benachrichtigen.<br />

Insgesamt hatte ich <strong>de</strong>n Eindruck eines recht gut funktionieren<strong>de</strong>n Systems,<br />

welches flexibel auf die Bedürfnisse <strong>de</strong>r SchülerInnen bis zu einem<br />

gewissen Grad einzugehen vermochte. Von <strong>de</strong>r Struktur und Arbeitsweise<br />

erinnerte mich das „specialcenter“ an die „special needs center“, welche ich<br />

an <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n in Liverpool kennengelernt hatte, wobei das specialcenter“<br />

dieser <strong>Schule</strong> personell besser ausgestattet schien. Über die fachliche<br />

Kompetenz <strong>de</strong>r Lehrerin welche ich begleitete, möchte ich mir kein Urteil<br />

erlauben, v.a. da ich ja nur einen Tag zu Besuch war und ich auch nicht<br />

<strong>alle</strong>n Konversationen folgen konnte. Ich hatte <strong>alle</strong>rdings das Gefühl, dass sie<br />

teilweise etwas ungeschickt in <strong>de</strong>m Umgang mit <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn war.<br />

Abgesehen davon hatte sie mir erzählt, dass sie seit kurzem auch einen<br />

Jungen aus einer Einwan<strong>de</strong>rerfamilie unterrichten sollte, obwohl sie keine<br />

Ahnung davon hätte, wie man „Dänisch als Fremdsprache“ vermittelt.<br />

5.2 „Lille Tjoerngaard“ – zwei „specialklasser“ <strong>für</strong><br />

verhaltensauffällige SchülerInnen<br />

„Lille Tjoerngaard“ sind zwei „specialklasser“ <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen, welche organisatorisch zur Tjoerngaardsskolen gehören. Wie<br />

schon erwähnt habe ich in eine <strong>de</strong>r Klassen ein zweiwöchiges Praktikum<br />

gemacht. Vorher hatte ich zweimal <strong>de</strong>n Leiter von „Lille Tjoerngaard“<br />

getroffen, welcher mir ausführlich das Konzept, nach <strong>de</strong>m gearbeitet wird,<br />

beschrieben hat.<br />

„Lille Tjoerngaard“ ist 1994 entstan<strong>de</strong>n, da die „kommune“ Gentofte ein<br />

Ganztagsangebot <strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen errichten wollte.


102<br />

„Lille Tjoerngaard“ sind aus organisatorischer Sicht zwar „specialklasser“<br />

<strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“, im Alltag funktionieren sie aber wie eine<br />

selbständige <strong>Schule</strong> mit einem eigenem Leiter und einem eigenen<br />

Kollegium. „Lille Tjoerngaard“ hat dreizehn Mitarbeiter, sechs LehrerInnen,<br />

sechs SozialpädagogInnen und eine Psychologin, und zwölf SchülerInnen,<br />

die nach Alter in zwei Klassen aufgeteilt sind.<br />

Die SchülerInnen <strong>de</strong>r Klassen sind zwischen sieben und zwölf Jahre alt. Die<br />

SchülerInnen sind normalbegabte Kin<strong>de</strong>r mit Verhaltensproblemen, <strong>de</strong>ren<br />

Persönlichkeitsentwicklung in <strong>de</strong>m Maße gestört ist, dass sie keinen<br />

ausreichen<strong>de</strong>n Nutzen aus <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“ ziehen können.<br />

Dies bezieht sich sowohl auf die fachliche Seite als auch auf die <strong>de</strong>r<br />

Persönlichkeitsentwicklung, welche ja auch durch <strong>de</strong>n Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n soll. Viele <strong>de</strong>r SchülerInnen <strong>de</strong>s „Lille<br />

Tjoerngaard“ wer<strong>de</strong>n als unsicher, unruhig und unkonzentriert beschrieben,<br />

mit Kontaktschwierigkeiten und gewalttätigen Affektausbrüchen. <strong>Eine</strong><br />

wichtige Voraussetzung <strong>für</strong> die Aufnahme in „Lille Tjoerngaard“ ist, dass<br />

die Kin<strong>de</strong>r „pädagogisch offen“ sind.<br />

Ziel <strong>de</strong>s Unterrichts an „Lille Tjoerngaard“ ist es, die SchülerInnen in ihrer<br />

sozial-emotionalen Entwicklung so zu för<strong>de</strong>rn, dass sie wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m<br />

Unterricht <strong>de</strong>r Regelschule teilnehmen können. Dies soll durch eine<br />

ganzheitlich Arbeitsweise und einer intensive Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit<br />

<strong>de</strong>n Problemen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r geschehen.<br />

Die SchülerInnen sind dazu in zwei Gruppen zu je sechs SchülerInnen<br />

unterteilt. Der Unterricht wird stark durchstrukturiert und enthält klare<br />

Anweisungen <strong>für</strong> die einzelnen SchülerInnen. Ein wichtiges Element <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts ist außer<strong>de</strong>m die Vorhersehbarkeit. Die SchülerInnen sollen<br />

je<strong>de</strong>rzeit wissen, was sie in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> erwartet. Dies wird u.a. dadurch<br />

gesichert, dass in <strong>de</strong>n Klassen <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n Schüler/ je<strong>de</strong> Schülerin Pläne<br />

hängen, aus <strong>de</strong>nen erkennbar ist, was <strong>alle</strong>s an <strong>de</strong>m Tag passieren soll. Falls


103<br />

die SchülerInnen noch nicht schreiben können, wer<strong>de</strong>n die Aktivitäten durch<br />

Symbole dargestellt. Durch diese Art von Unterricht wird versucht, <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen zu Erfolgserlebnissen zu verhelfen und somit <strong>de</strong>ren<br />

Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu steigern. Dadurch soll die Energie<br />

freigesetzt wer<strong>de</strong>n, die das Kind <strong>für</strong> die Entwicklung seiner Persönlichkeit<br />

benötigt.<br />

Wichtig ist dabei auch, im Unterricht eine Atmosphäre zu schaffen, in <strong>de</strong>r<br />

die Kin<strong>de</strong>r mit ihren Beson<strong>de</strong>rheiten akzeptiert und respektiert wer<strong>de</strong>n und<br />

wo sie sich gegenseitig respektieren. Außer<strong>de</strong>m sollen die LehrerInnen die<br />

SchülerInnen darin unterstützen, ihre Gefühle zu beschreiben und ihnen<br />

einen angemessenen Ausdruck zu geben. Da die SchülerInnen sehr viel<br />

„Ich-Unterstützung“ benötigen, müssen die LehrerInnen darauf achten, eine<br />

angemessene Balance zwischen <strong>de</strong>n Bedürfnissen <strong>de</strong>s Einzelnen und <strong>de</strong>n<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Gruppe zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Um diesen Unterricht gewährleisten zu können, sind immer min<strong>de</strong>stens<br />

zwei LehrerInnen gleichzeitig in einer Klasse. In <strong>de</strong>r Nachmittagsbetreuung<br />

wer<strong>de</strong>n die Klassen auch jeweils von min<strong>de</strong>stens zwei SozialpädagogInnen<br />

betreut.<br />

Die Ansprüche, die <strong>de</strong>r Unterricht an die LehrerInnen und<br />

SozialpädagogInnen stellt, setzt eine enge Zusammenarbeit untereinan<strong>de</strong>r<br />

voraus. Deswegen fin<strong>de</strong>n einmal in <strong>de</strong>r Woche eine Teamsitzung und eine<br />

Konferenz statt. Zusätzlich dazu fin<strong>de</strong>n min<strong>de</strong>stens einmal im Monat eine<br />

Supervisionssitzung und ein sogenanntes pädagogisches Treffen statt. Bei<br />

diesen Treffen sollen Probleme erörtert wer<strong>de</strong>n und außer<strong>de</strong>m die<br />

Unterstützung untereinan<strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Nach<strong>de</strong>m mir <strong>de</strong>r Leiter dieses Konzept <strong>de</strong>s „Lille Tjoerngaard“, von <strong>de</strong>m<br />

ich sehr beeindruckt war, vorgestellt hatte, war ich sehr gespannt darauf,<br />

<strong>de</strong>ssen Umsetzung in <strong>de</strong>r Praxis zu erleben. Ich sollte die zwei Wochen in


104<br />

<strong>de</strong>r Klasse mit <strong>de</strong>n älteren Schülern (welche zwischen neun und zwölf<br />

Jahren alt waren) hospitieren, wobei sich beson<strong>de</strong>rs ein Lehrer um mich<br />

kümmern sollte.<br />

Schon bei <strong>de</strong>m ersten Treffen mit diesem Lehrer wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass das<br />

Konzept <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> in <strong>de</strong>r Praxis nicht immer funktionierte. Der Lehrer<br />

erklärte mir nämlich, dass er mit einer <strong>de</strong>r LehrerInnen, die mit in <strong>de</strong>r Klasse<br />

unterrichten wür<strong>de</strong>n, nicht sehr gut zurechtkommen wür<strong>de</strong> und sie recht<br />

unterschiedliche pädagogische Auffassungen hätten. Deswegen hätten sie<br />

intern die Klasse noch einmal aufgeteilt und er wür<strong>de</strong> v.a. die bei<strong>de</strong>n<br />

ältesten Schülern <strong>de</strong>r Klasse unterrichten. Lediglich <strong>de</strong>n einmal wöchentlich<br />

stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Hauswirtschaftsunterricht und einige Ausflüge und beson<strong>de</strong>re<br />

Aktivitäten wür<strong>de</strong>n gemeinsam gemacht.<br />

Es wur<strong>de</strong> dann in <strong>de</strong>r Klasse auch nach unterschiedlichen Metho<strong>de</strong>n<br />

unterrichtet. Während <strong>de</strong>r Lehrer, mit <strong>de</strong>m ich die meiste Zeit zusammen<br />

war, versuchte, über einen erlebnispädagogischen Ansatz mit <strong>de</strong>n Schülern<br />

zu arbeiten, hielt die an<strong>de</strong>re Lehrerin einen eher „klassischen“ Unterricht.<br />

Die dritte Lehrerin <strong>de</strong>r Klasse habe ich lei<strong>de</strong>r nicht kennen gelernt, da sie<br />

die ganzen zwei Wochen, in <strong>de</strong>nen ich in <strong>de</strong>r Klasse war, krank war. Nach<br />

einer Woche mel<strong>de</strong>te sich auch die an<strong>de</strong>re Lehrerin krank, so dass die<br />

unterschiedlichen Unterrichtsstile nicht mehr ins Gewicht fielen.<br />

Auch die Tagespläne, die <strong>de</strong>n Tag <strong>für</strong> die SchülerInnen vorhersehbar<br />

machen sollten, konnte ich nicht in <strong>de</strong>r Klasse ent<strong>de</strong>cken. Dadurch dass die<br />

LehrerInnen <strong>de</strong>r Klasse sich untereinan<strong>de</strong>r nicht so gut verstan<strong>de</strong>n, waren<br />

auch die gemeinsamen Aktivitäten oftmals etwas unstrukturiert. So en<strong>de</strong>te<br />

beispielsweise ein Hauswirtschaftstag, an <strong>de</strong>m eine Quiche gebacken und<br />

ein Salat gemacht wer<strong>de</strong>n sollte, im totalen Chaos und das obwohl zu <strong>de</strong>r<br />

