Januar - Anwaltsblatt
Januar - Anwaltsblatt
Januar - Anwaltsblatt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MN Aufsätze<br />
leichter und besser umorientieren können, als ein 28-jähriger<br />
Absolvent des zweiten Staatsexamens das kann, der<br />
dann erfährt, dass ihm nur der Weg in den Anwaltsberuf<br />
bleibt. Die Spartenausbildung hat also eine Nebenwirkung:<br />
nämlich die Reduzierung der Zulassungszahlen. Wäre dies<br />
die einzige Motivation für Reformen, wäre das in der Tat<br />
problematisch. Als Nebeneffekt ist sie aber gewollt und<br />
auch verfassungsrechtlich unproblematisch. 18<br />
4. Schutzwall um Rechtsanwälte?<br />
Der DAV ist der Berufsverband der Rechtsanwältinnen<br />
und Rechtsanwälte in Deutschland. Daher wirft man uns<br />
vor, dass das Anwaltsausbildungsmodell lediglich dem<br />
Schutz vor Konkurrenz des eigenen Berufsstandes dienen<br />
soll. 19 Das ist kurzsichtig und falsch. Erstes Ziel des Anwaltsausbildungsmodells<br />
ist die Sicherung und Verbesserung<br />
der Qualität der Juristenausbildung, damit die Anwaltschaft<br />
auf dem heftig umkämpften<br />
Rechtsberatungsmarkt bestehen kann. Wir wollen eine wirkliche<br />
Ausbildung unseres eigenen Nachwuchses zum Anwalt<br />
gewährleisten. Wir brauchen hoch qualifizierten Nachwuchs.<br />
Ca. 3.000 Berufsanfänger sind sehr willkommen.<br />
Die meisten Referendarinnen und Referendare werden weiterhin<br />
nur zum Schein durch die Anwaltsstage geschleust,<br />
ohne dass eine wirkliche Ausbildung stattfindet. In der Diskussion<br />
über die Ausbildungsbereitschaft der Anwaltschaft<br />
wird außerdem Folgendes übersehen: Die Leistungsbereitschaft<br />
der Referendare und die für eine nützliche Ausbildung<br />
in anwaltlicher Arbeit notwendige zeitliche Ausdehnung<br />
der einzelnen anwaltlichen Ausbildungsabschnitte<br />
machen die Ausbildungsanstrengungen für den ausbildenden<br />
Rechtsanwalt lohnend. Je mehr Zeit er in den Referendar<br />
investiert, je besser und damit je verwendbarer werden<br />
die Leistungen des Referendars. Gute Ausbildung zahlt sich<br />
aus. Dieser Gesichtspunkt macht im Rahmen eines anwaltlichen<br />
Ausbildungsganges die Ausbildung der Anwaltsreferendare<br />
für eine große Zahl der Anwälte attraktiv, während<br />
sie gegenwärtig unattraktiv ist.<br />
Was zu verhindern ist, ist minder qualifizierte Konkurrenz.<br />
Denn es gibt zwei einfache Argumente dafür, dass jeder<br />
Anwalt und die Anwaltschaft als Ganzes hoch qualifizierte<br />
Kolleginnen und Kollegen braucht: Einmal ein<br />
praktisches Argument: Es ist viel einfacher und im Ergebnis<br />
für alle Beteiligten befriedigender und letztlich gerechter,<br />
einen Rechtsstreit mit einem Kollegen auszutragen, der über<br />
hohe anwaltliche Kompetenz verfügt. Schlecht ist ein<br />
schlechter Anwalt auf der Gegenseite. Das zweite Argument<br />
gilt für unseren gesamten Berufsstand und damit für<br />
die Rechtspflege insgesamt: Wenn ein Mandant sich von einem<br />
Anwalt schlecht beraten fühlt, dann kann er zu einem<br />
anderen Anwalt gehen, von dem er sich besser qualifizierten<br />
Rechtsrat erhofft. Er kann sich aber auch dafür entscheiden,<br />
überhaupt keinen Anwalt mehr aufzusuchen. Wir wollen<br />
aber, dass Bürger mit ihren Rechtsproblemen zu uns<br />
Rechtsanwälten kommen. Daher ist es in unserem ureigens-<br />