Betreuung von fünf Kin<strong>de</strong>rn fünf (!) Erwachsene (zwei LehrerInnen, zwei<br />

SozialpädagogInnen und ich) zur Verfügungen stan<strong>de</strong>n. Aufgrund <strong>de</strong>r<br />

mangeln<strong>de</strong>n Absprache wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn keine ein<strong>de</strong>utigen


105<br />

Anweisungen gegeben, was im En<strong>de</strong>ffekt darauf hinauslief, dass die<br />

Erwachsenen das Essen machten und die Schüler durch die Klasse liefen<br />

und sich darüber stritten, wer als nächstes am Computer spielen durfte.<br />

Ich habe mich außer<strong>de</strong>m darüber gewun<strong>de</strong>rt, dass <strong>de</strong>r Computer von <strong>de</strong>n<br />

Kin<strong>de</strong>rn nur zum Spielen verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und dass keine Lernprogramme<br />

installiert waren. Als ich <strong>de</strong>n Lehrer fragte, warum dass so sei, antwortete<br />

dieser, dass das eigentlich eine gute I<strong>de</strong>e sei und dass bisher nie jemand auf<br />

<strong>de</strong>n Gedanken gekommen wäre. Er wollte aber auf meine Anregung sich an<br />

<strong>de</strong>r „Tjoerngaardsskolen“ nach Lernprogrammen erkundigen.<br />

Etwas, was ich als sehr positiv empfun<strong>de</strong>n habe, war, dass sehr viel mit <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen unternommen wur<strong>de</strong>. Allein in <strong>de</strong>n zwei Wochen, in <strong>de</strong>nen ich<br />

dort Praktikum machte, erlebte ich zwei Ausflüge. <strong>Eine</strong>r dieser Ausflüge,<br />

eine Bootstour nach Schwe<strong>de</strong>n, war als Projekt im Unterricht geplant<br />

wor<strong>de</strong>n. Dabei wur<strong>de</strong>n Zug- und Bootsfahrzeiten herausgefun<strong>de</strong>n, die Preise<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Bootsunternehmen miteinan<strong>de</strong>r verglichen und die<br />

verschie<strong>de</strong>nen Beträge in die an<strong>de</strong>re Währung umgerechnet.<br />

Etwas das mich sehr verwun<strong>de</strong>rte war die Tatsache, dass es kein Programm<br />

gibt, das die SchülerInnen bei <strong>de</strong>m Übergang zum Regelunterricht begleitet.<br />

Zwar ist es ein erklärtes Ziel <strong>de</strong>s „Lille Tjoerngaard“, dass die SchülerInnen<br />

nach einer bestimmten Zeit wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

zurückkehren sollen, es gibt aber keine Unterstützung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Übergang,<br />

wie das Besuchen <strong>de</strong>r zukünftigen Klasse o<strong>de</strong>r die Hilfe durch einen<br />

Stützlehrer.<br />

Insgesamt gesehen, sehe ich „Lille Tjoerngaard“ mit gemischten Gefühlen.<br />

<strong>Eine</strong>rseits <strong>de</strong>nke ich, dass <strong>de</strong>n Klassen ein sehr gutes Konzept zu Grun<strong>de</strong><br />

liegt, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite sieht <strong>de</strong>ren Umsetzung in <strong>de</strong>r Praxis nicht sehr<br />

überzeugend aus, wobei ich hier auch nur von <strong>de</strong>r Klasse sprechen kann, die<br />

ich gesehen habe.


5.3 „Terrasserne“ – eine „observationsskole“<br />

106<br />

„Terrasserne“ ist eine „observationsskole“ <strong>de</strong>r „kommune“ Kopenhagen,<br />

befin<strong>de</strong>t sich aber in <strong>de</strong>m Ort Fre<strong>de</strong>nsborg, welcher nördlich von<br />

Kopenhagen liegt. „Terrasserne“ ist, wie <strong>alle</strong> „observationsskoler“ eine<br />

Internatsschule <strong>für</strong> ca. 20 SchülerInnen. Die SchülerInnen sind zwischen<br />

acht und vierzehn Jahre alt und bleiben in <strong>de</strong>r Regel <strong>für</strong> drei bis acht Monate<br />

an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong>. Alle SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind freiwillig dort, d.h. dass<br />

<strong>de</strong>r „PPR“ die Maßnahme vorgeschlagen hat und die Eltern zusammen mit<br />

<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>m zugestimmt haben. Die SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind<br />

zuvor von verschie<strong>de</strong>nen „folkeskoler“ auf Grund ihres Verhaltens<br />

verwiesen wor<strong>de</strong>n und nun soll herausgefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, welche <strong>Schule</strong> <strong>de</strong>r<br />

geeigneter För<strong>de</strong>rort <strong>für</strong> diese SchülerInnen ist.<br />

Um dies herauszufin<strong>de</strong>n, arbeiten an <strong>de</strong>r „Terrasserne“ 20 LehreInnen und<br />

eine Psychologin. Das beson<strong>de</strong>re an „Terrasserne“ ist, dass dort nur<br />

LehrerInnen arbeiten und keine SozialpädagogInnen im Freizeitbereich wie<br />

in an<strong>de</strong>ren vergleichbaren <strong>Schule</strong>n in Dänemark. Die LehrerInnen<br />

übernehmen die gesamte Betreuung. Vormittags und nachmittags sind<br />

jeweils vier LehrerInnen anwesend, abends drei und nachts eineR, wobei ein<br />

Lehrer/ eine Lehrerin Bereitschaftsdienst hat. An <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gibt es drei<br />

Klassen, die von einem Lehrer/ einer Lehrerin geleitet wer<strong>de</strong>n. Der vierte<br />

Lehrer/ die vierte Lehrerin hat eine Springerfunktion und hilft bei Bedarf in<br />

<strong>de</strong>n Klassen aus, wobei täglich in einer Teamsitzung vor Schulbeginn<br />

bestimmt wird, welche Klasse <strong>de</strong>n größten Bedarf hat. Zusätzlich dazu<br />

betreut je<strong>de</strong>r Lehrer/ je<strong>de</strong> Lehrerin zwei SchülerInnen als KontaktlehrerIn.<br />

Die SchülerInnen sind in Zwei- o<strong>de</strong>r Dreibettzimmern untergebracht und<br />

dürfen <strong>alle</strong> zwei Wochenen<strong>de</strong>n nach Hause. Zu <strong>de</strong>n Regeln dieser<br />

„observationsskole“ gehört es auch, dass die SchülerInnen reihum in <strong>de</strong>r<br />

Küche und bei <strong>de</strong>n Putzarbeiten helfen müssen. Ansonsten haben die


107<br />

SchülerInnen von 8.30 bis 14.00 <strong>Schule</strong>, danach beginnt das<br />

Freizeitprogramm.<br />

Ein Großteil <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> und auch die Zimmer <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r befin<strong>de</strong>n sich in<br />

einem alten Haus aus <strong>de</strong>m Jahre 1855. In einem weiteren Haus sind noch<br />

zusätzliche Klassenräume untergebracht. Das Haus befin<strong>de</strong>t sich auf einem<br />

weitläufigen Gelän<strong>de</strong>, wo es Möglichkeiten zum Klettern, Skateboard und<br />

Rollerbla<strong>de</strong> fahren, Basketballspielen und Herumtoben gibt. Auch im<br />

großen Aufenthalts- und Gemeinschaftsraum <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind zahlreiche<br />

Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben. Außer<strong>de</strong>m liegt in <strong>de</strong>r<br />

Nähe <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s ein Wald mit einem See, zu <strong>de</strong>m oftmals Ausflüge mit<br />

<strong>de</strong>r ganzen <strong>Schule</strong> unternommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein typischer Tagesablauf an einem Werktag sieht in „Terrasserne“ wie<br />

folgt aus:<br />

7.30 Uhr die SchülerInnen wer<strong>de</strong>n geweckt<br />

8.00 Uhr Frühstück<br />

8.30 Uhr <strong>de</strong>r Unterricht beginnt mit <strong>de</strong>r Versammlung <strong>alle</strong>r<br />

9.00 Uhr die SchülerInnen gehen in die Klassen<br />

10.30 Uhr Pause<br />

11.00 Uhr die SchülerInnen gehen in die Klassen<br />

12.00 Uhr Mittagessen<br />

12.30 Uhr die SchülerInnen gehen in die Klassen<br />

14.00 Uhr Schulschluss, Zeit zur freien Gestaltung<br />

15.00 Uhr organisierte Aktivitäten, wie Schwimmen, Fahrradtouren etc.<br />

17.30 Uhr Aben<strong>de</strong>ssen<br />

18.00 Uhr Abend- „hygge“<br />

20.15 Uhr die SchülerInnen machen sich bettfertig<br />

21.00 Uhr <strong>alle</strong> SchülerInnen liegen im Bett<br />

Nach <strong>de</strong>r Aussage <strong>de</strong>s Schulleiters wird an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> nach keinem<br />

speziellen pädagogischen Konzept gearbeitet, aber man hat sich schon an


108<br />

„progressiven pädagogischen Theorien“ orientiert. Die wichtigste Aufgabe<br />

ist es, die Kin<strong>de</strong>r ganzheitlich kennenzulernen. Die Grundprinzipien sind<br />

dabei Nähe und ein fester Rahmen. Es wird versucht, eine familiäre und<br />

warme Atmosphäre zu schaffen, wo aber auch ein festes Regelwerk einen<br />

Bestandteil hat. Ihre Hauptaufgabe sehen die MitarbeiterInnen in <strong>de</strong>r<br />

Beobachter- und Beraterrolle.<br />

Ich hatte während meines Besuchs <strong>de</strong>r „Terrasserne“ die Möglichkeit, mit<br />

einem Schüler zu sprechen, <strong>de</strong>ssen Mutter Dänin und <strong>de</strong>ssen Vater<br />

Deutscher war. Die Eltern lebten voneinan<strong>de</strong>r getrennt und <strong>de</strong>r Junge hatte<br />

einige Zeit bei seinem Vater in Deutschland gelebt und war dort zeitweise<br />

auch in einem Heim untergebracht gewesen. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn<br />

zu fragen, ob er Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m Heim und <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> in<br />

Deutschland erlebt hatte und wo er sich wohler fühlen wür<strong>de</strong>. Er antwortete<br />

mir, dass er sich in Dänemark wohler fühlen wür<strong>de</strong>. Er meinte, dass <strong>de</strong>r<br />

Druck und <strong>de</strong>r Konkurrenzkampf an <strong>de</strong>n <strong>Schule</strong>n in Deutschland viel größer<br />

wäre, v.a. in <strong>de</strong>r vierten Klasse. Auch in „Terrasserne“ gefiel es ihm besser<br />

als in <strong>de</strong>m Heim in Deutschland. „Terrasserne“ sei wesentlich kleiner und<br />

übersichtlicher, außer<strong>de</strong>m seien dort nicht so viele Mädchen wie in <strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>utschen Heim. Er wür<strong>de</strong> sich in „Terrasserne“ beschützt fühlen und die<br />

LehrerInnen<br />

kennenlernen.<br />

wür<strong>de</strong>n einen durch das Betreuungssystem besser<br />

Insgesamt hat die „observationsskole“ „Terrasserne“ einen sehr guten<br />

Eindruck auf mich gemacht. Als beson<strong>de</strong>rs interessant empfand ich das<br />

Konzept, dass die Betreuung <strong>de</strong>r SchülerInnen fast ausschließlich durch<br />

LehrerInnen geschieht. Die enge Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n<br />

LehrerInnen, die dieses Konzept erfor<strong>de</strong>rt, schien in <strong>de</strong>m Kollegium gut zu<br />

funktionieren und <strong>de</strong>m Schulleiter merkte man seine langjährig Erfahrung<br />

im „observationsun<strong>de</strong>rvisning“ an. Man konnte sehen, dass die „kommune“<br />

Kopenhagen mal nicht an Ressourcen gespart hatte, so dass eine Insitution<br />

entstan<strong>de</strong>n ist, die <strong>de</strong>n SchülerInnen effektiv und flexibel helfen kann.


109<br />

5.4 „Skolen ved Kaeret“ – eine „specialskole“ <strong>für</strong><br />

SchülerInnen mit „generellen Lernschwierigkeiten“<br />

Die <strong>Schule</strong> „Skolen ved Kaeret“ liegt in <strong>de</strong>r Stadt Fre<strong>de</strong>riksund auf <strong>de</strong>r Insel<br />

Seeland und ist eine <strong>de</strong>r vier „specialskoler“ <strong>de</strong>s „amt“ Fre<strong>de</strong>rigsborg.<br />

„Skolen ved Kaeret“ ist dabei eine „specialskole“ <strong>für</strong> SchülerInnen mit<br />

generellen Lernschwierigkeiten. Wie weit die Kategorie „generelle<br />

Lernschwierigkeiten“ ist, wur<strong>de</strong> mir an dieser <strong>Schule</strong> bewußt. Gemeinsam<br />

war <strong>de</strong>n Schülern dieser <strong>Schule</strong> nur, dass sie <strong>alle</strong> eine mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

gravieren<strong>de</strong> Gehirnfunktionsstörung hatten. An dieser <strong>Schule</strong> wur<strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen mit <strong>de</strong>n Diagnosen DAMP, Autismus, Down Syndrom<br />

genauso wie schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r unterrichtet. Außer<strong>de</strong>m<br />

gehören zu dieser <strong>Schule</strong> zwei Schüler, welche schwer verhaltensauffällig<br />

sind, die in einem Extragebäu<strong>de</strong> außerhalb <strong>de</strong>r Stadt von zwei Lehrern<br />

betreut wer<strong>de</strong>n. Aufgrund ihres Verhaltens konnten sie nicht an <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

selber betreut wer<strong>de</strong>n. Ich habe <strong>alle</strong>rdings nicht verstan<strong>de</strong>n, ob bei diesen<br />

bei<strong>de</strong>n Schülern auch eine Gehirnfunktionsstörung vorhan<strong>de</strong>n war o<strong>de</strong>r<br />

nicht.<br />

Die <strong>Schule</strong> war vor einigen Jahren noch von <strong>de</strong>r Schließung bedroht, da<br />

viele Eltern ihre Kin<strong>de</strong>r lieber in die „folkeskole“ o<strong>de</strong>r in die<br />

„specialklasser“ <strong>de</strong>r „folkeskole“ schickten und die <strong>Schule</strong> nicht mehr<br />

genügend SchülerInnen hatte. Momentan kann sich die <strong>Schule</strong> nicht über<br />

mangeln<strong>de</strong>n Zulauf beklagen und die Zukunft <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> scheint erst einmal<br />

gesichert zu sein.<br />

In direkter Nachbarschaft zur <strong>Schule</strong> liegt ein Kin<strong>de</strong>rgarten, ein Kin<strong>de</strong>rheim<br />

und eine Freizeiteinrichtung <strong>für</strong> Jugendliche. Zu <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>rheim besteht<br />

ein guter Kontakt und es wer<strong>de</strong>n häufig gemeinsame Aktivitäten organisiert.<br />

Zu <strong>de</strong>r Freizeiteinrichtung besteht überhaupt kein Kontakt, da diese auf<br />

keine <strong>de</strong>r Einladungen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> reagierte. „Skolen ved Kaeret“ versucht<br />

auch immer wie<strong>de</strong>r auf verschie<strong>de</strong>ne „folkeskoler“ zuzugehen um


110<br />

gemeinsame Aktivitäten zu veranstalten. Zu einigen „folkeskoler“ ist<br />

dadurch ein recht guter Kontakt entstan<strong>de</strong>n, wobei ein Problem ist, dass die<br />

Initiative immer von „Skolen ved Kaeret“ ausgeht.<br />

Der Unterricht beginnt morgens um 8.00 Uhr, wobei <strong>de</strong>r Tag mit<br />

gemeinsamen Singen begonnen wird, und en<strong>de</strong>t um 12.30 Uhr, wonach es<br />

<strong>alle</strong>rdings noch ein Freizeitangebot <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Nachmittag gibt. Die<br />

Klassenstärke liegt meist bei acht bis zehn SchülerInnen, wobei eine Klasse<br />

meist von drei LehrerInnen betreut wird. Die Klassen sind dabei nicht nach<br />

Leistungsvermögen, son<strong>de</strong>rn nach <strong>de</strong>m Alter <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r aufgeteilt. Die drei<br />

LehrerInnen einer Klasse erteilen <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>s Unterrichts daher in<br />

Kleingrupen.<br />

Die SchülerInnen dieser <strong>Schule</strong> sollen „<strong>alle</strong>s das lernen, was sie lernen<br />

können“, wobei ein Schwerpunkt auf lebenspraktischen Dingen liegt. Feste<br />

Unterrichtsfächer sind Dänisch, Mathematik, Kunst, Sport und Kochen,<br />

wozu auch das Einkaufen <strong>de</strong>r Zutaten gehört. Auch das Essen und die<br />

Toilettengänge sind Teil <strong>de</strong>s Unterrichts, da auch hier lebenspraktische<br />

Dinge wie Hygineerziehung vermittelt wer<strong>de</strong>n. Deswegen wer<strong>de</strong>n diese<br />

Aufgaben ausschließlich von LehrerInnen übernommen, wohingegen<br />

beispielsweise in Deutschland Toilettengänge an <strong>Schule</strong>n <strong>für</strong><br />

Körperbehin<strong>de</strong>rte, welche auch manchmal das Wickeln von Kin<strong>de</strong>rn<br />

beinhalten, die Aufgabe von Krankenschwestern und Zivildienstleisten<strong>de</strong>n<br />

ist. Ein wichtiges Prinzip <strong>de</strong>s Unterrichts dieser <strong>Schule</strong> ist auch, dass <strong>de</strong>r<br />

Unterricht nicht nur im Schulgebäu<strong>de</strong> stattfin<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn dass auch viele<br />

Ausflüge und Spaziergänge unternommen wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m fin<strong>de</strong>t einmal<br />

im Jahr eine Klassenfahrt statt.<br />

Die LehrerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind fast <strong>alle</strong> „folkeskole“- LehrerInnen, nur<br />

wenige haben die „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- LehrerIn- Ausbildung absolviert,<br />

aber viele versuchen, sie nebenberuflich nachzuholen. Außer <strong>de</strong>n<br />

LehrerInnen und <strong>de</strong>n PädagogInnen, welche die Kin<strong>de</strong>r am Nachmittag


111<br />

betreuen, sind noch zwei Krankengymnasten und eine Ergotherapeutin an<br />

<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> angestellt. Zusätzlich dazu kommen Sprachtherapeuten von<br />

außen an die <strong>Schule</strong>, um Sprachtherapie zu erteilen. Zu Therapie- und<br />

Sportzwecken hat die <strong>Schule</strong> ein eigenes kleines Schwimmbad. Außer<strong>de</strong>m<br />

gehört zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ein großes Gelän<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>m zahlreiche Spielgeräte,<br />

Sandkästen, Spielplätze etc. vorhan<strong>de</strong>n sind.<br />

In <strong>de</strong>r Klasse, <strong>de</strong>ren Unterricht ich beobachten durfte, waren acht<br />

SchülerInnen mit <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Behin<strong>de</strong>rungen, u.a. ein<br />

autistischer Junge, welcher intellektuell normal begabt war und zwei<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rte SchülerInnen, welche im Rollstuhl saßen. In<br />

<strong>de</strong>m Klassenraum waren neben <strong>de</strong>n Schülertischen eine Spielecke, wo auch<br />

<strong>de</strong>r Computer stand, eine Küchenzeile und Regale mit verschie<strong>de</strong>nen<br />

Unterrichtsmaterialien. Insgesamt empfand ich <strong>de</strong>n Raum als ziemlich klein.<br />

Es war kein extra Esstisch vorhan<strong>de</strong>n, statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n<br />

Arbeitstischen gegessen. Mir fiel außer<strong>de</strong>m auf, dass <strong>für</strong> die<br />

Computertastatur nicht <strong>de</strong>r Plastikaufsatz vorhan<strong>de</strong>n war, <strong>de</strong>n ich von<br />

<strong>Schule</strong>n <strong>für</strong> Körperbehin<strong>de</strong>rte kenne, <strong>de</strong>r SchülerInnen mit spastischen<br />

Lähmungen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Bewegungseinschränkungen erleichtert, die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Tasten <strong>de</strong>s Computers zu drücken. Auch das<br />

Lernprogramm, mit <strong>de</strong>m ein Schüler arbeitete, schien nicht an <strong>de</strong>ssen<br />

Lernvoraussetzungen angepasst zu sein.<br />

Etwas, was mich auch etwas verwun<strong>de</strong>rte, war, dass sich während <strong>de</strong>s<br />

Unterrichts kaum jemand um <strong>de</strong>n autistischen und <strong>de</strong>n<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rten Jungen kümmerte. Der autistische Junge saß<br />

in einem Teil <strong>de</strong>r Klasse, <strong>de</strong>r durch ein Regal von <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r Klasse<br />

getrennt war, und arbeitete an Arbeitsblättern o<strong>de</strong>r malte. Der<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rte Junge saß eine ganze Schulstun<strong>de</strong> vor einer Art<br />

Mobile, an <strong>de</strong>m die verschie<strong>de</strong>nsten Sachen angebracht waren. Er sollte<br />

diese Sachen wohl anfassen und befühlen, auf mich wirkte es mehr, als<br />

wür<strong>de</strong> er etwas unmotiviert daran herumspielen. Während dieser ganzen


112<br />

Zeit kümmerte sich auch keine <strong>de</strong>r drei LehrerInnen um ihn. Der Rest <strong>de</strong>r<br />

Klasse war in Gruppen aufgeteilt, die an unterschiedlichen Aufgaben<br />

arbeiteten. Ich empfand es auch als merkwürdig, dass ich auf <strong>de</strong>m<br />