18 So zuletzt Bericht Koordinierungsausschuss, S. 289.<br />
19 Besonders kritisch mit Hinweis auf mögliche Auswirkungen auf das Rechtsberatungsmonopol<br />
der Anwaltschaft Kilian, Die Europäisierung des Hochschulraumes,<br />
o. J., S. 20 f.<br />
20 So sehr deutlich Stähle, Mitteilungen der RAK München III/05, S. 1: „... Anwaltschaft<br />
zur Heranbildung ihres eigenen Nachwuchses nicht bereit und geeignet<br />
... .“<br />
21 So Bericht Koordinierungsausschuss, S. 291.<br />
4 AnwBl 1 / 2006<br />
ten Interesse, die Qualität der Dienstleistungen der Rechtsanwältinnen<br />
und Rechtsanwälte hoch zu halten, und zwar<br />
aller Rechtsanwälte.<br />
Daher müssen wir erreichen, dass wo Rechtsanwalt drauf<br />
steht, Rechtsanwalt drin sein muss – das eben gewährleistet<br />
das gegenwärtige System nicht.<br />
5. Überforderung der Anwaltschaft<br />
Ein letztes Gegenargument ist bedauerlicherweise auch<br />
aus der Anwaltschaft zu hören: Die Anwaltschaft könne aus<br />
eigener Kraft und mit eigenen Mitteln die Anwaltsausbildung<br />
nicht leisten, weil die Ausbildungskapazitäten in den<br />
Anwaltsbüros zu gering seien. 20 Diese Einschätzung halte<br />
ich für schlicht falsch. Schon im Rahmen der DAV-Anwaltausbildung<br />
– einem auf Freiwilligkeit aufbauenden Modell<br />
– können wir mehr als 1.000 qualifizierte Ausbildungsplätze<br />
anbieten. Und das in international ausgerichteten Großkanzleien<br />
wie in kleinen Anwaltsgemeinschaften oder bei Einzelanwälten.<br />
Die Befürchtung, erfahrene und gut qualifizierte<br />
Anwälte würden bereits aus zeitlichen Gründen nicht<br />
in der Lage sein, sich um die Ausbildung der angehenden<br />
Kolleginnen und Kollegen zu kümmern, es sei vielmehr zu<br />
erwarten, dass unerfahrene und gering qualifizierte Anwälte<br />
die Ausbildungslast übernähmen 21 , ist – gelinde gesagt – absurd<br />
und getragen von einer Unkenntnis der Marktmechanismen.<br />
Wir Anwälte wollen uns nicht aus unserer Verantwortung<br />
stehlen. Wir brauchen auch nicht den Staat, damit<br />
er uns Arbeit abnimmt, die eigentlich zu unseren Aufgaben<br />
gehört. Wir brauchen den Staat für die rechtswissenschaftliche<br />
Universitätsausbildung. Und wir brauchen den Staat,<br />
damit unsere angehenden Kolleginnen und Kollegen die Berufe<br />
im Staatsdienst kennen lernen können. Wir brauchen<br />
den Staat für die Staatsprüfung. Aber alles darüber hinaus<br />
können wir selbst leisten.<br />
VII. Schluss<br />
Die Anwaltsausbildung ist das Angebot der Anwaltschaft<br />
für eine notwendige Qualitätssteigerung und Qualitätssicherung<br />
anwaltlicher Rechtsberatung. Wir brauchen<br />
diese Qualitätssteigerung, um auf einem sich immer weiter<br />
ausdifferenzierenden Markt, der längst nicht mehr nur national<br />
ist, auch in Zukunft bestehen zu können. Eine gut<br />
funktionierende Anwaltschaft ist integraler Bestandteil eines<br />
gut funktionierenden Rechtsstaates.<br />
Gibt es eine Angst vor einer echten Anwaltsausbildung?<br />
Ich glaube das nicht. Angst wäre auch kein guter Ratgeber.<br />
Die gesamte Anwaltschaft und damit auch unsere Mandanten<br />
werden von der Anwaltsausbildung profitieren. Nur<br />
Qualität sichert den Berufsstand. Alles andere – Fort- und<br />
Weiterbildung – kommt danach.<br />
Hartmut Kilger, Tübingen<br />
Der Autor ist Rechtsanwalt und Präsident des<br />
Deutschen Anwaltvereins.