Stun<strong>de</strong>nplan keine Stun<strong>de</strong> fand, die die gesamte Klasse gemeinsam hatte.<br />

<strong>Eine</strong> Sache, die ich als sehr positiv empfand, war, dass an <strong>de</strong>r Wand ein<br />

Tagesplan <strong>für</strong> je<strong>de</strong>n Schüler/ je<strong>de</strong> Schülerin hing, wo man mit Hilfe von<br />

Symbolen erkennen konnte, welche Aktivitäten an <strong>de</strong>m Tag anstan<strong>de</strong>n.<br />

Nach <strong>de</strong>m Mittagessen war ich noch <strong>für</strong> eine Stun<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>m<br />

Nachmittagsprogramm dabei. Ein Teil <strong>de</strong>r SchülerInnen war bereits zu<br />

Hause und die restlichen SchülerInnen wur<strong>de</strong>n in Gruppen aufgeteilt und<br />

von PädagogInnen betreut. Auch hier fiel mir erneut auf, dass die<br />

schwerstmehrfachbehin<strong>de</strong>rten Kin<strong>de</strong>r, die im Rollstuhl saßen, wenig in die<br />

Aktivitäten integriert waren, son<strong>de</strong>rn einfach nur dabei saßen.<br />

Insgesamt erinnerte mich „Skolen ved Kaeret“ an die <strong>Schule</strong>n <strong>für</strong><br />

Körperbehin<strong>de</strong>rte, welche ich kenne. Allerdings ist diese <strong>Schule</strong> wesentlich<br />

kleiner. Außer<strong>de</strong>m scheint mir an dieser <strong>Schule</strong> in Vergleich zu <strong>de</strong>utschen<br />

<strong>Schule</strong>n mehr Personal und weniger Unterrichts- und För<strong>de</strong>rmaterial zu<br />

geben.<br />

5.5 „Blykobbe Efterskole“ – eine „efterskole“ mit<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

Die „Blykobbe Efterskole“ ist eine „efterskole“ die in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Stadt<br />

Roenne auf <strong>de</strong>r Insel Bornholm liegt. Die <strong>Schule</strong>, ein schönes altes<br />

Gebäu<strong>de</strong>, befin<strong>de</strong>t sich in einem Waldgebiet, 200 m vom Meer entfernt. Zu<br />

<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gehört ein großes Gelän<strong>de</strong>, mit einem Fußballplatz, einem


113<br />

Abenteuerspielplatz und einer Feuerstelle. Außer<strong>de</strong>m gehört zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

eine Hütte, welche sich in einem an<strong>de</strong>rem Wald auf <strong>de</strong>r Insel befin<strong>de</strong>t und<br />

zu <strong>de</strong>r regelmäßig Wochenendtouren unternommen wer<strong>de</strong>n.<br />

„Blykobbe Efterskole“ wur<strong>de</strong> von einer Gewerkschaftsorganisation<br />

gegrün<strong>de</strong>t, was be<strong>de</strong>utet, dass die <strong>Schule</strong> mit <strong>de</strong>n Gewerkschaften und <strong>de</strong>r<br />

sozial<strong>de</strong>mokratischen Partei von Bornholm zusammenarbeitet. Außer<strong>de</strong>m<br />

besteht die Schulleitung aus engagierten Mitglie<strong>de</strong>rn dieser Organisationen.<br />

Die SchülerInnen, <strong>de</strong>ren Eltern Gewerkschaftsmitglie<strong>de</strong>r sind, können einen<br />

Taschengeldzuschuss bei <strong>de</strong>n jeweiligen Gewerkschaften beantragen.<br />

Die <strong>Schule</strong> hat 56 SchülerInnen <strong>de</strong>r achten und neunten Klasse, wobei diese<br />

zu gleichen Teilen Jungen und Mädchen sein sollen. Die meisten<br />

SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind normalbegabt, sind aber in ihrer sozialen und<br />

emotionalen Entwicklung zurück. <strong>Eine</strong> Voraussetzung, um auf die <strong>Schule</strong><br />

aufgenommen zu wer<strong>de</strong>n, ist <strong>alle</strong>rdings, dass die SchülerInnen in ihrer<br />

Entwicklung in diesen Bereichen offen sind. Sind nach einem gewissen<br />

Zeitraum keine Fortschritte in <strong>de</strong>r Entwicklung zu erkennen, wird <strong>de</strong>r<br />

Schüler/ die Schülerin von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> verwiesen. Viele <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

sind von <strong>de</strong>n Sozialbehör<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m „PPR“ auf die <strong>Schule</strong> überwiesen<br />

wor<strong>de</strong>n, um die Jugendlichen aus ihrem sozialen Umfeld, d.h. Familie und/<br />

o<strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong>skreis, herauszuholen. Einige SchülerInnen sind bereits von<br />

mehreren „folkeskoler“ verwiesen wor<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>r Aussage <strong>de</strong>s Lehrers,<br />

<strong>de</strong>r mir die <strong>Schule</strong> zeigte und erklärte, hätten viel SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

vor zehn Jahren noch Platz an <strong>de</strong>r „folkeskole“ gehabt. Heute wür<strong>de</strong>n die<br />

Ressourcen aber eher <strong>für</strong> <strong>de</strong>n Unterricht von zweisprachigen<br />

Einwan<strong>de</strong>rerkin<strong>de</strong>rn benutzt, anstelle diese <strong>für</strong> die För<strong>de</strong>rung dieser<br />

SchülerInnen zu gebrauchen.<br />

Ziele <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> sind außer <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r sozial-emotionalen<br />

Entwicklung, die SchülerInnen in ihrer Selbständigkeit zu för<strong>de</strong>rn und die


114<br />

SchülerInnen dahingehend zu för<strong>de</strong>rn, dass sie in einer Gemeinschaft leben<br />

können und Verantwortung <strong>für</strong> ihre Situation übernehmen können.<br />

Der Unterricht ist in drei Zweige unterteilt: Natur- und Freiluftzweig, Kunstund<br />

Handwerkszweig, Informatik- und Gemeinschaftskun<strong>de</strong>zweig. Die<br />

SchülerInnen können einen dieser Zweige pro Halbjahr wählen. Der größte<br />

Teil <strong>de</strong>s Unterrichts fin<strong>de</strong>t innerhalb dieses Zweiges statt. Es gibt <strong>alle</strong>rdings<br />

acht Themawochen und drei Wochen mit Projektarbeit. Außer<strong>de</strong>m gibt es<br />

<strong>für</strong> SchülerInnen mit Lese-Rechtschreibschwäche geson<strong>de</strong>rte Kurse. Die<br />

SchülerInnen, die in diesem Bereich Probleme haben, nehmen zusammen<br />

mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren SchülerInnen an <strong>de</strong>n praktisch-kreativen Unterrichtsstun<strong>de</strong>n<br />

ihres Zweigs teil. In <strong>de</strong>n theoretischen Unterrichtsstun<strong>de</strong>n erhalten sie in<br />

Kleingruppen Unterricht, <strong>de</strong>r speziell auf SchülerInnen mit Lese-<br />

Rechtschreibschwäche zugeschnitten ist. Es besteht <strong>für</strong> <strong>alle</strong> SchülerInnen<br />

die Möglichkeit, in <strong>de</strong>n Fächern Dänisch, Mathematik und Englisch die<br />

„folkeskolens afgangsproeve“ zu absolvieren.<br />

Im Freizeitbereich wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Aktivitäten angeboten. Viele davon<br />

fin<strong>de</strong>n draußen statt und beziehen die Umgebung ein, so besteht<br />

beispielsweise die Möglichkeit fischen zu gehen. Falls die SchülerInnen das<br />

<strong>Schule</strong>gelän<strong>de</strong> in ihrer Freizeit verlassen möchten, müssen sie sich<br />

abmel<strong>de</strong>n. <strong>Eine</strong> Vielzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen tut dies, um in <strong>de</strong>m nahe<br />

gelegenen Roenne in <strong>de</strong>n dortigen Jugendclub zu gehen. Außer<strong>de</strong>m sind<br />

viele SchüleInnen Mitglied in <strong>de</strong>n Sportvereinen <strong>de</strong>r Insel.<br />

An <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> wird viel Wert auf gemeinschaftliche Aktivitäten gelegt.<br />

Je<strong>de</strong>r Tag beginnt mit <strong>de</strong>r Morgenversammlung, welche im Sommer an <strong>de</strong>r<br />

Feuerstelle <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> stattfin<strong>de</strong>t. Bei dieser Morgenversammlung können<br />

auch Probleme angesprochen wer<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m fährt die ganze <strong>Schule</strong> im<br />

Frühjahr <strong>für</strong> eine Woche nach Schwe<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Norwegen zum Skifahren.<br />

Zusätzlich dazu wer<strong>de</strong>n regelmäßig kurze Touren zu <strong>de</strong>r Hütte <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

gemacht, wo Aktivitäten wie Nachtwan<strong>de</strong>rungen stattfin<strong>de</strong>n.


115<br />

Die SchülerInnen wohnen in <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> jeweils zu zweit auf einem Zimmer.<br />

Darüber hinaus sind die Jugendlichen in Kontaktgruppen von jeweils acht<br />

SchülerInnen unterteilt, welche jeweils von einem Lehrer/ einer Lehrerin<br />

betreut wer<strong>de</strong>n. In dieser Kontaktgruppe wer<strong>de</strong>n einmal wöchentlich<br />

Probleme besprochen, praktische Aufgaben verteilt etc.<br />

Zu <strong>de</strong>m Erziehen zur Selbständigkeit gehört an dieser <strong>Schule</strong> auch dazu,<br />

dass die SchülerInnen ihre Zimmer selber in Ordnung halten und auch beim<br />

Sauberhalten von <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> und <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> miteinbezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Außer<strong>de</strong>m müssen die SchülerInnen reihum in <strong>de</strong>r Küche bei <strong>de</strong>r<br />

Essenszubereitung helfen. Hierbei sollen die SchülerInnen etwas über<br />

Ernährung, Hygiene und die Arbeit in einer Küche lernen.<br />

Die LehrerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> treffen sich einmal in <strong>de</strong>r Woche zur<br />

Teamsitzung. Dort wer<strong>de</strong>n Probleme mit einzelnen SchülerInnen<br />

besprochen und außer<strong>de</strong>m die Wochenplanung gemacht. Außer<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r<br />

Plan <strong>für</strong> die Nachtwachen erstellt, die jeweils von einem Lehrer/ einer<br />

Lehrerin übernommen wird, während zwei weitere LehrerInnen<br />

Bereitschaftsdienst haben.<br />

Die „Blykobbe Efterskole“ hat einen guten Eindruck auf mich gemacht. Die<br />

SchülerInnen schienen sich wohl zu fühlen und es gab ein interessantes<br />

Angebot an Fächern und Projekten. Sie schien mir eine gute Alternative <strong>für</strong><br />

SchülerInnen zu sein, die mit <strong>de</strong>r Struktur <strong>de</strong>r „folkeskole“ nicht<br />

zurechtkommen und die ein wenig Abstand zu ihrem sozialen Umfeld<br />

brauchen.


116<br />

5.6 „Efterskole Dueod<strong>de</strong>“ – eine „efterskole“ <strong>für</strong> „sent<br />

udvikle<strong>de</strong> unge“<br />

Die „Efterskole Dueod<strong>de</strong>“ ist eine „efterskole“ <strong>für</strong> „sent udvikle<strong>de</strong> unge“<br />

und liegt an <strong>de</strong>r Südspitze <strong>de</strong>r Insel Bornholm. Die <strong>Schule</strong> liegt in einem<br />

ländlichen Gebiet und hat somit mehrere Bauernhöfe in <strong>de</strong>r Nachbarschaft.<br />

Zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> gehören mehrere Gebäu<strong>de</strong>, wo Klassenräume, die Zimmer<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen, Gemeinschaftsräume und Küche, ein Gewächshaus, ein<br />

Stall <strong>für</strong> verschie<strong>de</strong>ne Tiere, eine Holz- und eine Metallwerkstatt<br />

untergebracht sind. Außer<strong>de</strong>m gehören zu <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ein Haus, wo ein<br />

„Wohntraining“ stattfin<strong>de</strong>t. Auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> befin<strong>de</strong>t sich<br />

neben einem Gemüsegarten auch ein Fußballplatz.<br />

Die SchülerInnen <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> haben <strong>alle</strong> Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>m<br />

theoretisch ausgerichteten Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“, weswegen sie an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhielten. Viele von ihnen sind<br />

schulmü<strong>de</strong> und haben ein geringes Selbstbewusstsein, da sie in <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ ständig mit ihren Schwächen im theoretischen Unterricht<br />

konfrontiert wur<strong>de</strong>n. Wegen ihrer Lernschwierigkeiten sind sie außer<strong>de</strong>m<br />

häufig von ihren MitschülerInnen gehänselt wor<strong>de</strong>n. Ein Großteil <strong>de</strong>r<br />

SchülerInnen kommt aus sozialschwachen Verhältnissen, weswegen das<br />

Schulgeld meist komplett vom Staat übernommen wird. Sie haben die<br />

Möglichkeit, bis zu vier Jahren an <strong>de</strong>r „Dueod<strong>de</strong> Efterskole“ zu bleiben.<br />

Ziel <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> ist es, über praktischen Unterricht einen an<strong>de</strong>ren Zugang zu<br />

<strong>de</strong>n SchülerInnen zu bekommen, ihr Selbstbewusstsein aufzubauen, ihre<br />

Stärken zu fin<strong>de</strong>n und auf ein selbständiges Leben außerhalb <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

vorzubereiten. Außer<strong>de</strong>m wird durch die Verknüpfung von praktischem und<br />

theoretischem Unterricht versucht, <strong>de</strong>n SchülerInnen <strong>de</strong>n theoretischen<br />

Unterricht zu erleichtern.


117<br />

Der praktische Unterricht wird an zwei Tagen in <strong>de</strong>r Woche in Werkstätten<br />

erteilt, dabei muss je<strong>de</strong>r Schüler/ je<strong>de</strong> Schülerin je<strong>de</strong> Werkstatt einmal<br />

durchlaufen. Nach jeweils drei Monaten in einer Werkstatt wird die<br />

Werksatt gewechselt. Es gibt eine „grüne“ Werkstatt, eine Metallwerkstatt,<br />

eine Holzwerkstatt, eine Küchenwerkstatt und eine Kreativwerkstatt.<br />

In <strong>de</strong>r grünen Werkstatt wer<strong>de</strong>n im Gewächshaus o<strong>de</strong>r im Garten Pflanzen,<br />

Gemüse und Blumen gepflanzt und gepflegt. Außer<strong>de</strong>m müssen<br />

verschie<strong>de</strong>ne Tiere wie Hühner, Schweine, Schafe, Pfer<strong>de</strong> und Kaninchen<br />

versorgt wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r Metallwerkstatt wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Dinge aus Metall hergestellt.<br />

Während meines Besuches wur<strong>de</strong> gera<strong>de</strong> ein alter Bus<br />

auseinan<strong>de</strong>rgenommen und geschaut, wo<strong>für</strong> man die einzelnen Elemente<br />

gebrauchen könnte. <strong>Eine</strong> weitere Aufgabe <strong>de</strong>r Metallwerkstatt ist das<br />

Reparieren von Fahrrä<strong>de</strong>rn und Mofas. Es wer<strong>de</strong>n außer<strong>de</strong>m nützliche<br />

Dinge <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong> hergestellt.<br />

In <strong>de</strong>r Holzwerkstatt wird mit „normalem“ Werkzeug und mit<br />

professionellen Maschinen Holz verarbeitet. Es wer<strong>de</strong>n Tische, Schränke,<br />

Stühle, Spiele und an<strong>de</strong>re Dinge <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong> hergestellt o<strong>de</strong>r, falls<br />

notwendig, wie<strong>de</strong>r repariert.<br />

In <strong>de</strong>r Küchenwerkstatt wird nicht nur das Essen <strong>für</strong> <strong>alle</strong> gekocht, son<strong>de</strong>rn<br />

auch Brot und Kuchen gebacken. Zu <strong>de</strong>n Aufgaben in <strong>de</strong>r Küchenwerkstatt<br />

gehört zu <strong>de</strong>r Essenszubereitung auch die Planung, das Einkaufen, das<br />

Servieren <strong>de</strong>r Mahlzeiten und das Aufräumen und Saubermachen.<br />

In <strong>de</strong>r Kreativwerkstatt gibt es zahlreiche Möglichkeiten seiner Kreativität<br />

freien Lauf zu lassen. Es sind ein Brennofen <strong>für</strong> Ton vorhan<strong>de</strong>n,<br />

Vergrößerer <strong>für</strong> das Entwickeln von Fotos, eine digitale Kamera,<br />

Nähmaschinen, um mit Stoff zu arbeiten. Außer<strong>de</strong>m gibt es die Möglichkeit,


118<br />

mit Glas zu arbeiten, zu zeichnen und zu malen. Alle SchülerInnen in <strong>de</strong>r<br />

Kreativwerkstatt sollen einmal ausprobiert haben zu zeichnen, zu nähen und<br />

mit Ton und Glas zu arbeiten. Danach dürfen sie sich aussuchen, womit sie<br />

arbeiten möchten.<br />

Die meisten LehrerInnen, die im Werkstattunterricht unterrichten, sind in<br />

<strong>de</strong>r Regel keine ausgebil<strong>de</strong>ten LehrerInnen, son<strong>de</strong>rn sie haben lange in<br />

Berufen gearbeitet, die mit <strong>de</strong>n Werkstätten zu tun haben wie Schreiner o<strong>de</strong>r<br />

Schlosser. Der Lehrer <strong>de</strong>r Kreativwerkstatt war sogar ein Autodidakt.<br />

In <strong>de</strong>m theoretischen Unterricht wird versucht, die Arbeit in <strong>de</strong>n<br />

Werkstätten mit einzubauen. So wur<strong>de</strong> beispielweise errechnet, ab wie viel<br />

Eiern sich die Investition in die Anschaffung eines Huhns <strong>für</strong> die <strong>Schule</strong><br />

gelohnt hat. Neben <strong>de</strong>n Fächern Mathematik und Dänisch können die<br />

SchülerInnen ein Wahlfach wählen, in welchem an einem Tag in <strong>de</strong>r Woche<br />

gearbeitet wird. Welche Fächer zustan<strong>de</strong> kommen, hängt von <strong>de</strong>m Interesse<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen und <strong>de</strong>r Jahreszeit ab. Angeboten wer<strong>de</strong>n z.B. Fischen (auf<br />

<strong>de</strong>m Boot o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Küste), Reiten , Kochen, Natur/ „Leben im Freien“,<br />

Fremdsprache, Musik. Zusätzlich dazu gibt es sogenannte<br />

Gemeinschaftsstun<strong>de</strong>n, wo über aktuelle Themen, das Leben in an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r politische Themen berichtet und diskutiert wird, Geschichten<br />

erzählt wer<strong>de</strong>n, Probleme besprochen wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Spiele gespielt wer<strong>de</strong>n.<br />

Da die SchülerInnen in <strong>de</strong>n theoretischen Fächern sehr schwach sind,<br />

besteht an dieser <strong>Schule</strong> nicht die Möglichkeit, die „folkeskolens<br />

afgangsproeve“ zu machen. Statt<strong>de</strong>ssen wird versucht herauszufin<strong>de</strong>n,<br />

welche Berufe die SchülerInnen erlernen können, um ihnen dann eine Arbeit<br />

o<strong>de</strong>r Ausbildung in <strong>de</strong>m Bereich zu vermitteln. Zu diesem Zweck machen<br />

die SchülerInnen zwei Praktika pro Schuljahr.


119<br />

Ein normaler Wochentag an <strong>de</strong>r „Dueod<strong>de</strong> Efterskole“ sieht wie folgt aus:<br />

7.00 Uhr „ein neuer, wun<strong>de</strong>rbarer Tag beginnt“<br />

7.15 Uhr Frühstück<br />

7.45 Uhr Morgengymnastik<br />

8.25 Uhr Morgenversammlung<br />

9.00 Uhr die Zimmer wer<strong>de</strong>n aufgeräumt und die Gänge gefegt<br />

9.30 Uhr Werkstattunterricht o<strong>de</strong>r theoretischer Unterricht<br />

12.00 Uhr Mittagessen<br />

13.00 Uhr Werkstattunterricht o<strong>de</strong>r theoretischer Unterricht<br />

15.30 Uhr Freizeit o<strong>de</strong>r Aktivitäten<br />

18.45 Uhr Ruhezeit<br />

19.30 Uhr Freizeit o<strong>de</strong>r Aktivitäten<br />

22.00 Uhr die SchülerInnen sollen auf ihren Zimmern sein<br />

22.30 Uhr herrscht Ruhe auf <strong>de</strong>n Zimmern und das Licht wird gelöscht<br />

Für die SchülerInnen, die schon mehr als zwei Jahre an <strong>de</strong>r „Dueod<strong>de</strong><br />

Efterskole“ sind und die noch weiterhin Unterstützung beim „selbständig<br />

wer<strong>de</strong>n“ brauchen, gibt es ein spezielles „Wohntraining“. In einem Haus<br />

etwas abseits von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gebäu<strong>de</strong>n wohnen acht SchülerInnen, die<br />

nicht mehr an <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> teilnehmen, son<strong>de</strong>rn statt<strong>de</strong>ssen<br />

lernen selbständig zu leben. Sie müssen dazu selber Essen kochen, das Haus<br />

und das dazugehörige Gelän<strong>de</strong> in Ordnung halten und die Haushaltskasse<br />

verwalten. Auch im „Wohntraining“ wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne Praktika von <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen absolviert. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n wie das Arbeitsamt<br />

besucht, damit die SchülerInnen lernen, wie sie von diesen Institutionen<br />

Hilfe erhalten können. Weitere Ziele dieser Wohngruppe sind es, <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen die Funktionsweise und die Normen <strong>de</strong>r Gesellschaft zu<br />

vermitteln, das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

zu stärken und ihnen dabei zu helfen, ihre I<strong>de</strong>ntität zu entwickeln.<br />

Insgesamt gesehen fin<strong>de</strong> ich das Konzept dieser <strong>Schule</strong> sehr interessant und<br />

sinnvoll. Meiner Meinung nach ist es ein gelungener Versuch, <strong>für</strong> diese


120<br />

SchülerInnen, die man in Deutschland wahrscheinlich als „lernbehin<strong>de</strong>rt“<br />

bezeichnen wür<strong>de</strong>, einen Platz in <strong>de</strong>r Gesellschaft zu fin<strong>de</strong>n. Ich hatte<br />

<strong>alle</strong>rdings nicht immer as Gefühl, dass die SchülerInnen <strong>für</strong> die Angebote<br />

offen sind. Viele nutzten die Zeit in <strong>de</strong>n Werkstätten, um „abzuhängen“ und<br />

so wenig wie möglich zu tun. In <strong>de</strong>r grünen Werkstatt erledigte<br />

beispielsweise <strong>de</strong>r Lehrer <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Arbeit.


6. Die „folkeskole“ – eine <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>?<br />

121<br />

<strong>Eine</strong>s <strong>de</strong>r Hauptziele <strong>de</strong>r dänischen „folkeskole“ ist es, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>alle</strong>“ zu sein. Meines Erachtens ist das ein sehr hoher Anspruch, <strong>de</strong>r damit<br />

an die „folkeskole“ gestellt wird. Ich möchte daher in diesem Kapitel<br />

diskutieren, beson<strong>de</strong>rs in Bezug auf die son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung und<br />

verhaltensauffällige SchülerInnen, ob die „folkeskole“ diesem Anspruch<br />

gerecht wird.<br />

Betrachtet man das Gesetz zur „folkeskole“ und die Statistiken zu <strong>de</strong>n<br />

SchülerInnen, die außerhalb <strong>de</strong>s Regelunterrichts <strong>de</strong>r „folkeskole“ geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, so muß man die Frage, ob die „folkeskole“ eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“<br />

sei, mit „ja“ beantworten. In <strong>de</strong>m Gesetz zur „folkeskole“ ist festgelegt, dass<br />

<strong>de</strong>r Unterricht so differenziert wer<strong>de</strong>n soll, dass er <strong>de</strong>n individuellen<br />

Lernvoraussetzungen und Lernbedürfnissen <strong>de</strong>r einzelnen SchülerInnen<br />

entspricht. Vom Gesetz her sind also recht optimale Bedingungen <strong>für</strong> die<br />

Schaffung einer <strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong> gegeben.<br />

Der Anteil <strong>de</strong>r SchülerInnen, die außerhalb <strong>de</strong>s Regelunterrichts geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, ist einer <strong>de</strong>r niedrigsten in Europa. Allerdings ergibt sich bei <strong>de</strong>n<br />

konkreten Zahlen dazu ein Problem. Ich habe zwar in mehreren Texten<br />

übereinstimmend gelesen, dass dieser Anteil sehr niedrig ist, die Zahlen, die<br />

dazu angegeben sind, unterschei<strong>de</strong>n sich aber <strong>de</strong>utlich. So habe ich<br />

beispielsweise in einem Text die Zahl 0.5% 200 gefun<strong>de</strong>n, in einem an<strong>de</strong>ren<br />

die Zahl 1,25% 201 . Diese unterschiedlichen Zahlen kommen meines<br />

Erachtens daher, dass es schwierig ist ein<strong>de</strong>utig zu bestimmen, welches die<br />

SchülerInnengruppe ist, die außerhalb – ja außerhalb von was eigentlich, <strong>de</strong>s<br />

200 vgl.: wie 104<br />

201 vgl.: wie 1


122<br />

Regelunterrichts o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r „folkeskole“? – unterrichtet wird. Schließlich<br />

zählt ja auch <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ per Gesetz zu <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“.<br />

Die meisten Zahlen gehen daher oftmals auf <strong>de</strong>n Anteil <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

zurück, die „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten. An<strong>de</strong>re Zahlen<br />

beziehen sich auf die SchülerInnen, die Unterricht ohne Verbindung zu <strong>de</strong>m<br />

Regelunterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“, also in „specialklasser“ o<strong>de</strong>r<br />

„specialskoler“ erhalten. Es ist also auch eine Frage <strong>de</strong>r Definition, was man<br />

als „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ bezeichnet. Man könnte auch sehr überspitzt und<br />

zynisch behaupten, dass in Dänemark die Integration von Behin<strong>de</strong>rung<br />

betroffener SchülerInnen v.a. dadurch stattgefun<strong>de</strong>n hat, dass seit 1980 <strong>alle</strong><br />

Veranstaltungen <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ als Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />

Versteht man eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ <strong>alle</strong>rdings so, dass <strong>de</strong>r Unterricht in <strong>de</strong>n<br />

Regelklassen <strong>de</strong>r „folkeskole“ so weit ist, dass <strong>alle</strong> SchülerInnen dort<br />

entsprechend ihrer Fähigkeiten unterrichtet wer<strong>de</strong>n können, o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />

so, dass <strong>alle</strong> SchülerInnen <strong>de</strong>n Großteil ihrer Schulzeit in einer Regelklasse<br />

verbringen, so ist die dänische „folkeskole“ noch ein ganzes Stück davon<br />

entfernt, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu sein. Zwar fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Hauptteil <strong>de</strong>s<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Verbindung mit <strong>de</strong>m Unterricht <strong>de</strong>r Regelklasse<br />

statt, es gibt aber an <strong>de</strong>n „folkeskoler“ noch zahlreiche „specialklasser“, die<br />

vielleicht organisatorisch in die „folkeskole“ integriert sind, <strong>de</strong>ren<br />

Unterricht aber klar außerhalb <strong>de</strong>r „folkeskole“ stattfin<strong>de</strong>t. Zusätzlich dazu<br />

ist seit Jahren ein Trend dahingehend zu verzeichnen, dass immer mehr von<br />

Behin<strong>de</strong>rung betroffene SchülerInnen von ihren Eltern auf „specialskoler“<br />

geschickt wer<strong>de</strong>n.<br />

Hinzu kommt, dass die Anzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen, die in irgen<strong>de</strong>iner Form<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten, ziemlich hoch ist. Kann man eine<br />

Schulform, an <strong>de</strong>r 15% <strong>alle</strong>r SchülerInnen beson<strong>de</strong>re Unterstützung


123<br />

erhalten, da sie in <strong>de</strong>m „normalen“ Unterricht Probleme haben als, „<strong>Schule</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ bezeichnen?<br />

Viele dieser SchülerInnen haben große Probleme mit <strong>de</strong>m theorielastigen<br />

Unterricht <strong>de</strong>r „folkeskole“. Diese SchülerInnen arbeiten einen Großteil<br />

ihrer Schulzeit an ihren Schwächen im theoretischen und im sprachlichen<br />

Bereich. Die Stärken dieser Schüler, die meist im Praktischen o<strong>de</strong>r teilweise<br />

auch in einem sehr gutem bildlichen Gedächtnis liegen, wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Praxis<br />

an <strong>de</strong>r „folkeskole“ selten beachtet o<strong>de</strong>r geför<strong>de</strong>rt.<br />

Diese Vorgehensweise hat oftmals einen negativen Einfluss auf das<br />

Selbstwertgefühl und das Selbstbewußtsein dieser SchülerInnen. Hinzu<br />

kommt außer<strong>de</strong>m auch, dass ein Großteil dieser SchülerInnen wegen ihrer<br />

Schwächen gehänselt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dass die „folkeskole“ in dieser Hinsicht die umfassen<strong>de</strong> Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Persönlichkeit <strong>alle</strong>r SchülerInnen, auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Unterstützung <strong>de</strong>r<br />

SchülerInnen in ihren individuellen Fähigkeiten und<br />

Ausdrucksmöglichkeiten för<strong>de</strong>rt, ist somit nicht ausreichend gegeben. Dies<br />

ist aber meines Erachtens ein wichtiges Ziel einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“, wie sie<br />

im Gesetz zur „folkeskole“ beschrieben wird.<br />

Da die aktuelle Diskussion sich momentan darum dreht, dass das fachliche<br />

Niveau <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu niedrig ist und angehoben wer<strong>de</strong>n soll, sieht es<br />

nicht so aus, dass an <strong>de</strong>r v.a. theoretischen Ausrichtung <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

etwas geän<strong>de</strong>rt wird. Da sich die „folkeskoler“ aufgrund <strong>de</strong>r freien<br />

Schulwahl und <strong>de</strong>r steigen<strong>de</strong>n Anzahl von SchülerInnen, die eine<br />

Privatschule besuchen, unter einem großen Konkurrenzdruck befin<strong>de</strong>n,<br />

wer<strong>de</strong>n die Möglichkeiten einer angemessen För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r SchülerInnen,<br />

<strong>de</strong>ren Stärken eher in <strong>de</strong>r praktischen Intelligenz liegen, geringer wer<strong>de</strong>n.


124<br />

Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist, dass die LehrerInnen<br />

nicht ausreichend auf ihre Aufgabe an einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ vorbereitet<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Vermittlung von Techniken zur Unterrichtsdifferenzierung<br />

sollen zwar in <strong>de</strong>r LehrerInnen- Ausbildung vermittelt wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r Praxis<br />

lernen jedoch die wenigsten darüber etwas am „seminarium“.<br />

Verhaltensauffällige SchülerInnen sitzen in diesem System oft zwischen <strong>de</strong>n<br />

Stühlen. Auf <strong>de</strong>r einen Seite sind viele Angebote <strong>de</strong>r „kommuner“ <strong>für</strong><br />

verhaltensauffällige SchülerInnen seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r achtziger Jahre gestrichen<br />

wor<strong>de</strong>n, da man <strong>de</strong>r Auffassung war, dass diese SchülerInnen in <strong>de</strong>r „<strong>Schule</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ unterrichtet wer<strong>de</strong>n könnten. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite wur<strong>de</strong> nur<br />

wenig an <strong>de</strong>r Struktur <strong>de</strong>r „folkeskole“ geän<strong>de</strong>rt, damit sie auf die<br />

spezifischen Probleme verhaltensauffälligen SchülerInnen eingehen könnte.<br />

Es gibt in diesem Bereich nur wenige <strong>Schule</strong>n, die beson<strong>de</strong>re Projekte <strong>für</strong><br />

diese SchülerInnen errichtet haben. Vielmehr ist es eine gängige Praxis<br />

gewor<strong>de</strong>n, schwierige SchülerInnen von <strong>de</strong>r <strong>Schule</strong> zu verweisen. Viele<br />

dieser SchülerInnen sind früher o<strong>de</strong>r später außerhalb <strong>de</strong>r „folkeskole“ zu<br />

fin<strong>de</strong>n, auf privaten „efterskoler“ o<strong>de</strong>r in „specialskoler“ <strong>de</strong>s „vidtgaaen<strong>de</strong><br />

specialun<strong>de</strong>rvisning“.<br />

Der Leistungsdruck welcher momentan auf <strong>de</strong>n „folkeskoler“ liegt, wird<br />

sich auch in diesem Bereich nicht beson<strong>de</strong>rs positiv auswirken. Es ist kaum<br />

zu erwarten, dass die <strong>Schule</strong>n im Zuge <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung nach besseren<br />

fachlichen Leistungen sich verstärkt um die soziale und emotionale<br />

Entwicklung ihrer SchülerInnen kümmern, obwohl sich die For<strong>de</strong>rung nach<br />

besseren fachlichen Leistungen <strong>de</strong>r SchülerInnen und die verstärkte<br />

Unterstützung <strong>de</strong>r sozial-emotionalen Entwicklung nicht unbedingt<br />

ausschließt. Ob sich die <strong>Schule</strong>n <strong>de</strong>ssen bewußt sind und v.a. ob sich die<br />

Eltern <strong>de</strong>ssen bewußt sind, ist fraglich.<br />

Trotz all dieser Kritikpunkte möchte ich nicht abstreiten, dass die dänische<br />

„folkeskole“ <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ schon recht nahe gekommen


125<br />

ist. Schließlich gibt es in Dänemark an<strong>de</strong>rs als in Deutschland kein nach<br />

Leistung geteiltes Schulsystem. Auch dass es bis zum achten Schuljahr<br />

keine Noten gibt und die SchülerInnen nicht sitzenbleiben können, trägt<br />

dazu bei, dass die schwachen SchülerInnen keinem so großen Druck<br />

ausgesetzt sind wie in Deutschland. Außer<strong>de</strong>m sind durch das Gesetz zur<br />

„folkeskole“ meines Erachtens optimale Bedingungen geschaffen wor<strong>de</strong>n,<br />

zumin<strong>de</strong>st vom organisatorischen Standpunkt aus eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu<br />

schaffen.<br />

Im Hinblick auf son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung und verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen kann man meines Erachtens aufgrund <strong>de</strong>r oben genannten<br />

Kritikpunkte noch nicht von einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ sprechen. Zwar ist die<br />

Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen in die „folkeskole“ recht weit<br />

fortgeschritten, es ist aber in <strong>de</strong>n letzten Jahren ein rückläufiger Trend<br />

bezüglich <strong>de</strong>r Integration zu verzeichnen. Ob sich <strong>de</strong>r Trend wie<strong>de</strong>r<br />

umkehren wird und Dänemark <strong>de</strong>n Weg zur „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ weiter<br />

beschreiten wird, wird sich meines Erachtens in <strong>de</strong>n nächsten Jahren zeigen.


7. Schlussresümee<br />

126<br />

In diesem Schlussresümee möchte ich mich mit <strong>de</strong>n Fragen<br />

auseinan<strong>de</strong>rsetzen, welche Chancen und welche Probleme ich in <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung und <strong>de</strong>r Situation verhaltensauffälliger<br />

SchülerInnen im dänischen Schulsystem sehe. Außer<strong>de</strong>m möchte ich die<br />

Frage aufgreifen, wie die Erfahrungen Dänemarks in Deutschland, v.a. auf<br />

die Frage <strong>de</strong>r Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen in die Regelschule,<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n können.<br />

<strong>Eine</strong> Sache, die mich an <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in Dänemark<br />

sehr fasziniert hat, war die Flexibilität und die vielen Möglichkeiten, die es<br />

in diesem Bereich gibt. Von einem Stützlehrer/ einer Stützlehrerin in <strong>de</strong>r<br />

Regelklasse über verschie<strong>de</strong>n lange Stützkurse bis hin zur „specialskole“<br />

gibt es zahlreich Möglichkeiten, individuell auf die spezifischen Probleme<br />

<strong>de</strong>r SchülerInnen einzugehen. Außer<strong>de</strong>m sind durch die „efterskoler“ auch<br />

interessante Möglichkeiten <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung außerhalb<br />

<strong>de</strong>s staatlichen Schulsystems gegeben, die aber durchaus auch von <strong>de</strong>n<br />

staatlichen Stellen genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Auch bei <strong>de</strong>r Arbeit mit verhaltensauffälligen SchülerInnen gibt es<br />

unterschiedliche Möglichkeiten <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung. Beson<strong>de</strong>rs positiv habe ich<br />

dabei die „observationsskoler“ erlebt, die versuchen, die SchülerInnen mit<br />

ihren Stärken und Problemen ganzheitlich zu erfassen, um dann einen<br />

geeigneten För<strong>de</strong>rort <strong>für</strong> die SchülerInnen zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Die Flexibilität im dänischen Schulsystem hat aber nicht nur positive Seiten.<br />

Durch die Dezentralisierung im dänischen Schulsystem ist es je<strong>de</strong>r <strong>Schule</strong><br />

und je<strong>de</strong>r „kommune“ selbst überlassen, <strong>für</strong> eine ausreichen<strong>de</strong><br />

son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung zu sorgen. Die Schwerpunkte in diesem


127<br />

Bereich sind von „kommune“ zu „kommune“ und von <strong>Schule</strong> zu <strong>Schule</strong><br />

unterschiedlich, was dazu führt, dass das „specialun<strong>de</strong>rvisnings“- Angebot<br />

an <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Schule</strong>n und <strong>de</strong>n einzelnen „kommuner“ verschie<strong>de</strong>n ist.<br />

Erhält ein Kind an einer <strong>Schule</strong> „specialun<strong>de</strong>rvisning“ mit <strong>de</strong>r es gut<br />

zurechtkommt, ist diese optimale För<strong>de</strong>rung nicht gesichert, wenn die<br />

Familie in eine an<strong>de</strong>re „kommune“ umzieht.<br />

So erzählte mir z.B. ein Familienvater, dass seine Tochter an <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“ ihres früheren Wohnorts Sprachtherapie erhalten hätte und sie<br />

mit dieser För<strong>de</strong>rung sehr zufrie<strong>de</strong>n gewesen wären. Bei ihrem Umzug in<br />

die „kommune“ Gentofte hätten sie diese För<strong>de</strong>rung gerne beibehalten, doch<br />

statt<strong>de</strong>ssen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Eltern vorgeschlagen, ihre Tochter in die<br />

„specialklasser“ <strong>de</strong>s „Lille Tjoerngaard“ zu schicken, da sie dort am besten<br />

geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Es waren einige Anstrengungen <strong>de</strong>r Eltern von<br />

Nöten, die <strong>Schule</strong> und <strong>de</strong>n „PPR“ davon zu überzeugen, dass ihre Tochter<br />

am besten durch eine „Sprachtherapie“ geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> und nicht<br />

von <strong>de</strong>m Unterricht in „Lille Tjoerngaard“ profitieren wür<strong>de</strong>. Hierbei drängt<br />

sich dann auch <strong>de</strong>r Verdacht auf, dass <strong>für</strong> einige Projekte die SchülerInnen<br />

gesucht wer<strong>de</strong>n, anstatt ein Projekt <strong>für</strong> die SchülerInnen zu suchen.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Sache, die mir positiv aufgef<strong>alle</strong>n ist, ist die gute<br />

Personalsituation im „specialun<strong>de</strong>rvsining“. Die Klassen sind in <strong>de</strong>r Regel<br />

sehr klein (zwischen vier und acht SchülerInnen) und es sind meist<br />

min<strong>de</strong>stens zwei LehrerInnen in einer Klasse. Es besteht sogar in<br />

beson<strong>de</strong>ren Fällen die Möglichkeit, dass ein Schüler/ eine Schülerin <strong>für</strong><br />

einen begrenzten Zeitraum Einzelunterricht erhalten kann.<br />

Die gute Personalsituation kann aber nicht immer die meist nur<br />

unzureichen<strong>de</strong> Ausbildung eines Großteils <strong>de</strong>r LehrerInnen im<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ ausgleichen. Hier liegt meines Erachtens einer <strong>de</strong>r<br />

Schwachpunkte <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ in Dänemark. In <strong>de</strong>r Ausbildung<br />

zum „folkeskole“- Lehrer/ zur „folkeskole“- Lehrerin macht <strong>de</strong>r


128<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ nur einen kleinen, freiwilligen Teil aus. Ein Großteil<br />

<strong>de</strong>r „folkeskole“- LehrerInnen hat sich während <strong>de</strong>r Ausbildung nicht mit<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ beschäftigt. Trotz<strong>de</strong>m haben viele LehrerInnen, die<br />

im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ arbeiten nur die Ausbildung zur „folkeskole“-<br />

LehrerIn absolviert und keine Zusatzausbildung <strong>für</strong> <strong>de</strong>n<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“. Somit haben also viele LehrerInnen, die im<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ arbeiten sich nicht theoretisch mit <strong>de</strong>m<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ auseinan<strong>de</strong>rgesetzt.<br />

Etwas, was mir bei <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung verhaltensauffälliger SchülerInnen sehr<br />

gut gef<strong>alle</strong>n hat, war, dass versucht wird auch die Freizeit <strong>de</strong>r SchülerInnen<br />

zu gestalten. Oftmals sind zu diesem Zweck SozialpädagogInnen an <strong>de</strong>n<br />

<strong>Schule</strong>n eingestellt. Dabei wer<strong>de</strong>n die Bereiche Unterricht und<br />

sozialpädagogische Betreuung in <strong>de</strong>r Regel nicht strikt voneinan<strong>de</strong>r<br />

getrennt. In <strong>de</strong>n Unterricht fließen häufig sozialpädagogische Elemente mit<br />

ein. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n an vielen <strong>Schule</strong>n SozialpädagogInnen zur<br />

Unterstützung im Unterricht eingesetzt und umgekehrt arbeiten die<br />

LehrerInnen auch bei <strong>de</strong>r Freizeitbetreuung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r mit.<br />

Durch diese Vorgehensweise wird auf <strong>de</strong>r einen Seite die Zusammenarbeit<br />

<strong>de</strong>r MitarbeiterInnen untereinan<strong>de</strong>r verstärkt. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite besteht<br />

somit auch die Möglichkeit, das Kind in einem an<strong>de</strong>rem Zusammenhang<br />

kennenzulernen und einen intensiveren Kontakt aufzubauen.<br />

<strong>Eine</strong> gute Einrichtung ist nach meiner Auffassung auch <strong>de</strong>r „PPR“, <strong>de</strong>r eine<br />

Beraterfunktion übernimmt, die im <strong>de</strong>utschen System noch fehlt. Außer<strong>de</strong>m<br />

empfin<strong>de</strong> ich es als vorteilhaft, dass die Untersuchungen <strong>de</strong>r SchülerInnen,<br />

die „specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten sollen, von einer Institutionen<br />

übernommen wer<strong>de</strong>n, die sich außerhalb <strong>de</strong>s Systems <strong>Schule</strong> befin<strong>de</strong>t und<br />

dadurch eventuell einen objektiveren Blickwinkel hat. Da viele <strong>de</strong>r<br />

PsychologInnen <strong>de</strong>s „PPR“ früher LehrerInnen waren, ist trotz<strong>de</strong>m ein<br />

Bezug zum Schulalltag gesichert.


129<br />

Ein Problem <strong>de</strong>s „PPR“ ist <strong>alle</strong>rdings, dass er ein ziemlich breites<br />

Aufgabenfeld hat. Gera<strong>de</strong> in kleinen „kommuner“, die über ein<br />

verhältnismäßig kleines „PPR“- Büro verfügen, können einige <strong>de</strong>r Aufgaben<br />

nicht ausreichend erledigt wer<strong>de</strong>n. <strong>Eine</strong> Überlastung <strong>de</strong>s „PPR“ zeigt sich<br />

auch daran, dass die Wartezeiten auf eine Untersuchung eines Schülers/<br />

einer Schülerin ein halbes bis ein ganzes Jahr beträgt.<br />

Ein Grund <strong>für</strong> die Probleme, die <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ hat, ist<br />

sicherlich, dass im „specialun<strong>de</strong>rvisning“ seit Mitte <strong>de</strong>r achtziger Jahre<br />

finanzielle Kürzungen vorgenommen wor<strong>de</strong>n sind. Ein weiteres Problem ist<br />

sicherlich auch, dass durch die Bemühungen, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu<br />

schaffen, <strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“ hintenan gestellt wur<strong>de</strong>. Da in <strong>de</strong>r<br />

theoretischen Vorstellungeiner „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ <strong>de</strong>r Regelunterricht so weit<br />

ist, dass <strong>de</strong>r Bedarf an „specialun<strong>de</strong>rvisning“ zurückgehen wür<strong>de</strong>, wur<strong>de</strong>n<br />

mehr Energie in die Entwicklung <strong>de</strong>s Regelunterrichts gesteckt.<br />

Da die Umsetzung einer „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ in <strong>de</strong>r Praxis sich als schwieriger<br />

herausgestellt hat als erwartet, ist die Anzahl <strong>de</strong>r SchülerInnen die<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ erhalten nicht zurückgegangen und man steht jetzt<br />

vor <strong>de</strong>m Problem, diesen SchülerInnen ein angemessenes Angebot an<br />

„specialun<strong>de</strong>rvisning“ zu bieten. Dass dies v.a. von <strong>de</strong>n „kommuner“ nicht<br />

mehr in <strong>de</strong>m Umfang wie früher geleistet wer<strong>de</strong>n kann, erkennt man auch an<br />

<strong>de</strong>m Anstieg <strong>de</strong>s vom „amt“ bezahlten „vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning“.<br />

Mir ist bei <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Thema klar gewor<strong>de</strong>n, dass<br />

man das dänisch System <strong>de</strong>s „specialun<strong>de</strong>rvisning“ nicht einfach nach<br />

Deutschland übertragen kann. Die Grundlagen, die u.a. durch die<br />

Gesellschaft, die Größe <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s und das Schulsystem gegeben sind, sind<br />

zu unterschiedlich.


130<br />

Trotz<strong>de</strong>m kann man einiges aus <strong>de</strong>r Erfahrung <strong>de</strong>r DänInnen bei <strong>de</strong>m<br />

Versuch, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu schaffen, lernen. Ein Grund da<strong>für</strong>, dass<br />

die DänInnen <strong>de</strong>m Ziel, eine „<strong>Schule</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong>“ zu schaffen, so nah<br />

gekommen sind, liegt u.a. daran, dass sehr pragmatisch an dieses<br />

Unterfangen herangegangen wur<strong>de</strong>. Es war immer das Bewußtsein da<strong>für</strong> da,<br />

dass es nicht gelingen wür<strong>de</strong>, <strong>alle</strong> SchülerInnen in <strong>de</strong>n Regelunterricht zu<br />

integrieren. Es wur<strong>de</strong> aber trotz<strong>de</strong>m versucht, die Möglichkeiten zu<br />

schaffen, dass so viele SchülerInnen wie möglich integriert wer<strong>de</strong>n.<br />

Außer<strong>de</strong>m sollte darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass die Qualität <strong>de</strong>r<br />

son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung nicht unter <strong>de</strong>n Bemühungen SchülerInnen<br />

in <strong>de</strong>n Regelunterricht zu integrieren, lei<strong>de</strong>t. Dies ist nur möglich, wenn <strong>für</strong><br />

die Integration behin<strong>de</strong>rter SchülerInnen ausreichen<strong>de</strong> finanzielle Mittel zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Insgesamt gesehen habe ich von <strong>de</strong>r son<strong>de</strong>rpädagogischen För<strong>de</strong>rung in<br />

Dänemark ein positives Bild gewonnen. Ich mußte zwar feststellen, dass<br />

sich einige meiner positiven Vorurteile nicht bestätigten und dass auch in so<br />

unterschiedlichen Schulsystemen wie <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen und <strong>de</strong>m dänischen<br />

mit ähnlichen Problemen gekämpft wird. Trotz<strong>de</strong>m bin ich von <strong>de</strong>n vielen<br />

verschie<strong>de</strong>nen Möglichkeiten, die es in Dänemark zur son<strong>de</strong>rpädagogischen<br />

För<strong>de</strong>rung, auch von verhaltensauffälligen SchülerInnen, gibt, beeindruckt.<br />

Dies beeindruckt mich umso mehr vor <strong>de</strong>m Hintergrund, dass diese Vielfalt<br />

in einem Land existiert, in <strong>de</strong>m weniger Menschen leben als im Ruhrgebiet,<br />

wo ich aufgewachsen bin.


Literaturverzeichnis<br />

131<br />

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Kopenhagen 1999<br />

Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l.<br />

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• Krogh- Jespersen, Kirsten u.a.: Inspiration til<br />

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Kopenhagen 1998<br />

Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets Forlag,<br />

• Lan<strong>de</strong>szentrale <strong>für</strong> politische Bildung (Hrsg.): Dir Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r. 50<br />

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133<br />

• Nielsen, Bjarne: Perspektiver paa folkeskolens specialun<strong>de</strong>rvisning.<br />

In: Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog. Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l.<br />

Kopenhagen 1999<br />

• Nielsen, Bjarne: Specialun<strong>de</strong>rvisning for skoleelever. In:<br />

Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog.<br />

Kopenhagen 1999<br />

Gyl<strong>de</strong>ndalsk Boghan<strong>de</strong>l.<br />

• Nielsen, Bjarne: Specialun<strong>de</strong>rvisnings historie og udvikling. In:<br />

Tidsskriftet KVAN, Aarhus Dag- og Aftensseminarium. Aarhus<br />

2000<br />

• Ove Holm, Christine und Stelling, Irene: Politikerne har kig paa<br />

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• Persson, Grethe: Udvikling i observationsun<strong>de</strong>rvisning. In:<br />

Specialpaedagogik 6/99<br />

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Specialun<strong>de</strong>rvisningshaandbog.<br />

Kopenhagen 1999<br />

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1998<br />

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http://www.uvm.dk/eng/publications/laws/actonthe.htm<br />

• Un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: Elever <strong>de</strong>r forstyrrer un<strong>de</strong>rvisning for sig<br />

selv og andre i folkeskolen. Re<strong>de</strong>goerelsen til Folketinget.<br />

Un<strong>de</strong>rvisningsministeriets Forlag. Kopenhagen 1997<br />

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Mainstream School System. Kopenhagen 1995.<br />

http://www.uvm.dk/eng/7handicap/handicap.htm


134<br />

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• Un<strong>de</strong>rvisningsministeriet: The Folkeskole. Kopenhagen 1999,<br />

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• Winter- Jensen, Thyge: Dansk uddannelsespoolitik og reformarbej<strong>de</strong><br />

i 80´erneog 90´erne. Kopenhagen 1997


135


Glossar<br />

136<br />

almin<strong>de</strong>lig specialun<strong>de</strong>rvisning – allgemeiner „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

amt - Bezirk<br />

an<strong>de</strong>n specialpaedagogisk bistand – an<strong>de</strong>re spezialpädagogische Hilfe<br />

boernehaveklasse - Kin<strong>de</strong>rgartenklasse<br />

efterskole – Nachschule, Privatschule in Internatsform <strong>für</strong> 14 – 18-jährige<br />

SchülerInnen<br />

folkehoejskole – Volkshochschule<br />

folkelig - volkstümlich<br />

folkeskole – Volksschule, neunjährige Einheitsschule<br />

folkeskolens afgangsproeve – Abschlussprüfung <strong>de</strong>r „folkeskole“<br />

folkeskolens udvi<strong>de</strong><strong>de</strong> afgangsproeve – erweiterte Abschlussprüfung <strong>de</strong>r<br />

„folkeskole“<br />

folketing – dänisches Parlament<br />

fri skoler – freie <strong>Schule</strong>n, Privatschulen<br />

hyggelig – gemütlich<br />

hygge - Gemütlichkeit<br />

kommune - Gemein<strong>de</strong><br />

laererhoejskole - Lehrerhochschule<br />

observationsklasse – Beobachtungsklasse, Klasse <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen<br />

observationsskole – Beobachtungsschule, Internat <strong>für</strong> verhaltensauffällige<br />

SchülerInnen<br />

observationsun<strong>de</strong>rvisning – Beobachtungsunterricht, „specialun<strong>de</strong>rvisning“<br />

<strong>für</strong> verhaltensauffällige SchülerInnen<br />

PPR Psykologisk Paedagogisk Raadgivning – Pädagogisch Psychologische<br />

Beratung<br />

rummelig – weit


137<br />

seminarium/ seminarer – Hochschule zur „folkeskole“ –<br />

LehrerInnenausbildung<br />

sent udvikle<strong>de</strong> unge – spät entwickelte Jugendliche<br />

skole – <strong>Schule</strong><br />

skolebestyrelse – Schulgremium<br />

skolekommision - Schulgremium<br />

specialskole – Son<strong>de</strong>rschule<br />

specialun<strong>de</strong>rvisning – Spezialunterricht, son<strong>de</strong>rpädagogische För<strong>de</strong>rung<br />

stu<strong>de</strong>ntereksamen – dänisches Abitur<br />

uddannelse – Ausbildung<br />

un<strong>de</strong>rvisning – Unterricht<br />

Venstre – Links , liberale Partei in Dänemark<br />

vidtgaaen<strong>de</strong> specialun<strong>de</strong>rvisning – weitgehen<strong>de</strong>r „specialun<strong>de</strong>rvisning“


138<br />

Ich versichere, dass ich die schriftliche Hausarbeit – einschlißlich<br />

beigefügter Zeichnungen, Karteskizzen und Darstellungen – selbständig<br />

verfasst und keine an<strong>de</strong>ren als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel<br />

benutzt habe. Alle Stellen <strong>de</strong>r Arbeit, die <strong>de</strong>m Wortlaut o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Sinn nach<br />

an<strong>de</strong>ren Werken entnommen sind, habe ich in je<strong>de</strong>m Fall unter Angabe <strong>de</strong>r<br />

Quelle <strong>de</strong>utlich als Entlehnung kenntlich gemacht.

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